Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 04.04.2011; Aktenzeichen 1 O 23/11)

 

Tenor

Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 04.04.2011 - 1 O 23/11 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der vorbezeichnete Beschluss dahin abgeändert, dass der Streitwert auf insgesamt 70.780,- € festgesetzt wird.

Die Gegenvorstellung der Beklagten gegen den vorbezeichneten Beschluss bleibt unbeschieden.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beklagte erstrebt mit ihrer - nach Ablauf der Sechsmonatesfrist gemäß § 63 Abs. 2 S. 3 GKG eingegangenen - Beschwerde, hilfsweise im Wege der Gegenvorstellung, die Herabsetzung des durch das Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 04.04.2011 (Bl. 331 f) auf übereinstimmende Anregung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sowie des damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf insgesamt 113.500,39 € festgesetzten Streitwertes auf insgesamt lediglich 70.780,80 €. Im Hinblick auf die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Landgericht hatte in der angefochtenen Entscheidung jeweils die Streitwerte der Werklohnforderungen und diejenigen des Sicherheitsverlangens gemäß § 648 a BGB zusammen gerechnet. Die Beschwerdeführerin macht unter Hinweis auf die Rechtsprechung einiger Obergerichte geltend, eine Wertaddition habe zu unterbleiben, da hinsichtlich der Sicherheitsleistung kein gesondertes wirtschaftliches Interesse bestehe.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, die Beschwerde sei verspätet eingelegt, jedenfalls aber unbegründet, da zu Recht eine Addition der Streitwerte für die Sicherheitsleistungen und die Werklohnforderungen vorgenommen worden sei.

Der Gegenvorstellung sei kein Erfolg beschieden, weil sie ebenfalls außerhalb der Sechsmonatsfrist eingegangen sei; ihr fehle zudem das Rechtsschutzbedürfnis (Bl. 373). Im Übrigen sei sie wegen der zutreffenden Zusammenrechnung der Werte auch unbegründet.

II. 1) Auf ihren Antrag hin hatte das Beschwerdegericht (§ 68 Abs. 2 S. 2 GKG) der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) zu gewähren.

Der Antrag ist gemäß der vorbezeichneten Bestimmung statthaft. Er ist auch im Übrigen zulässig; denn der Wiedereinsetzungsantrag ist am 28.10.2011, d.h. innerhalb von zwei Wochen seit der am 19.10.2011 erfolgten Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 1 S. 1 ZPO), sowie unter Nachholung der versäumten Prozesshandlung (§ 236 Abs. 2 S. 2 ZPO), und mit Darlegung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen unter Beifügung einer eidesstattlichen Versicherung der Frau C... Sch... (Bl. 370) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (§ 236 Abs. 2 S. 1 ZPO) gestellt worden.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Die Beklagte hat glaubhaft gemacht, von ihrem vormaligen Prozessbevollmächtigten über die Möglichkeit einer Streitwertbeschwerde gemäß § 68 Abs. 1 GKG nicht informiert worden zu sein. Die Frage der Streitwertfestsetzung habe angesichts der mit Rechtsanwalt H... getroffenen Gebührenvereinbarung für sie erst nach Eingang des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts Bedeutung gewonnen. Erst im Rahmen des daraufhin geführten Telefonates habe er sie über die Möglichkeit einer Streitwertbeschwerde informiert. Die Beklagte war hiernach ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert; denn es wäre lebensfremd anzunehmen, dass sie, bei rechtzeitiger Information über die Beschwerdemöglichkeit diese nicht wahrgenommen hätte.

2) Die - hiernach zulässige - sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht durfte keine Addition der Streitwerte vornehmen.

Gemäß § 5 S. 1 ZPO werden mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammen gerechnet. Ob dies auch im Falle des Zusammentreffens eines auf Werklohnzahlung gerichteten Antrages mit einem auf eine Sicherheit gerichteten gilt, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung sowie in der Literatur umstritten (für eine Zusammenrechnung: OLG München - Beschl. v. 27.09.1999 - 28 W 2150/99 - Rn. 6; wie sämtliche folgenden Rechtsprechungszitate zit. nach Juris), OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.12.2008 - 5 W 48/08 -, Rn. 10, Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl. 2008, Rn. 313 sowie - unter Aufgabe der früheren Meinung - Ingenstau/Korbion/Joussen, Anhang 1, Rn. 121; gegen eine Zusammenrechnung: OLG Nürnberg, Beschl. vom 02.07.2003 - 6 W 19/03, Rn. 4, OLG Koblenz, Beschl. v. 12.02.2088 - 6 W 1/08, Rn. 11, OLG Stuttgart, Beschl. vom 10.09.2002 - 12 W 42/02, Rn. 3, KG, Beschl. v. 12.09.1997 - 4 W 1583/97; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., 2008, § 3 Rn. 16, Stichwort "Bauhandwerkersicherungshypothek"; Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., 2008, § 3, Rn. 24 "Bauhandwerkersicherungshypothek"). Allerdings beziehen sich die bislang veröffentlichten Entscheidungen ausschließlich auf das Zusa...

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