Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.07.2023; Aktenzeichen IX ZR 138/21)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 4. September 2019 abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Cottbus vom 13.02.2019 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten, die sie zu tragen hat.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger fordert als Insolvenzverwalter auf Grund insolvenzrechtlicher Anfechtung einen Betrag von der Beklagten, den sie aus einer ihr abgetretenen Forderung der Insolvenzschuldnerin erlangte.

Die Beklagte war die Hausbank der Insolvenzschuldnerin, die Anfang 2007 ihren Betrieb aufgenommen hatte. Die Schuldnerin beantragte Investitionszulagen. Die Beklagte gewährte ihr mehrere Darlehen. Ein bis zum 30. Dezember 2008 befristetes Darlehen über 900.000 Euro wurde als Kontokorrent zur Kontonr (X) geführt (Bl. 34 ff.). Die AGB der Beklagten waren einbezogen. Als besondere Vereinbarung wurde vermerkt: "Die Kreditlinie dient der Vorfinanzierung der Mehrwertsteuer und der Investitionszulage ..." (Bl. 36). Als Sicherheiten wurden vereinbart (Bl. 36): die Bestellung mehrerer Grundschulden, die Vereinbarung mehrerer Bürgschaften, die Abtretung zweier Lebensversicherungen, eine Globalabtretung aller Forderungen gegen Kunden der Schuldnerin und die Abtretung der Investitionszulage.

Die Schuldnerin stellte zwei Anträge auf Bewilligung von Investitionszulagen. Im ersten Antrag vom 13. Februar 2008 waren gebrauchte und daher nicht förderfähige Wirtschaftsgüter aufgenommen. Die Abtretung zeigten die Beklagte und die Schuldnerin dem Finanzamt mit dem dafür vorgesehenen, am 21. Februar 2008 unterzeichneten Formular an (Bl. 84 f.). Den abgetretenen Anspruch bezeichneten sie mit "Investitionszulage für Investition ... in ..." und den Grund der Abtretung mit "Sicherungsabtretung oder Kredittilgung Konto Nr. (X)" (Bl. 84). Das Finanzamt sollte auf das Konto der Schuldnerin bei der Beklagten mit dieser Nummer überweisen (Bl. 85). Eine Finanzbeamtin setzte auf die Abtretungsanzeige eine handschriftliche Notiz: Nach einer Rücksprache mit einem Steuerbüro betreffe die Abtretung den Zeitraum 702007. Die Schuldnerin stellte einen weiteren Antrag vom 26. März 2008, der den Mangel des ersten Antrages nicht mehr enthielt.

Mit Bescheid vom 11. November 2008 gewährte das Finanzamt auf Grund der Anträge vom Februar und März 2008 für das Kalenderjahr 2007 eine Investitionszulage von 513.734,58 Euro (Bl. 94) und überwies diesen Betrag auf das besagte Konto.

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde auf ihren Eigenantrag vom 26. Januar 2009 am 20. März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Verwalter bestellt.

Die Beklagte kündigte Ende Januar 2009 sämtliche Geschäftsverbindungen mit der Schuldnerin (Bl. 70). Dabei teilte sie der Schuldnerin mit, welche bisher geführten Konten sie in Abrechnungskonten mit anderen Nummern überführt hatte (Bl. 71). Mit einer Forderungsanmeldung vom 2. April 2009 (Bl. 29 ff.) meldete die Beklagte - neben anderem - eine Hauptforderung von 52.868,64 Euro zur Tabelle an, die sie mit "Konto (X1) (vormals (X))" bezeichnete. Dazu reichte sie mit der Anmeldung den schriftlich gefassten "Kontokorrentkredit" mit der letztgenannten Nummer ein (Bl. 34 ff.) und eine "Forderungsberechnung" mit der erstgenannten Nummer, die mit einer "Verrechnung nach VKG / 497 BGB" am 30. Januar 2009 begann (Bl. 37). In der Anmeldung gab sie an, die Schuldnerin habe ihr Sicherheiten bestellt, unter anderem die "Abtretung Einzelforderungen, Finanzamt .../Investitionszulage".

Der Kläger hat mit der Ende 2017 eingereichten Klage den vom Finanzamt gezahlten Betrag von der Beklagten zurückgefordert. Er hat die Verrechnung des Betrages auf dem Kontokorrentkonto für anfechtbar gehalten. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht ein Versäumnisurteil aufrechterhalten, mit dem es die Beklagte antragsgemäß verurteilt hatte. Die Beklagte habe die Zahlung des Finanzamtes nicht mit dem Kontokorrent verrechnen dürfen, weil ihr der Anspruch auf Zahlung der Investitionszulage nicht wirksam abgetreten worden sei. Die Abtretungsanzeige sei unwirksam, weil ihr nicht entnommen werden könne, um welchen abzutretenden Anspruch es sich handele und wann er entstanden sei. Die Ergänzung der Finanzbeamtin, die sie nach einer telephonischen Nachfrage hinzugesetzt habe, stamme nicht, wie es vorgeschrieben sei, von Zedent und Zessionar. Zudem sei nicht eine Sicherungsabtretung vereinbart worden, sondern eine - unwirksame - Abtretung erfüllungshalber, weil von vornherein ...

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