Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin, ein Schießsportverband, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen Vorschriften des neuen Waffengesetzes. Gegen das In-Kraft-Treten der Vorschriften am 1. April 2003 begehrt sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
I.
1. Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), das in den hier interessierenden Teilen am 1. April 2003 in Kraft tritt, enthält eine Neufassung des Waffengesetzes (WaffG). § 15 Abs. 1 bis 4 WaffG regelt die Anerkennung überörtlicher Zusammenschlüsse schießsportlicher Vereine als Schießsportverband. Für Mitglieder eines Schießsportvereins, der in einem anerkannten Schießsportverband organisiert ist, begründen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und § 14 Abs. 2 Satz 1 WaffG Privilegien für den nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG erforderlichen Bedürfnisnachweis für den Umgang mit Schusswaffen und Munition. § 15 Abs. 7 Satz 1 WaffG führt eine behördliche Genehmigung für die in den Verbänden erlassenen Schießsportordnungen ein. Die Genehmigung ist Voraussetzung für die Anerkennung als Schießsportverband. § 15 Abs. 7 Satz 2 WaffG ermächtigt zum Erlass von Rechtsverordnungen insbesondere über die Anforderungen und Inhalte von Sportordnungen.
2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 9 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG durch § 15 Abs. 1 bis 4, Abs. 7 WaffG. Sie macht geltend, sie unterliege nunmehr einer staatlichen Anerkennungspflicht. Dadurch sei sie in der Ausübung ihres Vereinszwecks betroffen. Ihre Mitglieder kämen ohne die Anerkennung nicht in den Genuss des erleichterten Bedürfnisnachweises. Durch diesen Attraktivitätsverlust werde sie Mitglieder in erheblicher Zahl einbüßen. Sie werde außerdem sämtliche Einzelmitglieder verlieren, da das Bedürfnisnachweisprivileg voraussetze, dass die Mitgliedschaft von Einzelpersonen über einen Verein vermittelt sei.
Durch die Regelung über die Genehmigung von Schießsportordnungen sei sie in ihrer durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Organisationsautonomie verletzt. Sie müsse selbst entscheiden dürfen, nach welchen Wettkampfregeln und in welchen Disziplinen sie ihren Sport ausüben wolle. Nach den auf der Grundlage des § 15 Abs. 7 Satz 2 WaffG zu erwartenden Rechtsverordnungen solle das Schießen mit Dienst- und Gebrauchswaffen und Großkaliberwaffen zugunsten des Schießens mit kleinkalibrigen Präzisionssportwaffen zurückgedrängt werden. Für einen solchen Eingriff sei die Verordnungsermächtigung zu unbestimmt.
Mit der Anerkennungs- und der Genehmigungspflicht werde ein präventives Kontrollinstrumentarium etabliert, das den gebotenen verhältnismäßigen Ausgleich der einander gegenüberstehenden Interessen vermissen lasse. Die Genehmigungspflicht für Sportordnungen sei nicht geeignet, sowohl die Anerkennungs- als auch die Genehmigungspflicht seien nicht erforderlich. Die Verbände würden im Interesse einer Kontrolle der Sportler unzulässig instrumentalisiert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Sie wirft keine verfassungsrechtlichen Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen und noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 50, 290 ≪354≫; 84, 372 ≪378 f.≫) geklärt sind. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist teils unzulässig und im Übrigen unbegründet.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich unmittelbar gegen die Verordnungsermächtigung des § 15 Abs. 7 Satz 2 WaffG richtet. Insoweit hat die Beschwerdeführerin eine gegenwärtige und unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit nicht dargetan.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin ist nicht ersichtlich.
a) Die Beschwerdeführerin ist eine Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG. Das Grundrecht gewährt nicht nur Einzelpersonen, sondern auch den Vereinigungen selbst Schutz (vgl. BVerfGE 30, 227 ≪241≫; 84, 372 ≪378≫). Geschützt sind neben dem Recht auf Entstehen und Bestehen die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren der Willensbildung und die Führung der Geschäfte (vgl. BVerfGE 50, 290 ≪354≫; 80, 244 ≪253≫). Auch die spezifisch vereinsmäßige Tätigkeit ist geschützt (vgl. BVerfGE 30, 227 ≪241≫; 80, 244 ≪253≫). Allerdings sind der Vereinigungsfreiheit in dem nicht durch Art. 9 Abs. 2 GG erfassten Bereich Grenzen gesetzt. Dem Gesetzgeber darf es nicht verwehrt sein, der Betätigung des Vereins Schranken zu ziehen, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (vgl. BVerfGE 30, 227 ≪243≫). Auch die Vereinigungsfreiheit lediglich ausgestaltende Regelungen müssen sich jedoch am Schutzgut des Art. 9 Abs. 1 GG orientieren und einen Ausgleich zwischen diesem Gut und schutzbedürftigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit finden, der die zwingenden Voraussetzungen und Bedürfnisse freier Assoziation grundsätzlich wahrt (vgl. BVerfGE 50, 290 ≪355≫; 84, 372 ≪378 f.≫).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Beschwerdeführerin durch die angegriffenen Vorschriften in ihrer Vereinigungsfreiheit betroffen. Es handelt sich um Regelungen, die das Schießsportvereinswesen unter Gesichtspunkten der Gefahrenabwehr ausgestalten (§ 1 Abs. 1 WaffG). Zwar ist weder die Anerkennung noch die Genehmigung verpflichtend. Die Beschwerdeführerin hat jedoch hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie sich der behördlichen Kontrolle nur entziehen kann, wenn sie eine erhebliche Minderung ihrer Attraktivität für Mitglieder und angesichts der Konkurrenz anerkannter Verbände unter Umständen sogar eine mittelfristige Gefährdung ihres Bestandes überhaupt in Kauf nimmt. Durch die insofern faktisch etablierte Präventivkontrolle wird die Beschwerdeführerin in ihrer Vereinigungsfreiheit beeinträchtigt. Die angegriffenen Vorschriften sind jedoch im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das gilt zunächst für § 15 Abs. 1 bis 4 WaffG. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es, einer festgestellten missbräuchlichen Ausnutzung des bisher Mitgliedern beliebiger Schießsportvereine gewährten Bedürfnisnachweisprivilegs und damit einhergehenden erheblichen Defiziten für die öffentliche Sicherheit zu begegnen. Dazu soll das Privileg auf Mitglieder solcher Verbände beschränkt werden, die nach Größe und Organisation Gewähr für eine ordnungsgemäße Ausübung des Schießsports in ihren Mitgliedsvereinen bieten. Der Schusswaffenumgang soll auf ernsthafte und verantwortungsvolle Sportschützen beschränkt werden. Gruppierungen, die den Schießsport als Vorwand für Waffenbeschaffung missbrauchen, sollen zurückgedrängt werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BRDrucks 596/01, S. 90, 107, 120 f.). Diese Zielsetzung des Gesetzgebers ist legitim und wird in § 15 Abs. 1 bis 4 WaffG im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz umgesetzt.
Die Anerkennungsregelung ist zur Verfolgung dieses Zwecks geeignet und erforderlich. Eine bloße Meldepflicht mit Verbotstatbeständen wäre ein Kontrollinstrument, das für Vollzugsdefizite wesentlich anfälliger und insofern nicht gleich geeignet wäre. Wenn der Gesetzgeber hier eine Regelungstechnik für erforderlich gehalten hat, welche die Verbände angesichts sonst drohender faktischer Nachteile veranlasst, sich von sich aus um eine Anerkennung und um die Erfüllung der Anerkennungsvoraussetzungen zu bemühen, so hat er damit seinen Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 30, 250 ≪262 f.≫; 39, 1 ≪44≫; 88, 203 ≪262≫) nicht überschritten.
Der Gesetzgeber hat auch nicht die Grenzen eines angemessenen Ausgleichs zwischen dem in Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Freiheitsinteresse der Beschwerdeführerin und dem verfolgten Gefahrenabwehrinteresse überschritten. Die Anerkennungsregelung will das Schießsportvereins- und -verbandswesen durch präventive Kontrollmaßnahmen in mit den Belangen der Gefahrenabwehr vereinbare Bahnen lenken. Dazu dient die Verknüpfung von erleichtertem Bedürfnisnachweis für Sportschützen einerseits mit gewissen Anforderungen an den Verband, in dem der Schütze organisiert ist, andererseits. Angesichts der erheblichen Missbrauchsgefahren, die vom Schusswaffenumgang für die Allgemeinheit ausgehen, dient das Bedürfnisprinzip dazu, nicht mehr Waffen als unbedingt nötig in privaten Besitz gelangen zu lassen (vgl. Gesetzentwurf, a.a.O., S. 106 f.). Indem der Gesetzgeber dennoch für Sportschützen eine privilegierte Bedürfnisanerkennung vorsieht, nimmt er Rücksicht auf die Interessen des organisierten Schützensports. Indem er zugleich das Privileg auf solche Verbände beschränkt, die für eine ordnungsgemäße Ausübung des Schießsports durch ihre Mitglieder Gewähr bieten, erfüllt er seine Schutzpflicht gegenüber der Allgemeinheit, ohne der verbandlichen Betätigung nicht mehr den für einen effektiven Grundrechtsgebrauch erforderlichen Raum zu lassen.
Der Angemessenheit dieser Regelung lässt sich nicht entgegenhalten, dass damit die Vereine ungerechtfertigterweise für die Kontrolle ihrer Mitglieder in Anspruch genommen würden. Die Verwendung von Waffen dient in erster Linie dem Schutz der Rechtsordnung, für deren Verteidigung mit Waffengewalt der Staat ein Monopol hat. Wer Schusswaffen zu privaten Zwecken verwenden möchte, begründet eine erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit. Will ein Schießsportverein für seine Mitglieder das Privileg eines erleichterten Bedürfnisnachweises für den Umgang mit Waffen und Munition in Anspruch nehmen, so kann von ihm verlangt werden, dass er sich Anforderungen unterwirft, die der Missbrauchsgefahr begegnen und die mit dem Privileg verbundene Rücknahme der staatlichen Kontrolle verbandsintern kompensieren sollen.
Dass die dazu etablierten Anerkennungsvoraussetzungen unangemessen eng wären, ist nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin trägt insoweit Bedenken auch nur zu den Regelungen in § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WaffG vor, die indessen nicht schlechthin zwingend für eine Anerkennung der Beschwerdeführerin sind (§ 15 Abs. 2 WaffG). Dazu, dass und weshalb auch die in § 15 Abs. 2 WaffG geregelten Voraussetzungen unangemessen eng wären, legt die Beschwerdeführerin über ihre prinzipiellen Einwände gegen die präventive Kontrolle als solche hinaus nichts dar. Der Umstand, dass es sich im Fall des § 15 Abs. 2 WaffG nicht um eine gebundene, sondern um eine Ermessensentscheidung handelt, macht die Regelung nicht verfassungswidrig. Im Rahmen der Ermessensausübung kann und muss die Vereinigungsfreiheit der Beschwerdeführerin hinreichend berücksichtigt werden.
bb) Die gegen die Regelung des § 15 Abs. 7 Satz 1 WaffG über die behördliche Genehmigung von Schießsportordnungen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin greifen ebenfalls nicht durch. Dabei kann es sich hier nur um die Vereinbarkeit des mit der Vorschrift eingeführten präventiven Kontrollinstrumentariums als solches mit der Vereinigungsfreiheit der Beschwerdeführerin handeln. Soweit die Beschwerdeführerin absehen zu können meint, dass für einen Teil der unter ihren Mitgliedern gepflegten Schießsportdisziplinen aufgrund von zu § 15 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 WaffG zu erwartenden Rechtsverordnungen die Genehmigung nicht erteilt werden wird, hat sie, wie schon ausgeführt, ihre gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit nicht dargelegt.
Mit der Regelung über die Genehmigung von Sportordnungen und deren Verknüpfung mit der Anerkennungsfähigkeit eines Verbandes verschafft sich der Staat eine Kontrolle darüber, ob die Verbände in ihren Sportordnungen die vom Waffengesetz und dessen Verordnungen gesetzten Grenzen einhalten. Auch hier gilt, dass der Gesetzgeber angesichts der erheblichen, von Schusswaffen ausgehenden Missbrauchsgefahren und der unter dem bisherigen Waffenrecht festgestellten Missbrauchstendenzen eine für Vollzugsdefizite unanfällige Regelungstechnik für erforderlich halten durfte. Es ist ferner nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit dem Kontrollinstrument des § 15 Abs. 7 Satz 1 WaffG die Grenzen eines verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen dem durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Interesse der Beschwerdeführerin an einer autonomen Willensbildung über die Ausgestaltung der Ausübung des Vereinszwecks einerseits und dem Anspruch der Allgemeinheit auf Schutz vor den von Schusswaffen ausgehenden Gefahren andererseits überschritten hätte. Die Regelung respektiert die Verbandsautonomie, indem sie die Genehmigung auf die waffenrechtsrelevanten Teile der Sportordnungen beschränkt. Hinsichtlich dieser Teile können die Verbände einer behördlichen Präventivkontrolle unterworfen werden, ohne dass damit unangemessen in den Gewährleistungsbereich ihrer Vereinigungsfreiheit eingegriffen würde.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Da die Kammer die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos geworden (vgl. § 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 924060 |
NJW 2003, 3046 |
NVwZ 2003, 701 |
NVwZ 2003, 855 |
ZAP 2003, 511 |
DÖV 2003, 720 |
GewArch 2003, 241 |
JuS 2003, 1226 |
BayVBl. 2003, 593 |
DVBl. 2003, 1158 |
NPA 2003, 0 |
www.judicialis.de 2003 |