Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 29.06.2007; Aktenzeichen 17 O 217/06) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 29. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B... GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Er nimmt den Beklagten auf die Rückgewähr von Lohn- und Umsatzsteuerzahlungen in Anspruch, die die Schuldnerin in der Zeit ab Januar 2003 bis August 2004 leistete.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.733.549,60 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 10.12.2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 29.6.2007 den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch aus §§ 133, 143 InsO bestehe. Die unstreitigen Zahlungen in Höhe der Klageforderung seien Rechtshandlungen der Schuldnerin in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag. Die Schuldnerin habe mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, wovon der Beklagte Kenntnis gehabt habe. Sie sei bereits 2000 in eine Liquiditätskrise geraten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht behoben worden sei; das sei aus den zu den Akten gereichten Urkunden zu ersehen. Das für den Beklagten handelnde Finanzamt habe Kenntnis von ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten gehabt. Das gehe bereits daraus hervor, dass die Schuldnerin fällige Lohn- und Umsatzsteuerzahlungen durchweg erst nach Mahnungen geleistet habe. Eine gesicherte Kenntnis von der Krise der Schuldnerin habe das Finanzamt durch ihr Schreiben vom 19.12.2002 erlangt; aus dem Schreiben des Finanzamts vom 9.1.2003 sei zu ersehen, dass es die Lage der Schuldnerin auch nicht anders eingeschätzt habe. Die Zahlungen der Schuldnerin seien gläubigerbenachteiligend, da sie aus Bankguthaben sowie ausdrücklich oder konkludent eingeräumten Kontokorrentkrediten geleistet worden seien; auch seien im Hinblick auf die zugunsten der Sparkasse ... bestehenden Sicherheiten die Gläubiger schlechter gestellt worden.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 9.7.2007 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am 6.8.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 10.10.2007 an diesem Tag begründet.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 29.6.2007 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.733.549,60 EUR aus §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO erkannt.
1.
Die Zahlungen sind Rechtshandlungen der Schuldnerin gemäß §§ 129 ff. InsO.
Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Er erfasst jedes rechtlich erhebliche Handeln, das heißt jede Willensbetätigung, die eine rechtliche Wirkung auslöst (BGH NJW 2004, 1660 f.; NJW-RR 2004, 983; HeidelbKomm./Kreft, InsO, 4. Aufl., § 129, Rn. 10; Münch-Komm./Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 129, Rn. 7). Das trifft auf Zahlungen des Schuldners, die - wie hier geschehen - auf bestehende Verbindlichkeiten erbracht werden, stets zu (vgl. BGH NJW-RR 2004, 983).
Etwas anderes folgt nicht aus dem Vorbringen des Klägers über das in Aussichtstellen von Vollstreckungshandlungen durch den Beklagten. Denn die Ankündigung einer Zwangsvollstreckung ändert nichts daran, dass der Schuldner - noch - in der Lage ist, über den geforderten Betrag nach eigenem Belieben zu verfügen und ihn, anstatt den Gläubiger zu befriedigen, selbst zu verbrauchen, Dritten zuzuwenden oder zu behalten und Insolvenzantrag zu stellen, weshalb eine darauf erbrachte Leistung nicht einem Vermögenszugriff im Wege der Zwangsvollstreckung gleichgesetzt werden kann und eine Rechtshandlung des Schuldners darstellt (BGH NJW 2005, 1121, 1123; 2003, 3347, 3348; HeidelbKomm./Kreft, a.a.O., § 129, Rn. 10). Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt erst dann nicht mehr vor, wenn er nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden (Senat ZinsO 2007, 40; BGH NJW 2005, 1121, 1123; OLG Frankfurt/Main OLGR 2006, 414, 415). Dafür ist hier nichts ersichtlich; es ist nicht dargetan, dass Vollziehungspersonen bei der Schuldnerin erschienen sind und jene darauf gezahlt hat.