Verfahrensgang
LG Potsdam (Aktenzeichen 11 O 189/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28.12.2020, Az. 11 O 189/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 19.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschaltvorrichtungen in Anspruch.
Die Klägerin erwarb aufgrund eines Kaufvertrags vom 18.03.2016 von der ... & ... Automobile GmbH & Co.KG in ... einen BMW 116d EffDyn. Edition zu einem Kaufpreis von 19.490,00 EUR brutto. Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 6.800 km auf. Das Fahrzeug wurde erstmals am 16.02.2015 zugelassen. Ausweislich der Zulassungsbescheinigung datiert die EG-Typgenehmigung auf den 15.04.2014.
In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte und entwickelte Motor des Typs N47 (in der Applikation N47D16K1) der Schadstoffklasse Euro 5 mit einer Leistung von 85 kw verbaut, der von einem amtlichen Rückruf nicht betroffen ist. Der Motor und dessen Steuerung wurden von der Systemgenehmigungsbehörde National Standards Authority of Ireland (NSAI) vorab geprüft und zugelassen. Die Bescheinigung wurde dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Rahmen des Antrags auf Erteilung der Typengenehmigung vorgelegt und von ihm zugrunde gelegt.
In dem Motor wird der Stickoxidausstoß über eine Abgasrückführung minimiert. Dabei werden Abgase in den Verbrennungsraum zurückgeführt, was zu einer Abkühlung des Verbrennungsprozesses und dadurch zu einer verringerten Bildung von Stickoxiden führt. Andererseits steigt dadurch die Bildung von Rußpartikeln an und es kann zu Ablagerungen im Motor kommen. Eine zusätzliche Abgasnachbehandlung (etwa mittels NOx-Speicherkatalysator oder SCR-Katalysator) gibt es bei dem streitgegenständlichen Motor N47 nicht.
Im Zuge der Diskussion um die so genannte VW-Dieselabgasaffäre wurden vom Bundestag Untersuchungen auch bei Fahrzeugmodellen der Beklagten zum Vorliegen von Abschalteinrichtungen angeordnet, die jedoch offiziell zu keinem positiven Befund führten. Die deutsche Umwelthilfe (im Folgenden DUH) unternahm ab dem Jahre 2016 Fahrversuche auf einer Teststrecke mit verschiedenen Modellen. Die zu sogenannten RealDriveEmission (RDE) durchgeführten Fahrversuche im realen Straßenverkehr ergaben Stickstoffwerte, die im Mittel den für den Rollenstand maßgeblichen Wert der Schadstoffklassen Euro 5 und 6 überstiegen.
Mit Anwaltsschreiben vom 28.05.2020 forderte die Klägerin die Beklagte Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges zur Rückzahlung des Kaufpreises sowie Deliktszinsen bis zum 11.06.2020 auf.
Die Klägerin hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über diverse unzulässige Abschalteinrichtungen. Nur so lasse sich erklären, dass das Fahrzeug die Schadstoffgrenzwerte (NOx) der Euronorm 5 im realen Straßenbetrieb im Unterschied zu den Messergebnissen auf dem Prüfstand im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens massiv überschreite. Dies hätten insbesondere Messungen des Umweltbundesamtes sowie der Deutschen Umwelthilfe ergeben, wonach bei Fahrzeugen mit vergleichbaren Motoren der zulässige Grenzwert an NOx von 180 mg/km deutlich überschritten werde. Diese Messergebnisse seien auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar, da in den getesteten Fahrzeugen ebenfalls ein Motor der Beklagten des Typs N47 verbaut sei.
Das eingebaute Thermofenster bewirke, dass nur in einem Temperaturbereich von + 20 bis + 30 Grad Celsius die Emissionsstrategie zu 100 % funktioniere. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasreinigung iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Da diese Abschaltung von den Außentemperaturen abhänge, sei die Abschaltung in den kalten Monaten von November bis einschließlich Februar dauerhaft aktiv und eher die Regel als die Ausnahme.
Darüber hinaus erkenne die Motorsteuerungssoftware im Rahmen des sog. "Hard Cycle Beating" anhand diverser Parameter, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens befinde, nur in diesem Fall funktioniere die Abgasrückführung optimal; sofern sich das Fahrzeug im Normalbetrieb befinde, werde das Abgasrückführungsventil im Unterschied zum Betrieb auf dem Prüfstand komplett geschlossen und eine Abgasrückführung finde nicht mehr statt. Es liege ferner eine Fahrzykluserkennung vor, wodurch das Durchlaufen des NEFZ erkannt werde und die Abgasrückführung entsprechend aktiviert werde. Werde hingegen der NEFZ-Zyklus in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen, werde die Abgasrückführung reduziert, wie auch Tests des englischen "Department for Transport" gezeigt hätten. Ferner sei eine Standzeiterkennung implementiert: Stehe das Fahrzeug zur "Konditionierung" 6 Stunden oder länger in einer Umgebung...