Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 01.06.2021, Az. 13 O 232/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadenersatz wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen in Anspruch.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 24.06.2016 vom Autohaus L... in R... den streitgegenständlichen gebrauchten BMW 420d Coupe mit einer Laufleistung von 13.500 km zu einem Kaufpreis von 33.300 EUR brutto. Die Erstzulassung datiert vom 12.08.2013. Einen Teil des Kaufpreises finanzierte der Kläger mit einem Darlehen bei der BMW Bank GmbH, in dessen Umsetzung das Fahrzeug an die finanzierende Bank sicherungsübereignet wurde. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter und entwickelter Dieselmotor des Typs N47 (Applikation N47D20O1) mit der Schadstoffklasse Euro 6 und mit einer Leistung von 135 kW verbaut. Dieser ist von einem amtlichen Rückruf nicht betroffen. Zur Reduktion der Stickstoffemissionen verfügt der Motor über eine Abgasrückführung und einen NOx-Speicherkatalysator (aber nicht über einen SCR-Katalysator).

Mit Schreiben vom 16.07.2020 machte der Kläger Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten geltend und verlangte die Zahlung von rund 25.000 EUR (zzgl. Zinsen) Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs bis zum 30.07.2020.

Der Kilometerstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz betrug 91.813 km.

Der Kläger hat behauptet, dass in Fahrversuchen der Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) im realen Straßenverkehr bei dem Motortyp N47 im Mittel höhere NOx-Werte gemessen worden seien, als in dem für die Schadstoffklasse maßgeblichen Standardmessverfahren. Daraus schließt der Kläger auf das Vorhandensein mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung, durch die die Abgasrückführung (ganz oder teilweise) gezielt inaktiviert werde. So existiere ein Thermofenster, wodurch die Abgasreinigung nur in einem Temperaturbereich von + 20 bis + 30 Grad Celsius richtig funktioniere. In diesem Bereich werde zu dem das Additiv "AdBlue" vermehrt zugegeben sowie die Betriebstemperatur des SCR-Katalysators erhöht. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasrückführung dagegen iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Nur unter den Bedingungen auf dem Prüfstand funktioniere die Abgasreinigung optimal. Unter anderen (realen) Bedingungen werde das Abgasrückführungsventil dagegen komplett geschlossen. Dementsprechend sei die elektronische Fehlerdiagnose des Fahrzeugs so verändert worden, dass die (gezielte) Abschaltung der Abgasrückführung nicht als Fehler ausgegeben werde.

Diese Abschalteinrichtungen verstießen gegen die relevante Abgasnorm (VO 715/2007 EG), insbesondere sei der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 der VO nicht einschlägig. Der Vorstand der Beklagten habe diesen Verstoß bewusst aus Kostengründen in Kauf genommen, weil die Abgasgrenzwerte andernfalls nur mit höherem technischen und wirtschaftlichen Aufwand einzuhalten gewesen wären. Die Beklagte habe das Vorhandensein dieser Abschalteinrichtungen den zuständigen Behörden im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens bewusst verschwiegen.

Der Kläger sei davon ausgegangen, ein wertstabiles und technisch einwandfreies Fahrzeug zu erwerben, welches die gesetzlichen Schadstoffwerte einhalte. Dabei seien ihm Sparsamkeit, Umweltfreundlichkeit und der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs besonders wichtig gewesen. Bei Kenntnis der zahlreichen Manipulationen hätte er vom Kauf dieses Fahrzeugs Abstand genommen.

Der Kläger hat als Schadenersatz den Kaufpreis abzüglich von Gebrauchsvorteilen unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km sowie Deliktszinsen verlangt. Erstinstanzlich hat er beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.200,62 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.07.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW vom Typ BMW 420d, FIN W...;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.415,58 EUR Deliktszinsen zu bezahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des in Antrag 1. genannten Fahrzeugs;

3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag 1. genannten Fahrzeuges seit dem 16.07.2020 in Verzug befindet;

4. die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.698,13 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen bestrit...

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