Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam vom 18.05.2021, Az. 52 O 62/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

(abgekürzt nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO)

I. Der klagende Verein, ein Interessenverband von Online-Unternehmen, nimmt die Beklagte, die im Onlinehandel Lebens- und Genussmittel vertreibt, aus einer Unterlassungsvereinbarung auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte diese Vereinbarung wirksam angefochten hat, ob der Geltendmachung der Vertragsstrafe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen steht und ob die Bestimmung der geforderten Vertragsstrafe auf 3.000 EUR unangemessen ist.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes im Berufungsurteil wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die nach § 511 Abs. 1 ZPO statthafte Berufung des Klägers ist gemäß § 511 Abs. 2, §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Dem Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch zu, § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 1 BGB i.V.m. § 339 Satz 2 BGB.

a) Zwischen den Parteien ist eine Unterlassungsvereinbarung zustande gekommen.

Auf die klägerische Abmahnung vom 04.11.2019 (Anlage K3, Blatt 21 ff. d.A) gab die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 13.11.2019 (Anlage K1, Blatt 11 ff. d.A.) eine Unterlassungserklärung dahingehend ab, "es bei Vermeidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen ... Vertragsstrafe ... [unter anderem] zu unterlassen, ... im geschäftlichen Verkehr betreffend Genussmittel ... Angebote zu veröffentlichen und/oder unter Angabe von Preisen zu werben und/oder Angebote bzw. Preiswerbung zu unterhalten, ... bei denen es sich um Genussmittel und/oder Lebensmittel und um nach Gewicht von 10 Gramm und mehr angebotene und/oder beworbene Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden...".

Die Unterlassungserklärung nahm der Kläger mit Schreiben vom 20.11.2019 (Blatt 20 d.A.) an.

b) Die damit vereinbarte Vertragsstrafe ist verwirkt, § 339 Satz 2 BGB.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte am 24.06.2020 auf der Handelsplattform ... einen aromatisierten Zucker "6 × 100 g (6 × 25 Stück)" zum Preis von 20,99 EUR zuzüglich Versandkosten anbot, ohne den Grundpreis anzugeben. Die darin liegende Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsvereinbarung vom 13./20.11.2019 ist von der Beklagten verschuldet. Das Fehlen der Grundpreisangabe beruht unstreitig auf einem Versehen der Beklagten; diesbezüglich fällt ihr zumindest Fahrlässigkeit zur Last, § 276 Abs. 1, 2 BGB.

c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Vertragsstrafenforderung auch nicht durch die Anfechtung der Unterlassungsvereinbarung nach § 142 Abs. 1 BGB ihre Grundlage verloren.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die mit dem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 03.07.2020 (Anlage K5, Blatt 32 f. d.A.) - rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist nach § 124 Abs. 1 BGB - erklärte Anfechtung ausreichend begründet worden ist (allg. hierzu s. Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2021, § 143 BGB, Rn. 7 m.w.N.). Im Streitfall sind jedenfalls die Voraussetzungen der Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB nicht festzustellen.

Nach der Vorschrift kann eine Willenserklärung anfechten, wer zu ihrer Abgabe durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Für die hier allein in Betracht kommende Tatbestandsvariante der arglistigen Täuschung ist in objektiver Hinsicht erforderlich, dass durch Täuschung ein Irrtum des Erklärenden hervorgerufen bzw. aufrechterhalten und dadurch dessen Entschluss zur Willenserklärung beeinflusst worden ist (s. etwa BGH, Urteil vom 13.05.1957 - II ZR 56/56 - NJW 1957, 988). Der Getäuschte muss also durch die Täuschungshandlung in einen Irrtum versetzt und damit wiederum zur Abgabe der Willenserklärung "bestimmt" worden sein. Hierfür genügt Mitursächlichkeit, sodass die arglistig hervorgerufene Fehlvorstellung nicht das einzige die angefochtene Erklärung bestimmende Moment gewesen sein muss (vgl. Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2021, § 123 BGB, Rn. 24 m.w.N.). Auch ist es ausreichend, wenn die getäuschte Partei zwar mit einer Täuschung in einem bestimmten Umfang gerechnet hat, sich später aber herausstellt, dass die Täuschung wesentlich weiter g...

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