Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderungsklage nach vorausgehendem Anerkenntnisurteil. Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsschuldners. Fortsetzung der Einkommensfiktion

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es besteht kein sachlicher Grund, den Unterhaltsschuldner hinsichtlich der Abänderbarkeit eines Anerkenntnisurteils anders zu stellen als bei einem Versäumnisurteil.

2. Liegt der Erstverurteilung eine fiktive Einkommenszurechnung infolge einer Erwerbsobliegenheitsverletzung zugrunde, ist eine geänderte Beurteilung insbesondere dann geboten, wenn der Unterhaltsschuldner nachträglich die von der Rechtsprechung im Hinblick auf § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB aufgestellten strengen Anforderungen an eine intensive Arbeitssuche erfüllt und sich hierbei herausstellt, dass er die ihm im Rahmen des Anerkenntnisurteils fiktiv zugerechneten Einkünfte unter keinen Umständen mehr erzielen kann.

3. Kann der Unterhaltsschuldner die Erfüllung seiner Obliegenheit nicht nachweisen, ist eine Fortsetzung der Fiktion des Einkommens geboten.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1603

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Urteil vom 20.05.2003; Aktenzeichen 2 F 235/02)

 

Nachgehend

Brandenburgisches OLG (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen 10 UF 144/03)

BGH (Urteil vom 04.07.2007; Aktenzeichen XII ZR 251/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG Strausberg vom 20.5.2003 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:

In Abänderung des Anerkenntnisurteils des AG Eberswalde vom 12.3.1999 - 3 F 141/98 - wird der Kläger verurteilt, an die Beklagten zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. jeweils

  • 124,50 EUR vom 6.5.2002 bis zum 6.8.2003,
  • 92 EUR vom 7.8.2003 bis zum 30.6.2005 und
  • 35,1 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe gem. § 2 Regelbetrag-Verordnung ab 1.7.2005

zu zahlen, den zukünftigen im Voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats.

Im Übrigen wird die Abänderungsklage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten zu 72 % und dem Kläger zu 28 % zur Last.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden den Beklagten zu 45 % und dem Kläger zu 55 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten im Rahmen einer Abänderungsklage über Kindesunterhalt ab 6.5.2002.

Der am ... 1957 geborene Kläger ist der Vater der beiden beklagten Kinder S., geb. am ... 1989, und R., geb. am ... 1990, die aus seiner geschiedenen Ehe mit deren Mutter hervorgegangen sind. Die Beklagten leben im Haushalt ihrer am ... 1970 geborenen Mutter, die als Verkäuferin arbeitet und wieder verheiratet ist.

Der Kläger hat nach dem Besuch einer 6-Klassen-Sonderschule den Beruf des Maurers erlernt und seine Ausbildung als Teilfacharbeiter 1972 erfolgreich abgeschlossen. Er hat sodann in diesem Beruf bis etwa 1997 gearbeitet. Nachdem er krank geworden war, wurde er entlassen und hat seit dieser Zeit im Wesentlichen nicht mehr gearbeitet. Während der kurzen Unterbrechung seiner Arbeitslosigkeit war der Kläger als Melker bzw. Hausmeister tätig.

Seit 1996 lebt der Kläger mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammen, mit der er am .... 2003 nach Bayern umgezogen ist. Er bezieht Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 15.8.2002 wurde dem Kläger ein Grad der Behinderung von 30 % bescheinigt.

Durch Anerkenntnisurteil des AG Eberswalde vom 12.3.1999 ist der Kläger verurteilt worden, an die Beklagten einen Kindesunterhalt von zuletzt monatlich je 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes von 125 DM zu zahlen.

Mit der vorliegenden Abänderungsklage hat der Kläger den Wegfall dieser Unterhaltsverpflichtung geltend gemacht. Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und den geschuldeten Kindesunterhalt ab dem 6.5.2002 auf monatlich 67 EUR (Zahlbetrag) pro Kind herabgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich seit Erlass des Anerkenntnisurteils erheblich verschlechtert. Ihm sei daher nur noch ein fiktives Monatsnetto von 909 EUR zuzurechnen, wie er es mit einer Hausmeistertätigkeit tatsächlich vorübergehend auch verdient habe. Dieses Einkommen erlaube ihm ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts nur noch eine Zahlung von 67 EUR pro Kind und Monat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die die Aufrechterhaltung des Anerkenntnisurteils begehren. Zur Begründung machen sie insb. geltend:

Es fehle an einem Abänderungsgrund, vor allem habe sich der Gesundheitszustand des Klägers seit Erlass des Anerkenntnisurteils nicht verschlechtert. Zumindest hätte das AG im Hinblick auf ihr Bestreiten über diese Frage Beweis erheben müssen. Ferner habe sich der Kläger nicht hinreichend um Arbeit bemüht, sodass er sich ein fiktives Einkommen von min...

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