Verfahrensgang
AG Eberswalde (Entscheidung vom 27.10.2006; Aktenzeichen 3 F 342/06) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für die Klage in vollem Umfang bewilligt.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe nicht nur, wie vom Amtsgericht angenommen, teilweise, sondern in vollem Umfang zu bewilligen. Seine Klage bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
1.
Der Kläger begehrt Wegfall des titulierten Unterhalts ab Juni 2006. Die Beklagte ist am 19.5.2006 volljährig geworden. Mit Eintritt der Volljährigkeit ist grundsätzlich auch die Mutter der Beklagten barunterhaltspflichtig, § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Das Einkommen ihrer Mutter hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt. Deshalb ist im Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass er der Beklagten überhaupt keinen Unterhalt mehr schuldet.
Im Abänderungsverfahren nach § 323 ZPO trägt grundsätzlich der Abänderungskläger die Darlegungs- und Beweislast für eine wesentliche Veränderung der Umstände, die für die Unterhaltsfestsetzung im vorausgegangenen Verfahren maßgeblich waren (BGH, FamRZ 1987, 259; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6, Rz. 726). Vor diesem Hintergrund wird teilweise die Auffassung vertreten, dass der auf Abänderung klagende Unterhaltsschuldner bei Volljährigkeit des Kindes auch das Einkommen des anderen Elternteils zur Ermittlung der Haftungsanteile darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat (so OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 249; OLG Hamburg, FamRZ 1993, 1475; Wendl/Dose, a.a.O.). Nach der Gegenauffassung trägt das auf Abänderung in Anspruch genommene volljährige Kind die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Einkommens und damit des Haftungsanteils des nicht am Prozess beteiligten Elternteils, da es insoweit um die Aufrechterhaltung des Unterhaltsanspruchs geht (so Senat, FamRZ 2003, 48, 49; FamRZ 2004, 552, 553; KG, FamRZ 1989, 1206, 1207; FamRZ 1994, 765, 766; OLG Hamm, FamRZ 2000, 904; OLG Köln, FamRZ 2000, 1043 f.; Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rz. 451). Diese streitige Rechtsfrage darf im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten des Klägers beantwortet werden.
Soweit es bei der Frage, ob für das Begehren der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei hinreichende Erfolgsaussicht besteht, um die Rechtslage geht, reicht es aus, dass der Standpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar ist. Um die Chancengleichheit der bedürftigen und der bemittelten Partei zu wahren, dürfen schwierige Rechtsfragen nicht bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zu Lasten des Antragstellers entschieden werden. Denn auch der Bedürftige muss die Chance haben, die Frage obergerichtlich klären zu lassen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Sache von grundsätzlicher Bedeutung handelt, derentwegen die Revision oder die Rechtsbeschwerde zugelassen werden müsste (vgl. BVerfG, FamRZ 2002, 665; BGH, FamRZ 2003, 671; Senat, FamRZ 2000, 1033, 1035; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114, Rz. 21; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 257). So liegt der Fall hier. Die Frage der Darlegungs- und Beweislast in einem Fall der vorliegenden Art ist - soweit ersichtlich - vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden. Der für den Kläger günstige Rechtsstandpunkt, nämlich die Darlegungs- und Beweispflicht auf Seiten der Beklagten, ist zumindest vertretbar.
Nach alledem ist dem Kläger Prozesskostenhilfe in vollem Umfang deshalb zu bewilligen, weil zu seinen Gunsten nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Mutter der Beklagten über ein so hohes Einkommen verfügt, dass eine Barunterhaltspflicht des Klägers insgesamt entfällt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger sich durch Vergleich vom 11.7.2000 auch zur Zahlung von Ehegattenunterhalt gegenüber der Mutter der Beklagten verpflichtet hat. Denn nur auf Grund einer Unterhaltsbedürftigkeit der Mutter der Beklagten im Jahr 2000 lassen sich Erkenntnisse über ihr gegenwärtiges Einkommen nicht gewinnen.
2.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
a)
Die Frage, ob die volljährige Beklagte, die behindert ist und eine Förderschule besucht, zum Kreis der so genannten privilegierten Volljährigen gehört, ob sie sich also noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet, ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht eindeutig zu Gunsten der Beklagten zu beantworten. Vielmehr bedarf es hierzu weiterer Feststellungen.
Die allgemeine Schulausbildung setzt insbesondere den Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule voraus, also jedenfalls den Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss bzw. die fachgebundene oder die allgemeine...