Tenor
Die Anträge werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden und zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Der Organstreit betrifft die Frage, ob die durch das Sechsundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (AbgG) vom 22. August 2005 (BGBl I S. 2482) getroffenen Neuregelungen über die Ausübung des Mandats des Bundestagsabgeordneten (§ 44 a Abs. 1 Abgeordnetengesetz – AbgG), über die Anzeige und Veröffentlichung von neben dem Mandat ausgeübten Tätigkeiten und erzielten Einkünften (§ 44 a Abs. 4 Satz 1, § 44 b AbgG i.V.m. § 1 und § 3 Verhaltensregeln – VR) einschließlich der insoweit vom Präsidenten des Deutschen Bundestages erlassenen Ausführungsbestimmungen – AB (Nrn. 3 und 8 AB) und der für den Fall der Nichtbeachtung vorgesehenen Sanktionen (§ 44 a Abs. 4 Sätze 2 bis 5, § 44 b Nr. 5 AbgG i.V.m. § 8 VR) mit dem verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 GG, hilfsweise mit den Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), vereinbar sind.
I.
1. a) Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (AbgG) vom 18. Februar 1977 (BGBl I S. 297) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 (BGBl I S. 326), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 27. Dezember 2004 (BGBl I S. 835), wurde durch Art. 1 des Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 22. August 2005 (BGBl I S. 2482) wie folgt geändert und neu gefasst:
Artikel 1
§ 44 a AbgG
Ausübung des Mandats
(1) Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages. Unbeschadet dieser Verpflichtung bleiben Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat grundsätzlich zulässig.
(2) Für die Ausübung des Mandats darf ein Mitglied des Bundestages keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile annehmen. Unzulässig ist insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird. Unzulässig ist ferner die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestages gewährt wird. Die Entgegennahme von Spenden bleibt unberührt.
(3) Nach Absatz 2 unzulässige Zuwendungen oder Vermögensvorteile oder ihr Gegenwert sind dem Haushalt des Bundes zuzuführen. Der Präsident macht den Anspruch durch Verwaltungsakt geltend, soweit der Erhalt der Zuwendung oder des Vermögensvorteils nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Der Anspruch wird durch einen Verlust der Mitgliedschaft im Bundestag nicht berührt. Das Nähere bestimmen die Verhaltensregeln nach § 44 b.
(4) Tätigkeiten vor Übernahme des Mandats sowie Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können, sind nach Maßgabe der Verhaltensregeln (§ 44 b) anzuzeigen und zu veröffentlichen. Werden anzeigepflichtige Tätigkeiten oder Einkünfte nicht angezeigt, kann das Präsidium ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festsetzen. Der Präsident macht das Ordnungsgeld durch Verwaltungsakt geltend. § 31 bleibt unberührt. Das Nähere bestimmen die Verhaltensregeln nach § 44 b.
§ 44 b AbgG
Verhaltensregeln
Der Bundestag gibt sich Verhaltensregeln, die insbesondere Bestimmungen enthalten müssen über
- die Fälle einer Pflicht zur Anzeige von Tätigkeiten vor der Mitgliedschaft im Bundestag sowie von Tätigkeiten neben dem Mandat;
- die Fälle einer Pflicht zur Anzeige der Art und Höhe der Einkünfte neben dem Mandat oberhalb festgelegter Mindestbeträge;
- die Pflicht zur Rechnungsführung und zur Anzeige von Spenden oberhalb festgelegter Mindestbeträge sowie Annahmeverbote und Ablieferungspflichten in den in den Verhaltensregeln näher bestimmten Fällen;
- die Veröffentlichung von Angaben im Amtlichen Handbuch und im Internet;
- das Verfahren sowie die Befugnisse und Pflichten des Präsidiums und des Präsidenten bei Entscheidungen nach § 44 a Abs. 3 und 4.
b) Gleichzeitig wurde § 50 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 22. März 2005 (BGBl I S. 837), durch Art. 2 des Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 22. August 2005 (BGBl I S. 2482 ≪2483≫) um folgende Nr. 5 ergänzt:
Artikel 2
§ 50 VwGO
Sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug
…
5. über Klagen gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach § 44 a des Abgeordnetengesetzes und der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages.
c) Hinsichtlich des In-Kraft-Tretens wurde durch Art. 3 des Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 22. August 2005 (BGBl I S. 2482 ≪2483≫) Folgendes bestimmt:
Artikel 3
In-Kraft-Treten
Dieses Gesetz tritt am Tag der ersten Sitzung des 16. Deutschen Bundestages in Kraft. (…)
2. a) Ferner wurden mit Beschluss des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 2005, Bekanntmachung vom 12. Juli 2005 (BGBl I S. 2512), die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Dezember 1986 (BGBl 1987 I S. 147), zuletzt geändert durch Beschluss vom 12. September 2002, Bekanntmachung vom 17. September 2002 (BGBl I S. 3759), neu gefasst. Sie lauten in den für die Entscheidung des vorliegenden Organstreits maßgeblichen Teilen wie folgt:
§ 1
Anzeigepflicht
(1) Ein Mitglied des Bundestages ist verpflichtet, dem Präsidenten aus der Zeit vor seiner Mitgliedschaft im Bundestag schriftlich anzuzeigen
- die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit;
- Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates oder eines sonstigen Gremiums einer Gesellschaft oder eines in einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmens;
- Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates oder eines sonstigen Gremiums einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts.
(2) Ein Mitglied des Bundestages ist zusätzlich verpflichtet, dem Präsidenten schriftlich die folgenden Tätigkeiten und Verträge, die während der Mitgliedschaft im Bundestag ausgeübt oder aufgenommen werden bzw. wirksam sind, anzuzeigen:
- entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat, die selbstständig oder im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses ausgeübt werden. Darunter fallen z. B. die Fortsetzung einer vor der Mitgliedschaft ausgeübten Berufstätigkeit sowie Beratungs-, Vertretungs-, Gutachter-, publizistische und Vortragstätigkeiten. Die Anzeigepflicht für die Erstattung von Gutachten, für publizistische und Vortragstätigkeiten entfällt, wenn die Höhe der jeweils vereinbarten Einkünfte den Betrag von 1000 Euro im Monat oder von 10000 Euro im Jahr nicht übersteigt;
- Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates oder sonstigen Gremiums einer Gesellschaft oder eines in einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmens;
- Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates oder eines sonstigen Gremiums einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts;
- Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes oder eines sonstigen leitenden oder beratenden Gremiums eines Vereins, Verbandes oder einer ähnlichen Organisation sowie einer Stiftung mit nicht ausschließlich lokaler Bedeutung;
- das Bestehen bzw. der Abschluss von Vereinbarungen, wonach dem Mitglied des Bundestages während oder nach Beendigung der Mitgliedschaft bestimmte Tätigkeiten übertragen oder Vermögensvorteile zugewendet werden sollen;
- Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften, wenn dadurch ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf ein Unternehmen begründet wird. Die Grenzen der Anzeigepflicht legt der Präsident in den gemäß Absatz 4 zu erlassenden Ausführungsbestimmungen fest.
(3) Bei einer Tätigkeit und einem Vertrag, die gemäß Absatz 2 Nr. 1 bis 5 anzeigepflichtig sind, ist auch die Höhe der jeweiligen Einkünfte anzugeben, wenn diese im Monat den Betrag von 1000 Euro oder im Jahr den Betrag von 10000 Euro übersteigen. Zu Grunde zu legen sind hierbei die für eine Tätigkeit zu zahlenden Bruttobeträge unter Einschluss von Entschädigungs-, Ausgleichs- und Sachleistungen.
(4) Der Präsident erlässt Ausführungsbestimmungen über Inhalt und Umfang der Anzeigepflicht, nachdem er dem Präsidium und den Fraktionsvorsitzenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
(5) Die Anzeigepflicht umfasst nicht die Mitteilung von Tatsachen über Dritte, für die der Abgeordnete gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten geltend machen kann. Der Präsident kann in diesen Fällen in den Ausführungsbestimmungen festlegen, dass die Anzeigepflicht so zu erfüllen ist, dass die in Satz 1 genannten Rechte nicht verletzt werden. Hierzu kann er insbesondere vorsehen, dass statt der Angaben zum Auftraggeber eine Branchenbezeichnung anzugeben ist.
(6) Anzeigen nach den Verhaltensregeln sind innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Erwerb der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag sowie nach Eintritt von Änderungen oder Ergänzungen während der Wahlperiode dem Präsidenten einzureichen.
§ 3
Veröffentlichung
Die Angaben gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 6 werden im Amtlichen Handbuch und auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages veröffentlicht. Die Angaben gemäß § 1 Abs. 3 über Einkünfte werden in der Form veröffentlicht, dass bezogen auf jeden einzelnen veröffentlichten Sachverhalt jeweils eine von drei Einkommensstufen ausgewiesen wird. Die Stufe 1 erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte einer Größenordnung von 1000 bis 3500 Euro, die Stufe 2 Einkünfte bis 7000 Euro und die Stufe 3 Einkünfte über 7000 Euro. Regelmäßige monatliche Einkünfte werden als solche gekennzeichnet. Werden innerhalb eines Kalenderjahres unregelmäßige Einkünfte zu einer Tätigkeit angezeigt, wird die Jahressumme gebildet und die Einkommensstufe mit der Jahreszahl veröffentlicht.
§ 8
Verfahren
(1) Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, holt der Präsident zunächst dessen Stellungnahme ein und leitet eine Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein. Er kann von dem betroffenen Mitglied ergänzende Auskünfte zur Erläuterung und Aufklärung des Sachverhalts verlangen und den Vorsitzenden der Fraktion, der dieses Mitglied angehört, um Stellungnahme bitten.
(2) Ergibt sich nach der Überzeugung des Präsidenten, dass ein minder schwerer Fall bzw. leichte Fahrlässigkeit vorliegt (z. B. Überschreitung von Anzeigefristen), wird das betreffende Mitglied ermahnt. Ansonsten teilt der Präsident das Ergebnis der Überprüfung dem Präsidium und den Vorsitzenden der Fraktionen mit. Das Präsidium stellt nach Anhörung des betroffenen Mitglieds fest, ob ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln vorliegt. Die Feststellung des Präsidiums, dass ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, wird unbeschadet weiterer Sanktionen nach § 44 a des Abgeordnetengesetzes als Drucksache veröffentlicht. Die Feststellung, dass eine Verletzung nicht vorliegt, wird auf Wunsch des Mitglieds des Bundestages veröffentlicht.
(3) Bestehen Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung gegen ein Mitglied des Präsidiums oder gegen einen Fraktionsvorsitzenden, nimmt das betroffene Mitglied des Bundestages an Sitzungen im Rahmen dieses Verfahrens nicht teil. Anstelle eines betroffenen Fraktionsvorsitzenden wird sein Stellvertreter gemäß Absatz 1 angehört und gemäß Absatz 2 unterrichtet. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Präsident seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, hat sein Stellvertreter nach den Vorschriften der Absätze 1 und 2 zu verfahren.
(4) Das Präsidium kann gegen das Mitglied des Bundestages, das seine Anzeigepflicht verletzt hat, nach erneuter Anhörung ein Ordnungsgeld festsetzen. Die Höhe des Ordnungsgeldes bemisst sich nach der Schwere des Einzelfalles und nach dem Grad des Verschuldens. Es kann bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festgesetzt werden. Der Präsident führt die Festsetzung aus. Auf Wunsch des betreffenden Mitglieds kann eine Ratenzahlung vereinbart werden. § 31 Satz 3 und 4 des Abgeordnetengesetzes gilt entsprechend.
(5) In Fällen des § 44 a Abs. 3 des Abgeordnetengesetzes leitet der Präsident nach Anhörung des betroffenen Mitglieds eine Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein. Dabei ist bei der Prüfung auf Vorliegen einer angemessenen Gegenleistung im Sinne des § 44 a Abs. 2 Satz 3 des Abgeordnetengesetzes auf die Verkehrsüblichkeit abzustellen; hilfsweise ist entscheidend, ob Leistung und Gegenleistung offensichtlich außer Verhältnis stehen. Maßnahmen nach diesem Absatz setzen voraus, dass der Erhalt der Zuwendung oder des Vermögensvorteils nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Der Präsident kann von dem Mitglied ergänzende Auskünfte zur Erläuterung und Aufklärung des Sachverhalts verlangen und den Vorsitzenden der Fraktion, der dieses Mitglied angehört, um Stellungnahme bitten. Ergibt sich nach der Überzeugung des Präsidenten, dass eine unzulässige Zuwendung nach § 44 a Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes vorliegt, teilt er das Ergebnis der Überprüfung dem Präsidium und den Vorsitzenden der Fraktionen mit. Das Präsidium stellt nach Anhörung des betroffenen Mitglieds fest, ob ein Verstoß gegen § 44 a Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes vorliegt. Der Präsident macht den Anspruch gemäß § 44 a Abs. 3 des Abgeordnetengesetzes im Wege eines Verwaltungsaktes geltend. Die Feststellung, dass ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten nach dem Abgeordnetengesetz verletzt hat, wird unbeschadet weiterer Sanktionen nach § 44 a des Abgeordnetengesetzes als Drucksache veröffentlicht. Die Feststellung, dass eine Verletzung nicht vorliegt, wird auf Wunsch des Mitglieds des Bundestages veröffentlicht. Absatz 3 gilt entsprechend.
b) Hinsichtlich des In-Kraft-Tretens der geänderten Regelungen wurde unter Nummer II. des Beschlusses vom 30. Juni 2005 Folgendes bestimmt:
Die Änderung der Geschäftsordnung tritt gleichzeitig mit dem In-Kraft-Treten des am … vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes in Kraft.
c) Die Verhaltensregeln sind Bestandteil der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Die insoweit maßgebliche Vorschrift lautet:
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
§ 18
Verhaltensregeln
Die vom Bundestag gemäß § 44 b des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) zu beschließenden Verhaltensregeln sind Bestandteil dieser Geschäftsordnung (Anlage 1).
3. Am 30. Dezember 2005 erließ der Präsident des Deutschen Bundestages auf der Grundlage des § 1 Abs. 4 VR Ausführungsbestimmungen (BGBl 2006 I S. 10). Diese haben – soweit hier von Bedeutung – folgenden Wortlaut:
(…)
Bei der Anzeige der vor der Mitgliedschaft ausgeübten Berufstätigkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verhaltensregeln sind bei unselbstständigen Tätigkeiten Angaben über den Arbeitgeber (Name und Sitz) sowie über die Art der Tätigkeit zu machen, bei selbstständigen Tätigkeiten als Gewerbetreibender sind die Art des Gewerbes sowie Name und Sitz der Firma, bei freien Berufen und sonstigen selbstständigen Berufen die genaue Bezeichnung des Berufs sowie Ort oder Sitz der Berufsausübung mitzuteilen.
Bei einer Anzeige vor der Mitgliedschaft ausgeübter Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie während der Mitgliedschaft ausgeübter Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 der Verhaltensregeln sind die Art der Tätigkeit sowie Name und Sitz des Vertragspartners, des Unternehmens oder der Organisation mitzuteilen.
Vertragspartner von Freiberuflern und Selbstständigen sind nur anzuzeigen, soweit die Brutto-Einkünfte aus einer oder mehreren Vertragsbeziehungen mit diesem Vertragspartner die in § 1 Abs. 3 Satz 1 der Verhaltensregeln genannten Beträge übersteigen.
Als Brutto-Einkünfte im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 der Verhaltensregeln gelten die Zuflüsse an Geld- und Sachleistungen.
Ist ein Mitglied des Bundestages nur auf Grund seiner Gesellschaftereigenschaft Vertragspartner geworden und der Vertrag ohne seine Mitwirkung zu Stande gekommen und wird die danach geschuldete Tätigkeit nicht auch von ihm persönlich ausgeübt, besteht in Bezug auf dieses Vertragsverhältnis keine Anzeigepflicht.
Die Verwaltung eigenen Vermögens ist keine Berufstätigkeit oder entgeltliche Tätigkeit im Sinne der Verhaltensregeln.
Parlamentarische Funktionen sind nicht anzeigepflichtig.
(…)
Bei der Anzeige von Vereinbarungen über die Übertragung einer bestimmten Tätigkeit bzw. über die Zuwendung eines Vermögensvorteils gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 der Verhaltensregeln ist der wesentliche Inhalt der Vereinbarung mitzuteilen.
Anzeigepflichtig gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 der Verhaltensregeln ist nur die Beteiligung an einer Gesellschaft, deren Zweck darauf gerichtet ist, ein Unternehmen zu betreiben. Ein Unternehmen in diesem Sinne ist eine auf Dauer angelegte organisatorische Einheit, in der mit Gewinnerzielungsabsicht Güter oder Dienstleistungen erstellt werden.
Eine Beteiligung an einer solchen Kapital- oder Personengesellschaft ist anzeigepflichtig, wenn dem Mitglied des Bundestages mehr als 25 Prozent der Stimmrechte zustehen.
Die Anzeige eines Mitgliedes des Bundestages, das ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht bzw. eine gesetzliche oder vertragliche Verschwiegenheitspflicht geltend machen kann, muss nicht die gemäß Nummer 3 dieser Ausführungsbestimmungen erforderlichen Angaben über den Vertragspartner bzw. Auftraggeber enthalten. Es genügen insoweit Angaben über die Art der Tätigkeit in dem einzelnen Vertrags- oder Mandatsverhältnis.
9. – 13. …
4. a) Zur Änderung und Neufassung von § 44 a und § 44 b AbgG einschließlich der Ergänzung des § 50 Abs. 1 VwGO wurde im allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt (vgl. Gesetzentwurf vom 14. Juni 2005, BTDrucks 15/5671, S. 1):
Um dem berechtigten Interesse der Bevölkerung nach mehr Transparenz im Parlament Rechnung zu tragen, sollen die Regeln über die Anzeige und Veröffentlichung von Tätigkeiten und Einkommen von Abgeordneten im Abgeordnetengesetz sowie die Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestages klarer gefasst und verschärft werden.
Die geltenden Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestages unterscheiden, was Beruf, sonstige Tätigkeiten sowie Einkommen angeht, zwischen Angaben, die nur dem Präsidenten gegenüber zu machen sind, und solchen, die im Amtlichen Handbuch und im Internet veröffentlicht werden. Angaben über Einkünfte werden zurzeit nicht veröffentlicht und sind dem Präsidenten gegenüber im Falle des Berufs i.S.d. Verhaltensregeln nicht, im Übrigen bei sonstigen Tätigkeiten grundsätzlich nur zu machen, wenn insgesamt ein bestimmter Mindestbetrag überschritten wird. Bei Verstößen gegen die Pflichten nach den Verhaltensregeln ist bisher nur die Veröffentlichung einer in einem bestimmten Verfahren getroffenen Feststellung des Präsidenten vorgesehen, dass ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten verletzt hat.
Gesetzlich soll nunmehr klargestellt werden, dass
- die Wahrnehmung des Amtes im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten steht,
- Abgeordnete außer Spenden keine Zuwendungen ohne entsprechende Gegenleistung entgegennehmen dürfen,
- die Anzeigepflichten gegenüber dem Bundestagspräsidenten insofern erweitert werden, als fortan die bisherige Unterscheidung von mandatsbegleitender Berufstätigkeit und Nebentätigkeit aufgehoben wird,
- die Angaben in pauschalierter Form veröffentlicht werden und
- ein Sanktionssystem in Form von Ordnungsgeldern vorgesehen wird.
Da die Regelungen teilweise gravierende Eingriffe in die Rechtsstellung des einzelnen Abgeordneten bedeuten, sind die Festlegungen überwiegend im Abgeordnetengesetz zu treffen.
b) Speziell zur Rechtfertigung der Neufassung des § 44 a Abs. 1 AbgG „Mittelpunktregelung”) heißt es in der Entwurfsbegründung (BTDrucks 15/5671, S. 4):
Der neu gefasste § 44 a stellt die Ausübung des Mandats in den Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten. Bereits im „Diätenurteil” des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1975 ist festgestellt worden, dass das parlamentarische Mandat auf Grund seiner Entwicklung quasi zu einem – wenn auch temporären – Beruf geworden ist. Die in den Mittelpunkt gerückte Mandatsausübung als Hauptbeschäftigung der Abgeordneten verdeutlicht die Wertigkeit der verfassungsrechtlichen Pflicht der Abgeordneten, die in der Vertretung des ganzen Volkes besteht. Die Ausübung von Tätigkeiten neben dem Mandat tritt damit in den Hintergrund.
Abgesehen von den im Gesetz geregelten Inkompatibilitäten bleiben Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat zulässig. So steht beispielsweise die Übernahme eines Regierungsamtes (Bundeskanzler, Bundesminister) einer Parlamentsmitgliedschaft nicht entgegen. Denn das Regierungsamt ist Teil des mit dem Mandat verbundenen öffentlichen Amtes eines Abgeordneten. Entsprechendes gilt für die Parlamentarischen Staatssekretäre. Die bisherige Staatspraxis ist überwiegend anerkannt und hat sich bewährt.
Auch die Wahrnehmung von parteipolitischen Aufgaben (Parteivorsitzender, Geschäftsführer, Generalsekretär) ist mit dem parlamentarischen Mandat kompatibel. Die von den Parteien aufgestellten Kandidaten werden durch Wahlen zu Mitgliedern des Parlaments, so dass sich aus der Natur der Sache Funktionsverschränkungen zwischen Partei und Parlament ergeben.
c) Die in § 44 a Abs. 4 AbgG enthaltenen Änderungen wurden wie folgt begründet (BTDrucks 15/5671, S. 4):
Absatz 4 Satz 1 stellt die gesetzliche Grundlage für eine Anzeige- und Veröffentlichungspflicht dar. Die Höhe der Nebeneinkünfte kann einen Hinweis darauf geben, ob der Abgeordnete in der Wahrnehmung des Mandats durch wirtschaftliche Abhängigkeiten beeinflusst wird. Um solchen Vermutungen über mögliche Mehrfachbelastungen und Interessenverflechtungen von Abgeordneten zu begegnen, sind die Regeln über die Veröffentlichung von Nebeneinkünften geschaffen worden. Bürgerinnen und Bürger erhalten damit hinreichende Informationen darüber, ob und wie der Abgeordnete den Wählerauftrag umsetzt. Mögliche Mutmaßungen über unzulässige Interessenverknüpfungen oder unzulässige Zuwendungen ohne Gegenleistung können damit ausgeräumt werden.
Die Transparenzregelungen haben auch präventive Wirkung, da ein Abgeordneter die Offenlegung einer Mandatsausübung, die auf Grund übermäßiger Nebentätigkeiten nicht im Mittelpunkt seiner Abgeordnetentätigkeit steht oder einer unzulässigen Einflussnahme auf Grund wirtschaftlicher Abhängigkeiten unterliegt, befürchten muss.
Der mit der Veröffentlichung einhergehende Grundrechtseingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Abgeordneten ist im Interesse der Sicherung der Unabhängigkeit des Mandats und zur Stärkung des Ansehens des Parlaments gerechtfertigt.
Nach Absatz 4 Satz 2 kann das Präsidium Ordnungsgelder verhängen. Das Ansehen des Parlaments und das seiner Repräsentanten gebietet es, dass die Verletzung von Offenlegungspflichten und das arbeitslose Einkommen sanktioniert werden. Es handelt sich um ein Sanktionierungssystem eigener Art. Klare, verbindliche und transparente Regeln für die Mitglieder des Bundestages stärken das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die parlamentarische Demokratie.
Die Sanktionierung findet ihre Grenze in der Beeinträchtigung der freien Mandatsausübung. Dem Abgeordneten müssen ausreichende finanzielle Mittel belassen werden, damit er seine Pflichten als Repräsentant des ganzen Volkes erfüllen kann.
d) Die gesetzliche Regelung betreffend die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts war nach dem Gesetzentwurf zunächst auf Klagen gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach § 44 a AbgG beschränkt. Im Laufe der Beratungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (erster Ausschuss) wurde die vorgesehene Zuständigkeit über Maßnahmen und Entscheidungen nach § 44 a AbgG hinaus auch auf solche nach den Verhaltensregeln erstreckt (vgl. BTDrucks 15/5846, S. 13).
5. Zur Änderung von § 1 VR wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (vgl. BTDrucks 15/5698, S. 4):
Die Berufstätigkeit war bislang nur als solche, nicht aber hinsichtlich einzelner Tätigkeiten anzeigepflichtig. Damit wurde das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, mögliche Interessenkonflikte transparent zu machen, in diesem Bereich nur eingeschränkt erreicht. Die vorgesehene Neuregelung unterscheidet nicht mehr zwischen Berufs- und Nebentätigkeit, sondern stellt primär auf die einzelne Tätigkeit ab.
Speziell zur zentralen Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 VR heißt es in der Begründung unter anderem (vgl. BTDrucks 15/5698, S. 4):
Die Änderung setzt zum einen das Anliegen um, die bisherige Unterscheidung zwischen Beruf und Nebentätigkeit aufzugeben und alle Tätigkeiten gleich zu behandeln.
Zur Änderung des § 1 Abs. 3 VR wurde Folgendes ausgeführt (vgl. BTDrucks 15/5698, S. 5):
Alle in § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Einkünfte sind nunmehr anzeigepflichtig. Dies gilt zum einen für jede einzelne Tätigkeit, die den Betrag von 1000 Euro im Monat übersteigt. Darüber hinaus greift die Anzeigepflicht ein, wenn aus einer fortlaufenden Tätigkeit (z.B. mehrere Beratungsvorgänge mit einem Auftraggeber) im Jahr mehr als 10000 Euro eingenommen werden. Maßgeblich sind hierbei die Bruttobeträge, da allein schon der Geldfluss selbst die Möglichkeit einer Einflussnahme begründen kann.
Die Änderung des § 3 VR wurde wie folgt begründet (vgl. BTDrucks 15/5698, S. 5):
Es werden nun zusätzlich alle unter § 1 Abs. 3 anzeigepflichtigen Angaben vom Präsidenten im Handbuch des Deutschen Bundestages sowie auf der Homepage des Deutschen Bundestages veröffentlicht. Der genaue Modus der Veröffentlichung ergibt sich aus den Ausführungsbestimmungen zu diesen Verhaltensregeln. Um zu vermeiden, dass durch die Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen einzelner Abgeordneter bzw. spezieller Berufe besondere Rechte verletzt werden, erfolgt die Angabe der Einkünfte in drei Stufen.
6. Am 30. Juni 2005 wurden Gesetzentwurf und Änderung der Verhaltensregeln in zweiter und dritter Lesung behandelt und mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen. Die Antragsteller stimmten den Neuregelungen nicht zu. Der Bundesrat beschloss in seiner 813. Sitzung am 8. Juli 2005, einen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen (vgl. BRDrucks 517/05). Gesetz und Beschluss traten am Tag der ersten Sitzung des 16. Deutschen Bundestages – am 18. Oktober 2005 – in Kraft (vgl. Bekanntmachung vom 18. Oktober 2005, BGBl I S. 3007).
7. Der Präsident des Deutschen Bundestages forderte mit Schreiben vom 9. Januar 2006 die Abgeordneten auf, ihre Angaben unter Verwendung des beigefügten Fragebogens bis spätestens zum 30. März 2006 vollständig vorzulegen.
8. Mit Vermerk vom 2. März 2006 hielt der Fachbereich Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages zu Einzelfragen und -problemen bei der Durchführung der Verhaltensregeln unter anderem Folgendes fest:
2. Vermeidung der Anzeigepflicht durch gesellschaftsrechtliche Gestaltung
a) Die Gesellschaft als (rechtsfähiger) Vertragspartner
Die Anzeigepflicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 VR beinhaltet grundsätzlich die Verpflichtung zur Anzeige einzelner Tätigkeiten und Verträge (Vertragspartner) sowie der hierbei jeweils erzielten Einkünfte.
Im Hinblick auf die in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung im Grundsatz anerkannte Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR/typische Rechtsform von Anwaltssozietäten) kann und muss, wie in den Fällen von Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) und Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG), anerkannt werden, dass die Pflicht zur Anzeige von Einkünften aus Vertragsverhältnissen mit Dritten dann nicht besteht, wenn diese Verträge mit Klienten oder Kunden von der insoweit rechtsfähigen Gesellschaft geschlossen werden.
b) „Entgeltliche Tätigkeit” ohne anzeigepflichtige Einkünfte?
In gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen wie der unter a) angesprochenen kann zusätzlich vereinbart sein, dass der Abgeordnete/Gesellschafter kein Gehalt von der Gesellschaft bezieht, sondern lediglich am Gesellschaftsgewinn beteiligt wird.
Diese Gestaltung hat nach der Systematik der VR wohl zur Folge, dass eine Anzeigepflicht bezüglich der Höhe und Herkunft von Einkünften im Ergebnis überhaupt nicht besteht. Denn § 1 Abs. 3 VR bezieht Einkünfte aus Gesellschaftsbeteiligungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 VR) nicht ein. In der Konsequenz kann man dann sogar eine in dieser Form etwa erbrachte Anwaltstätigkeit nicht einmal mehr als „entgeltliche Tätigkeit” bezeichnen, da diese Kategorie begrifflich mindestens ein „Entgelt” für eine geleistete Arbeit voraussetzt.
Diese Sachverhaltskonstellation wurde offenbar nicht gesehen. Ob es einer besonderen Regelung mit dem Ziel einer Erfassung auch dieser Gestaltung bedarf, soll hier offen bleiben.
Aus den unter a) und b) beschriebenen Gestaltungen ergibt sich jedenfalls eine unter dem Gesichtspunkt von Sinn und Zweck der Verhaltensregeln schwer vermittelbare Benachteiligung der Einzelkaufleute und Einzelanwälte.
9. Mit Schreiben vom 10. März 2006 wies der Präsident des Deutschen Bundestages die Abgeordneten darauf hin, dass die vom Deutschen Bundestag beschlossenen Regelungen unabhängig von den durch die Antragsteller eingereichten Klagen gelten. Gleichzeitig bat er, die Angaben – wie vorgesehen – bis spätestens 30. März 2006 einzureichen. Er beabsichtige, die Veröffentlichung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen.
II.
Die Antragsteller sind Mitglieder des 16. Deutschen Bundestages. Sie gehören der FDP-Fraktion (Antragsteller zu 1) bis 3), der SPD-Fraktion (Antragsteller zu 4) und der CDU/CSU-Fraktion (Antragsteller zu 5) bis 9) an.
1. a) Der Antragsteller zu 1) ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und mittelständischer Unternehmer. Er und sein Bruder halten jeweils 50 % der Anteile an der K. Holding GmbH mit Sitz in B. Diese hält ihrerseits zu je 100 % das Stammkapital an drei operativen Gesellschaften für die Bereiche Immobilien/Vermögensverwaltung, Vertrieb und Produktion, außerdem eine 50%ige Beteiligung an einem Unternehmen in L. An den Standorten in B. und L. werden jeweils rund 35 Mitarbeiter beschäftigt. Der Antragsteller zu 1) war bereits mehrere Jahre vor seiner Wahl in den Deutschen Bundestag (1990) als Geschäftsführer in der Unternehmensgruppe seiner Familie tätig. Heute bekleidet er unter anderem die Funktion des Geschäftsführers der Vertriebsgesellschaft. Aus diesem Aufgabenbereich bezieht er Bruttoeinkünfte, die im Grenzbereich der Stufen 2 und 3 der Verhaltensregeln liegen (§ 3 Satz 3 VR).
b) Die Antragstellerin zu 2) ist seit 1985 als selbstständige Rechtsanwältin tätig. Sie gehört dem Deutschen Bundestag seit dem Jahr 2002 an. Die Kanzlei führt sie in verringertem Umfang neben dem Mandat fort. Sie beschäftigt zwei Teilzeitmitarbeiter. Die Bruttoeinkünfte aus anwaltlicher Tätigkeit liegen in Stufe 1.
c) Der Antragsteller zu 3) ist selbstständiger Rechtsanwalt und Notar. Er gehört seit 1984 einer Außensozietät von Anwälten und Notaren, seit 2002 auch von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern, an. Die Sozietät ist im Innenverhältnis im Wesentlichen als Bürogemeinschaft von drei Partnern organisiert. Der Antragsteller ist einer dieser Partner, sieht sich jedoch als Einzelanwalt. Er beschäftigt eigene Angestellte, darunter drei Rechtsanwältinnen. Die Berufstätigkeit des Antragstellers, die er während seiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag (von 1990 bis 1994 und seit 1998) in jeweils zeitlich eingeschränktem Umfang fortgesetzt hat, besteht heute zu zwei Dritteln aus dem Notariat und zu einem Drittel aus der rechtlichen Beratung von Unternehmen und Einzelpersonen. Daneben bearbeiten seine nichtjuristischen Mitarbeiter eine größere Zahl von Inkassomandaten. Allein die Personalkosten des Antragstellers zu 3) liegen um ein Vielfaches über der für die Stufe 3 geltenden Jahresgrenze von 84000 Euro.
d) Der Antragsteller zu 4) ist seit 1968 als selbstständiger Rechtsanwalt zugelassen, seit 1978 ist er auch Notar. Er ist Partner einer von ihm mitbegründeten Sozietät. 1998 wurde er erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt. Gesellschaftsrechtlich ist er an der Sozietät nicht mehr beteiligt. Ein Gewinnanteil steht ihm nicht zu. Nach eigenen Angaben hat er seinen Zeitaufwand für die Arbeit als selbstständiger Rechtsanwalt und Notar so weit reduziert, wie dies durch die Wahrnehmung des Mandats gefordert ist. Die von ihm persönlich erzielten Bruttoeinkünfte aus anwaltlicher Tätigkeit liegen seit 2003 im Grenzbereich der Stufen 2 und 3. Er bezeichnet sich selbst als Einzelanwalt.
e) Der Antragsteller zu 5) ist seit seinem Ausscheiden aus dem richterlichen Dienst des Saarlandes 1986 als Rechtsanwalt tätig. Zunächst als Einzelanwalt zugelassen, ist er heute Partner einer internationalen Anwaltssozietät, die in Deutschland Niederlassungen in F., K. und B. unterhält. Seinen beruflichen Hauptsitz hat der Antragsteller heute in B. Dem Deutschen Bundestag gehört er seit 1994 ohne Unterbrechung an. Seine anwaltliche Tätigkeit hat er bis auf die Zeit von Februar 2000 bis September 2002, in der er das Amt des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekleidete, immer ausgeübt und sich dabei auf die Beratung und Prozessvertretung mittlerer und großer Unternehmen konzentriert. Der Deutschen Sektion seiner Sozietät gehören gegenwärtig etwa 90 Berufsträger an, der gesamten Sozietät mehr als 1400. Üblicherweise werden Mandate der ganzen Sozietät und damit grundsätzlich auch allen Partnern weltweit erteilt. Der Antragsteller selbst bearbeitet anwaltliche Mandate nahezu ausschließlich in Anwaltsteams gemeinsam mit mehreren Partnern und anwaltlichen Mitarbeitern. Darüber hinaus hat er eine Reihe von Aufsichtsrats- und Beiratsmandaten inne. Der Anwaltsberuf nimmt den Antragsteller mit etwas über die Hälfte seiner Arbeitszeit in Anspruch. In diesem verdient er mehr als mit dem Mandat.
f) Der Antragsteller zu 6) ist seit dem 1. Januar 1984 als selbstständiger Handelsvertreter für eine Versicherungsgesellschaft im Außendienst tätig. Aus seiner Berufstätigkeit erhält er Abschluss- und Bestandsprovisionen. Er beschäftigt eine Halbtagskraft und einen Auszubildenden im Innendienst sowie einen Angestellten im Außendienst. Dem Deutschen Bundestag gehört er seit 1994 an.
g) Der Antragsteller zu 7) ist als Rechtsanwalt zugelassen. Zusammen mit seiner Ehefrau betreibt er eine Kanzlei, die auf verschiedenen Rechtsgebieten tätig ist. Die Zahl der von ihm allein oder zusammen mit seiner Ehefrau bearbeiteten Mandate hängt von der jeweiligen Beanspruchung durch das Mandat ab. Er erzielt im Regelfall keine Einkünfte unmittelbar aus einzelnen Mandaten. Seine Einkünfte orientieren sich vielmehr grundsätzlich am Gewinn der Sozietät. Dem Deutschen Bundestag gehört er seit 1990 ununterbrochen, davor bereits von 1984 bis 1987 an.
h) Der Antragsteller zu 8) ist als Rechtsanwalt Mitglied einer Außensozietät mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Er ist überwiegend strafrechtlich tätig. In der Kanzlei besteht zwar ein Referatssystem, eine strenge Trennung der Sachbearbeitung erfolgt aber nicht. Teilweise werden Mandate wechselseitig bearbeitet. Dem Deutschen Bundestag gehört er seit 2002 an.
i) Der Antragsteller zu 9) ist seit 2003 als Rechtsanwalt zugelassen und als freier Mitarbeiter in einer Kanzlei tätig. Seine eingeschränkte anwaltliche Tätigkeit richtet sich auf die Akquise neuer Mandanten, Beratungsgespräche sowie die Teilbearbeitung von Fällen. Seine nur unregelmäßig anfallenden Einkünfte aus anwaltlicher Tätigkeit lagen in der Vergangenheit regelmäßig nicht oberhalb der Stufe 1. Dem Deutschen Bundestag gehört er seit 2002 an.
2. Die Antragsteller haben im Verfahren des Organstreits die aus dem Rubrum ersichtlichen Anträge gestellt. Die Anträge der Antragsteller zu 1) bis 5) gingen am 21. und 24. Februar 2006, die des Antragstellers zu 6) am 27. Februar 2006 und die der Antragsteller zu 7) bis 9) am 12. April 2006 beim Bundesverfassungsgericht ein. Mit Schriftsatz vom 18. April 2006, beim Bundesverfassungsgericht eingegangen am selben Tage, haben die Antragsteller zu 2) bis 4) den Antragsgegenstand um den aus Ziffer I. 5. des Rubrums ersichtlichen Inhalt erweitert.
3. a) Die Antragsteller zu 1) bis 5) erachten ihre Anträge für zulässig. Auf Grund der von beiden Antragsgegnern ergriffenen Maßnahmen seien sie in den ihnen durch das Grundgesetz übertragenen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 48 Abs. 2 GG verletzt und infolge der Aufforderung des Bundestagspräsidenten, die geforderten Angaben bis zum 30. März 2006 vorzulegen, auch unmittelbar gefährdet und damit antragsbefugt. Ihnen könne nicht zugemutet werden, durch einen bewussten Verstoß gegen die von ihnen als verfassungswidrig angesehenen Vorschriften des Abgeordnetengesetzes, der Verhaltensregeln und der Ausführungsbestimmungen den Sanktionsmechanismus des § 44 a Abs. 4 AbgG in Verbindung mit § 8 VR in Gang zu setzen, um sich gegen die ihnen dann drohenden Ordnungsgelder durch Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht zu wehren.
b) Die Antragsteller zu 7) bis 9) halten ihre Anträge ebenfalls für zulässig. Die Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG sei gewahrt. Hinsichtlich der in Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages aufgeführten Verhaltensregeln habe die Frist erst mit dem in der konstituierenden Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 18. Oktober 2005 gefassten Beschluss zur Übernahme der Geschäftsordnung zu laufen begonnen. Bezüglich der Ausführungsbestimmungen sei die Antragsfrist mit deren Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 30. Dezember 2005 in Lauf gesetzt worden. Beide Fristen seien mit Eingang der Anträge beim Bundesverfassungsgericht am 12. April 2006 eingehalten worden. Auch hinsichtlich des geänderten Abgeordnetengesetzes sei die Frist im Zeitpunkt des Antragseingangs noch nicht abgelaufen gewesen. Ein isolierter Angriff gegen die in § 44 a und § 44 b AbgG enthaltenen gesetzlichen Grundlagen sei zwar grundsätzlich nur bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Verkündung, hier also bis zum 26. Februar 2006, möglich gewesen. Da aber das Abgeordnetengesetz in Bezug auf die angegriffenen Regelungen erst durch das untergesetzliche Ausführungsrecht in seiner Bedeutung fassbar und anwendbar werde, sei auch hinsichtlich der einfach-gesetzlichen Grundlage der Neuregelung auf den 18. Oktober 2005 als Datum für den Beginn der Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG abzustellen.
4. a) Die Antragsteller zu 7) bis 9) sind der Ansicht, die Verhaltensregeln seien schon gar nicht wirksam in Kraft getreten. In der konstituierenden Sitzung des 16. Deutschen Bundestages habe der Präsident die Frage der „Weitergeltung des Geschäftsordnungsrechts” zur Abstimmung gebracht (Plenarprotokoll 16/1, S. 6). Dieser Abstimmungsvorgang stelle sich bei genauer Betrachtung als in sich widersprüchlich dar: Der alte Bundestag habe für den neuen wegen des Prinzips der sachlichen Diskontinuität keinerlei verbindliche geschäftsordnungsrechtliche Regelungen treffen können. Wenn der neue Bundestag – wie geschehen – nunmehr die „Weitergeltung” bestehenden (alten) Geschäftsordnungsrechts beschließe, so falle die auf den neuen Bundestag bezogene Novelle der Verhaltensregeln angesichts strenger rechtsstaatlicher Klarheitsanforderungen durch das Raster des Inkraftsetzungsbeschlusses.
b) Der Antragsteller zu 6) sieht sich in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 GG auch dadurch verletzt, dass der Gesetzgeber Rechtssetzungsbefugnisse auf den Deutschen Bundestag (§ 44 b AbgG) und den Bundestagspräsidenten (§ 1 Abs. 4 VR) delegiert habe. Die in § 44 b Nr. 2 AbgG gewählte Formulierung überlasse es allein den Verhaltensregeln und damit dem Deutschen Bundestag und seinem Präsidenten, in welchen Fällen für Einkünfte neben dem Mandat Anzeige- und Veröffentlichungspflichten vorgeschrieben würden.
5. a) Die Antragsteller zu 7) bis 9) sind der Meinung, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages im repräsentativ-parlamentarischen System des Grundgesetzes werde durch die angegriffenen Neuregelungen beeinträchtigt. Die volle Offenlegungspflicht hinsichtlich sämtlicher Einkünfte habe Auswirkungen auf die Bereitschaft von Menschen unterschiedlichster Berufsgruppen, sich um ein Mandat zu bewerben. Daraus resultierten mittelbar-faktische Rückwirkungen auf die vom Grundgesetz vorausgesetzte pluralistische Zusammensetzung des Deutschen Bundestages und seine Handlungsfähigkeit. Die Veröffentlichungspflichten und die daran gekoppelten Sanktionsmechanismen zielten nach der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 15/5671, S. 4) darauf ab, „präventive Wirkung” zu entfalten. Dies könne nur so verstanden werden, dass die personelle Zusammensetzung des Parlaments gesteuert werden solle. Der auf diese Weise eingeführte „gläserne Abgeordnete” komme in seinen tatsächlichen Auswirkungen einer partiellen Regelung zur verfassungsrechtlich unzulässigen wirtschaftlichen Inkompatibilität gleich und bewirke eine faktische Zugangssperre für Unternehmer, Freiberufler und sonstige Selbstständige.
b) Die Antragsteller zu 1) bis 5) sind der Auffassung, die in § 44 a Abs. 1 AbgG getroffene Regelung, nach der die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit des Abgeordneten stehe, greife ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung tief in die durch den Status der Freiheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) geprägte Rechtsstellung des Abgeordneten ein. Weder die Funktionsfähigkeit noch das Ansehen des Parlaments kämen als rechtfertigende Gründe in Betracht. Der Gesetzgeber wirke in den Kernbereich der Selbstdefinition parlamentarischer Tätigkeit ein, wenn er den Abgeordneten vorgebe, wie viel Zeit sie für ihr Mandat zu verwenden hätten. Die Regelung lasse jede praktische Konkordanz vermissen und bringe den Abgeordneten in ein beamtenrechtsartiges Disziplinarverhältnis gegenüber Präsidium und Präsident.
Die Antragsteller zu 7) bis 9) treten dem in der Sache bei, obwohl sie die „Mittelpunktregelung” des § 44 a Abs. 1 Satz 1 AbgG nicht unmittelbar, sondern lediglich in Verbindung mit den Verhaltensregeln angreifen. § 44 a Abs. 1 AbgG normiere erstmals in der Geschichte des Parlamentsrechts, wie der Abgeordnete sein Mandat auszuüben habe. Die Mandatsträger würden dadurch entgegen den verfassungsgerichtlichen Vorgaben Schritt für Schritt in ein beamtenähnliches Quasi-Dienstverhältnis überführt und das von der Verfassung vorausgesetzte liberal-freiheitliche Abgeordnetenbild werde durch obrigkeitsstaatliche paternalistische Vorstellungen überlagert und verformt. Der Abgeordnete schulde keine konkreten Dienste und werde dementsprechend auch nicht entlohnt. Die Regelung werfe darüber hinaus zahlreiche, letztlich unlösbare Abgrenzungsfragen hinsichtlich der verfassungsrechtlich allgemein für zulässig erachteten Kumulation von Abgeordnetenmandat und Regierungsamt und Abgeordnetenmandat und Parteiamt auf. Nur wenn die Festlegung des Mandats als Mittelpunkt der Tätigkeit keinerlei Auswirkungen habe, also in vollem Umfang im Bereich „symbolischer Gesetzgebung” verbleibe, könne sie verfassungsrechtlich akzeptiert werden. Die Festlegung sei damit entweder sinnlos oder aber verfassungswidrig.
c) Gemeinsam sind die Antragsteller weiter der Ansicht, dass mit den neuen Regelungen über Anzeigepflichten für Einkünfte aus Tätigkeiten neben dem Mandat – auch soweit es sich dabei lediglich um die Fortsetzung einer vor der Mitgliedschaft ausgeübten Berufstätigkeit oder deren Wiederaufnahme handele – ohne Rechtfertigung in den Status der Freiheit des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) eingegriffen werde.
aa) Nach Auffassung der Antragsteller zu 1) bis 5) gehen die in den Verhaltensregeln und den Ausführungsbestimmungen des Bundestagspräsidenten enthaltenen Regelungen über die zugleich ermächtigende wie begrenzende Norm des § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG hinaus und verstoßen damit gegen den Vorrang des Parlamentsgesetzes. Schon diese Durchbrechung der Bindung an das Parlamentsgesetz verletze den Rechtsstatus der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG begrenze alle Anzeigepflichten und Veröffentlichungsvorgaben auf Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen könnten. Eine solche für die Mandatsausübung bedeutsame Interessenverknüpfung liege jedoch im Fall der Antragsteller, die lediglich ihren schon vor der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag ausgeübten Beruf fortführten, grundsätzlich nicht vor.
bb) Nach Auffassung der Antragsteller zu 1) bis 6) verstoßen die in § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 VR und in den Nrn. 3 und 8 AB enthaltenen Regelungen auch gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Vorschriften ließen nicht erkennen, ob sich die Anzeigepflicht auf die gesamte – im Falle der Antragsteller zu 2), 3) und 5) anwaltliche – Tätigkeit beziehe oder ob die Abgeordneten gar einer Pflicht zur Anzeige ihrer Einkünfte hinsichtlich jedes einzelnen Mandates und jedes einzelnen Auftraggebers unterworfen seien.
cc) Die Antragsteller zu 7) bis 9) sehen sich durch die in § 1 Abs. 5 VR für den Fall gesetzlicher Zeugnisverweigerungsrechte und Verschwiegenheitspflichten (§ 43 a Abs. 2 BRAO; § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB; § 2 Abs. 1 BerufsO) dahingehend abgeschwächte Verpflichtung, dass statt des Auftraggebers (nur) eine „Branchenbezeichnung” anzugeben ist, in ihren Rechten als Rechtsanwälte verletzt. Die hierzu erlassene Nr. 8 AB verlange Angaben „über die Art der Tätigkeit in dem einzelnen Vertrags- oder Mandatsverhältnis” und umfasse damit zum Beispiel auch die Offenbarung des Tatbestandes einer Strafverteidigung. Das könne im Einzelfall unzumutbar sein, weil entsprechende Rückschlüsse auf den Mandanten nicht ausgeschlossen seien. Das von Verfassungs wegen unverzichtbare Vertrauensverhältnis werde dadurch verletzt. Der anwaltlichen Schweigepflicht könnten Grenzen nur durch Gesetz, nicht aber durch die Verhaltensregeln gezogen werden.
dd) Nicht mit dem Status der Freiheit des Abgeordneten zu vereinbaren sei im Übrigen auch § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG selbst. Diese Norm ermächtige nicht nur zu unbegrenzten Anzeige- und Veröffentlichungspflichten, sie sehe diese auch ausdrücklich als Regelfall „sind”) vor.
ee) Die Regelungen erschwerten die Übernahme und Ausübung des Abgeordnetenmandates und verletzten die Antragsteller damit auch in Art. 48 Abs. 2 GG. Die Vorschrift müsse im Wege einer Neuinterpretation als „allgemeines Benachteiligungsverbot” verstanden werden. Ein Festhalten an der „Absichtsformel” (BVerfGE 42, 312) führe zu ihrer Funktionslosigkeit. Ziel des Art. 48 Abs. 2 GG müsse es sein, diskriminierende Angriffe auf die beruflich-wirtschaftliche Basis des Mandatsträgers abzuwehren. Abgeordneten müsse auch während der Wahrnehmung des Mandats die Ausübung ihres Berufs gestattet bleiben, damit sie nach dem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag ohne Probleme in diesen zurückkehren könnten. Nur so könne gewährleistet werden, dass im Deutschen Bundestag ein Querschnitt aller Berufe vertreten sei. Soweit die Rechtsordnung ein Öffentlichkeitsgebot statuiere, diene dies dem Sichtbarmachen von politischen Entscheidungsprozessen, nicht aber der Einholung, Auskundschaftung oder Veröffentlichung personenbezogener Daten. Der Status der Öffentlichkeit erfordere keine Aufdeckung der Bezüge der Abgeordneten. Von dem für die politischen Parteien geltenden Transparenz- und Publizitätsgebot (Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG) unterscheide sich der vorliegende Fall dadurch, dass die verfassungsrechtliche Regelung des Abgeordnetenstatus keine expliziten Transparenzanforderungen kenne. Auch materiell bestünden gravierende Unterschiede. Die Transparenzanforderungen der Parteienfinanzierung beträfen eine vergleichsweise anonyme Organisation. Im Gegensatz hierzu sei der Abgeordnete als natürliche Person grundsätzlich anderen Bewertungsmaßstäben zu unterwerfen.
d) Auch die Veröffentlichungsvorgabe für Einkünfte nach dem Stufenmodell des § 3 Sätze 2 bis 5 VR greife ohne Rechtfertigung in den Status der Freiheit des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) ein.
aa) Die Auferlegung einer Veröffentlichungspflicht scheitere bereits an der formellen Schranke des Vorrangs des Parlamentsgesetzes. § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG beschränke Veröffentlichungsvorgaben in den Verhaltensregeln ausdrücklich auf Einkünfte, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen könnten. Diese Voraussetzungen seien aus den bereits im Zusammenhang mit der Anzeigepflicht dargelegten Gründen bei der Fortsetzung einer schon vor der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag ausgeübten Berufstätigkeit nicht gegeben.
bb) Dessen ungeachtet sei das in § 3 Sätze 2 bis 5 VR vorgesehene Stufenmodell auch materiell nicht zu rechtfertigen. Das in § 44 a Abs. 1 AbgG neu normierte Bild vom Abgeordnetenmandat tauge für eine Rechtfertigung schon deshalb nicht, weil es in der entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG gar nicht genannt sei. Zudem lasse sich ein Rechtssatz des Inhalts, dass das Mandat die Hauptbeschäftigung des Abgeordneten ausmachen solle (§ 44 a Abs. 1 AbgG), aus der Verfassung nicht ableiten. Verfassungsrechtlicher Natur sei ausschließlich der Aspekt der Unabhängigkeit des Abgeordneten. Diese werde jedoch nicht durch Einkünfte gefährdet, die ein Abgeordneter aus einer neben dem Mandat fortgeführten Tätigkeit in einem bereits vor der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag ausgeübten Beruf erziele. Der bürgerliche, neben dem Mandat fortgeführte Beruf sei notwendige Bedingung der Unabhängigkeit gegenüber Partei und Fraktion.
cc) Im Übrigen erweise sich das in § 3 Sätze 2 bis 5 VR normierte Stufenmodell auch als zur Erreichung der vermeintlich verfassungslegitimierten Zwecke gänzlich ungeeignet. Hinweise auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen könnten sich jedenfalls insoweit, als es – wie bei den Antragstellern – um Einkünfte aus einer neben dem Mandat fortgeführten früheren Berufstätigkeit gehe, von vornherein nicht ergeben. Die Beurteilung der Frage, ob der Abgeordnete seine Pflichten aus dem Mandat gewissenhaft erfülle, erfolge allein durch die für die Kandidatenaufstellung zuständigen Gremien und die Wählerinnen und Wähler. Auch die Höhe der Bezüge lasse keinerlei Rückschlüsse zu, ob der Abgeordnete sein Mandat ordnungsgemäß ausübe. Vielmehr zeichne gerade die Höhe ein unzutreffendes Bild vom Betrag der dem Abgeordneten verbleibenden Einkünfte, da nach den Verhaltensregeln (§ 1 Abs. 3 Satz 2 VR) in Verbindung mit den Ausführungsbestimmungen (Nr. 3 AB) ausschließlich auf die Brutto-Einkünfte abzustellen sei.
dd) Brutto-Zuflüsse seien ökonomisch und steuerrechtlich keine brauchbaren Indikatoren, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Abgeordneten abzubilden. Der reine Brutto-Zufluss könne durch entsprechende Aufwendungen aufgezehrt werden oder sogar in einen Verlust umschlagen. Als Indikator für den wirtschaftlichen Erfolg einer Person oder eines Unternehmens komme allenfalls der Gewinn in Betracht. Nur dieser biete einen geeigneten Anhaltspunkt für die Aufdeckung unzulässiger Abhängigkeiten. Die aussagelose Höhe von Brutto-Zuflüssen könne dagegen zu Fehlschlüssen mit politischen Konsequenzen führen. Die Ungeeignetheit des Brutto-Prinzips folge ferner auch daraus, dass selbst durchlaufende Gelder angezeigt und bei Überschreiten der Grenzen veröffentlicht werden müssten. Solche Zahlungszuflüsse seien gerade in der Anwaltschaft berufstypisch. Problematisch sei zudem auch die Einbeziehung von Aufwandspauschalen.
ee) Ungeeignet seien die Neuregelungen ferner auch deshalb, weil sie durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen umgangen werden könnten. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als der typischen Rechtsform von Anwaltssozietäten und ähnlichen freiberuflichen Zusammenschlüssen habe die Anzeige- und Veröffentlichungspflicht (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 i.V.m. § 3 VR) dann zu entfallen, wenn die relevanten Verträge von Mandanten oder Auftraggebern mit einer rechtsfähigen Gesellschaft abgeschlossen würden. Werde dem Gesellschafter kein laufendes Gehalt ausgezahlt und beschränkten sich seine Einkünfte auf die Gewinnbeteiligung als Gesellschafter, entfielen Anzeige- und Veröffentlichungspflichten nach dem Wortlaut der Verhaltensregeln und dem beabsichtigten Vollzug durch die Bundestagsverwaltung (vgl. Ziffer 2 des Vermerks vom 2. März 2006) vollständig. § 1 Abs. 3 VR beziehe Einnahmen aus Gesellschaftsbeteiligungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 VR) gerade nicht in die Anzeige- und Veröffentlichungspflicht (§ 3 VR) mit ein. Derart offenkundige Umgehungsmöglichkeiten delegitimierten das Ziel der Herstellung von Transparenz. Das normative Umfeld einer Regelung dürfe nicht so ausgestaltet sein, dass ein ordnungsgemäßer Vollzug von vornherein unmöglich werde.
ff) Ungeachtet dessen seien die mit der Veröffentlichung der Einkünfte der Abgeordneten verfolgten Ziele mit einer lediglich gestuften Einkommensaufdeckung (vgl. § 3 VR) – wenn überhaupt – so doch nur sehr viel schwächer zu verwirklichen. Die Eignung des Grundrechtseingriffs zur Zielerreichung sinke im gleichen Maße, wie die Einkünfte durch Pauschalierungen verschleiert würden. Die relative Milde der Beeinträchtigung werde durch die Unschärfe des legitimierenden Eingriffszwecks aufgezehrt.
gg) Darüber hinaus sei die Regelung – jedenfalls für Abgeordnete wie die Antragsteller – auch unzumutbar. Sie stelle die Betroffenen letztlich vor die Wahl, sich zwischen Mandat und Fortsetzung der bisher ausgeübten Berufstätigkeit zu entscheiden. Namentlich dem Antragsteller zu 1) und dem Antragsteller zu 6) werde als Selbstständigen bewusst eine zusätzliche Last aufgeladen, mit der ihnen nahe gelegt werde, entweder die Tätigkeit im eigenen Unternehmen oder aber das Mandat aufzugeben. Ein solches Vorgehen entbehre jeder Rechtfertigung. Wirtschaftliche Inkompatibilitäten ohne verfassungsrechtliche Grundlage seien als Behinderung massivster Art weder mit dem Status des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) noch mit dem Behinderungsverbot (Art. 48 Abs. 2 GG) zu vereinbaren. Dies gelte auch dann, wenn – wie hier – ein solches Ergebnis mittelbar im Wege präventiv wirkender Offenbarungs- und Veröffentlichungsregelungen erreicht werden solle.
hh) Nicht mit dem Status der Freiheit des Abgeordneten zu vereinbaren sei ferner auch § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG selbst. Die Vorschrift gehe in ihrer Eingriffstiefe über die Verhaltensregeln und Ausführungsbestimmungen hinaus, weil sie dazu ermächtige und nach dem Wortlaut „sind”) sogar dazu verpflichte, Einkünfte ohne jede Grenze anzuzeigen und zu veröffentlichen. Die Regelung trage ohne weiteres eine einzelfallbezogene, auf den einzelnen Auftrag und das einzelne Mandat ausgerichtete Pflicht zur Offenlegung sowie ein daran anknüpfendes Veröffentlichungsgebot. Vor allem enthalte sie keine Eingrenzung auf die in § 3 Sätze 2 bis 5 VR vorgesehene Stufenregelung und decke damit auch eine uneingeschränkte Veröffentlichung der anzuzeigenden Einkünfte. Eine so weitgehende, sogar die Veröffentlichung exakter Zahlen zulassende Regelung sei für die Betroffenen unzumutbar.
ii) Der Status der Freiheit des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) werde ferner durch die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Unternehmensbeteiligungen verletzt. Es fehle bereits an der für die Veröffentlichung erforderlichen gesetzlichen Grundlage in einem Parlamentsgesetz. § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG könne für die Veröffentlichung von schlichten Unternehmensbeteiligungen keine Grundlage darstellen, weil sich diese Norm nach ihrem Wortlaut auf Tätigkeiten und daraus erzielte Einkünfte neben dem Mandat beschränke. Die Anlage von Kapital in einem Unternehmen sei keine Tätigkeit, sondern allenfalls eine Verwaltung von Vermögen. Auch § 44 b Nr. 4 AbgG decke § 3 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 6 VR nicht ab. Im Übrigen lasse sich die Regelung auch materiell nicht rechtfertigen.
Nach Auffassung des Antragstellers zu 6) ergibt sich zusätzlich ein Wertungswiderspruch zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die nach den Ausführungsbestimmungen (Nr. 4 AB) als Einkünfte aus Verwaltung eigenen Vermögens von der Anzeigepflicht ausgenommen seien, obwohl ein Abgeordneter als Vermieter ein Mehrfaches von dem einnehmen könne, was er in einem neben dem Mandat ausgeübten Beruf verdiene. Desgleichen sei bei umfangreicher Vermietung und Verpachtung davon auszugehen, dass die zeitliche Beanspruchung durch Verwaltungsarbeiten genauso umfangreich sei wie bei einem Abgeordneten, der noch teilweise seinem Beruf nachgehe.
jj) Ebenso wie bereits die Anzeigepflicht verstoße auch die Veröffentlichung der erhobenen Daten gegen das allgemeine Benachteiligungsverbot des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG. Verhaltensregeln und Ausführungsbestimmungen erschwerten objektiv die Übernahme und Ausübung des Abgeordnetenmandats. Dies gelte in besonderem Maße für Selbstständige und Freiberufler.
e) Mit Schriftsatz vom 18. April 2006 haben die Antragsteller zu 2) bis 4) den Antragsgegenstand unter Bezugnahme auf den Vermerk der Bundestagsverwaltung vom 2. März 2006 auf die Feststellung der Verletzung des Status der Gleichheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) erweitert. Sie sehen sich im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Einzelanwälte handgreiflich schlechter gestellt als Abgeordnete, die ihren Anwaltsberuf in einer Sozietät nach dem klassischen Modell der reinen Gewinnbeteiligung fortsetzen. Letztere unterlägen nach den Verhaltensregeln in der Auslegung durch den Antragsgegner zu 2) keinen Anzeigepflichten und Veröffentlichungslasten (vgl. Ziffer 2 des Vermerks der Bundestagsverwaltung vom 2. März 2006). Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.
f) § 44 a Abs. 4 Sätze 2 bis 5 AbgG unterwerfe die Abgeordneten dem Risiko der Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung und bringe sie darüber hinaus in ein Unterordnungsverhältnis zu Präsidium und Präsident. § 8 Abs. 1 bis 4 VR führe dies im Detail aus. Dadurch entstehe ein disziplinarrechtsähnlicher Mechanismus, der die Grenze zum verbeamteten Abgeordneten überschreite. Es gebe keine hinreichend gewichtige Gefährdungslage, die einen solchen Eingriff in den Status der Freiheit des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) rechtfertige. Die einzig verfassungskonforme Sanktion für politische Verfehlungen von Mandatsträgern liege in der politischen Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Das Abgeordnetenmandat sei prinzipiell sanktionsfrei.
g) Mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht bislang noch nicht entschiedene Frage, ob eine Maßnahme, die auf den Status des Abgeordneten zielt, in besonderen Ausnahmefällen auch in dessen grundrechtlich geschützte Privatsphäre eingreifen kann und ob in einem solchen Fall Grundrechte neben dem verfassungsrechtlichen Abgeordnetenstatus in irgendeiner Weise Beachtung finden müssen (vgl. BVerfGE 99, 19 ≪29≫), rügen die Antragsteller zugleich auch – hilfsweise – eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Abgeordnete verliere seine Personalität nicht dadurch, dass er das Mandat annehme. Die Eigenschaft als Bürger – und damit als Grundrechtsträger – gehe im Status des Abgeordneten nicht auf. Auch wenn eine angegriffene Regelung ihrer Intention nach den Abgeordnetenstatus betreffe, sei im Falle von Überwirkungen in die Privatsphäre ein Grundrechtsschutz nicht ausgeschlossen; insoweit könnten auch Grundrechte im Organstreit geltend gemacht werden.
aa) Die in § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG vorgesehene vollständige Veröffentlichung aller Zahlen über die Einkunftslage der Abgeordneten, aber auch das in § 3 VR verfolgte Konzept einer stufenweisen Veröffentlichung von Einkünften greife in das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Gewährleistung informationeller Selbstbestimmung ein. In beiden Fällen seien Rückschlüsse auf die persönliche Lebensführung des Abgeordneten möglich und auch ausdrücklich gewollt. Die Regelungen ließen sich nach den im Volkszählungsurteil (BVerfGE 65, 1) entwickelten Voraussetzungen nicht rechtfertigen. Die Veröffentlichung von Einkünften der Abgeordneten scheitere vor allem daran, dass der Schutz der erhobenen Daten gegen Zweckentfremdung nicht gewährleistet werden könne. Durch die mit dem gewählten Stufenmodell verbundene Pauschalierung gehe zudem die Eignung des Grundrechtseingriffs zur Zielerreichung verloren.
bb) Auch die berufliche Tätigkeit neben dem Mandat genieße den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG. In diesen Schutzbereich werde sowohl durch die „Mittelpunktregelung” des § 44 a Abs. 1 AbgG wie auch durch die Anzeige- und Offenlegungspflichten nach § 44 a Abs. 4 AbgG in Verbindung mit deren konkreter Ausgestaltung in den Verhaltensregeln und den Ausführungsbestimmungen eingegriffen. In vielen Fällen führten die Regelungen dazu, dass der Abgeordnete sich zwischen Mandat und Beruf entscheiden und eines von beiden aufgeben müsse. Schon deshalb habe die Regelung objektiv berufsregelnde Tendenz. Vor allem Selbstständige und Freiberufler seien in ihren beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten betroffen, wenn sie Umsätze oder Gewinne veröffentlichen müssten. Bereits jetzt sei deutlich abzusehen, dass die einmal bekannt gemachten Einkünfte im politischen und publizistischen Wettbewerb zum Nachteil der Betroffenen, ihrer Mitgesellschafter, Sozietätspartner und Ehegatten instrumentalisiert würden. Besonders deutlich werde dies beim Antragsteller zu 1). Dieser habe seine Bezüge als Geschäftsführer offenzulegen. Dadurch erhalte die Konkurrenz zugleich auch Hinweise auf die Bezüge des Bruders.
III.
Die Antragsgegner sind den Anträgen entgegengetreten und beantragen deren Zurückweisung. Sie halten sie für zulässig, aber unbegründet.
1. a) Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Verhaltensregeln werde zu Unrecht angeführt, dass kein ordnungsgemäßes Beschlussverfahren stattgefunden habe. In den vom 15. Deutschen Bundestag beschlossenen Verhaltensregeln sei der Tag der ersten Sitzung des neuen Bundestages als Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens bestimmt. Demzufolge hätten die „neuen” Verhaltensregeln mit Beginn des 18. Oktober 2005 (00:00 Uhr) bereits gegolten, als der 16. Deutsche Bundestag diese in seiner konstituierenden Sitzung am selben Tage als zuvor geltendes Geschäftsordnungsrecht übernommen habe.
b) Ebenso wenig begegne die Rechtssetzungsdelegation auf den Deutschen Bundestag und den Bundestagspräsidenten verfassungsrechtlichen Bedenken. Die generelle Anzeigepflicht sei bereits unmittelbar in § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG geregelt. Die Verhaltensregeln beträfen lediglich die konkrete Ausgestaltung. Auch nach der Delegation bleibe unverändert der Deutsche Bundestag zuständig. Eine Veränderung in der demokratischen Legitimation finde nicht statt. Auch ein Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie komme nicht in Betracht. Gleiches gelte hinsichtlich der Ausführungsbestimmungen. Bei diesen handele es sich um bloße Interpretationen und Konkretisierungen der im Abgeordnetengesetz und in den Verhaltensregeln enthaltenen Vorgaben. Ein eigenständiger Regelungscharakter komme ihnen weitestgehend nicht zu.
2. a) Die Funktionsfähigkeit des Parlaments werde durch die Neuregelung der Offenlegungspflichten nicht beeinträchtigt. Diese stellten lediglich einen von mehreren Faktoren dar, die bei der Kandidatur für den Deutschen Bundestag eine Rolle spielten. Daraus zu schließen, dass ganzen Berufsgruppen die Wahrnehmung eines Mandats unmöglich gemacht werde, sei nicht haltbar.
b) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die in § 44 a Abs. 1 AbgG getroffene Regelung ergebe sich aus Art. 38 Abs. 3 GG, jedenfalls aber kraft Natur der Sache. Der Begriff des „Mittelpunkts” werde originär in mathematisch-geometrischen Zusammenhängen gebraucht. Seine Verwendung im Gesetz sei auslegungsfähig und auch auslegungsbedürftig. Den Schriftsätzen der Antragsteller liege im Schwerpunkt ein quantitatives Normverständnis des „Mittelpunkts” im Sinne einer zeitlichen Verpflichtung zugrunde. Zweifelhaft erscheine indes, ob es dem Zweck dieser Norm gerecht werde, das Tatbestandsmerkmal fokussiert allein auf quantitative Kriterien (zeitliche Beanspruchung; Höhe der Einkünfte) auszulegen. Vorzugswürdig erscheine vielmehr eine qualitative Bestimmung. Zumindest schließe die offene Formulierung der Norm dem Wortsinn nach eine Erstreckung auf qualitative Kriterien nicht aus. Ein qualitatives Verständnis entspreche zugleich auch der verfassungsrechtlich vorgegebenen Verantwortungsstellung des Abgeordneten und trage den Auslegungsanforderungen des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in besonderer Weise Rechnung. Es handele sich insoweit um eine interne Selbstvergewisserung und Selbstrechtfertigung des einzelnen Abgeordneten, die ausschließlich internen Maßstäben gerecht werden könne und müsse.
Eine qualitative Auslegung des Begriffs finde auch in der Intention des Gesetzgebers ihre Bestätigung. Im Gesetzgebungsprozess habe ein solches Normverständnis breite und offene Unterstützung erfahren. Eine qualitative Auslegung sei ferner auch aus teleologischen Gründen geboten. Nur ein derartiges Begriffsverständnis ermögliche eine widerspruchsfreie Einordnung von parallelen Tätigkeiten jener Abgeordneter, die neben ihrem Mandat zugleich ein Regierungsamt bekleideten, als Parlamentarische Staatssekretäre agierten oder ein Parteiamt (Parteivorsitzender, Generalsekretär, Fraktionsvorsitzender, parlamentarischer Geschäftsführer) ausübten. Zudem erweise sich ein qualitatives Verständnis auch aus systematischen Gründen als vorzugswürdig. Art. 48 Abs. 2 GG setze implizit ein Mandatsverständnis voraus, das auf einen Abgeordneten mit einem zusätzlichen Erwerbsberuf ziele. Ein rein quantitatives Verständnis der Mittelpunktregelung stehe dem möglicherweise entgegen, wenn besonders zeitintensive Berufe nicht mehr ausgeübt werden könnten.
c) Mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar seien auch die Regelungen über Anzeigepflichten. Zweifelhaft sei insoweit bereits, ob überhaupt ein Eingriff in den Abgeordnetenstatus vorliege; denn die Freiheit des Abgeordneten werde mangels einer rechtlichen Verpflichtung, die sich unmittelbar auf das Mandat auswirken könne, nicht berührt. Die Einführung von Offenlegungspflichten werde bei realistischer Betrachtung niemanden davon abhalten, sich um ein Mandat zu bewerben oder dieses auszuüben.
aa) Der Zweck der Transparenzregeln, potentielle Interessenverknüpfungen offenzulegen, gebiete die Anzeige nicht nur der erst während, sondern auch der schon vor der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag ausgeübten Tätigkeiten, da diese – möglicherweise in noch stärkerem Maße – für das parlamentarische Verhalten des Abgeordneten prägend seien. Ein von den Antragstellern behaupteter Verstoß der Verhaltensregeln gegen die zugleich ermächtigende wie begrenzende Norm des § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG könne nur dann vorliegen, wenn die in den Verhaltensregeln gewählte Konkretisierung explizit auch Tätigkeiten und Einkünfte umfasse, die abstrakt keine Gefahr einer möglichen Interessenverknüpfung begründeten. Dafür bestünden jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Die Mehrheit des Deutschen Bundestages gehe bei dem gewählten Anzeigemodell ersichtlich davon aus, dass jede entgeltliche Tätigkeit oder jede herausgehobene Funktion eines Abgeordneten potentiell geeignet sei, Interessenverknüpfungen zu evozieren. Diese Grundsatzentscheidung könne nicht überzeugend angegriffen werden.
bb) Auch das Bestimmtheitsgebot sei nicht verletzt. Die von den Antragstellern gerügten Unklarheiten bestünden nicht. Dem Regelungsgefüge des § 1 VR sei eindeutig zu entnehmen, dass jede einzelne Tätigkeit gesondert anzuzeigen sei, einschließlich der insoweit erzielten Einkünfte.
cc) Ebenso wenig sei es Ziel der Verhaltensregeln, eine Ausnahme von gesetzlich begründeten Zeugnisverweigerungsrechten und Schweigepflichten zu schaffen. Die Problematik der Einschränkung gesetzlich begründeter Schweigepflichten nur durch formelles Parlamentsgesetz stelle sich daher erst gar nicht. § 1 Abs. 5 Satz 1 VR lege eindeutig fest, dass von der Anzeigepflicht solche Informationen nicht umfasst seien, die einem Zeugnisverweigerungsrecht oder einer Schweigepflicht unterlägen.
dd) § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG normiere entgegen der Auffassung der Antragsteller auch keine unbegrenzte Anzeigepflicht. Bereits der Wortlaut der Vorschrift enthalte eine doppelte Einschränkung: Zum einen werde lediglich für solche Tätigkeiten und Einkünfte eine Anzeige- und Veröffentlichungspflicht begründet, die auf Interessenverknüpfungen hinweisen könnten. Zum anderen bestehe auch diese Verpflichtung nur nach Maßgabe der Verhaltensregeln (§ 44 b AbgG). Zusätzlich lege § 44 b Nr. 2 AbgG die Einführung einer Mindestgrenze für anzeigepflichtige Einnahmebeträge gesetzlich bindend fest. Auch die unbeschränkt garantierten Verschwiegenheitspflichten und Zeugnisverweigerungsrechte (vgl. § 1 Abs. 5 VR) stünden der Annahme einer durch § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG angeordneten, unbegrenzten Anzeige- und Veröffentlichungspflicht entgegen.
ee) Ebenso wenig verstießen die Anzeigepflichten gegen Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG. Vorrangiges Ziel der Regelungen sei es, Transparenz im Hinblick auf mögliche Interessenverknüpfungen herzustellen, nicht aber die berufliche Tätigkeit zu behindern. Selbst wenn man eine derartige Intention unterstelle, liege jedenfalls eine Behinderung der Abgeordnetentätigkeit nicht vor. Die Verhaltensregeln seien nicht auf eine Beschränkung der parlamentarischen Tätigkeit des Abgeordneten gerichtet; sie enthielten hinsichtlich der Arbeit und des Verhaltens im Parlament keinerlei Vorgaben. Die Verhaltensregeln dienten ausschließlich der Sicherung des freien Mandats, nicht aber dessen Beeinträchtigung.
d) Auch ein Verstoß der im Abgeordnetengesetz und den Verhaltensregeln festgelegten Veröffentlichungspflichten gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 GG sei nicht gegeben.
aa) Der Abgeordnete werde durch diese Pflichten nicht unmittelbar an der Ausübung seiner parlamentarischen Tätigkeit gehindert. Die Unabhängigkeit, frei nach seinem Gewissen zu entscheiden und sich dementsprechend zu verhalten, bleibe unbeeinträchtigt. Eine lediglich faktische Beeinträchtigung des Status der Freiheit und Gleichheit des Abgeordneten etwa dergestalt, dass – wie von den Antragstellern behauptet – Anzeige- und Veröffentlichungspflichten dem selbstständig oder freiberuflich tätigen Abgeordneten Veranlassung böten, von einer beruflichen Tätigkeit neben dem Mandat überhaupt Abstand zu nehmen, sei durch das mit Verfassungsrang ausgestattete Gebot der Öffentlichkeit gerechtfertigt, das sich entweder aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) oder dem Status der Öffentlichkeit des Abgeordneten selbst (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) ableiten lasse. Die Veröffentlichung von Daten über Tätigkeiten des Abgeordneten vor und neben der Mandatsausübung sowie über dabei erlangte Einkünfte sei geeignet, den Wahlbürger entsprechend zu unterrichten. Auch von der Erforderlichkeit dieser Verpflichtung sei auszugehen, da ein milderes, die Öffentlichkeit in gleicher, zweckrelevanter Weise informierendes Mittel nicht ersichtlich sei. Die getroffenen Regelungen seien darüber hinaus auch angemessen. Anzuzeigen und zu veröffentlichen seien lediglich solche Tätigkeiten und Einkünfte, die Indiz für eine Interessenverknüpfung sein könnten.
bb) Die Einwendungen der Antragsteller überzeugten auch im Einzelnen nicht. Die Veröffentlichung scheitere nicht an der formellen Schranke des Vorrangs des Parlamentsgesetzes (§ 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG). Der Zweck des Transparenzgebots fordere die Veröffentlichung auch hinsichtlich bereits vor der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag ausgeübter Tätigkeiten und hieraus gezogener Einkünfte. Das in § 3 VR vorgesehene Stufenmodell sei dazu bestimmt, das aus der Verfassung abgeleitete Gebot der Öffentlichkeit zu verwirklichen, und diene damit einem verfassungslegitimen Zweck. An seiner Geeignetheit und Angemessenheit sei nicht zu zweifeln. Entgegen der Annahme der Antragsteller begründe § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG auch keine unbegrenzte Veröffentlichungspflicht.
Ebenso wenig begegne die Veröffentlichung der Angaben über Unternehmensbeteiligungen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wer einen erheblichen Stimmrechtsanteil an einer Gesellschaft halte, übe als aktiver Teilhaber einen maßgeblichen Einfluss auf das jeweilige Unternehmen aus und werde sich in aller Regel auch entsprechend zu Gunsten dieses Unternehmens verwenden. Infolgedessen bestehe abstrakt eine erheblich höhere Gefahr, dass sich der einzelne Abgeordnete in seiner Tätigkeit durch unternehmensbezogene und damit mittelbar eigennützige Interessen leiten lasse. Dadurch möglicherweise entstehende Interessenverknüpfungen rechtfertigten – anders als etwa bei der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens in Form des Erzielens von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung – die Information der Öffentlichkeit über entsprechende Beteiligungen des Abgeordneten.
cc) Desgleichen scheide eine Verletzung von Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG durch die Auferlegung von Veröffentlichungspflichten aus. Eine Behinderung bestimmter Abgeordneter bei der Wahrnehmung ihres Mandats sei nicht intendiert.
e) Auch der von den Antragstellern zu 2) bis 4) nachträglich behauptete Gleichheitsverstoß liege nicht vor. Für Rechtsanwälte entfalle in Folge der anwaltlichen Schweigepflichten und Zeugnisverweigerungsrechte weitestgehend jede Anzeigepflicht. Diesbezüglich stelle sich die Situation für sozietätsgebundene Anwälte und Einzelanwälte zunächst einmal gleich dar. Aber selbst wenn man eine Ungleichbehandlung von Einzelanwälten darin sehe, dass diese – anders als sozietätsgebundene Anwälte – hinsichtlich der Höhe ihrer Einkünfte anzeigepflichtig blieben, sei diese Ungleichbehandlung jedenfalls gerechtfertigt. Denn im Unterschied zu denjenigen Anwälten, die als persönliche Vertragspartner ihrer Mandanten aufträten und sich aus den ihnen zufließenden Gebühren und Honoraren finanzierten, erlange der unabhängig von einem Erfolg beim einzelnen Mandanten am Gewinn der Kanzlei beteiligte Sozius einen Status höherer persönlicher Unabhängigkeit, der die ungleiche Behandlung rechtfertige.
f) Die Sanktionierung von Verstößen gegen die Anzeigepflicht sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Wenn das Parlament in rechtlich zulässiger Weise Anzeigepflichten statuiere, müsse es deren Verletzung auch sanktionieren können. Das die Unabhängigkeit des Abgeordneten sichernde Mindestmaß einer angemessenen Entschädigung werde nicht angetastet. Vergleiche mit dem Disziplinarrecht lägen fern.
g) Grundrechte dürften im Organstreitverfahren nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht berücksichtigt werden, sofern nicht ein Ausnahmefall im Sinne seiner Rechtsprechung (BVerfGE 99, 19 ≪29≫) vorliege. Von der Frage der prozessualen Geltendmachung eines Grundrechtsverstoßes müsse die materielle Frage unterschieden werden, ob Abgeordnete überhaupt Grundrechtsträger seien. Letzteres sei zu bejahen. Die Eigenschaft als Bürger – und damit als Grundrechtsträger – gehe im Status des Abgeordneten nicht auf. Vielmehr komme es zu vielfachen Wechselwirkungen zwischen den grundrechtlichen und statusrechtlichen Maßstäben. Eine Berücksichtigung von Grundrechten zumindest in ihrer objektiven Funktion sei damit geboten.
aa) Unzweifelhaft greife die den Abgeordneten auferlegte Anzeige- und Veröffentlichungspflicht in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein. Dieser Eingriff sei jedoch gemessen an den Vorgaben des „Volkszählungsurteils” (BVerfGE 65, 1 ≪38 ff.≫) gerechtfertigt. Eine spezielle Rechtsgrundlage liege mit § 44 a Abs. 4 Satz 1, § 44 b Nr. 4 AbgG vor. Die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten dienten der Verwirklichung des Gebots der Öffentlichkeit und damit einem überwiegenden Allgemeininteresse. Der Verwendungszweck der Daten sei durch das spezielle Öffentlichkeits- und Transparenzgebot präzise bestimmt. Ein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot könne für den Fall, dass – wie hier – gerade die Veröffentlichung Zweck der Datenerhebung sei, nicht angenommen werden.
bb) Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit vor. Zweifelhaft sei bereits, ob überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich angenommen werden könne. Jedenfalls scheide ein unmittelbarer Eingriff aus, da mit den Anzeige- und Veröffentlichungspflichten weder Vorgaben für die Berufswahl noch für die Berufsausübung getroffen würden. Allenfalls komme eine faktische Wirkung dergestalt in Betracht, dass Anzeige- und Veröffentlichungspflichten dem selbstständig oder freiberuflich tätigen Abgeordneten Veranlassung böten, von einer beruflichen Tätigkeit neben dem Mandat überhaupt Abstand zu nehmen. Ein derartiger – mittelbarer – Eingriff setze jedoch stets voraus, dass es sich um eine Beeinträchtigung von einigem Gewicht handele, die in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehe und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lasse. Dafür fehle jeder Anhaltspunkt. Die angegriffenen Vorschriften seien nicht darauf gerichtet, einen Beruf als solchen zu regeln; sie zielten lediglich darauf ab, als Funktionselemente parlamentarischer Demokratie Offenlegungspflichten zugunsten verfassungsrechtlich fundierter Transparenzinteressen zu begründen. Nehme man demgegenüber gleichwohl eine berufsregelnde Tendenz an, so sei der Eingriff in die Berufsfreiheit jedenfalls durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt.
Entscheidungsgründe
B.
Die Anträge sind zulässig, soweit sich die Antragsteller mit ihrem Vorbringen gegen eine Verletzung ihres Abgeordnetenstatus (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 GG) durch die im Abgeordnetengesetz (§ 44 a und § 44 b), in den Verhaltensregeln (§ 1, § 3 und § 8) und in den Ausführungsbestimmungen (Nrn. 3 und 8) getroffenen Neuregelungen wenden.
1. Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG eröffnet. Danach entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind.
2. Die Antragsteller sind als Abgeordnete des Deutschen Bundestages parteifähig im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG (vgl. BVerfGE 10, 4 ≪10≫; 60, 374 ≪378≫; 62, 1 ≪32≫; 70, 324 ≪350≫; 108, 251 ≪270≫).
3. Die Antragsteller sind auch antragsbefugt. Im Organstreit kann der einzelne Abgeordnete die Verletzung oder Gefährdung jedes Rechts, das mit seinem Status verfassungsrechtlich verbunden ist, geltend machen. Sein Antrag ist nach § 64 Abs. 1 BVerfGG zulässig, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsgegner Rechte des Antragstellers, die aus einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, durch die beanstandete rechtserhebliche Maßnahme verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪362 f.≫; 99, 19 ≪28≫; 104, 310 ≪325≫; 108, 251 ≪271 f.≫).
a) Als rechtserhebliche Maßnahme kommt jedes Verhalten des Antragsgegners in Betracht, das geeignet ist, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen. Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG kann nicht nur ein punktueller Einzelakt (vgl. BVerfGE 93, 195 ≪203≫), sondern auch der Erlass eines Gesetzes (vgl. BVerfGE 1, 208 ≪220≫; 4, 144 ≪148≫; 82, 322 ≪335≫; 92, 80 ≪87≫; 102, 224 ≪234≫; 103, 164 ≪169≫) oder die Mitwirkung an einem Normsetzungsakt sein. Ebenso kann der Erlass oder die Änderung einer Vorschrift der Geschäftsordnung eine Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG darstellen, sofern sie beim Antragsteller eine aktuelle rechtliche Betroffenheit auszulösen vermag (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪209≫; 84, 304 ≪318≫).
Nach diesen Maßstäben stellen sich die angegriffenen in § 44 a und § 44 b AbgG enthaltenen Regelungen als rechtserhebliche Maßnahmen dar. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Verfassungsnormen, die dem Bereich des Verfassungslebens angehörende Rechte der Antragsteller sichern (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 GG), bei der inhaltlichen Gestaltung dieser Bestimmungen nicht beachtet wurden (vgl. BVerfGE 4, 144 ≪148≫).
Entsprechendes gilt für die in § 1, § 3 und § 8 VR eingeführten Änderungen. Es handelt sich um unmittelbar bindende abstrakt-generelle Anordnungen und damit um rechtserhebliche Maßnahmen im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG. Auf die in der Rechtslehre umstrittene Frage der Rechtsnatur der Verhaltensregeln (vgl. Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25.6.1980, 1985, S. 10 ff.) kommt es dabei nicht an.
Gleiches gilt im Hinblick auf die vom Präsidenten des Deutschen Bundestages auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 VR erlassenen Ausführungsbestimmungen. Diese legen die in den Verhaltensregeln festgelegten Anzeige- und Veröffentlichungspflichten aus und konkretisieren sie. Anders als etwa bei der Festsetzung und Auszahlung ehemals der Wahlkampfkostenerstattung und nunmehr von Leistungen der Parteienfinanzierung (vgl. hierzu BVerfGE 27, 152 ≪157≫; 73, 1 ≪30 f.≫; 111, 54 ≪81≫) oder bei der Ausübung der Polizeigewalt gemäß Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 108, 251 ≪271 f.≫) ist der Bundestagspräsident hier nicht als Verwaltungsbehörde tätig geworden, sondern hat (Binnen-)Recht des Parlaments gesetzt und den Status der Abgeordneten geregelt. Deshalb kann, soweit hier von Belang, in Bezug auf die Rechtsqualität der Ausführungsbestimmungen nichts anderes gelten als für die Verhaltensregeln selbst (vgl. Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998, S. 155). Auch die Ausführungsbestimmungen sind rechtserhebliche Maßnahmen im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG.
b) Die als verletzt geltend gemachte Rechtsposition muss darüber hinaus in einem Verfassungsrechtsverhältnis gründen. Ein Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor, wenn auf beiden Seiten des Streits Verfassungsorgane oder Teile von Verfassungsorganen stehen und um verfassungsrechtliche Positionen streiten. Für eine allgemeine, von eigenen Rechten des Antragstellers losgelöste, abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Maßnahme ist im Organstreit kein Raum (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪73≫; 73, 1 ≪30≫; 80, 188 ≪212≫; 104, 151 ≪193 f.≫). Auch eine Respektierung sonstigen (Verfassungs-)Rechts kann im Organstreit nicht erzwungen werden. Der Organstreit ist kein objektives Beanstandungsverfahren (vgl. BVerfGE 104, 151 ≪193 f.≫); er dient dem Schutz der Rechte der Staatsorgane im Verhältnis zueinander, nicht aber einer allgemeinen Verfassungsaufsicht (vgl. BVerfGE 100, 266 ≪268≫).
aa) Hier liegt ein Antragsteller und Antragsgegner umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis vor. Die Antragsteller machen eine Verletzung ihres Abgeordnetenstatus (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 GG) durch die im Abgeordnetengesetz (§ 44 a und § 44 b), in den Verhaltensregeln (§ 1, § 3 und § 8) und in den Ausführungsbestimmungen (Nrn. 3 und 8) getroffenen Neuregelungen geltend. Die behauptete Beeinträchtigung ihrer Abgeordnetenstellung erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪363 f.≫; 99, 19 ≪28 f.≫). Infolge der Aufforderung des Bundestagspräsidenten, die geforderten Erklärungen bis zum 30. März 2006 abzugeben, können die Antragsteller insgesamt geltend machen, in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 GG unmittelbar gefährdet zu sein.
bb) Soweit die Antragsteller ihr Vorbringen mit Fragen der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts anreichern, können sie im Organstreit nicht gehört werden. Rechte, die sich lediglich auf Vorschriften einfachen Rechts – hier § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG – stützen, reichen für die Begründung der Antragsbefugnis ebenso wenig aus wie ein Vorbringen, das allein Inhalt und Reichweite einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage betrifft. Hierfür steht den Antragstellern der Weg zum zuständigen Fachgericht – dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 5 VwGO) – offen (vgl. BVerfGE 84, 290 ≪298≫).
c) Die Antragsteller können sich im vorliegenden Verfahren auch nicht auf die – hilfsweise – geltend gemachten Grundrechtsverletzungen stützen.
Grundsätzlich kann ein Abgeordneter im Organstreit ausschließlich Rechte geltend machen, die sich aus seiner organschaftlichen Stellung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪365≫; 99, 19 ≪29≫). Der Senat hat den aktiven Abgeordneten in ständiger Rechtsprechung in allen Fragen, die seinen Abgeordnetenstatus betreffen, auf den Weg des Organstreits verwiesen und die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde verneint, selbst wenn er zusätzlich die Verletzung von Grundrechten rügt (vgl. BVerfGE 43, 142 ≪148 f.≫; 64, 301 ≪312≫; 99, 19 ≪29≫).
Auch im vorliegenden Fall braucht nicht entschieden zu werden, ob eine Maßnahme, die auf den Status des Abgeordneten zielt, in besonderen Ausnahmefällen in dessen grundrechtlich geschützte Privatsphäre eingreifen kann (vgl. BVerfGE 99, 19 ≪29≫). Die den Abgeordneten in § 44 a und § 44 b AbgG, den Verhaltensregeln und den Ausführungsbestimmungen auferlegten Pflichten richten sich nach Ziel, Regelungsgehalt und Regelungswirkung auf den Abgeordnetenstatus. Die von den Antragstellern befürchteten mittelbaren Auswirkungen auf berufliche Tätigkeiten neben dem Mandat sind im Rahmen der Regelung des Abgeordnetenstatus abwägend zu berücksichtigen (unten D.I.1.c≫ bb≫ und D.II.1.b≫). Dies begründet jedoch nicht grundrechtliche Abwehrrechte gegen statusrechtliche Anforderungen im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, die im Organstreitverfahren geltend gemacht werden könnten. Das gilt auch, soweit die Antragsteller rügen, die angegriffenen Regelungen beeinträchtigten Grundrechte Dritter.
4. Nach § 64 Abs. 3 BVerfGG muss der Antrag binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden. Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Ausschlussfrist, nach deren Ablauf im Organstreitverfahren Rechtsverletzungen nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. BVerfGE 71, 299 ≪304≫; 80, 188 ≪210≫). Die Wahrung der Frist ist für jeden einzelnen (Haupt- und/oder Hilfs-)Antrag gesondert festzustellen (vgl. BVerfGE 84, 304 ≪320≫).
a) Hinsichtlich des Abgeordnetengesetzes wurde die Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG mit der – für ein Gesetz als beanstandete Maßnahme maßgeblichen – Verkündung (vgl. BVerfGE 92, 80 ≪87≫; 103, 164 ≪169≫; 114, 107 ≪116≫) am 26. August 2005 in Gang gesetzt. Die Frist lief demzufolge – der 26. Februar 2006 war ein Sonntag – am 27. Februar 2006 ab (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, 1. Alt. i.V.m. § 193 BGB). Die Anträge der Antragsteller zu 1) bis 5) gingen am 21. und 24. Februar, die des Antragstellers zu 6) am 27. Februar 2006 ein und wurden damit fristgerecht erhoben.
Lediglich im Ausgangspunkt anders verhält es sich mit den Anträgen der Antragsteller zu 7) bis 9), die erst am 12. April 2006 eingegangen sind. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 13. Juni 1989 (BVerfGE 80, 188 ≪209 ff.≫) eine Vorschrift der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages erst von dem Zeitpunkt an als Maßnahme im Sinne von § 64 Abs. 1 BVerfGG gewertet, in dem sie beim Antragsteller eine aktuelle rechtliche Betroffenheit auszulösen vermag. Dieser Zeitpunkt könne mit dem Erlass der Vorschrift zusammenfallen. Er könne aber auch erst danach eintreten. Letzteres sei dann der Fall, wenn die Bestimmung an rechtliche Voraussetzungen – hier die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag – anknüpfe, die sich in der Person des Antragstellers erst später verwirklichten. Von da an laufe auch die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Ob diese Grundsätze auch für den Erlass formeller Gesetze gelten, hat der Senat in seiner Entscheidung vom 23. Januar 1995 (BVerfGE 92, 80 ≪88≫) ausdrücklich offen gelassen. Jedenfalls für die vorliegende Konstellation sind die in der Entscheidung vom 13. Juni 1989 (BVerfGE 80, 188 ≪209 ff.≫) entwickelten Grundsätze heranzuziehen, weil nur so ein offensichtlicher Wertungswiderspruch zur Angreifbarkeit der dem Geschäftsordnungsrecht zugeordneten Verhaltensregeln (§ 18 GO-BT) vermieden wird. Es wäre nicht einzusehen, den Angriff der Antragsteller zu 7) bis 9) gegen die Verhaltensregeln als zulässig zu behandeln (dazu sogleich), ihnen jedoch Gleiches im Hinblick auf die am selben Tage (18. Oktober 2005) in Kraft tretenden Regelungen der § 44 a, § 44 b AbgG zu versagen.
Gesetzgeber und Deutscher Bundestag haben durch die Entscheidung für ein gemeinsames In-Kraft-Treten von Gesetz und Verhaltensregeln die Zusammengehörigkeit beider in einer Weise hervorgehoben, die übereinstimmende Angriffsmöglichkeiten jedenfalls für die Mitglieder des 16. Deutschen Bundestages nahe legt. Zudem wären andernfalls Abgeordnete, obwohl das Gesetz erst mit Zusammentritt des nächsten Deutschen Bundestages in Kraft treten sollte, bereits mit der Verkündung des Gesetzes in ein Organstreitverfahren „hineingezwungen” worden, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen konnten, ob sie dem neuen Bundestag überhaupt angehören würden.
b) Soweit es um die Verhaltensregeln geht, sind hinsichtlich des Fristbeginns die in BVerfGE 80, 188 (209) für das Geschäftsordnungsrecht entwickelten Grundsätze anzuwenden; insoweit genügt die in § 18 GO-BT vorgenommene Zuordnung zum Geschäftsordnungsrecht. Die Sechs-Monats-Frist hat danach mit ihrem In-Kraft-Treten am 18. Oktober 2005, dem Tag der ersten Sitzung des 16. Deutschen Bundestages, zu laufen begonnen. Die Anträge sind am 21., 24., 27. Februar und 12. April 2006 und damit rechtzeitig vor Fristende am 18. April 2006 eingegangen. Gleiches gilt hinsichtlich der von den Antragstellern zu 2) bis 4) am letzten Tag der Frist übermittelten Erweiterung des Antragsgegenstandes.
c) Hinsichtlich der am 6. Januar 2006 im Bundesgesetzblatt verkündeten Ausführungsbestimmungen wirft die Einhaltung der Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG keine Fragen auf.
5. Gegen welche Person oder Institution der Antrag zu richten ist, hängt davon ab, wer die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung verursacht hat und rechtlich verantworten muss (vgl. BVerfGE 62, 1 ≪33≫; 67, 100 ≪126≫). Wird der Erlass eines Gesetzes beanstandet, so ist der Antrag gegen die Gesetzgebungskörperschaften zu richten. Er braucht aber nicht sowohl gegen den Bundestag als auch gegen den Bundesrat gerichtet zu werden; der Bundestag allein reicht als Antragsgegner aus (vgl. BVerfGE 73, 1 ≪30≫).
Hiervon ausgehend ist der Deutsche Bundestag richtiger Antragsgegner, soweit sich die Antragsteller gegen die im Abgeordnetengesetz und den Verhaltensregeln enthaltenen Neuregelungen wenden. Soweit sich die Anträge gegen die Ausführungsbestimmungen richten, ist Antragsgegner der Präsident des Deutschen Bundestages, da er die Regelungen – gestützt auf die in den Verhaltensregeln enthaltene Ermächtigung (§ 1 Abs. 4 VR) – erlassen hat und die Ausführungsbestimmungen rechtlich verantworten muss (vgl. BVerfGE 62, 1 ≪33≫; 67, 100 ≪126≫).
C.
Die Anträge sind, soweit sie die so genannte Mittelpunktregelung des § 44 a Abs. 1 AbgG zum Gegenstand haben, nach im Ergebnis übereinstimmender Ansicht des Senats unbegründet. Die Mittelpunktregelung zeichnet nach Auffassung der Richterinnen und Richter Broß, Osterloh, Lübbe-Wolff und Gerhardt eine schon im Grundgesetz angelegte Pflicht des Abgeordneten zutreffend nach und ist deshalb nicht zu beanstanden (I.). Demgegenüber halten die Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau die Mittelpunktregelung im Hinblick auf die Freiheit des Abgeordneten für bedenklich und eine verfassungskonform einschränkende Auslegung für geboten (II.).
I.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Aus Art. 48 Abs. 2 GG, demzufolge niemand gehindert werden darf, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben, und eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde unzulässig ist, und ebenso aus Art. 137 Abs. 1 GG, der den Gesetzgeber zu Beschränkungen der Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes ermächtigt, ist – unbestritten – zu schließen, dass das Grundgesetz die Ausübung eines Berufs neben dem Abgeordnetenmandat zulässt (vgl. auch BVerfGE 40, 296 ≪318 f.≫). Übt der Abgeordnete einen Beruf aus, kann das Nebeneinander von Mandat und Beruf den Abgeordneten generell oder von Fall zu Fall zu der Entscheidung nötigen, welche Aufgaben er vorrangig wahrnimmt. Die Antragsteller sind im Kern der Ansicht, der Abgeordnete unterliege insoweit von Verfassungs wegen keinerlei Beschränkungen; die Freiheit des Mandats umfasse das Recht des Abgeordneten zu freier Gestaltung von Mandat und Beruf. Die Antragsteller halten deshalb die Mittelpunktregelung für einen verfassungswidrigen Eingriff in den freiheitlichen Status des Abgeordneten. Dem kann nicht gefolgt werden.
1. Grundlage des freien Mandats ist Art. 38 Abs. 1 GG. Diese Norm schützt nicht nur den Bestand, sondern auch die tatsächliche Ausübung des Mandats (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪218≫; 99, 19 ≪32≫). Der Abgeordnete ist – vom Vertrauen der Wähler berufen – Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger eines freien Mandats und, gemeinsam mit der Gesamtheit der Mitglieder des Parlaments (vgl. BVerfGE 56, 396 ≪405≫), Vertreter des ganzen Volkes (vgl. BVerfGE 112, 118 ≪134≫). Er hat einen repräsentativen Status inne, übt sein Mandat in Unabhängigkeit, frei von jeder Bindung an Aufträge und Weisungen, aus und ist nur seinem Gewissen unterworfen (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪314, 316≫; 76, 256 ≪341≫).
Die Freiheit des Mandats ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Sie kann durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden. Die Repräsentations- und die Funktionsfähigkeit des Parlaments sind als solche Rechtsgüter anerkannt (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫; 84, 304 ≪321≫; 96, 264 ≪279≫; 99, 19 ≪32≫).
Wird das Volk bei parlamentarischen Entscheidungen nur durch das Parlament als Ganzes, das heißt die Gesamtheit seiner Mitglieder, angemessen repräsentiert, so muss die Mitwirkung aller Abgeordneten bei derartigen Entscheidungen nach Möglichkeit und im Rahmen des im demokratisch-parlamentarischen System des Grundgesetzes Vertretbaren sichergestellt sein. Es entspricht dem Prinzip der repräsentativen Demokratie und liegt im konkreten Interesse des Wählers und der Bevölkerung insgesamt, dass der Abgeordnete sein ihm anvertrautes Amt auch tatsächlich ausübt. Nur so kann das Parlament möglichst vollständig, das heißt unter aktiver Teilnahme aller Abgeordneten seine Aufgaben wahrnehmen (vgl. BVerfGE 56, 396 ≪405≫; s. auch BVerfGE 102, 224 ≪237≫). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 1971 festgestellt, dass auf der Ebene des Bundes die Tätigkeit des Abgeordneten zu einem Beruf geworden ist, der den vollen Einsatz der Arbeitskraft fordert (vgl. BVerfGE 32, 157 ≪164≫ sowie schon BVerfGE 4, 144 ≪151≫). In der Folgezeit ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Umfang der Inanspruchnahme durch das Mandat so stark gewachsen sei, dass der Abgeordnete in keinem Fall mehr seine Verpflichtungen mit der im Arbeitsleben sonst üblichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden bewältigen könne (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪312 ff.≫). Seitdem haben sich die Verhältnisse nicht in einer Weise gewandelt, die eine veränderte Einschätzung erlaubt oder gar erforderlich macht. Die Arbeit des Deutschen Bundestages hat im Gegenteil in den zurückliegenden Jahren an Komplexität noch erheblich zugenommen; das ist evident und schlägt sich in der zeitlichen Inanspruchnahme der Bundestagsabgeordneten nieder (vgl. Patzelt, Abgeordnete und Repräsentation, 1993, S. 451 und passim, wonach Bundestagsabgeordnete ihrem Mandat das Doppelte der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit widmen).
Mit dem repräsentativen Status des Abgeordneten gemäß Art. 38 Abs. 1 GG selbst sind folglich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten verbunden, deren Reichweite durch das Gebot, die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu wahren, bestimmt und begrenzt wird (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪341 f.≫). In Übereinstimmung damit verpflichtet § 13 Abs. 2 Satz 1 GO-BT die Mitglieder des Deutschen Bundestages, an dessen Arbeiten teilzunehmen. Das Mandat aus eigenem Entschluss nicht wahrzunehmen, ist mit dem Repräsentationsprinzip unvereinbar (vgl. BVerfGE 56, 396 ≪405≫). Die Pflichtenstellung umfasst auch, dass jeder einzelne Abgeordnete in einer Weise und einem Umfang an den parlamentarischen Aufgaben teilnimmt, die deren Erfüllung gewährleistet. Nur der Umstand, dass die Abgeordneten bei pflichtgemäßer Wahrnehmung ihres Mandats auch zeitlich in einem Umfang in Anspruch genommen sind, der es in der Regel unmöglich macht, daneben den Lebensunterhalt anderweitig zu bestreiten, rechtfertigt den Anspruch, dass ihnen ein voller Lebensunterhalt aus Steuermitteln, die die Bürger aufbringen, finanziert wird (vgl. BVerfGE 32, 157 ≪164≫).
Entgegen der Ansicht der Antragsteller steht die Annahme einer verfassungsrechtlichen Pflichtenstellung des Abgeordneten nicht in Widerspruch zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung; auch nähert sie den Abgeordnetenstatus nicht in bedenklicher Weise demjenigen der Beamten an. Der Abgeordnete „schuldet”, wie das Bundesverfassungsgericht in Abgrenzung zum Beamten betont hat, rechtlich keine Dienste, sondern nimmt in Freiheit sein Mandat wahr (BVerfGE 76, 256 ≪341≫). Er entscheidet in freier Eigenverantwortlichkeit über die Form der Wahrnehmung seines Mandats. Auch wenn der Abgeordnete, wie es in BVerfGE 40, 296 (312) heißt, theoretisch die Freiheit hat, seine Aktivitäten im Plenum, in Fraktion und Ausschüssen sowie im Wahlkreis „bis über die Grenze der Vernachlässigung seiner Aufgabe hinaus einzuschränken”, er sich dies doch „aus den verschiedensten Gründen in der Praxis nicht leisten” kann, so steht er doch unter dem Gebot, dass die parlamentarische Demokratie einer höchst komplizierten Wirtschafts- und Industriegesellschaft vom Abgeordneten mehr als nur eine ehrenamtliche Nebentätigkeit, vielmehr den ganzen Menschen verlangt, der allenfalls unter günstigen Umständen neben seiner Abgeordnetentätigkeit noch versuchen kann, seinem Beruf nachzugehen (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪313≫). Die Freiheit des Abgeordneten gewährleistet nicht eine Freiheit von Pflichten, sondern lediglich die Freiheit in der inhaltlichen Wahrnehmung dieser Pflichten. Nicht das „Ob”, sondern nur das „Wie” der Repräsentation steht im freien Ermessen des Abgeordneten (so zutreffend H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn. 34).
Bereits darin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Status des Abgeordneten und dem eines Beamten oder Arbeitnehmers – die Erfüllung der Pflichten des Abgeordneten entzieht sich einer Durchsetzung nach arbeits- oder beamtenrechtlichem Muster. Dass die Pflichten des Mandats heute die Abgeordneten zeitlich in einem Umfang in Anspruch nehmen, der bei vielen von ihnen die Regelarbeitszeit im öffentlichen Dienst erheblich übersteigt, unterstreicht die Verschiedenheit der Rechtsstellung von Abgeordneten und Beamten (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪342≫).
2. Die Antragsteller setzen dem ein Leitbild eines Abgeordneten entgegen, der, wie sie selbst, im wirklichen Leben stehend seine mandatsexternen Tätigkeiten frei gestalten und so effektiv wahrnehmen kann, dass er mit ihnen nachhaltig Einkünfte zu erzielen vermag und auf diese Weise Unabhängigkeit schöpft, nämlich Unabhängigkeit davon, dass er in Zukunft weiter Diäten beziehen wird, und damit Unabhängigkeit von Partei und Fraktion. Nach Ansicht der Antragsteller folgt dieses Leitbild nicht nur aus der freiheitlichen Verfassung des Grundgesetzes, sondern auch aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen funktionstüchtigen Bundestag. Sie sehen in der Bestimmung des § 44 a Abs. 1 Satz 1 AbgG, nach der die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Deutschen Bundestages steht, einen mit diesem Leitbild unvereinbaren Eingriff in die Freiheit des Mandats, der über ihre eigene Betroffenheit hinaus zu einer dem Parlamentarismus abträglichen Verdrängung dieses Abgeordnetentypus aus dem Deutschen Bundestag führt. Die Argumentation der Antragsteller geht fehl.
a) Die Annahme, ein freiberuflich oder unternehmerisch tätiger Abgeordneter entspreche in besonderer, geradezu prägender Weise dem verfassungsrechtlichen Leitbild des unabhängigen, nur seinem Gewissen unterworfenen Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG), ist ohne tragfähige Grundlage.
aa) Die Grundrechte können keine Handhabe bieten, den Honoratioren-Abgeordneten (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪312≫) als verfassungsrechtliches Leitbild wieder aufleben zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich Erwägungen, die Rechte- und Pflichtenstellung des Abgeordneten nicht nur aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu bestimmen, sondern dafür auch auf Grundrechte zurückzugreifen, zu Recht nicht geöffnet (vgl. BVerfGE 94, 351 ≪365≫; 99, 19 ≪29≫). Dies hat seinen Grund nicht allein darin, dass die Fragen parlamentarischer Repräsentation und des Abgeordnetenstatus in den Art. 38 und Art. 48 GG eine staatsorganisatorische Regelung erfahren haben und sich der Beantwortung anhand grundrechtlicher Argumentationsfiguren entziehen (allenfalls für Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre hat der Senat daher eine Beachtung von Grundrechten neben dem Abgeordnetenrecht für möglich gehalten; vgl. BVerfGE 99, 19 ≪29≫). Dahinter steht vielmehr auch die Einsicht in den – der Notwendigkeit eines funktions- und repräsentationsfähigen Parlaments folgenden – prinzipiellen Vorrang parlamentsrechtlich-funktioneller vor individualrechtlichen Gesichtspunkten bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten des Abgeordneten. Die Rechte des Abgeordneten richten sich nach den Erfordernissen demokratischer Repräsentation und stehen im Dienst der Erfüllung des Gemeinwohlauftrags des Deutschen Bundestages, nicht umgekehrt. Das freie Mandat ist ein zwar in der Gesellschaft verwurzeltes, aber innerhalb der Staatsorganisation wahrgenommenes Amt (vgl. BVerfGE 112, 118 ≪134≫).
bb) Die Sicht der Antragsteller ist bereits mit Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG schwer zu vereinbaren. Nach dieser Vorschrift haben die Abgeordneten Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Die der Bedeutung des Amtes angemessene Entschädigung soll dem Abgeordneten ermöglichen, als Vertreter des ganzen Volkes frei von wirtschaftlichen Zwängen zu wirken „Vollalimentation”; vgl. BVerfGE 40, 296 ≪315 f.≫; 102, 224 ≪239≫). Das Grundgesetz geht also davon aus, dass die Unabhängigkeit der Abgeordneten durch die ihnen zustehende Entschädigung ausreichend gesichert wird. Aus welchem Grund das verfassungsrechtliche Leitbild des Abgeordneten in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gleichwohl auf eine darüber hinaus gehende Sicherung der Unabhängigkeit durch Gewährung besonderer Freiräume an bestimmte Berufsgruppen angelegt sein soll, erschließt sich nicht.
cc) Soweit die Antragsteller die Unabhängigkeit der Abgeordneten von den politischen Parteien ins Feld führen, ist daran zu erinnern, dass die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt ist. Das Grundgesetz weist den Parteien eine besondere Rolle im Prozess der politischen Willensbildung zu (Art. 21 Abs. 1 GG), weil ohne die Formung des politischen Prozesses durch geeignete freie Organisationen eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften nicht gelingen kann (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪239≫; 112, 118 ≪135≫). Das besondere Spannungsverhältnis, das in der Doppelstellung des Abgeordneten als Vertreter des gesamten Volkes und zugleich als Exponenten einer konkreten Parteiorganisation liegt und in Art. 21 und Art. 38 GG erkennbar wird (vgl. BVerfGE 2, 1 ≪72 f.≫), darf bei der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Leitbildes des Abgeordneten nicht unberücksichtigt bleiben. Die Fraktionen nehmen im parlamentarischen Raum unabdingbare Koordinierungsaufgaben wahr, bündeln die Vielfalt der Meinungen zur politischen Stimme und spitzen Themen auf politische Entscheidbarkeit hin zu. Wenn der einzelne Abgeordnete im Parlament politischen Einfluss von Gewicht ausüben, wenn er gestalten will, bedarf er der abgestimmten Unterstützung (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪239 f.≫; 112, 118 ≪135≫; 114, 121 ≪150≫). Eine gewisse Bindekraft der Fraktionen im Verhältnis zum einzelnen Abgeordneten ist daher in einer repräsentativen Demokratie nicht nur zulässig, sondern notwendig (vgl. BVerfGE 10, 4 ≪14≫). Andererseits erfordert die Freiheit des Mandats, dass der Abgeordnete seine Gewissensentscheidung im Konfliktfall auch gegen seine Fraktion behaupten kann und diese so genötigt wird, in ihrem internen Willensbildungsprozess seinen Standpunkt ernst zu nehmen. Daher haben Regelungen vor Art. 38 Abs. 1 GG keinen Bestand, die die Abhängigkeit des Abgeordneten von der politischen Gruppe, der er angehört, übermäßig verstärken. Hierher gehört etwa die systematische Ausdehnung von Funktionszulagen (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪240 f.≫).
Zwar mindert jede vom Bundestagsmandat unabhängige Quelle gesicherter Einkünfte – sei es aus Beruf oder Vermögen – die Abhängigkeit des Abgeordneten von seiner Partei und Fraktion insofern, als sie ihn unabhängiger macht von der Aussicht, über die laufende Wahlperiode hinaus Abgeordnetendiäten zu beziehen, und damit auch von der Bereitschaft seiner Partei, ihm dazu zu verhelfen. Eine Verpflichtung, die rechtlichen oder tatsächlichen Rahmenbedingungen der Parlamentsarbeit vorrangig auf größtmögliche tatsächliche Unabhängigkeit der Abgeordneten von Partei und Fraktion auszurichten, besteht jedoch von Verfassungs wegen weder generell noch insoweit, als etwa eine möglichst geringe Angewiesenheit der Abgeordneten auf den Bezug von Diäten angestrebt werden müsste.
dd) Die Komplexität der parlamentarischen und politischen Arbeitsbedingungen (vgl. auch BVerfGE 114, 121 ≪157≫) und Beziehungsgeflechte (vgl. Meessen, Beraterverträge und freies Mandat, in: Festschrift für Ulrich Scheuner zum 70. Geburtstag, 1973, S. 431 ≪444 f.≫; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 38 Rn. 74) lässt es im Übrigen nicht zu, die Unabhängigkeit des einzelnen Abgeordneten in eine bestimmbare Relation zu seiner wirtschaftlichen Absicherung durch außerparlamentarische Verdienstmöglichkeiten zu setzen.
Dies gilt zunächst insofern, als die für die Unabhängigkeit des Abgeordneten sicherlich in gewissem Umfang bedeutsame „Berufsfähigkeit”, also die Fähigkeit, auch ohne politisches Mandat seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (vgl. Röttgen, Plenarprotokoll 15/184, S. 17399 B), nicht gleichgesetzt werden darf mit der Erwartung, Tätigkeiten in exakt gleicher Weise wie vor dem Eintritt in den Deutschen Bundestag fortführen oder nach dem Ausscheiden wiederaufnehmen zu können.
Vor allem aber zielt die Verfassungsnorm des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, indem sie den Abgeordneten zum Vertreter des ganzen Volkes bestimmt und ihn in dieser Eigenschaft für weisungsfrei und nur seinem Gewissen unterworfen erklärt, auch auf Unabhängigkeit von Interessengruppen (vgl. aus der Diskussion im Parlamentarischen Rat, in der sich die Bestimmung, nach der die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes sind, gerade aus diesem Grund gegen Streichungsvorschläge durchgesetzt hat, Protokoll der Zweiten Sitzung des Kombinierten Ausschusses vom 16. September 1948, in: Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 13, Tb. I, 2002, S. 21 ff.). Dabei geht es nicht zuletzt um Unabhängigkeit von Interessenten, die ihre Sonderinteressen im Parlament mit Anreizen durchzusetzen suchen, die sich an das finanzielle Eigeninteresse von Abgeordneten wenden. Die Wahrung der Unabhängigkeit der Abgeordneten nach dieser Seite hin hat besonders hohes Gewicht; denn hier geht es um die Unabhängigkeit gegenüber Einwirkungen, die – anders als der Einfluss der Parteien und Fraktionen im Prozess der politischen Willensbildung – nicht durch Entscheidungen des Wählers vermittelt sind.
Es spricht nichts dafür, dass insoweit – gegenüber Dritten – die Unabhängigkeit beruflich selbstständig tätiger Abgeordneter grundsätzlich höher eingeschätzt werden müsste als die Unabhängigkeit von nebenher unselbstständig oder überhaupt nicht mehr beruflich tätigen Abgeordneten. Namentlich freiberufliche Tätigkeiten zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie besondere Unabhängigkeit nach dieser Richtung hin gewährleisteten. Ein großer Teil derer, die umgangssprachlich oft den freien Berufen zugeordnet werden, insbesondere ein großer Teil der Rechtsanwälte, übt die Tätigkeit nicht selbstständig, sondern als Angestellte von Sozietäten aus. Freiberuflich Tätige sind ferner nicht selten von einem oder einigen wenigen Auftraggebern oder einer Gruppe von Auftraggebern mit gemeinsamen Interessen wirtschaftlich abhängig.
Sowohl Angestelltenverhältnisse im Bereich der freien Berufe als auch die freien Berufe selbst bieten vielfältige Möglichkeiten, politischen Einfluss durch ein Bundestagsmandat für die außerhalb des Mandats ausgeübte Berufstätigkeit gewinnbringend zu nutzen, und gerade von dieser Möglichkeit gehen besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung und die Bereitschaft, das Mandat in den Mittelpunkt der Tätigkeit zu stellen, aus.
Der Vortrag des Antragstellers zu 5) zeigt dies in exemplarischer Weise. Er hat in der mündlichen Verhandlung am Beispiel seiner eigenen Tätigkeit als Rechtsanwalt in einer großen internationalen Kanzlei, in die er nach seinem Rücktritt vom stellvertretenden Fraktionsvorsitz der CDU eingetreten ist, mit folgenden Worten erläutert, weshalb die Verpflichtung zur Offenlegung seiner beruflichen Einkünfte ihm nicht zumutbar sei:
Ich gehöre heute einer großen internationalen Anwaltssozietät an. Ich bin in dieser Sozietät auf, wie wir es etwas salopp sagen, ein halbes Dezernat gesetzt, das heißt, von mir wird nur die Hälfte der Arbeitszeit erwartet, die auch von den übrigen Partnern gleichen Status' erwartet wird. Würde ich ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag, würde ich auf einen normalen Partnerstatus angehoben, mit entsprechenden Auswirkungen auf meine Einkünfte. … Wir haben das Mandat für den Börsengang der RAG. Dieses Mandat haben wir bekommen, erstens weil wir es können, zweitens weil fast alle anderen großen Kanzleien conflicted waren, und drittens, weil ich in der Kanzlei bin. Aber in der Reihenfolge. Dieses Mandat haben wir bekommen im Frühjahr 2004, zu einem Zeitpunkt, wo über die Frage, ob dieses Unternehmen jemals an die Börse geht, überhaupt noch nirgendwo nachgedacht worden ist, außer in einem ganz kleinen Kreis in dem Unternehmen unter unserer Beteiligung. Wenn ich zu dem damaligen Zeitpunkt den Verhaltensregeln von heute unterlegen hätte, hätte ich veröffentlichen müssen – oder angeben müssen, zunächst dem Bundestagspräsidenten, und der hätte veröffentlichen müssen – die Tatsache, dass ich einen Börsengang begleite, mit einer Branchenbezeichnung eines Unternehmens, das im Bereich der Chemieindustrie, der Kraftwerksindustrie und der Kohleförderung tätig ist. Da hätte niemand in Deutschland irgendwo googlen müssen, um festzustellen, um welches Unternehmen es sich handelt. Das Thema wäre sofort erledigt gewesen; ich hätte dieses Mandat entweder gar nicht annehmen dürfen, und wenn ich es angenommen hätte und den heute geltenden Regeln hätte nachkommen wollen und müssen, hätte ich unmittelbar danach das Mandat entzogen bekommen. … Was habe ich daraus für Konsequenzen gezogen? Ich habe sehr frühzeitig wenigen Kollegen, aber Kollegen, die es wissen mussten, gesagt, dass ich mich an einer möglicherweise stattfindenden Gesetzgebung zum Thema Steinkohleausstieg nicht beteiligen werde, weil ich – ich habe meine Meinung zu dem Thema nie geändert, auch im Zuge dieses Mandats nie geändert, aber weil ich den Anschein eines Konflikts vermeiden will, von vornherein erklärt, ich werde mich an Gesetzgebung zu diesem Thema nicht beteiligen, stehe aber gerne zur Verfügung, dem einen oder anderen auch den einen oder anderen Hinweis zu geben, was wir da eigentlich vorhaben. …
Der Antragsteller zu 5) hat damit nicht nur deutlich gemacht, was ohnehin offensichtlich ist, dass nämlich die Mitarbeit eines Mitglieds – besonders einen prominenten Mitglieds – des Deutschen Bundestages in einer Rechtsanwaltskanzlei für diese und für die potentiellen Mandanten mindestens unter anderem deshalb von Interesse ist, weil man sich von dessen politischen Erfahrungen, Verbindungen und Einflussmöglichkeiten etwas verspricht. Er hat auch dargestellt, dass die mit der Übernahme des geschilderten Mandats verbundene Interessenkonstellation ihn veranlasst hat, als Bundestagsmitglied einzelnen Kollegen gegenüber eine Art – parlamentsrechtlich nicht vorgesehener – Befangenheitserklärung dahingehend abzugeben, dass er sein Abgeordnetenmandat in der betreffenden Angelegenheit nicht mehr beziehungsweise nicht mehr in regulären Sitzungen, sondern nur noch in Hintergrundgesprächen mit dem „einen oder anderen” ausüben werde.
Diese Schilderung verdeutlicht den guten Sinn einer gesetzlichen Regelung, die klarstellt, dass im Mittelpunkt der Tätigkeit des Abgeordneten das Abgeordnetenmandat zu stehen hat und der Abgeordnete daher verpflichtet ist, konkrete Interessenkonflikte, die sich für ihn aus entgeltlichen Tätigkeiten außerhalb des Mandats ergeben, durch Nichtübernahme der konfliktbegründenden Tätigkeit statt durch Nichtausübung des Mandats zu vermeiden.
b) Der von den Antragstellern dem Gericht präsentierte Idealtypus des Abgeordneten hat auch nicht etwa im Hinblick auf das passive Wahlrecht (Art. 38 Abs. 1 und 2 GG) und dessen Sicherungen in Art. 48 GG oder ein Gebot repräsentativer Zusammensetzung des Deutschen Bundestages Verfassungsrang. Art. 48 GG will – gemeinsam mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG – sicherstellen, dass Vertretern aller Bevölkerungsschichten der Weg ins Parlament offen steht. Die Vorschrift gebietet jedoch nicht, das Abgeordnetenmandat von allen Verpflichtungen freizuhalten, die in tatsächlicher Hinsicht Angehörige verschiedener Berufsgruppen unterschiedlich belasten können, und bezweckt nicht die Gewährleistung eines repräsentativen Querschnitts aller Berufe im Parlament. Der Deutsche Bundestag ist kein ständisches Abbild der Bevölkerung (vgl. H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn. 25; s. auch Zivier, Recht und Politik, 2005, S. 152 ≪156≫). Anderes folgt auch nicht aus der mit dem freien Mandat verbundenen Vorstellung einer Rückkoppelung von Parlamentariern und Wahlvolk (vgl. BVerfGE 112, 118 ≪134≫).
Die Behauptung der Antragsteller, selbstständig und freiberuflich Tätige würden durch eine am Leitbild des Vollzeitabgeordneten orientierte Gesetzgebung mehr als andere Berufsgruppen am Zugang zum Parlament gehindert, erscheint bereits deshalb wenig plausibel, weil Freiberufler und Selbstständige in den Parlamenten nicht erkennbar unterrepräsentiert sind (vgl. die Angaben bei Patzelt, ZParl 1996, S. 462 ≪465≫ sowie insbesondere für den hohen Anteil von Rechtsanwälten im Deutschen Bundestag die im Internet veröffentlichte Berufestatistik des 16. Deutschen Bundestages).
3. Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach niemand gehindert werden darf, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben, steht Regelungen nicht entgegen, mit denen der Gesetzgeber auf der Grundlage des Art. 38 Abs. 3 GG die verfassungsrechtliche Stellung des Abgeordneten in Übereinstimmung mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG konkretisiert. Art. 48 GG enthält ergänzende Vorschriften zur Sicherung des passiven Wahlrechts und des freien Mandats, aber keine normativen Aussagen zu diesem selbst. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Regelungen der Pflichtenstellung des Abgeordneten sind keine nach Art. 48 Abs. 2 GG unzulässigen Behinderungen (vgl. BVerfGE 42, 312 ≪326 f.≫; zum Ganzen H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn. 22, 33). Die von den Antragstellern verfochtene Auslegung dieser Vorschrift als Benachteiligungsverbot in dem Sinne, dass der Deutsche Bundestag die Rechte und Pflichten der Abgeordneten nicht in einer Weise regeln darf, die im Hinblick auf eine Berufsausübung neben dem Mandat belastende Auswirkungen haben und damit das Interesse an der Übernahme eines Mandats vermindern könnten, kehrt die Rangfolge der Regelungsgehalte von Art. 38 und Art. 48 GG um und macht die Gestaltung des Parlamentsrechts abhängig von außerparlamentarischen Umständen.
4. Die von den Antragstellern angegriffene Bestimmung des § 44 a Abs. 1 AbgG ist mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Der Gesetzgeber durfte in Wahrnehmung seiner Kompetenz gemäß Art. 38 Abs. 3 GG das verfassungsrechtliche Leitbild des Abgeordneten in dem Sinne nachzeichnen, dass die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Deutschen Bundestages steht (§ 44 a Abs. 1 Satz 1 AbgG) und unbeschadet dieser Verpflichtung Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat zulässig bleiben (§ 44 a Abs. 1 Satz 2 AbgG).
a) Der Gesetzgeber schließt mit der Mittelpunktregelung an die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts an, dass das parlamentarische Mandat zu einem – wenn auch temporären – Beruf geworden ist, der den vollen Einsatz der Arbeitskraft fordert (BVerfGE 32, 157 ≪164≫; vgl. auch 40, 296 ≪313≫). Die Bestimmung soll die Wertigkeit der verfassungsrechtlichen Pflicht der Abgeordneten verdeutlichen, die in der Vertretung des ganzen Volkes besteht und neben der die Ausübung von Tätigkeiten neben dem Mandat in den Hintergrund tritt (BTDrucks 15/5671, S. 4).
Diese Begründung folgt den im Kern übereinstimmenden Äußerungen der Sachverständigen in der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten. Der Sachverständige Professor Meyer hat darauf hingewiesen, dass die Regelung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folge und daher verfassungsrechtlich unbedenklich sei (Protokoll der 5. Sitzung der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten am 21. April 2005, S. 2 f.; vgl. auch aus der Plenardebatte des Deutschen Bundestages Plenarprotokolle 15/182, S. 17254 D und 15/184, S. 17401 C sowie die Charakterisierung der Mittelpunktregelung durch den damaligen Vorsitzenden der Kommission und heutigen Präsidenten des Deutschen Bundestages: „Klarstellung”, Plenarprotokoll 15/182, S. 17256 C). Dies ist in der intensiven und detaillierten Auseinandersetzung, die in der Rechtsstellungskommission geführt wurde, von keiner Seite bestritten worden. Diskutiert wurde über die nähere Bedeutung einer solchen Regelung, unter anderem für die Vereinbarkeit des Bundestagsmandats mit Funktionen in Regierung und Parteiführung. Es bestand Einigkeit darüber, dass die Regelung dies nicht ausschließen solle (Protokoll der 5. Sitzung der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten am 21. April 2005, S. 10 ff., 14; vgl. auch Plenarprotokoll 15/182, S. 17254 f.). Einig war man sich auch darin, dass die Pflicht, das Abgeordnetenmandat in den Mittelpunkt zu stellen, nicht zum Gegenstand administrativer oder verwaltungsgerichtlicher Durchsetzung gemacht werden könne, es sich insofern also um eine „sanktionslose” Rechtspflicht handele (Protokoll der 5. Sitzung der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten am 21. April 2005, S. 9 ff.). Umstritten war nur, ob eine klarstellende einfach-gesetzliche Regelung sinnvoll sei (a.a.O., S. 5, 10 f.). Der Sachverständige Professor Waldhoff, der im vorliegenden Verfahren die Antragsteller zu 7) bis 9) vertritt, äußerte hierzu die Auffassung, es bringe nichts, wenn im Abgeordnetengesetz stehe, die Abgeordnetentätigkeit müsse im Mittelpunkt stehen, da dies bereits aus dem Grundgesetz hergeleitet werden könne (a.a.O., S. 10 f.).
b) Wie oben zu C.I.1. dargelegt, trifft die Annahme des Gesetzgebers zu, dass die Mittelpunktregelung im Einklang mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht steht. Sie ist Ausdruck des Vorrangs der Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments vor mandatsfremden Individualinteressen einzelner Abgeordneter. Dieses Rangverhältnis war im Übrigen auch in der Rechtsstellungskommission des Ältestenrates, in der die angegriffenen Regelungen vorbereitet wurden, zwischen den Abgeordneten und Sachverständigen, die sich für Regelungen der schließlich erlassenen Art nachdrücklich eingesetzt haben, und denen, die eher Bedenken formulierten, nicht umstritten. So hat beispielsweise der Abgeordnete Wiefelspütz die „Höchstrangigkeit der Verpflichtung einer ordnungsgemäßen Mandatswahrnehmung” betont, und der Sachverständige Professor Waldhoff hat auf diese Äußerung zustimmend Bezug genommen (Protokoll der 6. Sitzung der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten am 12. Mai 2005, S. 31).
5. Es besteht kein Anlass, in diesem Verfahren der Frage nachzugehen, anhand welcher Kriterien im Einzelnen zu bestimmen ist, ob bei einem Abgeordneten die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt seiner Tätigkeit steht. Dem von Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten freien Mandat des Abgeordneten entspricht es, dass die Abgeordneten über die Art und Weise der Ausübung des Mandats grundsätzlich frei und in ausschließlicher Verantwortlichkeit gegenüber dem Wähler entscheiden. Die Beachtung der Pflicht, die Ausübung des Mandats in den Mittelpunkt der Tätigkeit zu stellen, unterliegt nach den angegriffenen Vorschriften keiner Überwachung durch eine Behörde oder ein Gericht; Verstöße ziehen keine rechtlichen Folgen nach sich. Es verbleibt dabei, dass der Abgeordnete Rechenschaft über seine Aktivitäten nur im politischen Raum abzulegen hat. Dafür bedarf es keiner rechtsförmigen Kriterien; die wertende Beurteilung soll vielmehr gerade der öffentlichen Diskussion und letztlich dem Wähler anheim gegeben werden.
Der Übernahme von Regierungs- oder Parteiämtern durch Abgeordnete steht § 44 a Abs. 1 Satz 1 AbgG nicht entgegen. Dem Normzweck entsprechend wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt, dass beispielsweise die Vereinbarkeit eines Regierungsamtes (Bundeskanzler, Bundesminister) mit der Mitgliedschaft im Parlament nicht ausgeschlossen werden soll (BTDrucks 15/5671, S. 4). Entsprechendes gilt für die Parlamentarischen Staatssekretäre und die Wahrnehmung von parteipolitischen Aufgaben (Parteivorsitzender, Geschäftsführer, Generalsekretär). Alle diese Aufgaben stehen in dem vom Grundgesetz vorgezeichneten Prozess demokratischer Willensbildung, in dem den Parteien eine vermittelnde Rolle zukommt (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG; näher BVerfGE 52, 63 ≪82 f.≫), die Regierung vom Vertrauen des Parlaments abhängig (Art. 63, Art. 68 GG; vgl. BVerfGE 114, 121 ≪149 ff.≫) und die gleichzeitige Mitgliedschaft in Parlament und Regierung erlaubt ist (Art. 53a Abs. 1 Satz 2 GG), in so enger Verbindung zu den Aufgaben des Parlaments, dass eine personelle Verschränkung nicht der Verpflichtung des Abgeordneten zuwiderläuft, das Mandat in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit zu stellen. § 44 a Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. AbgG, wonach Tätigkeiten „anderer Art” neben dem Mandat grundsätzlich zulässig sind, verleiht der Regelungsabsicht des Gesetzgebers auch im Normtext selbst noch einmal klarstellenden Ausdruck.
II.
§ 44 a Abs. 1 AbgG ist nach Auffassung der Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau nur in der gebotenen verfassungskonformen Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. Die von den Antragstellern gerügten Maßnahmen sind am Maßstab des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG zu prüfen.
a) Das Abgeordnetengesetz konkretisiert den verfassungsrechtlichen Grundsatz des freien Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG), dessen Vorgaben den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers begrenzen. Der Abgeordnete ist Vertreter des ganzen Volkes, durch ihn wird das Volk im Parlament repräsentiert (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫). Freiheit der Wahl und freies Mandat bilden einen unauflösbaren Zusammenhang, der sich in das parlamentarische Entscheidungsverfahren und die näheren Bestimmungen über den Status des Abgeordneten hinein auswirkt (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪238 f.≫; 112, 118 ≪134≫; vgl. auch BVerfGE 44, 308 ≪316≫). Das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete freie Mandat ist die Fortführung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG in den staatsorganisationsrechtlichen Bereich hinein und damit Ausdruck der repräsentativen Demokratie.
Aus der unmittelbaren Verknüpfung des freien Mandats mit der repräsentativen Demokratie folgt die besondere Stellung des Abgeordneten, der zwischen Staat und Gesellschaft steht. Wer einen Sitz im Bundestag übernommen hat, bleibt in besonderer Weise gesellschaftlich verwurzelt, wenn er über seinen Wahlkreis und seine Partei die Auffassungen von Bürgern und Parteimitgliedern aufnehmen, von ihm mit getragene Entscheidungen vermitteln und erklären muss. Durch diese stete Vermittlungsaufgabe und die Verantwortlichkeit vor dem Wähler sowie regelmäßig auch innerhalb einer Partei erhält das Mandat eine besondere politische Prägung, die es von anderen öffentlichen Ämtern unterscheidet. Das Volk, das der Abgeordnete vertritt, ist nicht Dienstherr, gibt keine Weisungen und führt keine Dienstaufsicht; es entscheidet vielmehr mit der Stimmabgabe bei der Bundestagswahl in einer personellen und sachlichen Gesamtwürdigung über Erlangung und Fortsetzung des Mandats und über die Kräfteverhältnisse im Parlament. Das Mandat des Abgeordneten ist zwar ein öffentliches Amt (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG), aber in seiner politischen Freiheit und in seiner unmittelbaren Verantwortung vor dem Volk (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht vergleichbar mit der Einordnung des Beamten in ein System der Ämterhierarchie, der Weisungsunterworfenheit und der Disziplinargewalt des Dienstherren.
Dort, wo der politische Wille im parlamentarischen Raum sich erst bildet, herrscht Freiheit, die sich nur den verfassungsrechtlichen Bindungen gegenübersieht (Art. 20 Abs. 3 GG für die Gesetzgebung); deshalb spricht Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG davon, dass die Abgeordneten nur ihrem Gewissen unterworfen sind, wie dies für grundrechtlich gewährleistete Freiheit typisch ist. Dieses Leitbild der Freiheit der Abgeordneten ist keine konstitutionelle Naivität; die freiwillige, aber nie unbegrenzte Einpassung in politische Parteien und Fraktionen gehört ebenso zum Bild des freien Mandats wie die Einfügung in die parlamentarische Ordnung von Regierung und Opposition. Aber der besondere Charakter der Freiheit des Mandats bildet auch ein Gegengewicht zu all den notwendigen funktionalen Einbindungen der Abgeordneten und bedarf deshalb besonderer Achtung, damit nicht aus den organisatorischen und institutionellen Zwängen heraus allmählich eine Funktionalisierung und geschmeidige Anpassung parlamentarischen Verhaltens an anderwärts beschlossene politische Entscheidungen erfolgt. Aufs Ganze und in historischer Perspektive gesehen, wird ein lebendiger Parlamentarismus weniger durch begrenzte Versuche der Interessenlenkung aus der Gesellschaft heraus behindert, sondern auf Grund der Bedingungen des politischen Prozesses.
Das Bundesverfassungsgericht hat darüber zu wachen, dass die Ausgestaltung des freien Mandats durch Gesetz oder konkretisierende Normen und Einzelmaßnahmen nicht schrittweise zu einer unzulässigen Ausgestaltung des Mandats nach beamten- und dienstrechtlichen Strukturmerkmalen wird. So begründen nach der Rechtsprechung des Senats beispielsweise Funktionszulagen die Gefahr, dass Abgeordnete wirtschaftlich auf eine innerparlamentarische Ämterhierarchie angewiesen sind, die sie in verstärkte Abhängigkeit von ihrer Fraktions- und Parteiführung bringt, weil eine unabhängige und ohne Rücksicht auf eigene wirtschaftliche Vorteile getroffene Willensentscheidung mit dem Verlust besonders honorierter parlamentarischer Funktionen sanktioniert werden kann (vgl. BVerfGE 102, 224 ≪241≫).
b) Der Abgeordnete repräsentiert gemeinsam mit der Gesamtheit aller anderen Mitglieder des Parlaments (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫; stRspr) das Volk. Das Grundgesetz verlangt dabei keine ständestaatlich inspirierte Vertretung nach gesellschaftlichen Gruppen; der Repräsentationsgedanke bedingt aber, dass eine besondere Verwurzelung des Abgeordneten in der beruflichen und gesellschaftlichen Sphäre nicht unterbunden, sondern gefördert wird. Der Abgeordnete befindet sich, insoweit den Parteien nicht unähnlich (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪101≫; 85, 264 ≪284 ff.≫; 91, 262 ≪268 f.≫; 91, 276 ≪285 f.≫), in einer besonderen Position zwischen dem Staat, der öffentliche Gewalt ausübt, und der freien Gesellschaft, aus der er stammt und in der er sich für die Dauer des Mandats und für dessen Erneuerung verantworten und erklären muss. Aus der Gesellschaft kommend und in ihr verankert, sollen Abgeordnete und Parteien den dort gebildeten Willen der Wähler aufnehmen und ihm in der staatlichen Sphäre zur Geltung verhelfen. Die aus der Berufsausübung folgende wirtschaftliche Unabhängigkeit gerade Selbstständiger und Angehöriger freier Berufe fördert diese in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG beschriebene Freiheit des Mandats.
Aus dieser besonderen Funktion des Abgeordneten als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft folgt, dass der Geltungsbereich der grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen für den Abgeordneten gerade nicht in demselben Maße strikt begrenzt sein muss wie dies etwa für Beamte der Fall ist, dass vielmehr der Schutzgedanke und die Wertungen betroffener Grundrechte im Rahmen von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG herangezogen werden können (s. dazu unten D.II.1.b≫).
c) Zur Verwurzelung des Abgeordneten in der Gesellschaft zählt auch die Freiheit zur Aufnahme, Ausübung und Fortführung einer beruflichen Tätigkeit während des Mandats. Es gehört zum herkömmlichen Erscheinungsbild der Volksvertreter, dass sie nicht nur vor und nach ihrem Mandat, sondern – mit entsprechenden Einschränkungen – auch während ihres Mandats berufstätig sind. Ursprünglich ging die Erwartung sogar dahin, dass Abgeordnete wirtschaftlich selbstständig sein müssten, damit sie nicht aus öffentlichen Kassen quasi besoldet würden und sich dann womöglich zu Staatsfunktionären entwickelten.
Bis zur Neuregelung des Abgeordnetengesetzes bestand deshalb kein Zweifel daran, dass die Ausübung eines Berufes oder einer sonstigen, auf die Erzielung von Einkommen gerichteten Tätigkeit grundsätzlich unbeschränkt und nicht etwa wie bei Beamten nur im Rahmen einer – gegebenenfalls genehmigungspflichtigen – Nebentätigkeit (vgl. hierzu BVerfGE 52, 303 ≪343≫) zulässig ist. Der reguläre Beruf wurde für eine Mandatswahrnehmung auf Zeit als eine Art Rückversicherung angesehen, um nicht übermäßig auf die Gunst der Partei und die Erneuerung des Mandats schon aus wirtschaftlichen Gründen angewiesen zu sein und so einer Funktionärsmentalität Vorschub zu leisten. Dies entspricht sowohl dem traditionellen Bild des Abgeordneten, wie es sich anschaulich aus der Entwicklung des Rechts der Abgeordnetenentschädigung ergibt, als auch der Intention des Parlamentarischen Rates.
aa) Sowohl im Kaiserreich als auch in der Weimarer Republik war es im Kern unbestritten, dass Abgeordnete auch während ihres Mandats einen bürgerlichen Beruf ausüben durften; dies entsprach sogar der an den Abgeordneten gerichteten Erwartung. Das Mandat wurde als Ehrenamt angesehen (vgl. nur Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 40 Ziff. 2). Dementsprechend verbot Art. 32 der Verfassung des Deutschen Reiches (RV) vom 16. April 1871 zunächst die Zahlung von Diäten. Hintergrund war ursprünglich die Erwartung eines Mindestmaßes an finanzieller Unabhängigkeit der gewählten Abgeordneten, um damit der befürchteten „radikalen Wirkung” des allgemeinen Wahlrechts zu begegnen (Dambitsch, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 1910, S. 473 f.). Erst durch Gesetz vom 21. Mai 1906 wurde – nachdem sich die in das Entschädigungsverbot gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hatten – Art. 32 RV dahingehend geändert, dass nunmehr eine Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes vorgesehen war. Diese Entschädigung sollte gleichsam als pauschale Abgeltung die dem Abgeordneten durch die Ausübung seines Mandats entstehenden Nachteile ausgleichen, nicht dagegen ein Entgelt für die parlamentarische Arbeit darstellen. Vielmehr galt das Verbot der Besoldung, trotz vereinzelter Forderungen nach einem „Gehalt” für die Parlamentarier (hierzu Urban, Die Diätenfrage, 2003, S. 77 f.), auch nach der Änderung von Art. 32 RV fort.
Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) hielt an diesen Grundsätzen fest, auch wenn sie kein ausdrückliches Verbot der Besoldung mehr enthielt. Die seit 1906 den Abgeordneten gewährte Entschädigung sollte auch nach 1919 weiterhin allein den mit der Mandatsausübung verbundenen Aufwand ausgleichen. Nach allgemeiner Auffassung in der Staatsrechtslehre war die „Entschädigung nach Maßgabe eines Reichsgesetzes”, auf die die Mitglieder des Reichstags nach Art. 40 WRV einen Anspruch hatten, keine Besoldung und kein Entgelt für die parlamentarische Tätigkeit (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 40 Ziff. 2; Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, 1922, Bd. I, S. 362 f.; ders., Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, 1915 ≪Nachdruck 1973≫, S. 614 ff.; Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, 1929, S. 91), da nur dies als mit der Würde des Abgeordneten als eines Repräsentanten im Gegensatz zu einem Interessenvertreter vereinbar angesehen wurde. Bis zum Ende der Weimarer Republik wurde somit die Ausübung eines bürgerlichen Berufs durch einen Abgeordneten als selbstverständlich vorausgesetzt.
bb) Das Grundgesetz knüpft an diese Vorstellung vom Status des Abgeordneten an. Bereits der Herrenchiemseer Entwurf führte den Regelungsgehalt des Art. 40 WRV mit der Formulierung seines Art. 63 fort: „Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Sie haben das Recht zur freien Fahrt mit allen staatlichen Verkehrsmitteln”. Den Änderungen dieses Wortlauts im Parlamentarischen Rat, die zu der Formulierung des Art. 48 Abs. 3 GG führten, ging keine grundsätzliche Erörterung voran (vgl. von Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR ≪n.F.≫ 1 ≪1951≫, S. 377); ihnen lässt sich daher nicht die Absicht entnehmen, den Status des Abgeordneten insoweit zu modifizieren. Dementsprechend führte das Mitglied des Parlamentarischen Rates von Mangoldt in seiner Kommentierung von Art. 48 GG aus: „Da die Mitgliedschaft im BT. wie in der Vergangenheit als Ehrenamt gilt, wird dem Abgeordneten kein ‚Gehalt’ und keine ‚Besoldung’, sondern nach Abs. 3 eine ‚Entschädigung’ gewährt, d.h. es wird ihm der Aufwand vergütet, der ihm aus der Ausübung seines Amtes erwächst. Diese Entschädigung soll dem Abgeordneten die für die Ausübung seines Mandats erforderliche Unabhängigkeit, übrigens auch von der Parteikasse, sichern, ferner auch Personen, welche zur Übernahme des Mandats eine dem Erwerbe des Lebensunterhaltes dienende Beschäftigung aufgeben müssen, die Annahme des Mandats überhaupt erst ermöglichen” (Das Bonner Grundgesetz, 1953, Art. 48 Ziff. 3).
Auch der historische Verfassungsgeber ging demnach davon aus, dass der Abgeordnete seinen Lebensunterhalt grundsätzlich außerhalb des Parlaments erwirtschaftet oder sonst sicherstellt und dass die Abgeordnetenentschädigung lediglich eine pauschalierte Entschädigung für den mit der Mandatsausübung verbundenen Aufwand sowie gegebenenfalls für durch die Mandatsausübung verursachte Einkommensausfälle darstellt (vgl. BVerfGE 4, 144 ≪151≫).
cc) Dass die Ausübung eines Abgeordnetenmandats heute einen höheren zeitlichen Aufwand erfordern dürfte als in früheren Zeiten, ändert an diesem verfassungsrechtlichen Befund nichts. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Diätenurteil aus dem Jahr 1975 festgestellt, dass aus der Entschädigung für einen besonderen, mit der Ausübung des Mandats verbundenen Aufwand eine „Alimentation” des Abgeordneten und seiner Familie aus der Staatskasse als Entgelt für die Inanspruchnahme des Abgeordneten für sein zur Hauptbeschäftigung gewordenes Mandat geworden ist (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪314≫), und hat aus dieser Nachzeichnung einer tatsächlichen Entwicklung Folgerungen für die Bemessung der Abgeordnetenentschädigung abgeleitet (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪315 f.≫). Es hat jedoch aus dem Befund einer umfangreichen zeitlichen Inanspruchnahme des Abgeordneten durch seine Mandatsausübung ausdrücklich nicht den rechtlichen Schluss gezogen, dass die Mandatsausübung von Verfassungs wegen den zeitlichen Schwerpunkt der Tätigkeit darstellen und eine Erwerbstätigkeit außerhalb des Mandats deshalb zwingend dahinter zurückstehen müsse. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ausführungen zur Bemessung der Entschädigung hervorgehoben, diese müsse so ausgestaltet werden, dass die Freiheit des Abgeordneten und die praktische Möglichkeit, sich seiner parlamentarischen Tätigkeit auch um den Preis, Berufseinkommen ganz oder teilweise zu verlieren, widmen zu können, nicht gefährdet wird; es hat gleichzeitig festgestellt, dass die Entschädigung nicht etwa zu einem arbeitsrechtlichen Anspruch geworden sei, dem ein Anspruch auf die Erbringung bestimmter Dienste korrespondiere (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪315 f.≫; vgl. auch BVerfGE 76, 256 ≪341 f.≫), welcher gegebenenfalls – wie im Beamtenrecht – zu Einschränkungen anderweitiger Erwerbstätigkeiten berechtige. Daraus geht hervor, dass in dieser grundlegenden Entscheidung nicht die Weichen dahin gestellt wurden, den berufstätigen Abgeordneten allmählich an die Peripherie des Abgeordnetenleitbildes zu drängen, sondern umgekehrt den berufslosen oder in den Erwerbsmöglichkeiten stark eingeschränkten Mandatsträger in seiner Unabhängigkeit ebenfalls zu stärken und es so in seine Verantwortung zu legen, ob und in welchem Umfang er während des Mandats beruflich tätig ist.
dd) Die herkömmliche, grundsätzlich unbeschränkte Zulässigkeit der Ausübung von Erwerbstätigkeiten neben dem Mandat trägt dazu bei, die Unabhängigkeit des Abgeordneten zu gewährleisten und damit die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern. Entstehungsgeschichtlich kam es dem Parlamentarischen Rat vor allem auf die Unabhängigkeit vom jeweiligen Parteiapparat an (vgl. von Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR ≪n.F.≫ 1 ≪1951≫, S. 354 f.). Erst die Möglichkeit, trotz der Übernahme eines Mandats weiter seinem Beruf oder einer sonstigen Erwerbstätigkeit in grundsätzlich nicht eingeschränktem Umfang nachzugehen, gibt dem einzelnen Abgeordneten auch faktisch die Freiheit, sein Mandat allein nach seinem Gewissen auszuüben, ohne im Hinblick auf die Chancen seiner Wiederwahl und eine damit verbundene Sicherung seines Einkommens übermäßig Rücksicht auf etwaige Erwartungen seiner Partei, sonstiger einflussreicher Interessengruppen oder auch der Medien nehmen zu müssen.
d) Das Mandat als öffentliches Amt ist allerdings auch mit Pflichten verbunden, die namentlich solche Einschränkungen der Freiheit des Mandats gestatten, die im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments erforderlich sind (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫). Der Abgeordnete hat insbesondere die Pflicht, das übernommene Mandat tatsächlich auszuüben, weshalb es verfassungsrechtlich zulässig sein kann, wenn einfachrechtliche Vorschriften als Folge einer durch die Verurteilung zu Freiheitsstrafe verursachten andauernden tatsächlichen Unfähigkeit, das Mandat auszuüben, den Mandatsverlust vorsehen (vgl. BVerfGE 56, 396 ≪405≫). Eine weitergehende, verwaltungsförmig ausgestaltete Kontrolle, ob und wie der Abgeordnete sein Mandat ordnungsgemäß versieht, entspricht dagegen nicht dem Leitbild eines weisungsfreien Repräsentanten des Volkes. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb aus der weitgehenden Freiheit des Mandats abgeleitet, dass es dem Abgeordneten von Verfassungs wegen frei stehe, die Arbeit in Parlament, Fraktion, Partei und Wahlkreis „nach eigenem Ermessen bis über die Grenze der Vernachlässigung seiner Aufgabe hinaus einzuschränken” (BVerfGE 40, 296 ≪312≫).
Über die tatsächliche Mandatsausübung hinausgehende Erwartungen an den Abgeordneten betreffend deren Art und Umfang sind daher von Verfassungs wegen einer rechtlichen Regelung entzogen und allein der politischen Sphäre überantwortet, in welcher der Abgeordnete sich für sein Verhalten gegenüber Partei und Fraktion und vor allem gegenüber seinen Wählern verantworten muss. Eine rechtliche Pflicht des Abgeordneten, sich mit bestimmten oder gar mit allen im Parlament zu behandelnden Fragen zu beschäftigen, besteht nicht; vielmehr liegt es allein in der freien, lediglich vor dem Wähler zu rechtfertigenden Entscheidung des Abgeordneten, ob und gegebenenfalls in welcher Intensität er sich mit einzelnen Gegenständen parlamentarischer Beratung und Entscheidung befasst (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪316≫).
e) Nähere Bestimmungen zu der in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG allgemein geregelten Stellung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages enthält Art. 48 GG. Der zweite Absatz dieser Vorschrift sichert die Ausübung des Abgeordnetenmandats durch die Anordnung, dass niemand gehindert werden darf, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben (vgl. Magiera, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 48 Rn. 1). Bei der Interpretation des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG ist sein besonderer systematischer Zusammenhang mit der Gewährleistung des freien Mandats in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, aber auch mit dem passiven Wahlrecht (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 38 Abs. 2, 2. Halbsatz GG) zu beachten (vgl. H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn. 33; Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25.6.1980, 1985, S. 101).
aa) Nicht alles, was der Übernahme und der Ausübung des Abgeordnetenmandats hinderlich ist, ist durch Art. 48 Abs. 2 GG verboten. Schon die sprachliche Fassung des Normtextes „niemand darf gehindert werden”) legt nahe, dass in erster Linie nur das transitive Hindern, Verhindern oder Erschweren der Übernahme und Ausübung des Mandats gemeint ist. Der Anwendungsbereich von Art. 48 Abs. 2 GG ist daher jedenfalls dann eröffnet, wenn eine Maßnahme vorliegt, die die Übernahme oder Ausübung des Abgeordnetenmandats erschweren oder unmöglich machen soll. Die mit dieser Intention gesetzte Erschwerung oder Verhinderung wird von Verfassungs wegen verboten, nicht aber eine in eine ganz andere Richtung zielende Handlung, die nur unvermeidlicherweise die tatsächliche Folge oder Wirkung einer Beeinträchtigung der Freiheit ist, das Mandat zu übernehmen und auszuüben (vgl. BVerfGE 42, 312 ≪329≫; s. hierzu Magiera, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 48 Rn. 10; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 48 Rn. 15; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 48 Rn. 12, jeweils m.w.N.).
bb) Auch deshalb darf dem Abgeordneten eine berufliche Tätigkeit neben seinem Abgeordnetenmandat nicht unverhältnismäßig erschwert, unmöglich gemacht oder gar verboten werden. Das Behinderungsverbot erschöpft sich nicht darin, der Übernahme und Ausübung des Mandats aus dem beruflichen Bereich des Abgeordneten keine Hindernisse erwachsen zu lassen; vielmehr zielt es darauf ab, dem Abgeordneten im Rahmen des Möglichen die Chance zu geben, Mandat und Beruf miteinander zu verbinden (vgl. H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn. 95); Art. 48 GG setzt ein Nebeneinander von Abgeordnetentätigkeit und Beruf also gerade voraus (Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 48 Rn. 29).
cc) Das Verbot massiver Behinderungen, die der Untersagung einer beruflichen Tätigkeit gleich kommen, ergibt sich auch aus der Funktion des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG, zugleich das passive Wahlrecht (Art. 38 Abs. 2 GG) zu sichern (vgl. BVerfGE 42, 312 ≪326≫; 98, 145 ≪160≫; H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn. 22). In dieses Recht eines gewählten Mandatsbewerbers greifen gesetzliche Vorschriften ein, die es ihm untersagen, sein Mandat neben der Wahrnehmung seiner beruflichen Funktion auszuüben (vgl. BVerfGE 98, 145 ≪160≫), soweit sich Inkompatibilitäten nicht durch das Prinzip der Gewaltenteilung, das Bundesstaatsprinzip oder andere verfassungsrechtliche Gründe rechtfertigen lassen. Jedermann muss ohne Rücksicht auf soziale Unterschiede, insbesondere seine Abstammung, seine Herkunft, seine Ausbildung oder sein Vermögen, die gleiche Chance haben, Mitglied des Parlaments zu werden (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪318≫). Behinderungen, die im Sinne einer Korrektur des allgemeinen Wahlrechts dazu führen, nicht begüterten Volksschichten den Weg ins Parlament zu erschweren, sind deshalb ebenso untersagt wie solche, die es den Beziehern hoher beruflicher Einkommen faktisch verwehren, ein Mandat im Bundestag zu übernehmen.
2. Nach diesen Maßstäben verstößt § 44 a Abs. 1 Satz 1 AbgG nur dann nicht gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG, wenn diese Vorschrift verfassungskonform ausgelegt wird. Das Grundgesetz gewährleistet die Freiheit des Mandats und, davon umfasst, die Möglichkeit, neben dem Abgeordnetenmandat auch beruflich tätig zu sein; diese Freiheit des Mandats verlangt allerdings nach einem verantwortlichen Umgang mit dieser Freiheit, gerade weil sie keiner verwaltungs- oder justizförmigen Kontrolle unterworfen werden darf. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, diesen Zusammenhang noch einmal deklaratorisch im Abgeordnetengesetz hervorzuheben.
a) Es steht dem Gesetzgeber frei, die Erwartung, dass die Ausübung des Mandats in den Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Deutschen Bundestages gestellt wird, gesetzlich zu fixieren. Damit greift er die tatsächliche Entwicklung auf, nach der das Abgeordnetenmandat in der parlamentarischen Praxis überwiegend nicht mehr als ehrenamtliche Nebentätigkeit ausgeübt werden kann. Während der Mandatszeit verlangt die parlamentarische Demokratie vom Abgeordneten heute weit mehr; sie fordert großen Einsatz, so dass in vielen Fällen die Ausübung eines Berufs erheblich erschwert wird oder zurückstehen muss (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪313≫). Auch wenn die berufliche Tätigkeit neben dem Mandat von Verfassungs wegen vorgesehen und zu ermöglichen ist, wird der Aufwand für die Ausübung eines Bundestagsmandats in der Praxis häufig zu hoch sein, als dass zugleich in vollem Umfang ein Erwerbsberuf ausgeübt werden könnte (vgl. H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn. 38).
b) aa) Die Entscheidung darüber, wie viel Zeit für den Beruf aufgewendet wird, treffen die Abgeordneten aber ebenso frei wie sie das Maß ihrer Mitarbeit in der Partei, in Regierungsfunktionen oder ihr Engagement im Rahmen der familiären Lebensgestaltung bestimmen. Wenn der Gesetzgeber beginnt, die Abgeordneten auf Einhaltung einer Mandatspflicht zu kontrollieren, eröffnet er den Weg zu einem Mandatsbediensteten. Wer freie Abgeordnete will, muss auch ein Mindestmaß an Vertrauen aufbringen, dass die vom Volk Gewählten ganz überwiegend mit Umsicht und verantwortlich mit ihrer Freiheit umgehen. Das Prinzip der Freiheit verlangt, dass nur der Missbrauch gezielt und konsequent bekämpft wird, aber nicht, dass aus dem abweichenden Verhalten Weniger zuerst ein Ambiente des Misstrauens geschürt und sodann eine lückenlose Kontrolle auch der redlich Arbeitenden verlangt wird. Gegen den verfassungsrechtlich festgelegten Status des freien Mandats wird verstoßen, wenn sich der Gesetzgeber und die parlamentarische Selbstkontrolle nicht auf die gezielte Verfolgung des Missbrauchs beschränken, sondern flächendeckende Kontroll- und Publikationssysteme einführen, die sich von schonenden und anlassbezogenen Eingriffen entfernen.
Der erste Schritt zu solchen Kontrollen ohne konkreten Anlass oder Verdacht ist die Fixierung des Tätigkeitsfeldes der Abgeordneten und die Gewichtung, was sie in der Hauptsache und was sie grundsätzlich noch „nebenher” tun dürfen. Abgeordnete bestimmen selbst die Art und Weise, in der sie ihr Mandat wahrnehmen, wie viel Zeit sie ihrer parlamentarischen Tätigkeit widmen, an wie vielen Tagen sie in Berlin anwesend sind, ob und wie lange sie die Plenarsitzungen besuchen, wie intensiv sie ihre Mitarbeit in den Ausschüssen betreiben, wie häufig sie im Wahlkreis präsent sind und wie die Kontakte zu den örtlichen Parteigliederungen und zu den Wählern gestaltet werden. Über dies alles ist der Abgeordnete allein seinen Wählern Rechenschaft schuldig. Deshalb ist eine rechtliche Kontrolle dieses Abgeordnetenverhaltens mit der Möglichkeit, rechtliche Vorwürfe, etwa den der Pflichtverletzung, zu erheben, zu sanktionieren und gerichtlich überprüfen zu lassen, ein unzulässiger Eingriff in die Freiheit des Mandats (vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 1067). Dem müssen freilich und werden auch ein entwickeltes Verantwortungsbewusstsein und die Gewissenhaftigkeit des Abgeordneten korrespondieren (vgl. hierzu BGHZ 72, 70 ≪74 f.≫ unter Bezugnahme auf Geiger, Der Abgeordnete und das Geld, FAZ 1978, Nr. 119, S. 9; ders., Der Abgeordnete und sein Beruf, ZParl 1977, S. 522 ≪525 f.≫).
bb) Mit der Freiheit des Mandats wäre es deshalb unvereinbar, die getroffene Mittelpunktsregelung dahin auszulegen, dass der Abgeordnete eine bestimmte Arbeitszeit schuldet und diese gegenüber dem Bundestagspräsidenten oder einer Verwaltung mit der Folge nachzuweisen hätte, dass daran Sanktionen geknüpft werden könnten. Soweit – auch in der Parlamentsdebatte über die hier zu prüfende Regelung – die Beeinträchtigung der parlamentarischen Arbeit und die Qualität der Arbeit des Deutschen Bundestages durch „Nebentätigkeitsabgeordnete” (so der Abgeordnete Volker Beck, Plenarprotokoll 15/184, S. 17402 A) beklagt wird, besteht die Möglichkeit, empfundene Missstände politisch zu artikulieren und damit in die Öffentlichkeit zu tragen. Es bleibt dann dem Wähler überlassen, hieraus seine Konsequenzen zu ziehen. Eine echte quantitative Kontrolle – insbesondere anhand eines ungeeigneten Maßstabs wie der Höhe von Einkünften aus Tätigkeiten neben der Mandatsausübung – durch das Bundestagspräsidium widerspricht demgegenüber der Freiheit des Mandats nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.
Eine solche Kontrolle würde überdies die Wirksamkeit der Wahrnehmung des Mandats kaum stärken. Der Wähler erwartet von seinem Abgeordneten durchsetzungsfähige politische Willensbildung und die Beteiligung daran; dafür aber ist die rein zeitliche Intensität der Mandatsausübung von lediglich sekundärer Bedeutung. Eine bloß quantitative Bewertung der Tätigkeit ist zur Beurteilung der Frage, ob der Abgeordnete den Wählerauftrag erfüllt, auch völlig ungeeignet. Die Möglichkeiten politischer Einflussnahme und Gestaltung hängen in erster Linie von der Sachkompetenz des Einzelnen und seiner Fähigkeit zu politischer Gestaltung ab.
c) aa) Die Regelung in § 44 a Abs. 1 Satz 1 AbgG, wonach die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit des Abgeordneten steht, ist daher in verfassungskonformer Auslegung nicht als Grundlage für eine Kontrolle einer wie auch immer gearteten „ordnungsgemäßen” Mandatswahrnehmung und für eine zeitliche Beschränkung von Nebentätigkeiten zu verstehen. Vielmehr greift diese Vorschrift lediglich die – begründete, aber politische – Erwartung auf, die für den Abgeordneten als Teil des Repräsentationsorgans Bundestag von Seiten der zu repräsentierenden Bürger besteht: nämlich das Mandat in Freiheit, aber auch in einer seiner Stellung entsprechenden Verantwortung für das Gemeinwesen auszuüben.
Sowohl im Gesetzgebungsverfahren als auch von den Antragsgegnern wurde die angegriffene Regelung in diesem Sinne verstanden, das heißt nicht als quantitative sanktionsbewehrte Vorgabe für die Abgeordneten, sondern als interne Selbstvergewisserung und Selbstrechtfertigung des einzelnen Abgeordneten, die ausschließlich internen Maßstäben gerecht werden muss. Die Abgeordnete Erika Simm hat in der Expertenanhörung der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten am 21. April 2005 hervorgehoben, dass es sich bei der Vorschrift des § 44 a Abs. 1 Satz 1 AbgG zwar nicht um eine Leerformel handele; sie hat die Norm aber als (politischen) Programmsatz bezeichnet, in welchem „ein Verständnis des Parlaments von der Wichtigkeit seiner eigenen Tätigkeit zum Ausdruck” komme (Protokoll der 5. Sitzung der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten am 21. April 2005, S. 15).
bb) Nur eine derartige Auslegung berücksichtigt schließlich, dass es Abgeordnete gibt, die auf Grund anderer Tätigkeiten gar nicht in der Lage sind, schwerpunktmäßig ihr Mandat wahrzunehmen. Insbesondere Abgeordnete, die neben ihrem Mandat zugleich ein Regierungsamt bekleiden, als Parlamentarische Staatssekretäre agieren oder ein sonstiges politisches Amt (etwa als Parteivorsitzender, Generalsekretär, Fraktionsvorsitzender oder parlamentarischer Geschäftsführer) ausüben, sind schon tatsächlich kaum dazu in der Lage, ihre Aufgabe als Bundestagsabgeordneter zeitlich in den Mittelpunkt ihrer Aufgabenwahrnehmung zu stellen. Dennoch kann der politische Erfolg im Sinne der Wählererwartung ungleich höher sein als bei Abgeordneten, die ihr Abgeordnetenmandat im Bundestag besonders zeitintensiv wahrnehmen. Gerade gemessen am Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive und angesichts der Tatsache, dass die parlamentarische Eigenständigkeit durch einen übermäßigen Gleichklang von Regierung und parlamentarischer Mehrheit ersichtlich leidet, ist es zudem kaum zu begründen, dass die Tätigkeit des Abgeordneten in der Regierung kein Gesichtspunkt im Rahmen der Mittelpunktsregelung sein soll, wohl aber die Fortführung eines Berufs, den Abgeordnete vor dem Mandat ausgeübt haben und den sie auch nach einem Mandatsverlust wieder verstärkt ausüben wollen.
D.
Soweit sich die Antragsteller gegen Anzeigepflichten und die Veröffentlichung von Angaben über Tätigkeiten neben dem Mandat sowie gegen die Sanktionierung von Verstößen wenden, sind die Anträge nach der die Entscheidung tragenden Auffassung der Richterinnen und Richter Broß, Osterloh, Lübbe-Wolff und Gerhardt unbegründet (I.). Nach Auffassung der Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau müssten die Anträge Erfolg haben (II.).
I.
Mit den angegriffenen Transparenzregelungen sollen berufliche und sonstige Verpflichtungen des Abgeordneten neben dem Mandat und daraus zu erzielende Einkünfte den Wählern sichtbar gemacht werden. Sie sollen sich mit Hilfe von Informationen über mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten, aber auch über das Fehlen dahingehender Hinweise ein besseres Urteil über die Wahrnehmung des Mandats durch den Abgeordneten auch im Hinblick auf dessen Unabhängigkeit bilden können. Die Antragsteller bestreiten die Berechtigung dieses Anliegens nicht prinzipiell, meinen aber, dass es dem Doppelstatus des Abgeordneten als Mandatsträger und Privatperson widerspreche, ihn zur Offenbarung von Daten aus seinem Privatbereich zu verpflichten. Vor diesem Hintergrund halten sie die Ausgestaltung in den angegriffenen Regelungen für ungeeignet und unangemessen. Die Rügen sind unberechtigt.
1. a) Der Status des Abgeordneten wird zuvörderst durch die im Wahlakt liegende Willensbetätigung jedes einzelnen Bürgers als Ursprung der Staatsgewalt in der Demokratie bestimmt (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Art. 38 Abs. 1 GG). Der Akt der Stimmabgabe bei Wahlen erfordert nicht nur Freiheit von Zwang und unzulässigem Druck, sondern auch, dass die Wähler Zugang zu den Informationen haben, die für ihre Entscheidung von Bedeutung sein können. Vielfältige Regelungen des Grundgesetzes (vgl. insbesondere Art. 5 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Satz 4, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG) sind Ausprägungen des Grundsatzes der Öffentlichkeit politischer Herrschaft. Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich (BVerfGE 40, 296 ≪327≫). Dementsprechend schließt das freie Mandat die Rückkoppelung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk nicht aus, sondern ganz bewusst ein und schafft durch den Zwang zur Rechtfertigung Verantwortlichkeit (BVerfGE 112, 118 ≪134≫); in der Formulierung der Antragsteller zu 7) und 9): Der Wähler muss wissen, wen er wählt.
b) Die Rückkoppelung zwischen Abgeordneten und Wählern hat über die gesamte Wahlperiode von regelmäßig vier Jahren (Art. 39 Abs. 1 GG) und damit zugleich für den Fall, dass sich der Abgeordnete zur Wiederwahl stellt, wirksam zu bleiben. Demgemäß dürfen Regeln, die zulässigerweise darauf abzielen, den Wählern anderweit nicht zugängliche Informationen zu verschaffen, für den Abgeordneten verpflichtend ausgestaltet sein. Andernfalls könnte er sich der Kontrolle der Öffentlichkeit unschwer entziehen (zur vergleichbaren Diätenfestsetzung BVerfGE 40, 296 ≪327≫).
c) Über Gegenstand und Reichweite von Offenbarungspflichten hat der Gesetzgeber in Ausübung seiner Kompetenz nach Art. 38 Abs. 3 GG zu entscheiden und dabei die betroffenen Rechtsgüter einem angemessenen Ausgleich zuzuführen (vgl. BVerfGE 99, 19 ≪32≫).
aa) Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten der Abgeordneten sind für die Öffentlichkeit offensichtlich von erheblichem Interesse. Diesbezügliche Kenntnis ist nicht nur für die Wahlentscheidung wichtig. Sie sichert auch die Fähigkeit des Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder, unabhängig von verdeckter Beeinflussung durch zahlende Interessenten, das Volk als Ganzes zu vertreten, und das Vertrauen der Bürger in diese Fähigkeit, letztlich in die parlamentarische Demokratie. Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen.
Sache des Parlaments ist es, die in Frage kommenden Lebenssachverhalte darauf hin zu würdigen, ob die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit beachtlicher Interessenverflechtungen oder wirtschaftlicher Abhängigkeiten besteht, und seiner Risikoeinschätzung entsprechend die offen zu legenden Vorgänge zu bestimmen. Da sich hierfür genaue Grenzen nicht festlegen lassen, ist insoweit ein Einschätzungsraum eröffnet (vgl. BVerfGE 98, 145 ≪161≫ m.w.N.; s. ferner BVerfGE 5, 85 ≪232 f.≫). Gleiches gilt für die Auswahl von Hinweistatsachen, Unerheblichkeitsschwellen und ähnlichen Instrumenten zur Erfassung und Eingrenzung möglicher die Mandatsausübung beeinflussender Umstände.
bb) Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG fordert, bei der Gesetzgebung gemäß Art. 38 Abs. 3 GG berechtigte Interessen des Abgeordneten als Privatperson angemessen zu berücksichtigen. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG liegt der von den Antragstellern hervorgehobene Doppelstatus des Abgeordneten als Mandatsträger und Privatperson zugrunde. Beide Sphären lassen sich nicht strikt trennen; die parlamentarische Demokratie fordert – in den Worten des „Diätenurteils” (BVerfGE 40, 296 ≪313≫ – den Abgeordneten als „ganzen Menschen”. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Status des Abgeordneten ohne angemessene Rücksicht auf seine persönlichen Belange rechtlich ausgeformt werden dürfte (vgl. B.3.c≫). Regelungen, die den Abgeordneten als Privatperson betreffen, müssen nicht nur – wie sonstige Beschränkungen des freien Mandats – überhaupt Rechtfertigung in anderen Rechtsgütern der Verfassung finden, sondern sie müssen darüber hinaus in spezifischer Weise dem Hineinwirken in den persönlichen Lebensbereich des Abgeordneten Rechnung tragen; gegenläufige Belange sind gegeneinander abzuwägen und in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.
Gewährleistet danach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Berücksichtigung der Individualinteressen des Abgeordneten, können diesbezügliche verfassungsrechtliche Wertungen im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung berücksichtigt werden. Entsprechendes gilt für die Berücksichtigung der Belange Dritter. Eines – ohnehin problematischen (oben C.I.3.) – Rückgriffs auf Art. 48 Abs. 2 GG bedarf es nicht.
cc) Die Verpflichtung der Abgeordneten, Angaben über Tätigkeiten neben dem Mandat zu machen, die auf Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten hindeuten können, entspricht, wie dargelegt, einem Grundanliegen demokratischer Willensbildung. Diese Verpflichtung betrifft zwar den Abgeordneten als Privatperson, jedoch nicht in einer der Öffentlichkeit grundsätzlich verschlossenen Sphäre privater Lebensführung, sondern in der außengerichteten Sphäre beruflicher und sonstiger Tätigkeiten. Das Interesse des Abgeordneten, Informationen aus dieser Sphäre vertraulich behandelt zu sehen, ist gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erkennbarkeit möglicher Interessenverknüpfungen der Mitglieder des Deutschen Bundestages grundsätzlich nachrangig. Offener Zugang zu den dafür notwendigen Informationen ist nicht nur für die demokratische Willensbildung wesentlich, er ist auch Voraussetzung dafür, dass der Abgeordnete das Mandat glaubwürdig wahrnehmen und dem Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit des Parlaments gerecht werden kann, als Repräsentationsorgan des ganzen Volkes die Vielfalt der Interessen zu integrieren und Konflikte befriedend auszugleichen. Auch Mit-Abgeordnete haben ein legitimes Interesse, zu wissen, welchen Interessenverbindungen ihre Kollegen unterliegen, weil dies für die Einschätzung, nach welcher Richtung hin deren Argumente besonders wachsamer Prüfung bedürfen, von Bedeutung sein kann.
Transparenzregeln finden danach ihre grundsätzliche Rechtfertigung im Vorrang der Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages gegenüber dem Privatinteresse des Abgeordneten an informationeller Abschirmung seiner Tätigkeiten neben dem Mandat.
dd) Diese Gewichtung entspricht internationalen Entwicklungen. In repräsentativen Demokratien sind Regelungen, die dem Schutz vor finanzieller Einflussnahme auf Parlamentsentscheidungen dienen, allgemein verbreitet und werden zunehmend strenger ausgestaltet (vgl. Lohmeier, ZParl 1978, S. 470 ff.; Troltsch, APuZ 1985, B 24-25, S. 3 ≪8 ff.≫; van Aaken, ZaöRV 2005, S. 407 ≪416 ff.≫; Zivier, Recht und Politik 2005, S. 152 ff.). Dabei suchen einige Staaten Interessenkonflikte mit Hilfe eines mehr oder weniger umfassenden Verbots entgeltlicher Nebentätigkeiten oder einer engen Begrenzung der maximal zulässigen Nebeneinkünfte zu vermeiden (Inkompatibilitätsmodell). Ein anderer Teil setzt, bei im Einzelnen unterschiedlichen Ausgestaltungen, auf Publizität als Medium einer politischen Kontrolle (Transparenzmodell). Oft werden, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, beide Ansätze kombiniert.
Weitreichende Verbote und Beschränkungen in Bezug auf Berufstätigkeit neben dem Mandat und andere entgeltliche Nebentätigkeiten finden sich zum Beispiel, neben Publizität aller Einnahmen oberhalb einer sehr niedrigen Bagatellgrenze, in den Vereinigten Staaten von Amerika (vgl. Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, Diss. Jena 1998, S. 47 f.; van Aaken, a.a.O., S. 416 ff.). In der Europäischen Union gilt ein besonders weitreichendes Verbot in Spanien, wo, von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen, den Abgeordneten jede entgeltliche Nebentätigkeit untersagt ist (Ley Orgánica 5/1985, de 19 de junio, del Régimen Electoral General, zuletzt geändert durch Ley Orgánica 16/2003, de 28 de noviembre, Art. 157, www; diese sowie die im Folgenden nur mit der Angabe „www” zitierten ausländischen Quellen sind unter der angegebenen Originalbezeichnung im Internet zugänglich).
Verbreiteter als umfassende Inkompatibilitätsbestimmungen sind weitreichende Transparenzregelungen. In einigen Staaten, wie in Schweden, Norwegen und einigen Kantonen der Schweiz, herrscht, abgesehen von besonderen parlamentsrechtlichen Regelungen, ohnehin bereits nach allgemeinem Steuer- oder Informationszugangsrecht hohe Transparenz in Bezug auf das Einkommen jedes Bürgers und so auch der Abgeordneten (vgl. Kruse, BB 1998, S. 2133 ≪2134≫; Schweizer Steuerkonferenz – SSK –, Die Öffentlichkeit der Steuerregister, Stand der Gesetzgebung: 1. Januar 2007, www). Unter anderem bestehen in etlichen mittel- und osteuropäischen Staaten für Parlamentsmitglieder und einen mehr oder weniger großen Kreis weiterer Inhaber öffentlicher Ämter Transparenzvorschriften, die auf die Feststellbarkeit von Vermögensveränderungen gerichtet sind; dies wird erreicht durch Verpflichtungen zur Abgabe von regelmäßig zu aktualisierenden und in öffentlichen Registern zugänglichen, detailliert aufgeschlüsselten Vermögenserklärungen (vgl. etwa für Polen Ustawa z dnia 9 maja 1996 r. o wykonywaniu mandatu posla i senatora ≪Gesetz über die Ausübung des Abgeordneten-
und Senatorenmandats≫, Stand: Dziennik Ustaw 2006 Nr 104, poz. 708, Art. 35, www; für Kroatien Zakon o izmjenama i dopunama Zakona o sprjecavanju sukoba interesa u obnašanju javnih dužnosti ≪Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Vermeidung von Interessenkonflikten in der Ausübung öffentlichen Amtes≫, Stand: Narodne Novine 2005, 48, 2861, www; für Lettland: On Prevention of Conflict of Interest in Activities of Public Officials, Art. 23 ff., www).
In Italien müssen Parlamentsabgeordnete und Mitglieder einer Reihe weiterer Vertretungskörperschaften dem jeweiligen Präsidenten nicht nur eine Vermögenserklärung, sondern unter anderem auch eine Kopie der letzten Einkommensteuererklärung einreichen; jeder Wähler hat Anspruch auf Kenntnisnahme von den in regelmäßigen Abständen zu aktualisierenden Angaben (Legge 5 luglio 1982, n. 441, Gazz. Uff., 16 luglio, n. 194, www).
In den Niederlanden sind nach der Geschäftsordnung der Abgeordnetenkammer die Nettoeinkünfte aus „nevenactiviteiten” sowie Auslandsreisen auf Kosten Dritter und Geschenke im Wert von mehr als 50 Euro anzugeben und in einem Register zu veröffentlichen; zudem ist der Anreiz zur Übernahme entgeltlicher Tätigkeiten neben dem Mandat dadurch reduziert, dass Einkünfte, die 14 % der Abgeordnetenentschädigung übersteigen, zur Hälfte auf die Abgeordnetenentschädigung angerechnet werden (Wet schadeloosstelling leden Tweede Kamer, § 2 Art. 3, www, sowie Reglement van Orde van de Tweede Kamer, Art. 150a, www).
2. Die Anzeigepflichten, die den Mitgliedern des Deutschen Bundestages durch § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG in Verbindung mit den Verhaltensregeln (§ 1 VR) und Nrn. 3 und 8 AB auferlegt werden, sind nach den dargelegten Maßstäben nicht zu beanstanden.
a) Auch wenn die verfassungsgerichtliche Prüfung im Organstreitverfahren, anders als in Normenkontrollverfahren, nicht auf einfachrechtliche Fragen gerichtet ist, bedarf es hier der Klärung entscheidungserheblicher Vorfragen des einfachen Rechts.
aa) Die Verhaltensregeln sind entgegen der Ansicht der Antragsteller zu 7) bis 9) wirksam in Kraft getreten.
Der in der konstituierenden Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 18. Oktober 2005 zur Abstimmung gestellte „Antrag auf Drucksache 16/1 zur Weitergeltung des Geschäftsordnungsrechts” hatte folgenden Wortlaut (vgl. BTDrucks 16/1):
Für die 16. Wahlperiode werden übernommen:
die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages einschließlich ihrer Anlagen, soweit sie vom Deutschen Bundestag zu beschließen sind, in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl I S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 12. Juli 2005 (BGBl I S. 2512), mit folgender Maßgabe:
„In § 18 wird die Angabe ‚§ 44 a’ durch die Angabe ‚§ 44 b’ ersetzt.”
Aus dem Verweis auf die Bekanntmachung vom 12. Juli 2005 (BGBl I S. 2512) und dem Hinweis auf die Anpassung des § 18 GO-BT (§ 44 b statt, wie bisher, § 44 a AbgG) ergibt sich zweifelsfrei, dass die in dieser Bekanntmachung enthaltene neue Fassung der Verhaltensregeln – und nicht etwa die Weitergeltung der alten – als Anlage 1 der Geschäftsordnung beschlossen wurde.
bb) Die Antragsteller, aber auch die Bundestagsverwaltung in ihrem Vermerk vom 2. März 2006, lassen sich bei ihrem Verständnis und der Auslegung der Verhaltensregeln und der Ausführungsbestimmungen erkennbar von der Erwägung leiten, dass es sich um Eingriffsrecht handele. Dieser Ansatz wird dem angegriffenen Regelungswerk jedoch nicht gerecht.
Die grundlegende Vorschrift des § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG weist insofern eine betont finale Regelungsstruktur auf, als sie die anzuzeigenden Tätigkeiten und Einkünfte zwar vordergründig tatbestandlich bestimmt, diese Bestimmung aber weiterer Konkretisierung anhand des Gesetzeszwecks bedarf, nämlich des Zwecks, für die Ausübung des Mandats möglicherweise bedeutsame Interessenverknüpfungen aufzudecken. Auf diese Zielsetzung sind nicht nur die Konkretisierungen durch den Deutschen Bundestag in den Verhaltensregeln und dessen Präsidenten in den Ausführungsbestimmungen auszurichten, auch die konkretisierenden Regelungen sind ihrerseits so auszulegen, dass der Gesetzeszweck möglichst zum Tragen kommt. Unklarheiten und Lücken sind mit Hilfe des Gesetzeszwecks zu überwinden.
Die Argumentation zu den Anforderungen an staatliche Eingriffe vernachlässigt, dass es hier um die Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Abgeordneten gemäß Art. 38 Abs. 3 GG auch insoweit geht, als ihre Stellung als Abgeordnete außerhalb des Parlaments angesprochen ist. Die tatsächlich hohe Detailgenauigkeit des angegriffenen Regelungswerks ist nicht verfassungsrechtlich geboten, sondern findet ihre Ursache erkennbar in der ablehnenden Grundhaltung einiger Abgeordneter sowie zu den Zielen der Entlastung der Bundestagsverwaltung und eines gleichheitsgerechten Vollzugs. Der Eigenart der Materie entspricht es, dass es sich hier um Regelungen handelt, die dem Geschäftsordnungsrecht zumindest nahe stehen, also um Binnenrecht des Parlaments. Die Regelungen werden allein innerhalb des Deutschen Bundestages beraten und beschlossen, betreffen allein den Kreis der Abgeordneten und können mangels Außenwirkung nicht nur flexibel gehandhabt, sondern auch vergleichsweise einfach geändert und ergänzt werden, wenn praktische Erfahrungen dies erforderlich erscheinen lassen. Ungeachtet ihrer Verbindlichkeit als Rechtssätze müssen Verhaltensregeln und Ausführungsbestimmungen im Geist kollegialen Zusammenwirkens der Mitglieder des Deutschen Bundestages ausgelegt und angewendet werden.
Dies gilt umso mehr, als der Deutsche Bundestag mit den angegriffenen Regelungen Neuland beschritten hat. Der Antragsgegner zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung auf die Schwierigkeiten verwiesen, denen der Ältestenrat gegenüber stand und die er nicht besser als geschehen zu bewältigen vermochte. Es ist nachvollziehbar, dass manche der von den Antragstellern – wohl erstmals in diesem Verfahren – vorgetragenen Detailprobleme mangels praktischer Anschauung nicht verarbeitet worden sind. Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung sind auch deshalb in den Verhaltensregeln und den Ausführungsbestimmungen enthaltene Auslegungsspielräume den Antragsgegnern zugute zu halten, was im Übrigen der Begrenzung des Streitstoffs in Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und der Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeit entspricht. Darüber hinaus müssen die Antragsgegner, wenn auf Grund der bislang notwendig eher abstrakten Sacheinwände einzelne, nicht konstitutive Regelungen bedenklich erscheinen, Gelegenheit haben, Erfahrungen zu sammeln und, wenn erforderlich, die Bestimmungen zu ändern oder zu ergänzen. Dies setzt voraus, dass diese Bestimmungen zunächst gelten und angewendet werden, steht aber unter dem Vorbehalt, dass die gesammelten Erfahrungen unverzüglich ausgewertet und den zuständigen Stellen zur Überprüfung des Regelwerks zugeführt werden.
b) Entgegen der Annahme der Antragsteller enthalten die angegriffenen Regelungen keine unbegrenzten Anzeigepflichten, so dass die mit dem Schlagwort des „gläsernen Abgeordneten” gekennzeichnete Befürchtung vollständiger Offenbarung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und der neben dem Mandat ausgeübten Tätigkeiten unberechtigt ist und bereits deshalb keiner verfassungsrechtlichen Erörterung bedarf. § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG beschränkt die Anzeigepflicht auf solche Tätigkeiten und Einkünfte, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können. Die Anzeigepflicht besteht ferner nur nach Maßgabe der Verhaltensregeln (§ 44 b AbgG). Gemäß § 44 b Nr. 1 und Nr. 2 AbgG hat der Deutsche Bundestag in den Verhaltensregeln Bestimmungen über die Fälle einer Pflicht zur Anzeige von Tätigkeiten sowie der Art und Höhe der Einkünfte oberhalb festgelegter Mindestbeträge zu treffen. Der Gesetzgeber hat demnach keineswegs alle Tätigkeiten und Einkünfte eines Abgeordneten erfasst, sondern die Anzeigepflicht auf Daten beschränkt, die geeignet sind, mögliche Interessenverknüpfungen erkennbar werden zu lassen. Auch wenn diese Zweckbestimmung auf die Konkretisierung durch den Deutschen Bundestag angewiesen und auf diese hin angelegt ist, schließt sie doch die beargwöhnte Totaldurchleuchtung zuverlässig aus.
Die Antragsteller haben die weitere Befürchtung, freiberuflich oder unternehmerisch tätige Abgeordnete würden zur Offenbarung von wettbewerbsrelevanten Daten gezwungen und in ihrer Berufsausübung so massiv beeinträchtigt, dass die von ihnen ausgeübte Berufstätigkeit und die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag praktisch nicht mehr vereinbar seien oder für Angehörige ihrer Berufe jedenfalls mit einer deutlichen Abnahme der Bereitschaft gerechnet werden müsse, für ein Bundestagsmandat zu kandidieren, bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugend darzulegen vermocht. Die Behauptung, Kreditgeber, Vertragspartner oder Konkurrenten erlangten mit Hilfe der anzeigepflichtigen und veröffentlichten Daten über das, was in den jeweils relevanten Kreisen ohnehin bekannt zu sein pflegt, hinaus verwertbares Wissen, ist pauschal geblieben; eine plausible Auseinandersetzung mit der Fülle insoweit zu berücksichtigender Umstände hat nicht stattgefunden. Zudem stellt sich die Frage, ob die behaupteten Nachteile nicht mit den Vorteilen saldiert werden müssten, die das Mandat den Abgeordneten vermittelt. Deren notwendige und legitime Einbeziehung in das öffentliche Leben, in Vereine, Interessenvertretungen und ähnliches sowie ihre Kontakte zu den Trägern öffentlicher Gewalt vermitteln ihnen handgreifliche Vorteile, auch wenn sie diese nicht gezielt zur Förderung ihrer beruflichen Interessen einsetzen. Gerade vor dem Hintergrund derartiger Synergieeffekte erscheinen die angegriffenen Transparenzregeln eher als maßvolles Korrektiv der Risiken privater Erwerbstätigkeit für eine aufgabengerechte Mandatsausübung denn als unzulässiger Übergriff in die berufliche Sphäre der Abgeordneten.
c) Der Gesetzgeber kann die Ermächtigung des Art. 38 Abs. 3 GG durch generalisierende Tatbestände ausschöpfen, die an die Wahrscheinlichkeit einer Konfliktlage anknüpfen (vgl. BVerfGE 98, 145 ≪161≫ m.w.N.). Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass er eine generelle Anzeigepflicht für Tätigkeiten und Einkünfte außerhalb des Mandats begründet hat, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können (vgl. § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG), ohne dass es darauf ankommt, ob eine Konfliktlage im Einzelfall tatsächlich besteht. Es genügt die abstrakte Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Mandats. Dass vor und neben dem Mandat ausgeübte Tätigkeiten und neben dem Mandat erzielte Einnahmen Rückwirkungen auf die Mandatsausübung haben können, liegt nicht fern. Eine Anknüpfung an tatsächlich bestehende Interessenverknüpfungen bedürfte tatbestandlicher Festlegungen, die angesichts bestehender Abgrenzungsschwierigkeiten nicht treffsicher sein könnten, und würde die Betroffenen – nicht zuletzt wegen des Risikos von Fehleinschätzungen hinsichtlich der konkreten Anzeigepflichten – deutlich mehr belasten als die für sich genommen neutrale generelle Anzeigepflicht.
d) Bei der Einschätzung, welche außerparlamentarischen Tätigkeiten auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können und deshalb einschließlich der Höhe der jeweiligen Einkünfte anzuzeigen sind (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 VR), genießt der Deutsche Bundestag einen weiten Spielraum. Die Antragsteller haben für eine verfassungsrechtlich relevante Fehleinschätzung nichts dargetan.
Der Einwand, die Verhaltensregeln gingen über die zugleich ermächtigende wie begrenzende Norm des § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG hinaus und verstießen damit gegen den Vorrang des Parlamentsgesetzes, verkennt den weiten Spielraum, den die Vorschrift für die Ausgestaltung der Verhaltensregeln eröffnet.
§ 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG verwendet mit der Verpflichtung zur Anzeige und Veröffentlichung – nach Maßgabe der Verhaltensregeln – von Tätigkeiten und Einkünften, die auf eine für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfung hinweisen können, ein Tatbestandsmerkmal, das auf den Gesetzeszweck Bezug nimmt und der Konkretisierung anhand dieses Zwecks bedarf. Auch die konkretisierenden Regelungen sind ihrerseits so auszulegen, dass der Gesetzeszweck verwirklicht wird. Unklarheiten und Lücken sind mit Hilfe des Gesetzeszwecks zu überwinden.
Bei der Konkretisierung der anzuzeigenden und zu veröffentlichenden Tätigkeiten und Einkünfte durfte berücksichtigt werden, dass vor allem in Bezug auf Einkünfte aus entgeltlicher Tätigkeit eine Bestimmung von Einkunftsarten, bei denen bedeutsame Interessenverknüpfungen von vornherein ausscheiden, nur schwer anhand abstrakter Kriterien wie der Art der Tätigkeit möglich ist, weil die Herausnahme allgemein bestimmter Arten von Tätigkeiten und der damit erzielten Einkünfte aus der Anzeige- und Veröffentlichungspflicht mit dem Risiko einer Zielverfehlung verbunden ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Verhaltensregeln (§ 1 Abs. 2 und 3, § 3 VR) einen weiten Kreis von Tätigkeiten und daraus erzielten Einkünften in die Anzeigepflicht einbeziehen, zumal diese Pflicht für den größten Teil der erfassten Tätigkeiten und für sämtliche Einkünfte durch eine hoch angesetzte Unerheblichkeitsschwelle begrenzt wird (Anzeige- wie Veröffentlichungspflicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 3 VR nur bei Einkünften, die bezogen auf jede einzelne Tätigkeit den Betrag von 1000 Euro im Monat bzw. 10000 Euro im Jahr übersteigen).
e) Die vom Deutschen Bundestag normierten Anzeigepflichten begegnen ferner auch unter den Gesichtspunkten der Geeignetheit und Angemessenheit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
aa) Die Anzeigepflicht auch für Tätigkeiten, die vor der Übernahme des Mandats ausgeübt wurden, trägt dem Umstand Rechnung, dass für die Mandatsausübung bedeutsame Interessenverknüpfungen auch in das Mandat „mitgebracht” werden können. Eine Unterscheidung zwischen „mitgebrachten” und „neuen” Tätigkeiten war bereits anlässlich der Öffentlichen Sachverständigenanhörung zur Überprüfung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages am 12. Juni 1996 diskutiert und als „rational nicht einsehbar” verworfen worden (vgl. Protokoll der 39. Sitzung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, S. 45). Schließlich kann auch eine fortgesetzte berufliche Betätigung inhaltlichen Wandlungen unterliegen, die zum Entstehen von Interessenverknüpfungen führen können. Eine Differenzierung zwischen fortgesetzten und neu aufgenommenen Tätigkeiten geriete deshalb auch in Konflikt mit dem Prinzip der formalisierten Gleichbehandlung aller Abgeordneten (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪318≫; 80, 188 ≪220 f.≫; 93, 195 ≪204≫; 112, 118 ≪133≫). Damit, dass der Gesetzgeber die Anzeigepflicht für Einnahmen auf die Zeit nach der Mandatsübernahme beschränkt hat, hat er berücksichtigt, dass Einnahmequellen, die mit der Mandatsübernahme versiegen, auf die Mandatsausübung kaum von Einfluss sein können.
bb) Soweit sich die Antragsteller dagegen wenden, dass gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 VR Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften anzuzeigen sind, wenn durch sie ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf ein Unternehmen begründet wird, sind ihrem Vorbringen keine Gründe zu entnehmen, die gegen die Eignung der Anzeigepflicht sprechen, relevante Interessenverknüpfungen offenzulegen. Derartige Beteiligungen sind regelmäßig mit der Entfaltung wirtschaftlicher Tätigkeit zumindest im Innenverhältnis – etwa in Form der Mitwirkung an grundlegenden Gesellschafterbeschlüssen – verbunden. Zudem ist der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen von Rahmenbedingungen abhängig, auf die auch das Parlament Einfluss nimmt. Nach der Konkretisierung in Nr. 7 AB sind betroffen nur Beteiligungen von mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an Gesellschaften, deren Zweck auf den Betrieb eines gewinnorientierten, mit der Erstellung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen befassten Unternehmens gerichtet ist. Die Einschätzung, dass Beteiligungen in dieser Größenordnung auf mandatserhebliche Interessenverknüpfungen hindeuten können, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 6) steht die Regelung auch nicht im Widerspruch dazu, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, soweit sich diese im Rahmen der Verwaltung eigenen Vermögens halten, nicht anzuzeigen sind (Nr. 4 AB). Die Einschätzung, dass hier im typischen Fall nicht in beachtenswertem Umfang mit mandatsrelevanten Interessenverknüpfungen zu rechnen sei, ist nachvollziehbar.
cc) Soweit die Antragsteller geltend machen, die Anzeigepflichten könnten insbesondere unter Nutzung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten umgangen werden, bedarf es keiner Prüfung, welche verfassungsrechtlichen Konsequenzen sich hieraus ergeben würden, weil diesem Einwand bereits auf der Ebene des einfachen Rechts begegnet werden kann. Die Antragsteller haben sich insoweit insbesondere auf Gestaltungen bezogen, die sich die Begrenzungen der Anzeigepflicht für Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3 VR, Nr. 7 AB zunutze machen. Derartigen Umgehungen kann aber durch eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Regelungen entgegengewirkt werden. Diese zielen erkennbar darauf ab, dass grundsätzlich jeder aus einer Betätigung im Sinne des § 1 Abs. 2 VR fließende wirtschaftliche Vorteil anzuzeigen ist, sofern die vorgesehenen Erheblichkeitsschwellen überschritten werden. Diese Pflicht erfasst auch Mittelzuflüsse auf dem Weg über die Ausschüttung von Gesellschaftsgewinnen, die der Abgeordnete durch eine anzeigepflichtige Tätigkeit mit erwirtschaftet hat. Im Hinblick auf den Regelungszweck macht es keinen Unterschied, ob der Abgeordnete für seine Tätigkeit unmittelbar honoriert wird oder von seiner Tätigkeit (mittelbar) als Gesellschafter profitiert. Bei zutreffendem Verständnis sind daher nur solche Einkünfte aus Gesellschaftsbeteiligungen von der Anzeigepflicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 VR der Höhe nach befreit, die nicht auf eine andere in § 1 Abs. 2 VR aufgeführte Tätigkeit zurückzuführen sind. Verbleibende Abgrenzungsfragen sind im Verwaltungsrechtsweg zu klären.
dd) Die Verpflichtung, bei anzeigepflichtigen Tätigkeiten und Verträgen, die in die Zeit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag fallen, auch die Höhe der jeweiligen Einkünfte, die bestimmte Beträge übersteigen, und dabei die für eine Tätigkeit zu zahlenden Bruttobeträge unter Einschluss von Entschädigungs-, Ausgleichs- und Sachleistungen zugrunde zu legen (§ 1 Abs. 3 VR), ist entgegen der Ansicht der Antragsteller weder ungeeignet noch unangemessen. Das von ihnen im Wesentlichen angegriffene Zuflussprinzip (Nr. 3 Abs. 3 AB: „Als Brutto-Einkünfte im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 der Verhaltensregeln gelten die Zuflüsse an Geld- und Sachleistungen”) verfehlt den Gesetzeszweck nicht und führt auch nicht – infolge der Veröffentlichung gemäß § 3 VR – zu bedenklichen Fehlinformationen.
(1) Die Antragsteller tragen hier zunächst vor, dass nach allgemeinem und steuerrechtlichem Sprachgebrauch unter Einkünften nur Nettoerlöse zu verstehen seien und deshalb die Verwendung dieses Begriffs in § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG einer auf Mittelzuflüsse abstellenden Anzeigepflicht, wie sie § 1 Abs. 3 VR vorsieht, entgegenstehe. Mit diesem Einwand könnten sie nur Erfolg haben, wenn die Antragsgegner von Verfassungs wegen an dieses Begriffsverständnis gebunden wären. Indes ist nichts dafür ersichtlich, dass der Begriff der „Einkünfte” für das Abgeordnetenrecht eine verfassungsrechtliche Prägung erhalten haben könnte. Schon die Verwendung des Begriffs im allgemeinen Sprachgebrauch ist nicht eindeutig festgelegt. Wie in anderen Rechtsbereichen ist es auch hier Sache des Gesetzgebers, die von ihm verwendeten Begriffe zu definieren und gegebenenfalls auch anderweit eingeführten Begriffen einen der jeweiligen Regelungsmaterie angemessenen spezifischen Gehalt zu geben (vgl. BVerfGE 71, 146 ≪155≫). Eine Verschleierung des wirklichen Regelungsgehalts, die verfassungsrechtliche Bedenken unter dem rechtsstaatlichen Gesichtspunkt der Normenwahrheit (vgl. BVerfGE 107, 218 ≪256≫; 108, 1 ≪20≫) wecken könnte, ist angesichts der nicht eindeutigen umgangssprachlichen Bedeutung und der oben wiedergegebenen klaren normativen Begriffsbestimmung nicht ansatzweise ersichtlich.
(2) Entgegen der Auffassung der Antragsteller steht das Zuflussprinzip auch im Einklang mit dem Gesetzesziel, für die Mandatsausübung möglicherweise relevante Interessen erkennbar zu machen. Es geht bei der Anzeige von Einkünften nicht um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Abgeordneten, für deren Ermittlung es wie etwa im Sozial- oder Unterhaltsrecht auf im Einzelnen näher zu bestimmende Nettobezüge ankommt, sondern um die Erkennbarkeit möglicher Interessenverknüpfungen. Hierfür können auch Zuflüsse aus Tätigkeiten und Verträgen neben dem Mandat von Bedeutung sein, die nicht als Nettoerlöse für die private Lebensführung zur Verfügung stehen. Die Sachgerechtigkeit des Zuflussprinzips wird besonders augenfällig in Fällen, in denen Einnahmen die laufenden Kosten – zum Beispiel für Räume und Personal – einer beruflichen Betätigung ganz oder teilweise abdecken und damit einen wirtschaftlichen Vorteil vermitteln, auch wenn sie aktuell nicht zu einem positiven Nettoergebnis führen. Hinzu kommt, dass im Hinblick auf unternehmerische und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, die typischerweise mit der Höhe der Zuflüsse und der infolgedessen erhöhten Dringlichkeit des Transparenzanliegens zunehmen, die Angabe von Nettoeinnahmen keine bessere Aussagekraft in Bezug auf mögliche Interessenverknüpfungen hat. Die Höhe der Nettoeinkünfte hängt im Gegenteil von Umständen ab, die in keinem Zusammenhang mit dem Gesetzeszweck stehen. Zudem steht der Nettoerlös einer Tätigkeit in der Regel mit hinreichender Gewissheit oft erst erhebliche Zeit nach Ablauf des Zeitraums fest, innerhalb dessen die Anzeige ihren Zweck erfüllen soll, so dass ein Abstellen auf den Nettoerlös das gesetzgeberische Anliegen zu unterlaufen droht. Nur ergänzend sei erwähnt, dass gerade das Zuflussprinzip dazu beiträgt, die Betroffenen vor der befürchteten Ausforschung ihrer finanziellen Lage zu schützen; denn ohne Kenntnis zahlreicher weiterer – nicht anzuzeigender – Faktoren lässt diese sich aus den Brutto-Einkünften nicht ermitteln.
Soweit gegen die Anzeige von Aufwandsentschädigungen und vergleichbaren Ausgleichsleistungen, insbesondere für ehrenamtliche Tätigkeiten, vorgebracht wird, der Abgeordnete habe von derartigen Entschädigungen keinerlei Vorteil, wird ausgeblendet, dass auch insoweit mögliche Interessenverknüpfungen in Rede stehen. Auch mit Tätigkeiten, für die nur Aufwandsentschädigungen geleistet werden, gibt der Betroffene seinem Leben einen bestimmten Zuschnitt, auf den er Wert legt und der bei lebensnaher Betrachtung Einfluss auf die Mandatsausübung haben kann. Gegen die Annahme, dass dies jedenfalls für Tätigkeiten gilt, die mit Entschädigungen oberhalb der Erheblichkeitsschwelle von 1000 Euro monatlich oder 10000 Euro im Jahr verbunden sind, ist nichts zu erinnern (vgl. in diesem Zusammenhang auch Plenarprotokoll 15/184, S. 17398).
Der Einwand, durchlaufende Posten wie zum Beispiel Treuhandgelder eines Rechtsanwalts dürften nicht als Einkünfte behandelt werden, weil sie nicht dem Abgeordneten, sondern Dritten zustünden, betrifft in erster Linie Fragen des einfachen Rechts, das insoweit zweckgerechter Auslegung und Anwendung zugänglich ist. Eine verfassungsgemäße Handhabung wird nicht außer Acht lassen dürfen, dass in derartigen Fällen grundsätzlich kein Zufluss beim Abgeordneten stattfindet und mögliche Interessenverknüpfungen über die Höhe der anlässlich derartiger Transaktionen beim Abgeordneten erzielten Entgelte oder Nutzungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.
(3) Die Befürchtung der Antragsteller, die durchweg nicht fachkundigen Bürgerinnen und Bürger würden, da gemeinhin unter Einkünften Nettobezüge verstanden würden, durch die Veröffentlichung der anzuzeigenden Zuflüsse irregeführt und die betroffenen Abgeordneten wegen der Höhe ihrer vermeintlichen (Netto-)Einkünfte einem unzumutbaren Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, ist nicht geeignet, die Zulässigkeit der angegriffenen Regelung in Frage zu stellen.
Befürchteten Missverständnissen kann, wenn sie tatsächlich auftreten sollten, ohne weiteres entgegengetreten werden. Schon bei der Veröffentlichung gemäß § 3 VR kann der Antragsgegner zu 2) über den Aussagegehalt der erhobenen und der veröffentlichten Daten aufklären. Sollten im Einzelfall Fehlverständnisse auftreten, so wäre eine Richtigstellung – sei es durch den einzelnen Abgeordneten oder, wenn es sich etwa um eine breitenwirksame gezielte Falschinformation handelte, seitens des Antragsgegners zu 2) – nicht unzumutbar. Zu unterstellen, im Zusammenhang mit den von den Antragstellern abzugebenden Erklärungen seien die Bürger zur Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoeinkünften unfähig und etwaige Fehleinschätzungen nicht im Wege öffentlicher Diskussion ausräumbar, ist unrealistisch und einer Demokratie nicht angemessen. Im Übrigen ergibt sich bereits aus der Benennung der ausgeübten Tätigkeit, die zudem vom Abgeordneten selbst in der von ihm gewünschten Weise spezifiziert werden kann, hinreichend deutlich, ob von den angezeigten Bruttoeinnahmen typischerweise erhebliche Absetzungen vorzunehmen sind oder nicht. Der breiteren Öffentlichkeit zu unterstellen, ihr sei weder bekannt noch vermittelbar, dass Mittelzuflüsse nicht mit dem erzielten Gewinn gleichzusetzen sind und dass erst unter Berücksichtigung von Betriebsausgaben, Steuern usw. ermittelt werden kann, was für den Einzelnen „unterm Strich herauskommt”, wäre abwegig. Nach alledem besteht bereits kein tatsächlicher Grund für die Annahme, die Abgeordneten würden in unzumutbarer Weise gezwungen, die sie betreffenden Angaben gegenüber der Öffentlichkeit richtig stellend zu erläutern.
ee) Auch soweit sich die Antragsteller dagegen wenden, dass sie im Fall der Überschreitung der Unerheblichkeitsschwellen jede einzelne Tätigkeit und jedes Vertragsverhältnis anzuzeigen haben, ist jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass ihnen damit eine vom Gesetzeszweck nicht geforderte und übermäßige Last auferlegt würde.
(1) Die gesetzliche Regelung der §§ 44 a Abs. 4 Satz 1, 44 b Nr. 1 AbgG enthält zur Ausgestaltung der Anzeigepflichten abgesehen von ihrer Zweckbestimmung keine umfassenden Vorgaben und überantwortet die Ausgestaltung dem Deutschen Bundestag in den Verhaltensregeln. Die vorliegenden Verhaltensregeln legen in § 1 Abs. 1, 2 und 5 Satz 1 zwar fest, welche Vorgänge der Anzeigepflicht unterliegen, regeln aber nicht detailliert, welche Einzelangaben zu den jeweiligen Tätigkeiten, Vereinbarungen unter anderem zu machen sind, sondern ermächtigen den Präsidenten zum Erlass von Ausführungsbestimmungen über Inhalt und Umfang der Anzeigepflicht (§ 1 Abs. 4, Abs. 5 Sätze 2 und 3 VR). § 1 Abs. 5 Satz 3 VR, wonach die Ausführungsbestimmungen vorsehen können, dass statt der Angaben zum Auftraggeber eine Branchenbezeichnung anzugeben ist, lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die Angaben zumindest eine hinreichende Individualisierung sowohl des einzelnen Geschäftsgegenstandes als auch des Vertragspartners ermöglichen müssen, sofern nicht gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten geltend gemacht werden können (§ 1 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VR).
(2) Dementsprechend erstrecken die Ausführungsbestimmungen die Pflicht zur Anzeige über die Art der Tätigkeit hinaus auch auf den Namen und Sitz der jeweiligen Partner der einzelnen Vertrags- oder Mandatsverhältnisse mit der Folge, dass auch die jeweiligen Einkünfte zu offenbaren sind (vgl. Nrn. 3 und 8 AB). Die Regelung der Nr. 3 Abs. 2 AB, nach der Vertragspartner von Freiberuflern und Selbstständigen nur anzuzeigen sind, soweit die Brutto-Einkünfte aus einer oder mehreren Vertragsbeziehungen mit diesen Vertragspartnern die in § 1 Abs. 3 Satz 1 VR genannten Beträge übersteigen, lässt an diesem Verständnis der Ausführungsbestimmungen keinen Zweifel.
Die Ausführungsbestimmungen sind erkennbar von der Intention des § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG geleitet, mandatserhebliche Interessenverknüpfungen aufzudecken. Diese werden in der Regel nur deutlich, wenn die Art des Tätigwerdens des Abgeordneten, sein jeweiliger Vertragspartner und die Größenordnung der Einkünfte bekannt werden. Dies liegt bei Beratungs-, Gutachter- und vergleichbaren Tätigkeiten auf der Hand, und es macht keinen erheblichen Unterschied, ob derartige Tätigkeiten jeweils gesondert vereinbart oder im Rahmen einer fortlaufenden Berufstätigkeit als Rechtsanwalt, Unternehmensberater oder ähnliches erbracht werden. Der vom Antragsgegner zu 2) in den Ausführungsbestimmungen gewählte Ansatz ist daher nicht zu beanstanden.
Die Antragsteller machen indes geltend, dass die angegriffene Regelung sie in einer Weise belaste, die vom legitimen Zweck der Anzeigepflichten und der Befugnis des Antragsgegners zu 2) zu typisierender Regelung nicht mehr gedeckt sei. Sie sehen zum einen in der vierteljährlichen Pflicht zur Aktualisierung der Anzeigen (§ 1 Abs. 6 VR) in Bezug auf die Angabe von Einzelverträgen eine unzumutbare Belastung. Zum andern befürchten sie, dass Wettbewerber über die Kenntnis der Einzelverträge nicht gerechtfertigte Einblicke in die Unternehmen der Abgeordneten nehmen können, und halten negative Reaktionen von Vertragspartnern auf die Offenbarung der einzelnen Verträge auch bei deren Anonymisierung gemäß Nr. 8 AB für wahrscheinlich. Namentlich die Antragsteller zu 1) und 6) haben unter Hinweis auf die Gegebenheiten in der gewerblichen Wirtschaft beziehungsweise in einer Versicherungsagentur und in freien Berufen geltend gemacht, dass es eine Vielzahl von Geschäften gebe, bei denen ein Einfluss auf die Mandatsausübung von vorneherein ausgeschlossen werden könne. Durch die Verpflichtung, dennoch Geschäftsvorgänge in womöglich hoher Anzahl zur Veröffentlichung anzugeben, seien sie unverhältnismäßig belastet, zumal die Veröffentlichung einer Fülle von nicht relevanten Daten dem eigentlichen Informationszweck zuwiderlaufe, weil sie das Herausfiltern des Bedeutsamen erschwere.
Die Annahme, dass Abgeordnete, die pflichtgemäß das Mandat in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellen, aus einer neben dem Mandat ausgeübten Berufstätigkeit in so großer Anzahl Einkünfte von jeweils mehr als 1000 Euro in einem Monat oder 10000 Euro im Jahr erzielen könnten, dass die geforderte Auflistung zu einer unzumutbaren Belastung oder zu einem für den Wähler nicht mehr durchschaubaren Datenfriedhof würde, liegt auf den ersten Blick fern. Keiner der Antragsteller hat Zahlenangaben gemacht, die geeignet wären, die Einschätzung zu stützen, dass die vorgesehenen Anzeigepflichten für ihn zu derartigen quantitativ unzumutbaren Belastungen führen würden. Derartige Belastungen können allerdings auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, zumal die Konkretisierung entsprechender Befürchtungen den Antragstellern nur mit Hilfe von Angaben möglich gewesen wäre, deren Offenlegung sie im vorliegenden Rechtsstreit gerade abzuwehren suchen.
Die bloße Möglichkeit, dass Einschätzungen, die den beschlossenen Regelungen zugrunde liegen, sich in diesem oder anderen Punkten als unzutreffend erweisen und in der praktischen Anwendung unvorhergesehene Unzuträglichkeiten auftreten, die auch durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Auslegung nicht zu vermeiden sind, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschriften. Die mit den angegriffenen Regelungen verfolgten Gemeinwohlbelange erfordern eine wirksame Regelung. In der Abwägung zwischen dem Risiko der Verfehlung des Regelungsziels und dem Risiko vermeidbarer Belastungen einzelner Abgeordneter ist der Normgeber nicht verpflichtet, von vornherein vorrangig Letzteres auszuschließen (vgl. bereits oben D.I.2.a≫bb≫).
(3) Soweit die Antragsteller sich gegen die in § 1 Abs. 5 VR, Nr. 8 AB für den Fall des Bestehens gesetzlicher Zeugnisverweigerungsrechte und Verschwiegenheitspflichten vorgesehene Verpflichtung wenden, statt des Auftraggebers eine Branchenbezeichnung beziehungsweise die Art der Tätigkeit anzugeben, ist berechtigten und vom Vertragspartner zu wahrenden Geheimhaltungsinteressen Dritter durch § 1 Abs. 5 VR in Verbindung mit Nr. 8 AB hinreichend Rechnung getragen. Die Ausgestaltung der Anzeigepflicht in Nr. 8 AB, wonach Angaben über die Art der Tätigkeit in dem einzelnen Vertrags- oder Mandatsverhältnis genügen, lässt dem Abgeordneten auch in kritischen Fällen hinreichend Raum, die Anzeige seiner Tätigkeit so zu gestalten, dass Rückschlüsse auf seinen Vertragspartner nicht möglich sind.
Soweit die Antragsteller Vorkehrungen dagegen vermissen, dass aus ihren Angaben Rückschlüsse auf die Verhältnisse anderer – zum Beispiel beim Antragsteller zu 1) auf die Einkünfte seines Bruders als gleichgestellten Geschäftsführer – gezogen werden können, brauchte der Normgeber darauf von Verfassungs wegen nicht Rücksicht zu nehmen. Der gesetzliche Zweck der Transparenzregeln würde verfehlt, wenn der Abgeordnete von ihrer Beachtung allein wegen möglicher Rückschlüsse oder Vermutungen in Bezug auf die Einkünfte Dritter zu befreien wäre. Daraus resultierende mittelbare Auswirkungen auf Dritte müssten, soweit sie unvermeidbar wären, hingenommen werden. Im Übrigen wird es in der Regel bei dem betroffenen Abgeordneten und dem potentiell mitbetroffenen Dritten selbst liegen, diejenigen ergänzenden Informationen preiszugeben oder nicht preiszugeben, die einen Schluss von den Einkünften des Abgeordneten auf die des Dritten erst ermöglichen.
3. Die in § 44 a Abs. 4 Satz 1, § 44 b Nr. 4 AbgG in Verbindung mit § 3 VR normierte Veröffentlichung der anzeigepflichtigen Tätigkeiten sowie der Einkünfte nach Maßgabe bestimmter Einkommensstufen verletzt Rechte der Antragsteller ebenfalls nicht.
a) Die Veröffentlichung findet ihre grundsätzliche Rechtfertigung darin, dass die Beurteilung über die Mandatsausübung des Abgeordneten den Wählern zukommt und ihnen die dafür erheblichen Informationen zur Verfügung stehen sollen. Die Angabe mandatserheblicher Tätigkeiten und Einkünfte allein gegenüber dem Präsidenten, dem Präsidium, dem Ältestenrat oder einem besonderen Gremium des Deutschen Bundestages würde dem demokratischen Grundanliegen weit weniger entsprechen. Aus diesem Grunde ist auch nichts gegen die Veröffentlichung sowohl von Tätigkeiten als auch von Einkünften einschließlich ihrer Herkunft zu erinnern, weil sie erst zusammen ein Bild darüber vermitteln, welchen Einflüssen der Abgeordnete ausgesetzt sein kann und in welchem Umfang dies der Fall ist.
b) Soweit sich die Antragsteller gegen die Veröffentlichung von Brutto-Einkünften, zumal unter Verwendung des Begriffs „Einkommensstufen” (§ 3 Satz 2 VR), wenden, weil mit diesen Angaben die Wähler nicht informiert, sondern desinformiert würden und dadurch die betroffenen Abgeordneten zu weit reichenden und unzumutbaren Klarstellungen genötigt seien, verfehlen sie Zweck und Eignung des Zuflussprinzips und unterstellen in angreifbarer Weise den Bürgern Unfähigkeit zu sachgerechter Informationsaufnahme und -verarbeitung; das ist bereits ausgeführt (oben D.I.2.e≫dd≫).
4. Fehl geht auch der Einwand, das Stufenmodell sei deshalb ungeeignet, weil infolge der gewählten Pauschalierung Transparenz nicht hergestellt, sondern vereitelt werde. Es mag zwar zutreffen, dass eine Veröffentlichung von Einkünften in ihrer jeweiligen Höhe dem Idealbild eines offenen, in jeder Hinsicht durchschaubaren Prozesses politischer Willensbildung (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪327≫) mehr entspräche. Indes ist auch eine lediglich nach Stufen pauschalierte Angabe der Höhe der Einkünfte (Stufe 1: 1000 bis 3500 Euro; Stufe 2: 3501 bis 7000 Euro; Stufe 3: über 7000 Euro), zumal in Verbindung mit der Veröffentlichung der Angaben über die Art der Tätigkeit einschließlich Vertragspartner, Unternehmen oder Organisation (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 3 VR und Nr. 3 AB), ein taugliches Mittel, auf mögliche, die Unabhängigkeit des Mandats beeinträchtigende Interessenverknüpfungen und ihren Umfang hinzuweisen. Die Eignung des zur Verfolgung eines Regelungsziels eingesetzten Mittels wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass noch wirkungsstärkere Mittel hätten eingesetzt werden können (vgl. BVerfGE 63, 88 ≪115≫; 79, 256 ≪270≫; 103, 293 ≪307≫; stRspr). Ein dem Regelungsziel förderliches Maß an Transparenz wird hergestellt, wenn die Wähler darüber unterrichtet werden, dass ein Abgeordneter aus Tätigkeiten neben dem Mandat monatliche Einkünfte in Höhe von bis zur Hälfte seiner Abgeordnetendiäten (Stufe 1), bis zu deren Höhe (Stufe 2) oder darüber (Stufe 3) erzielt. Dass das Stufenmodell Irreführungen zu Lasten der Abgeordneten bewirken könnte, ist nicht ersichtlich.
5. Die von den Antragstellern angegriffenen Regelungen zur Sanktionierung von Verstößen gegen Anzeigepflichten (§ 44 a Abs. 4 Sätze 2 bis 5, § 44 b Nr. 5 AbgG und § 8 VR) sind mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar.
a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG folgt nicht, dass Abgeordnetenpflichten grundsätzlich nicht mit rechtsförmigen Sanktionen bewehrt, sondern allein über die politische Verantwortung gegenüber dem Wähler reguliert sein dürften. Die Anzeigepflichten sollen, wie dargelegt, dazu beitragen, einen fairen und transparenten Prozess der politischen Willensbildung überhaupt erst zu ermöglichen, sind also dem politischen Prozess vorgelagert und Bedingung seines Funktionierens. Pflichten dieser Art müssen rechtlich konstituiert sein und im Bedarfsfall – gegebenenfalls auch mittels Sanktionen – durchgesetzt werden. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments würde beeinträchtigt und das Prinzip der strikten Gleichbehandlung aller Abgeordneten (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪318≫; 80, 188 ≪220 ff.≫; 93, 195 ≪204≫; 112, 118 ≪133≫) verletzt, wenn Offenlegungspflichten gegenüber Abgeordneten, die deren Erfüllung verweigern, mangels wirksamer Sanktionen nicht durchgesetzt werden könnten. Zudem würde das Parlament in den Augen der Öffentlichkeit machtlos erscheinen, die eigenen Regeln umzusetzen, was zu einem der Funktionsfähigkeit des Parlaments ebenfalls abträglichen Vertrauens- und Ansehensverlust führen müsste.
Die repräsentative Funktion des freien Mandats beruht auf der Einhaltung einer Vielzahl von Organisations- und Verfahrensregeln, die erst in ihrem Zusammenspiel das Repräsentationsprinzip zur Geltung bringen und die Legitimität der Entscheidungen des Parlaments begründen. Auch soweit diese Verfahrensregeln die Abgeordneten selbst betreffen, muss für ihre Effektivität gesorgt werden. Das freie Mandat schließt daher die Möglichkeit, die zu seiner institutionellen Entfaltung erforderlichen Sanktionen zu verhängen, nicht aus, sondern ein. Dementsprechend war der Abgeordnetenstatus schon bislang nicht prinzipiell sanktionsfrei ausgestaltet; so sei auf die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung (§ 108 e StGB) und der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht (§ 353 b Abs. 2 Nr. 1 StGB) hingewiesen.
Die Einführung spezifisch ausgestalteter Sanktionen rückt den Abgeordneten nicht in die Nähe eines der Disziplinargewalt seines Dienstherrn unterworfenen Beamten. Dieser unterliegt dem Disziplinarrecht mit seinem gesamten dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten (vgl. § 45 BRRG, § 77 BBG). Demgegenüber muss der Abgeordnete lediglich punktuell Folgen von Pflichtverstößen und auch nur zur Durchsetzung von Rechtsgütern mit Verfassungsrang hinnehmen. Soweit sich die Antragsteller im Hinblick auf die Überprüfung verhängter Ordnungsgelder durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich dagegen wehren, einer anderen Jurisdiktionsgewalt als der des Bundesverfassungsgerichts unterworfen zu sein, verkennen sie, dass die Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht nur in den ihm durch das Grundgesetz ausdrücklich zugewiesenen Fällen ausgeübt wird (Art. 92, Art. 93 GG) und die Organklage gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ausschließlich der Auslegung des Grundgesetzes dient.
b) Die Antragsteller haben nicht aufzuzeigen vermocht, dass Einzelheiten der angegriffenen Sanktionsregelungen mit dem Grundgesetz unvereinbar wären.
aa) Die Antragsteller zu 1) bis 5) tragen lediglich vor, zur Durchsetzung der Anzeigepflichten reiche, wie in Nr. 8 der früheren Verhaltensregeln vorgesehen, die Feststellung eines Verstoßes und deren Veröffentlichung aus. Dabei verkennen sie die gegenüber dem früheren Verhaltenskodex weiter gehenden Zwecke und Gegenstände der Anzeigepflichten. Es lag nahe, auf die erweiterte Zielsetzung abgestimmte Sanktionen zu entwickeln. Dass der Gesetzgeber dabei die bei der Wahrnehmung seiner Kompetenz gemäß Art. 38 Abs. 3 GG gesetzten Grenzen überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Handlungspflichten mit der Androhung und Verhängung von Ordnungsgeldern durchzusetzen, ist rechtsüblich und auch Abgeordneten gegenüber nicht grundsätzlich unangemessen.
bb) Die Antragsteller zu 7) bis 9) erörtern nach Art eines Rechtsgutachtens eine Reihe von Fragen, die das vom Antragsgegner zu 1) beschlossene Sanktionssystem aufwerfen könnte, ohne aber vorzutragen, durch bestimmte Regelungen in rügefähigen Rechten verletzt zu sein. Damit fehlt es an der Grundlage für eine Erörterung im vorliegenden Verfahren. Es bleibt den Antragstellern unbenommen, Einwände gegen Einzelheiten des Sanktionssystems in einem Verwaltungsstreitverfahren vorzubringen; hält das Bundesverwaltungsgericht verfassungsrechtliche Einwände für überzeugend, hat es die Sache gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
II.
Soweit die Antragsteller sich gegen die Pflicht zur Offenlegung ihrer Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und der daraus erzielten Einkünfte wenden, wie sie in § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG vorgesehen und in den Verhaltensregeln auf der Basis von § 44 b Nrn. 1, 2 und 4 AbgG näher ausgestaltet wird, müssten die Anträge nach Ansicht der die Entscheidung nicht tragenden Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau Erfolg haben. Die Freiheit des Mandats nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG steht einer angemessen ausgestalteten Pflicht von Abgeordneten zur Mitteilung von Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und daraus erzielten finanziellen Zuflüssen zwar nicht von vornherein entgegen. Soweit jedoch § 44 a Abs. 4 Satz 1, § 44 b Nrn. 1, 2 und 4 AbgG in Verbindung mit den Verhaltensregeln die Abgeordneten dazu verpflichten, ihre erzielten Einnahmen in weitem Umfang und ohne hinreichende rechtsstaatliche Sicherungen der Öffentlichkeit preiszugeben, ist das mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
1. a) Das freie Mandat ist dazu bestimmt, die Unabhängigkeit des Abgeordneten in einem umfassenden Sinne zu sichern (Badura, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 15 Rn. 15; Brenner, in: Der Staat des Grundgesetzes – Kontinuität und Wandel, Festschrift für Peter Badura zum 70. Geburtstag, 2004, S. 27). Gerade ein während des Mandats ausgeübter Beruf stützt die politische Unabhängigkeit des Abgeordneten (vgl. H. H. Klein, Status des Abgeordneten, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 51 Rn. 37; Fromme, Publizität für „Beraterverträge” von Abgeordneten?, ZRP 1972, S. 225 ≪228≫). Deshalb ist der grundrechtliche Schutz der Berufsfreiheit auch bei der Auslegung des freien Mandats von Bedeutung. Eingriffe in die Berufsfreiheit der Abgeordneten schmälern zugleich ihre Unabhängigkeit und sind regelmäßig nur dann zu rechtfertigen, wenn sie gerade das Ziel verfolgen, verbotene Abhängigkeiten von gesellschaftlichen Interessengruppen zu verhindern oder sichtbar zu machen.
Die berufliche Tätigkeit dient dem Mandat nicht nur mittelbar dadurch, dass der Abgeordnete durch sie fortlaufend einen breiten Erfahrungsschatz erhält, den er in seiner parlamentarischen Arbeit fruchtbar machen kann. Vielmehr verhindern die Berufsausübung und die damit verbundene Möglichkeit der Rückkehr in eine bürgerliche Existenz, dass politische und nicht zuletzt auch finanzielle Abhängigkeitsverhältnisse entstehen, die für die inhaltliche Ausübung der Mandatstätigkeit auf die Dauer nicht ohne Auswirkungen bleiben können. Wer für sich selbst über das Mandat hinaus sorgen kann, wird weniger leicht seine eigene Meinung einer parteipolitisch vorgegebenen Räson opfern. Eine möglichst weitgehende Freiheit des Abgeordneten neben dem Mandat ist deshalb wesentlicher Bestandteil der Freiheit des Mandats selbst. Deswegen stellt jeder staatliche Eingriff in die Ausübung eines Berufs durch den Abgeordneten neben seinem Mandat zugleich einen Eingriff in die Freiheit des Mandats selbst dar.
b) Aus diesem Grund können im Rahmen der nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit des Mandats ergänzend auch grundrechtliche Aspekte von Bedeutung sein.
aa) Die vom Volk ausgehende Staatsgewalt wird vom Parlament als Ganzem, also der Gesamtheit seiner Mitglieder, ausgeübt (vgl. BVerfGE 44, 308 ≪315 f.≫; 56, 396 ≪405≫; 80, 188 ≪217 f.≫), der einzelne Abgeordnete ist Vertreter des ganzen Volkes (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Zugleich kommt der Abgeordnete aus der Mitte des Volkes und soll den Vorstellungen und Anliegen der Bevölkerung im Deutschen Bundestag Gehör verschaffen. Da jeder einzelne Abgeordnete persönlich und gesellschaftlich unterschiedlich geprägt ist, ergibt sich im Parlament, dem Demokratieprinzip entsprechend, insgesamt ein breites und damit pluralistisches Spektrum an Fähigkeiten, Interessen und Wertvorstellungen (vgl. Magiera, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 38 Rn. 45). Die politische Forderung und die verfassungsrechtliche Annahme einer Verwurzelung der einzelnen Abgeordneten in der gesellschaftlichen Sphäre hält den Gedanken lebendig, dass das Volk auch im repräsentativen System des Grundgesetzes Träger der Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG ist.
bb) Der Abgeordnete hat nach Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG ein öffentliches Amt inne. In seiner Stellung als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft unterscheidet sich der Abgeordnete allerdings deutlich von anderen Inhabern eines öffentlichen Amtes (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪342≫). Der Beamte etwa verliert zwar mit der Übernahme eines öffentlichen Amtes nicht seine Stellung als Staatsbürger; aber bei ihm wird zwischen persönlicher und amtlicher Rechtssphäre deutlich unterschieden (s. etwa Kunig, Das Recht des öffentlichen Dienstes, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, Kap. 6 Rn. 45 ff.; Depenheuer, Das öffentliche Amt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 36 Rn. 60 ff.), das heißt der Beamte ist Amtsträger und daneben, also im Wesentlichen außerhalb seines Amtes, Staatsbürger. Demgegenüber ist der Abgeordnete Inhaber eines öffentlichen Amtes und nicht daneben, sondern zugleich, das heißt innerhalb seines Amtes, Staatsbürger; er kann die ihm vom Grundgesetz zugedachte Repräsentationsaufgabe umso besser erfüllen, je stärker er seine Verwurzelung in der gesellschaftlichen Sphäre in den parlamentarischen Prozess einbringt.
Während also der Beamte weisungsunterworfen ist, genießt der Abgeordnete die Freiheit des Mandats. Die Freiheit des Abgeordneten ist recht verstanden zwar nicht eine Freiheit von Pflichten, sondern eine „Freiheit in der Wahrnehmung seiner Amtspflicht” (H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG Art. 48 Rn. 34). Aber gerade eine solche Freiheit in der Amtsführung unterscheidet den Abgeordneten deutlich vom Beamten, und dies auch mit Konsequenzen für den Schutz beruflicher, politischer oder sonstiger Tätigkeiten, die zugleich mit dem Mandat ausgeübt werden. In der Wahrnehmung des Mandats ist der Abgeordnete gerade nicht weisungsunterworfen, sondern durch Art. 38 Abs. 1 GG in seiner Freiheit und Gleichheit besonders geschützt; deshalb darf er nicht in eine Ämterhierarchie einbezogen, darf er weder in seiner politischen Wahlkreis- oder Parteiarbeit noch in seinem fortgeführten Beruf beeinträchtigt werden. Die verfassungsrechtlich normierte Freiheit oder Unabhängigkeit in der Ausübung öffentlicher Ämter ist stets eine gefährdete Freiheit. Sie kann vom Amtsträger selbst gefährdet werden, wenn er nicht aus eigener Einsicht und vertraut mit dem Ethos des Amtes Gebrauch von der Freiheit des Mandats macht; sie kann aber auch durch Regelungen gefährdet werden, die einen solch sorgsamen Umgang mit der Freiheit sicherstellen oder kontrollieren wollen. Eine strikte Trennung zwischen amtlicher und staatsbürgerlicher Stellung lässt sich beim Abgeordneten deshalb nicht durchhalten; sie würde die Funktion des Abgeordneten als Bindeglied zwischen Volk und parlamentarischem Prozess verkennen.
cc) Die Pflicht zur Offenlegung der Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und der daraus erzielten Einkünfte gemäß § 44 a Abs. 4 Satz 1, § 44 b Nrn. 1, 2 und 4 AbgG in Verbindung mit den Verhaltensregeln ist nach der Intention des Gesetzgebers zunächst auf die Mandatsausübung gerichtet, weil mögliche Interessenkollisionen sichtbar gemacht werden sollen, um Einflussnahmen auf Abgeordnete aus dem gesellschaftlichen Bereich zu begrenzen und dadurch die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten zu stärken (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 14.Juni 2005, BTDrucks 15/5671, S. 1, 4). Zugleich liegt eine zielgerichtete Regelung des außerparlamentarischen Verhaltens der Abgeordneten vor, weil Gegenstand der Offenlegung gerade Tätigkeiten neben der Mandatsausübung sind. Dem Abgeordneten in diesen Fällen die Berufung auf seine grundrechtlich geschützten Rechtspositionen gänzlich zu versagen, hieße eine vollständige Mediatisierung des Bürgers durch das Mandat anzunehmen, die der grundgesetzlichen Konturierung des Abgeordnetenstatus nicht gerecht würde.
2. In der Pflicht der Abgeordneten, ihre Tätigkeiten neben der Mandatsausübung sowie die daraus erzielten Einkünfte umfassend offenzulegen, liegt ein Eingriff in das freie Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.
Der einzelne Abgeordnete kann der Pflicht zur Offenlegung seiner Tätigkeiten neben der Mandatsausübung sowie der daraus erzielten Einkünfte nicht entgehen. Die Offenlegung ist durch § 44 a Abs. 4 Satz 1, § 44 b Nrn. 1, 2 und 4 AbgG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 bis 3, § 3 VR nicht nur als echte Rechtspflicht ausgestaltet worden; die fehlende oder fehlerhafte Erfüllung dieser Pflicht ist nach § 44 a Abs. 4 Sätze 2 bis 5 AbgG in Verbindung mit § 8 VR auch sanktionsbewehrt. Der Abgeordnete, der die umfassende Offenlegung von Tätigkeiten und Einkünften vermeiden will, weil er diese Informationen seinem privaten Bereich zuordnet, hat daher keine andere Möglichkeit, als seine Tätigkeit außerhalb der Mandatsausübung zu modifizieren, indem er bestimmte oder sogar alle Tätigkeiten aufgibt.
Dass diese Verhaltensänderung auf einem freien Willensentschluss des Abgeordneten beruhte und daher keinen staatlichen Eingriff in die Freiheit des Mandats darstellte, kann nicht eingewendet werden. Der Gesetzgeber hat sogar eine Steuerungswirkung im Hinblick auf die Intensität der Wahrnehmung von Tätigkeiten neben der Mandatsausübung bezweckt (s. die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 14. Juni 2005, BTDrucks 15/5671, S. 4). Hat der bereits in seinem öffentlichen Amt befindliche Abgeordnete insoweit nur die Wahl zwischen der Offenlegung oder der Aufgabe oder Änderung seiner außerparlamentarischen Tätigkeiten, so kann die Offenlegungspflicht auch Auswirkungen auf die Entscheidung haben, sich zukünftig – erneut oder erstmals – um ein Abgeordnetenmandat zu bewerben (vgl. auch Fromme, Publizität für „Beraterverträge” von Abgeordneten?, ZRP 1972, S. 225 ≪228≫).
Bei der Würdigung der Eingriffsintensität kann nicht außer Acht bleiben, dass mit der Offenlegung gerade auch von ungewichteten Tatsachen wie Bruttoeinkünfte, die nicht im Kontext darstellbar sind, eine publizistische Prangerwirkung entstehen kann. Ohne nähere Erklärungen und Gewichtungen können die bloßen Informationen über Mittelzuflüsse in mehrfacher Hinsicht zu Fehlschlüssen verleiten, die den beruflich weiter verwurzelten Abgeordneten unter ganz erheblichen und ungerechtfertigten öffentlichen Druck setzen. Derlei schwer messbare Wirkungen verlangen danach, bei der Verhältnismäßigkeitskontrolle die Eignung des Eingriffs exakt in Beziehung zum zulässigerweise verfolgten Ziel zu setzen und die Erforderlichkeit im Hinblick auf den angestrebten Zweck zu prüfen.
3. Auch die Freiheit des Mandats ist unter dem Grundgesetz nicht schrankenlos gewährleistet. Vielmehr kann diese Freiheit begrenzt werden, allerdings nur durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang (s. BVerfGE 99, 19 ≪32≫; Morlok, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 38 Rn. 151 ff.). Die Repräsentations- und die Funktionsfähigkeit des Parlaments sowie die Integrität und politische Vertrauenswürdigkeit des Deutschen Bundestages sind vom Senat grundsätzlich als Rechtsgüter anerkannt worden, die Einschränkungen der Freiheit des Mandats legitimieren können (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219, 222≫; 84, 304 ≪321 f.≫).
a) Für die streitgegenständlichen Offenlegungsregeln stellt sich zuvörderst die Frage, ob der Eingriff in die Freiheit des Mandats gerechtfertigt ist, weil er dem Anliegen dient, Transparenz herzustellen, und insoweit eine „Öffentlichkeit des Abgeordnetenstatus” zum Ausdruck bringt; denn hierin lag das wesentliche Anliegen des Gesetzgebers bei der Einführung der Offenlegungsregeln (s. den Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 14. Juni 2005, BTDrucks 15/5671, S. 1, 4).
aa) Das Grundgesetz selbst vermeidet allerdings nicht nur den Begriff der Transparenz; es setzt auch ersichtlich sein Vertrauen in ein weitaus voraussetzungsreicheres System der legitimen Machtausübung und ihrer Kontrolle (vgl. auch Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten” geben?, NWVBl 2006, S. 401 ≪403≫). Zwar ist der Aspekt der Öffentlichkeit staatlicher Beratungs- und Entscheidungsprozesse ein inhärenter Bestandteil des demokratischen Prinzips, wie es das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 1 GG niederlegt (s. BVerfGE 70, 324 ≪358≫; 103, 44 ≪63≫). Doch ist zum einen in methodischer Hinsicht zu beachten, dass sich Art und Maß der verfassungsgewollten Öffentlichkeit nicht aus einem apriorischen Demokratieprinzip, sondern zuvörderst aus den besonderen Öffentlichkeitsgeboten ergeben, die das Grundgesetz im Einzelnen vorsieht. Zum anderen darf, wo mehrere Prinzipien in Widerstreit geraten können, nicht eines auf Kosten des anderen schematisch oder gar absolut zu Geltung gebracht werden; insofern ist es von vornherein unstatthaft, eine verfassungsrechtliche Diskussion um Offenlegungspflichten zu führen, ohne die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Sicherungsanliegen, das heißt auch die Frage eines Ausgleichs zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, mit einzubeziehen (vgl. zu dem Aspekt der Verfahrenssicherung auch Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 38 Rn. 82).
bb) Überdies ist zweifelhaft, ob in Bezug auf den Abgeordneten überhaupt ganz allgemein von einem verfassungsrechtlichen Anliegen der Herstellung von Öffentlichkeit gesprochen werden kann. Zwar ist die Öffentlichkeit der Verhandlungen des Deutschen Bundestages, die in Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG als Regelfall vorgesehen ist, ein Kernelement des demokratischen Parlamentarismus (vgl. BVerfGE 70, 324 ≪355≫) und nicht zuletzt ein wichtiges Kontrollinstrument der staatlichen Machtausübung (Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rn. 11); auch Untersuchungsausschüsse des Bundestages (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Bundesrat (Art. 52 Abs. 3 Satz 3 GG) verhandeln nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben öffentlich.
Diesen expliziten verfassungsrechtlichen Öffentlichkeits-geboten ist aber gemein, dass sie sich auf staatliche Organe oder – im Fall der Untersuchungsausschüsse – ihrer Untergliederungen beziehen; es geht also um Öffentlichkeit im politischen Prozess (s. auch Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten” geben?, NWVBl 2006, S. 401 ≪403≫). Demgegenüber ist nach dem Text des Grundgesetzes der einzelne Abgeordnete als Person nicht Gegenstand einer spezifischen Transparenzforderung. Wenn demgegenüber vereinzelt von einem „Status der Öffentlichkeit des Abgeordneten” gesprochen wird, aus dem sich unmittelbar Pflichten und Verbote ableiten sollen (so insbesondere Morlok, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 38 Rn. 169; vgl. auch Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, S. 472 ≪474≫), ist das schon deshalb eine missverständliche Verkürzung, weil der Verfassungsgeber öffentliche Rechenschaftspflichten in Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG für die politischen Parteien eigens geregelt, für den Abgeordneten von einer entsprechenden Regelung jedoch gerade abgesehen hat.
cc) Transparenz ist zudem ein ambivalenter Begriff: Wissen und Aufklärung gehören zur Demokratie ebenso wie der rechtsstaatliche und schonende Umgang mit personenbezogenen Daten. Mit der Forderung nach Transparenz werden gläserne Verhältnisse verlangt, der Amtsträger soll der Öffentlichkeit zeigen, was er tut und wer er ist. Eine solche Forderung ist im Kampf gegen Diktatur und Autokratie eine angemessene Waffe; denn jede illegitime und korrupte Herrschaft braucht Verdunkelung und Heimlichkeit. Nicht ohne Grund hat die friedliche Revolution in der Endphase der DDR mit einer großen Kraftanstrengung die Öffnung der Stasi-Archive verlangt und durchgesetzt. Die Forderung nach absoluter Transparenz zeigt aber dort eher Hilflosigkeit, wo es an den bewährten Sicherungen einer rechtsstaatlichen Demokratie fehlt. Das rechtsstaatliche System des Grundgesetzes benötigt und erlaubt kein jakobinisches Schwert, mit dem man die Hülle privater und gewerblicher Abwehrrechte durchschlagen könnte, um die „wahren” Verhältnisse offenzulegen.
b) Der Eingriff in die Freiheit des Mandats kann damit gerechtfertigt werden, dass mit ihm die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages durch die unabhängige Mandatsausübung der Abgeordneten oder seine Integrität und politische Vertrauenswürdigkeit gewahrt werde, so wie es der Gesetzesbegründung ergänzend zu entnehmen ist (s. die Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 14. Juni 2005, BTDrucks 15/5671, S. 1, 4). Denn der Senat hat wiederholt festgestellt, dass bei der Einschränkung der Rechte des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gerade um der Repräsentationsfähigkeit und der Funktionstüchtigkeit des Parlaments willen das Recht des einzelnen Abgeordneten, an der Willensbildung und Entscheidung des Deutschen Bundestages mitzuwirken, nicht in Frage gestellt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219≫; 84, 304 ≪321 f.≫). Damit ist die Argumentation mit der Funktionsfähigkeit und der politischen Vertrauenswürdigkeit des Parlaments in dem gegebenen Zusammenhang ohnehin ambivalent, da diese Anliegen grundsätzlich dazu dienen können, Eingriffe in die Rechtsstellung des Abgeordneten sowohl zu legitimieren als auch abzuwehren: Einerseits trägt nur der nach Maßgabe des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG freie Abgeordnete dazu bei, dass der Deutsche Bundestag nach der Vorstellung der repräsentativen Demokratie funktionsfähig bleibt und die Bürger das Vertrauen in seine Integrität behalten; andererseits lassen sich diesen Zielen grundsätzlich auch Vorgaben für die Mandatsausübung entnehmen, durch die der Abgeordnete in seiner Freiheit beschränkt wird.
Daraus folgt, dass auch die Funktionsfähigkeit und das Vertrauen in die Integrität des Deutschen Bundestages als Zielsetzungen einer Pflicht der Abgeordneten zur Offenlegung ihrer Tätigkeit neben der Mandatsausübung und der damit erzielten Einkünfte nichts daran ändern, dass zwischen diesen Zielsetzungen und den Auswirkungen auf die Freiheit des Mandats in ergänzender Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte ein verfassungsgemäßer Ausgleich hergestellt werden muss.
4. An einem solchen verfassungsgemäßen Ausgleich fehlt es hier. Der Gesetzgeber war nicht befugt, die umfassende Offenlegung von Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und der daraus erzielten Einkünfte in § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG ohne eine der Publikation vorgelagerte nähere rechtsstaatliche Sicherung anzuordnen. Mit einer stufenweise konkretisierten, und schon in § 44 a Abs. 4 AbgG unbestimmt weit gefassten, Offenlegungspflicht wird den Anliegen der Öffentlichkeit, der Funktionsfähigkeit des Parlaments und des Vertrauens der Bürger in die Unabhängigkeit politischer Entscheidungsprozesse kaum Rechnung getragen, aber jedenfalls zu einseitig der Vorrang gegenüber den berechtigten Interessen der Abgeordneten an einer freien und damit unbeeinflussten Ausübung ihres Mandats und der die Mandatswahrnehmung flankierenden Tätigkeiten sowie gegenüber den die Freiheit des Mandats in der gegebenen Konstellation ergänzenden Grundrechten der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingeräumt.
a) Soweit der Gesetzgeber angenommen hat, entgeltliche Tätigkeiten von Abgeordneten neben der Mandatsausübung seien grundsätzlich dazu geeignet, Abhängigkeiten nicht zuletzt finanzieller Art zu begründen, die der Freiheit der Mandatswahrnehmung entgegenstehen können, ist das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Erzielt etwa der Abgeordnete etwa Einkünfte, die ganz oder teilweise ohne die in Beruf und Gewerbe übliche Gegenleistung gewährt werden, können solche Abhängigkeiten entstehen; in diesen Fällen steht als Gegenleistung der Versuch einer für den Geldgeber günstigen Einflussnahme auf die politischen Entscheidungsprozesse jedenfalls unausgesprochen im Raum; Einkünfte, die nicht beruflichen oder gewerblichen Gegenleistungen korrespondieren, sind deshalb mit dem unabhängigen Status des Abgeordneten unvereinbar (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪319≫).
Daher stehen Abhängigkeitsverhältnisse der freien Mandatsausübung entgegen und sind zweifelsohne auch dazu geeignet, das Vertrauen der Repräsentierten in die Integrität des Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder zu schmälern. Soweit es sich der Gesetzgeber deshalb zum Ziel setzt, gegen die Entstehung von Interessenverknüpfungen und Abhängigkeitsverhältnissen und gegen gezielte Einflussnahmen auf Abgeordnete vorzugehen, liegt darin ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass finanzielle Zuwendungen an Abgeordnete ohne jede Gegenleistung bereits dem strengen Regime des § 44 a Abs. 2 und 3 AbgG unterfallen, wonach sie strikt verboten und dem Bundeshaushalt zuzuführen sind. Insofern will der Gesetzgeber mit der in § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG vorgesehenen und in den Verhaltensregeln näher konkretisierten Offenlegungspflicht andere Sachverhalte erfassen als die besonders anstößigen gegenleistungslosen Zuwendungen, mit denen deshalb nicht zugunsten einer solchen Offenlegungsregelung argumentiert werden kann.
b) Es bestehen bereits Zweifel daran, dass die Offenlegung der Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und der daraus erzielten Einkünfte gerade in der Form der angegriffenen Regelungen dazu geeignet ist, den durch Abhängigkeiten von Abgeordneten begründeten Gefahren wirksam zu begegnen.
aa) Zunächst sind Einkünfte nicht stets ein Indikator für Abhängigkeitsverhältnisse. Abhängigkeiten können in mannigfaltiger Hinsicht bestehen und sich in unterschiedlichsten Formen auswirken. Deshalb können Einkünfte zwar im Sinne eines ersten Anhaltspunkts auf mögliche Interessenverknüpfungen hinweisen; ein unmittelbarer und zu einem Anlass verdichteter Zusammenhang zwischen Tätigkeiten neben dem Mandat und daraus erzielten Einkünften mit der Gefahr von Interessenverknüpfungen und Abhängigkeitsverhältnissen besteht indes nicht. Dieser Zusammenhang aber wird durch die vorgesehene Offenlegungspflicht suggeriert, was zur Folge hat, dass derjenige Abgeordnete, der – den Vorstellungen des Grundgesetzes entsprechend (s. Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 48 Rn. 29) – neben seiner Mandatsausübung seine berufliche Tätigkeit fortführt und dadurch in der gesellschaftlichen Sphäre verwurzelt bleibt, unter Generalverdacht – und unter Rechtfertigungsdruck – gerät mit der Folge, dass eben jene gesellschaftliche Anbindung die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten im politischen Prozess nicht fördert und absichert, sondern vielmehr beeinträchtigt.
Im Übrigen stellt sich die Frage, ob eine derart weit reichende Anzeige- und Veröffentlichungspflicht dem damit verfolgten Transparenzanliegen überhaupt dienlich ist: Die Anzeige und Veröffentlichung sämtlicher entgeltlicher Tätigkeiten wirkt kontraproduktiv, vermengt sie doch Tätigkeiten, bei denen unzulässige Interessenverknüpfungen bestehen können, mit solchen, bei denen diese abstrakte Gefahr nicht zu befürchten steht. Die Folge einer Vielzahl von mitgeteilten einzelnen Geldzuflüssen, teils anonymisiert, teils namentlich ausgewiesen und in der Höhe pauschaliert, hat noch nichts mit den erzielten Einkünften im üblichen Sinne zu tun und kann wegen der verwirrenden Vielfalt und mangelnden Aussagekraft sinnvolle Information mehr erschweren denn ermöglichen.
bb) Hinzu kommt, dass trotz des eingeführten Sanktionensystems Zweifel daran bestehen dürften, dass der Abgeordnete, der in so erheblichem Umfang finanzielle Leistungen erhält, dass die Gefahr einer Abhängigkeit gegeben ist, diese dann auch tatsächlich offen legen wird. So wird gerade der redlich berufstätige Abgeordnete durch umfängliche Offenbarungspflichten womöglich zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen gemacht, obwohl die wenigen Abgeordneten, die unredlich Vorteile entgegennehmen, mit dem vorgesehenen Publikationssystem gar nicht wirksam in ihrem Verhalten überwacht werden können. Zwar kann die Gefahr, dass eine Norm in der Praxis nicht befolgt werden könnte, nicht allgemein einen Einwand gegen ihre Eignung darstellen. Sie vermag aber zusammen mit anderen Argumenten durchaus Zweifel daran zu begründen, ob eine Bestimmung in der Lage sein wird, das ihr zugedachte Ziel zu erreichen.
c) Jedenfalls fehlt es bei den angegriffenen Regeln zur Offenlegung von Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und der daraus erzielten Einkünfte an einem verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen dem gesetzgeberischen Transparenzanliegen und der um grundrechtliche Aspekte der Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verstärkten Freiheit des Mandats. Mit diesen Garantien ist es unvereinbar, wenn mit den angegriffenen Transparenzregeln die durch kein rechtsstaatliches, den Status und die Grundrechte des Abgeordneten schonendes Verfahren geprüfte Veröffentlichung von wirtschaftlichen „Rohdaten” vom Abgeordneten verlangt wird. Je umfassender sich jemand einer öffentlichen Stelle offenbaren muss, desto wichtiger kann es werden, ihm dann auch einen Schutz vor Weitergabe der Informationen an die Öffentlichkeit einzuräumen: Dies ist ein wesentlicher Sinn des Steuergeheimnisses (§ 30 AO).
Der Gesetzgeber dringt deshalb in einen sensiblen Bereich ein, wenn er die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse der Abgeordneten der Öffentlichkeit in weitem Umfang und ohne Auswahlentscheidung im Einzelfall zugänglich macht. Die staatlich auferlegte Preisgabe von Informationen ist auch deshalb besonderen rechtsstaatlichen Erforderlichkeitsprüfungen unterworfen, weil die Selbstbestimmung über personenbezogene Informationen eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪43≫).
aa) Von den verschiedenen Möglichkeiten der Einflussnahme auf Abgeordnete vermag das in § 44 a Abs. 4 Satz 1 AbgG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 bis 3, § 3 VR vorgesehene System der Offenlegung von vornherein nur diejenigen zu erfassen, die sich in konkreten finanziellen Zuflüssen niederschlagen. Der Gesetzgeber versucht insoweit aus dem legitimen Anliegen der Verteidigung der Unabhängigkeit politischer Entscheidungsprozesse heraus Verhaltensweisen durch Offenlegungspflichten zu bekämpfen, die weitgehend darauf angelegt sind, nicht sichtbar gemacht zu werden. So erfasst die Offenlegung nur einen Teil dessen, was sie eigentlich erfassen will, dies aber um den Preis der Erfassung vieler Informationen, um die es dem gesetzgeberischen Anliegen letztlich gar nicht geht. Zwar ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, eine typisierende Betrachtung zugrunde zu legen und in Tätigkeiten neben dem Mandat eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Abgeordneten zu sehen, soweit daraus in erheblichem Umfang Einkünfte erzielt werden. Ein solcher generalisierender und auf abstrakte Gefährdungspotenziale abstellender Ansatz findet aber jedenfalls dort seine Grenze, wo die Offenlegung die Verhältnisse nur noch fragmentarisch und verzerrt wiedergeben kann.
bb) Wenn lediglich der Zufluss finanzieller Mittel aus jeweils einer Quelle publiziert wird, handelt es sich um informationelle „Rohdaten”. Der dergestalt Informierte erfährt durch eine solche Mitteilung nicht, welche Gegenleistung der Abgeordnete erbracht hat, wie die Marktbedingungen für Leistung und Gegenleistung beschaffen sind, wie der „Marktwert” des Abgeordneten auch ohne seine besondere Mandatsstellung zu taxieren wäre und zu welchen tatsächlich erzielten Einkommen die Mittelzuflüsse nach Abzug des Aufwandes führen. Ohne zusätzliche Erklärung und Gewichtung können die bloßen Informationen über Mittelzuflüsse deshalb in mehrfacher Hinsicht zu Fehlschlüssen verleiten, die den beruflich weiter verwurzelten Abgeordneten unter ungerechtfertigten öffentlichen Druck setzen: Wer hohe Mittelzuflüsse offen legen muss, daraus aber wegen hoher betrieblicher Kosten oder hohen beruflichen Aufwandes kaum Gewinn erzielt, wird praktisch genötigt, seine komplette Einkommensteuererklärung zu veröffentlichen, aus der sich dann seine persönlichen Lebensverhältnisse, beispielsweise Sonderbedarf oder der Umfang von Lebensversicherungen, ergeben. Andernfalls würde er Gefahr laufen, dass in der Öffentlichkeit das unzutreffende Bild entsteht, er sei persönlich sehr wohlhabend, mit möglichen Folgen für das Gewicht und die Interessenzuordnung seines Wortes etwa in sozialpolitischen Debatten. Je nach der jeweils vorherrschenden kulturellen Grundströmung würde man ihm einen Bonus entgegenbringen, weil er wirtschaftlich erfolgreich ist, oder er müsste mit einem Malus rechnen, weil er als Wohlhabender über das Schicksal von Menschen entscheidet, die in wirtschaftlicher Not sind. Solche öffentlichen Schlüsse sind im freien politischen Diskurs selbstredend erlaubt. Wenn ihr Ausgangspunkt aber eine hoheitlich herbeigeführte Veröffentlichungspflicht ist, muss auch für eine sachlich zutreffende Tatsachengrundlage gesorgt sein; rechtlich statuierte Transparenzgebote dürfen nicht zur Desinformation beitragen. Das ist indes der Fall, wenn der Bürger und die Presse nur über die unbereinigten Einkünfte des Abgeordneten informiert werden, die dieser aus Tätigkeiten neben seiner Mandatsausübung erzielt.
Das zeigt sich insbesondere in Folgendem: Während § 44 a Abs. 4 AbgG den Begriff der Einkünfte nicht näher definiert, ordnet § 1 Abs. 3 Satz 2 VR ausdrücklich an, dass der Anzeigepflicht die für eine Tätigkeit zu zahlenden Bruttobeträge unter Einschluss von Entschädigungs-, Ausgleichs- und Sachleistungen zugrunde zu legen sind. Nr. 3 Abs. 3 AB konkretisiert diese Regelung, indem als Brutto-Einkünfte die Zuflüsse an Geld- und Sachleistungen gelten. Für den Abgeordneten bedeutet dies, dass er gegenwärtig alle Vermögenszuflüsse in Geld oder Geldeswert anzeigen muss, unabhängig davon, ob es sich um Einkommen, Aufwandsentschädigungen, durchlaufende Posten oder sonstige Vermögenszuwächse handelt. Berufsbedingter Aufwand ist ebenso wenig zu berücksichtigen wie Steuern, Abgaben und sonstige Kosten. Dieser in den Verhaltensregeln und den Ausführungsbestimmungen definierte Einkünftebegriff gilt für alle beruflichen Tätigkeiten, sei es als Angestellter, als Parteifunktionär, möglicherweise auch als Regierungsmitglied, als ehrenamtlich Tätiger, als Freiberufler oder als Selbstständiger.
Der von den Verhaltensregeln und den Ausführungsbestimmungen definierte Einkünftebegriff entspricht also weder dem allgemeinen Verständnis von Einkünften noch dem in der Rechtsordnung ganz überwiegend verwendeten Einkünftebegriff. Schon aus diesem Grund ist er geeignet, zu gravierenden Fehleinschätzungen insbesondere bei der Veröffentlichung der Angaben des Abgeordneten beizutragen. Denn ohne nähere Erläuterungen und ohne ergänzende Angaben wird der Anschein von Einkünften aus einer beruflichen Tätigkeit erweckt, die möglicherweise gar nicht vorliegen. Es findet eine Gleichsetzung von Mittelzufluss und Einkommen statt, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten zumeist nicht übereinstimmt.
Die gegenwärtige Regelung führt damit dazu, dass in einer Vielzahl von Fällen Einnahmen oder Sachbezüge als Einkünfte ausgewiesen werden, die den wirtschaftlichen Gehalt unzutreffend wiedergeben. Insbesondere Aufwandsentschädigungen oder die in einem Dienst- oder Angestelltenverhältnis zur Verfügung gestellten Sachleistungen müssen als Einkünfte deklariert werden, obwohl sie lediglich einen erwerbsbedingten Aufwand ausgleichen. Es wird der Eindruck eines möglicherweise gewichtigen wirtschaftlichen Vorteils vermittelt, auch wenn lediglich die mit der Tätigkeit zusammenhängenden Kosten erstattet werden.
Insbesondere bei Freiberuflern und Selbstständigen wird durch die Angabe lediglich der Brutto-Beträge ohne Berücksichtigung des damit verbundenen finanziellen Aufwands ein unzutreffendes Bild vermittelt: Eine freiberufliche oder selbstständige Tätigkeit hängt, unabhängig vom zeitlichen Arbeitseinsatz oder vom möglichen Gewinn, vielfach mit erheblichen Betriebsausgaben zusammen. So fallen in der Regel Finanzierungskosten, Kosten für die betrieblichen Räume, Miete, Löhne und Gehälter für Angestellte an, die Voraussetzung für die freiberufliche oder selbstständige Tätigkeit sind. Einkünfte werden in einem solchen Fall erst erzielt, wenn der betriebliche Aufwand gedeckt ist. Schließlich führt ein derart weiter Einkünftebegriff auch dazu, dass durchlaufende Posten oder Treuhandgelder erfasst werden, ohne dass damit überhaupt ein wirtschaftlicher Vorteil zusammenhängt. Im Ergebnis wird vom Freiberufler oder Gewerbetreibenden damit vielfach eine Angabe des Umsatzes verlangt. Dieser aber ist von vornherein kein Indikator für Interessenkollisionen im Einzelfall oder für mandatserhebliche Einflussnahmen.
Auch bei Tätigkeiten in Vereinen, Verbänden, Stiftungen oder ähnlichen Organisationen, die vielfach ehrenamtlich ausgeübt werden, führt die Angabe von Aufwandsentschädigungen oder sonstigen Sachleistungen als Einkünfte und eine dementsprechende Veröffentlichung dazu, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck einer entgeltlichen Tätigkeit vermittelt wird, obwohl lediglich ein Aufwand ausgeglichen wird. Die Anzeige und Veröffentlichung derartiger „Einkünfte” hat keine Aussagekraft über Interessenkollisionen oder Einflussnahmen aus dieser ehrenamtlichen Tätigkeit für die Mandatsausübung. Solange lediglich der übliche Aufwand entschädigt wird, kann für die Zwecke mandatsrelevanter Tätigkeiten allenfalls die Angabe der Tätigkeit selbst vorgeschrieben werden. Eine darüber hinausgehende Deklaration der Aufwandsentschädigungen als Einkünfte verspricht keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.
Diese Verzerrungen, denen der Gesetzgeber selbst schon auf der Ebene des Abgeordnetengesetzes vorbeugen müsste, erzeugen für Abgeordnete einen permanenten Rechtfertigungsdruck. Die Veröffentlichungspflicht drängt sie dazu, solchen – dem Zweck der Transparenz letztlich zuwiderlaufenden – Fehlinterpretationen entgegenzuwirken, indem sie ihre Einkünfte und Ausgaben näher erläutern. Unabhängig davon, welche Bedeutung eine solche Klarstellung in der Öffentlichkeit und für die öffentliche Willensbildung im Nachhinein noch hätte, sind die Abgeordneten unter Umständen gezwungen, weit reichende Auskünfte zu erteilen, um den Mittelzufluss und den tatsächlich erzielten Gewinn zu erläutern, was ihnen im Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zugemutet werden darf.
Diese mit einer Anzeige und Veröffentlichung der Bruttobeträge verbundenen Probleme und Missverständnisse werden eindrucksvoll durch den Vermerk des Fachbereichs Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages vom 2. März 2006 bestätigt: Der Fachbereich weist in diesem Schreiben darauf hin, dass die gegenwärtige Regelung dazu führt, dass bei Freiberuflern und Gewerbetreibenden die anzeigepflichtigen Einkünfte dem Umsatz nahe kommen. An- und Verkauf von wertvolleren Wirtschaftsgütern müssten bei Händlern jeweils als Einkünfte angegeben werden, unabhängig davon, welche Gegenleistung der Betroffene jeweils erbringen musste und welche Relevanz ein solches Geschäft für seinen Gesamtumsatz (geschweige denn für seinen Gewinn) hat. Es wird darauf hingewiesen, dass es bei den Abgeordneten auf Unverständnis stoße, dass die Erstattung von Auslagen und Aufwendungen im Zusammenhang mit der – im Übrigen meist ehrenamtlichen – Ausübung von Funktionen bei politischen Stiftungen, kirchlichen, sozialen und ähnlichen Einrichtungen oberhalb der genannten Betragsgrenzen gemäß § 1 Abs. 3 VR anzeigepflichtig ist und darüber hinaus auch noch unter dem ohnehin missverständlichen Begriff der „Einkommensstufe” veröffentlicht werden soll.
cc) Damit greifen die angegriffenen Offenlegungspflichten tief in die Rechtsstellung des Abgeordneten ein. Nicht nur die Freiheit des Mandats wird durch diese Regulierung eingeschränkt; berührt wird auch die im Rahmen von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in dieser Konstellation ergänzend heranzuziehende grundrechtliche Rechtsstellung des Abgeordneten, insbesondere die Freiheit des Berufs und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Denn der Abgeordnete wird verpflichtet, der Öffentlichkeit aus seiner persönlichen Sphäre stammende Informationen umfassend preiszugeben. Er soll offen legen, welcher beruflichen Tätigkeit er nachgeht, welche vertraglichen und geschäftlichen Beziehungen bestehen und von wem er in welcher Größenordnung Einkünfte erhält. Die Verhaltensregeln legen in der gegenwärtigen Fassung fest, dass die Einkünfte für eine Tätigkeit und einen Vertrag anzeigepflichtig sind und dass auch die Höhe der jeweiligen Einkünfte anzugeben ist.
Die Veröffentlichung gemäß § 3 VR bezieht sich zudem ausdrücklich auf jeden einzelnen veröffentlichten Sachverhalt. Die Antragsgegner legen die Verhaltensregeln so aus, dass die Anzeige- und Mitteilungspflichten nicht zusammengefasst die Einkünfte aus einem neben dem Abgeordnetenmandat ausgeübten Beruf betreffen, sondern für jede einzelne Vertragsbeziehung und für jeden einzelnen Vertragspartner die Einkünfte gesondert mitzuteilen sind. So sind auch die Ausführungsbestimmungen des Bundestagspräsidenten ausgestaltet: Nach Nr. 3 Abs. 1 AB sind Art der Tätigkeit sowie Name und Sitz des Vertragspartners, des Unternehmens oder der Organisation mitzuteilen. In Nr. 3 Abs. 2 AB wird ausdrücklich auf die einzelne Vertragsbeziehung mit einem Vertragspartner abgestellt, und in Nr. 8 AB sind die Angaben auf den Vertragspartner oder den Auftraggeber bezogen. Der Bundestagspräsident hat dementsprechend die Antragsteller in seinem Schreiben vom 9. Januar 2006 aufgefordert, Angaben über den Vertragspartner von Freiberuflern und Selbstständigen sowie über die Art der Tätigkeit zu machen.
Die Verpflichtung, jede einzelne Vertragsbeziehung und jeden einzelnen Vertragspartner aus einer laufenden beruflichen Tätigkeit mitzuteilen, ist durch das Interesse des Bürgers an der Wahrung der Unabhängigkeit der Abgeordneten auch mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht gerechtfertigt. Derart weit reichende Offenlegungspflichten führen dazu, dass die gesamte berufliche Tätigkeit des Abgeordneten in allen Einzelheiten mitzuteilen ist. Der Abgeordnete wird nicht nur verpflichtet, die Einkünfte einer möglicherweise schon lange währenden beruflichen Tätigkeit und damit den Erfolg seiner beruflichen Tätigkeit offenzulegen. Vielmehr wird er genötigt, seine Tätigkeit gegebenenfalls detailliert aufzuschlüsseln und zu beschreiben. Insbesondere bei Freiberuflern und Selbstständigen führt dies schon vom zeitlichen Umfang her zu einer nicht mehr hinnehmbaren Belastung. Darüber hinaus erhalten Konkurrenten einen weitgehenden Einblick in die Struktur eines Unternehmens, die Gestaltung einer freiberuflichen Tätigkeit und die Zusammensetzung des Kundenkreises eines Freiberuflers. Wenn überdies alle Änderungen und Ergänzungen während der Wahlperiode schon innerhalb von drei Monaten schriftlich mitzuteilen sind (vgl. § 1 Abs. 6 VR; Nr. 1 AB) und bei anzeigepflichtigen Einkünften die Frist an den Zufluss der Einkünfte gekoppelt ist, wird der Abgeordnete gehalten, das Parlament und die Öffentlichkeit an seiner Berufstätigkeit in allen Einzelheiten teilhaben zu lassen. Auch ohne die Angabe des präzisen Vertragsinhalts und der konkreten Höhe des vereinbarten Entgelts wird der Abgeordnete dadurch zum „gläsernen” Menschen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass er sich bei den einzelnen Angaben auf ein Zeugnisverweigerungsrecht oder auf Verschwiegenheitspflichten berufen könne. Sowohl § 1 Abs. 5 VR wie auch Nr. 8 AB sehen insoweit vor, dass die Ausnahme von der Anzeigepflicht nur diejenigen Tatsachen betrifft, für die das Zeugnis verweigert oder die Verschwiegenheit geltend gemacht werden kann. Denn diese Ausnahmen betreffen nicht die Verpflichtung, jeden einzelnen Geschäftsvorfall und jede einzelne Vertragsbeziehung gesondert mitzuteilen. Es wird dem Abgeordneten lediglich ermöglicht, statt des Auftraggebers eine Branchenbezeichnung oder eine andere Form der Anonymisierung zu wählen. Es bleibt gemäß Nr. 8 AB bei der Verpflichtung, die Art der Tätigkeit in dem einzelnen Vertrags- oder Mandantenverhältnis anzugeben und die daraus zufließenden Einkünfte mitzuteilen. Diese Angaben erfordern bei einer fortlaufenden beruflichen Tätigkeit ebenfalls einen hohen Aufwand und geben intensive Einblicke in Art und Umfang des neben dem Abgeordnetenmandat ausgeübten Berufs. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Zeugnisverweigerungsrechte und Verschwiegenheitspflichten nur bestimmten Berufsgruppen zugute kommen, während der überwiegende Teil der Freiberufler und Selbstständigen sich hierauf nicht wird berufen können.
Gegenstand der Offenlegung sind also Daten, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Einzelnen rechtlich zugeordnet sind (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪43 ff.≫; 77, 121 ≪124 f.≫), so dass die Pflicht zur Offenlegung für jeden Bürger grundsätzlich einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und im hier gegebenen Kontext auch in die Berufsfreiheit darstellen würde. Das kann für den Abgeordneten nicht ohne jede Berücksichtigung bleiben, auch wenn für ihn andere Maßstäbe anzulegen sind als für den Bürger, der kein Mandat ausübt, zumal wenn es gilt, die Freiheit der Mandatsausübung vor äußeren Einflüssen abzusichern. Sind indes Gegenstand der Offenlegung nicht die Abhängigkeitsverhältnisse selbst, sondern die Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und die aus ihnen erzielten Einkünfte, aus denen sich die abstrakte Gefahr möglicher Interessenkollisionen erst ergeben soll, wählt der Gesetzgeber eine Lösung, die dem legitimen Anliegen des Abgeordneten auf den Schutz seiner persönlichen und beruflichen Daten nicht mehr hinreichend Rechnung trägt.
Ebenso wenig wie sich der Abgeordnete gegen Transparenzanforderungen unter Berufung auf den Schutz seiner persönlichen Rechtssphäre umfassend wehren kann, steht es dem Gesetzgeber zu Gebote, unter Berufung auf Transparenzziele dieses Schutzanliegen des Abgeordneten gänzlich zu negieren. Das bedeutet, dass sich eine Offenlegung nur rechtfertigt, soweit Gegenstand der Offenlegung Informationen sind, die auch tatsächlich dazu geeignet sind, auf die Gefahr von Interessenverknüpfungen und Abhängigkeiten des Abgeordneten hinzuweisen. Es kann nicht Aufgabe der Öffentlichkeit sein, aus hierfür umfassend zur Verfügung zu stellenden „Rohdaten” die Schlussfolgerung zu ziehen, ob die Gefahr von Interessenverknüpfungen gegeben ist. Nach dem rechtsstaatlichen Verständnis des Grundgesetzes, das unter Verweis auf ein „verfassungsrechtliches Transparenzgebot” nicht außer Kraft gesetzt werden kann, darf der Prozess der Ermittlung einer Gefahr von Interessenverknüpfungen und Abhängigkeitsverhältnissen auf der Basis umfassender Angaben des Abgeordneten über seine Tätigkeiten neben dem Mandat und den daraus erzielten Einkünften kein öffentlicher sein (vgl. auch Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl 2006, S. 46 ≪49≫).
Wie ein solcher Prozess auszugestalten ist, welche Angaben der Abgeordnete dabei welcher staatlichen Stelle gegenüber zu machen hat, nach welchen Kriterien die Gefahr von Interessenverknüpfungen zu ermitteln ist und in welcher Form und in welchem Umfang solche Informationen dann veröffentlicht werden, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diese Fragen zu klären, wobei ihm, auch hinsichtlich der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich entsprechende Pflichten auch auf Tätigkeiten beziehen sollen, die der Abgeordnete bereits vor seiner Mandatsausübung wahrgenommen hat, ein weiter Spielraum zukommt. Dieser Spielraum ist aber dort überschritten, wo der Abgeordnete in dem Anliegen, seine Freiheit der Mandatsausübung zu sichern, auch dort zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen über seine Tätigkeiten und Einkünfte gemacht wird, wo konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Interessenkonflikts nicht vorliegen. Ein System der Offenlegung, das solche Konsequenzen hat und auch in Kauf nimmt, beeinträchtigt die Rechtsstellung des Abgeordneten mehr als dass sie geschützt würde, und ist deshalb mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar. Ein solches System ist auch mit Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar, weil es dazu führen muss, dass Angehörige freier Berufe in vielen Fällen von der Bewerbung um ein Mandat absehen werden.
d) Im internationalen Vergleich sind derart weit reichende Anzeigepflichten, die von den Abgeordneten die detaillierte Angabe der Bruttozuflüsse und Entschädigungen aus jeder einzelnen Vertragsbeziehung und für jeden einzelnen Vertragspartner fordern, weitgehend unbekannt. Soweit in einigen Staaten ein Verbot für bestimmte Tätigkeiten neben dem Mandat besteht oder die Nebeneinkünfte betragsmäßig begrenzt oder auf die Abgeordnetenentschädigung angerechnet werden, wird gerade nicht die ins Einzelne gehende Offenlegung von Tätigkeiten und daraus erzielten Vermögenszuflüssen verlangt. Eine in den demokratischen Staaten anerkannte Kultur der Öffentlichkeit des Mandats, die den Abgeordneten zur Preisgabe aller einzelnen neben dem Mandat eingegangenen Vertragsbeziehungen und der daraus resultierenden Einkünfte zwingt, lässt sich daraus nicht ableiten. Inkompatibilitätsregelungen müssten im Übrigen unter der Geltung des Grundgesetzes vielmehr daraufhin untersucht werden, ob und inwieweit sie mit dem im Grundgesetz verankerten Prinzip vereinbar sind, dass neben dem Mandat die Ausübung von Erwerbstätigkeiten grundsätzlich unbeschränkt zulässig ist.
Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, dass in der Mehrzahl repräsentativer Demokratien die Forderung erhoben würde, dass Abgeordnete ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse veröffentlichen müssen. Soweit in einzelnen Staaten Verpflichtungen bestehen, Einkünfte offenzulegen oder die Einkommensteuererklärung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (dazu D.I.1.c≫dd≫), dürfen diese wenigen Beispiele nicht unbesehen als Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung unter der Geltung des Grundgesetzes übernommen werden. Rechtsvergleichung kann ohne Bedachtnahme auf den politischen, historischen und sozialen Hintergrund einer bestimmten rechtlichen Regelung nicht auskommen und würde ohne Erörterung dieser faktischen Umstände nur an der Oberfläche eines realen Problems verharren (vgl. Wieser, Vergleichendes Verfassungsrecht, 2005, S. 20). Daher wird in Staaten, in denen alle Bürger verpflichtet sind, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu offenbaren, die Offenlegungspflicht von Parlamentsmitgliedern oder anderen Inhabern öffentlicher Ämter anders zu beurteilen sein als in Staaten, in denen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf Geheimhaltung von persönlichen Daten einen hohen, teilweise verfassungsrechtlich abgesicherten, Stellenwert hat. Der in der Bundesrepublik Deutschland allen Bürgern zustehende Schutz der Berufs- und Privatsphäre kann nicht unter Berufung auf andere Rechtsordnungen allein für den Abgeordneten zur Disposition gestellt werden. Vielmehr ist nach einem schonenden Ausgleich zu suchen, der einerseits die Funktionsfähigkeit und das Vertrauen in die Integrität des Deutschen Bundestages durch die Offenlegung bestimmter Tätigkeiten neben der Mandatsausübung ermöglicht, andererseits aber auch die Freiheit des Mandats und ergänzend die betroffenen Grundrechte des Abgeordneten hinreichend berücksichtigt. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass unter Berufung auf andere Rechtsordnungen der Schutz der Privatsphäre und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) zunächst für Abgeordnete, sodann für weitere gesellschaftliche Gruppen und letztendlich für alle Bürger relativiert wird.
5. Damit liegt nicht nur in der konkreten Ausgestaltung der Offenlegungspflicht in den Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Vielmehr durfte der Gesetzgeber von Verfassungs wegen in § 44 a Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 44 b Nr. 4 AbgG die grundsätzliche Pflicht zur Veröffentlichung von Tätigkeiten und Einkünften der Abgeordneten nicht unter der nicht näher konkretisierten Voraussetzung anordnen, dass sie auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können, ohne bereits auf der Ebene des Abgeordnetengesetzes selbst den legitimen Interessen der Abgeordneten auf die Sicherung ihrer im Einzelnen näher dargestellten verfassungsrechtlichen Rechtspositionen Rechnung zu tragen.
6. Nach Auffassung der die Entscheidung nicht tragenden Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau erfasst die Verfassungswidrigkeit von § 44 a Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 44 b Nr. 4 AbgG auch das Sanktionensystem, wie es jetzt in § 44 a Abs. 4 Sätze 2 bis 5, § 44 b Nr. 5 AbgG in Verbindung mit § 8 VR vorgesehen ist.
a) Die Nichterfüllung von dem Abgeordneten zulässigerweise auferlegten Pflichten zur Anzeige und Veröffentlichung kann auf der Grundlage von Art. 38 Abs. 3 GG zwar grundsätzlich als repräsentationsunwürdiges Verhalten (vgl. näher Wiese, Das Amt des Abgeordneten, AöR 101 ≪1976≫, S. 548 ≪570≫) mit der Festsetzung von Ordnungsgeldern sanktioniert werden. Insoweit wird in die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit des Mandats eingegriffen (vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 38 Rn. 27). Die Freiheit des Mandats ist aber nicht schrankenlos gewährleistet. Sie kann durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang, namentlich die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 80, 188 ≪219, 222≫; 84, 304 ≪321≫; 99, 19 ≪32≫), zugleich aber auch den Status der formalisierten Gleichheit des Abgeordneten (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪318≫; 80, 188 ≪220 ff.≫; 93, 195 ≪204≫; 112, 118 ≪133≫), begrenzt werden (BVerfGE 99, 19 ≪32≫).
Schon bislang war der Abgeordnetenstatus nicht prinzipiell sanktionsfrei ausgestaltet (s. hierzu Magiera, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 38 Rn. 71). Die Strafbarkeit des Stimmenverkaufs (§ 108 e StGB) und der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht (§ 353 b Abs. 2 Nr. 1 StGB) belegen dies. Die Legitimationswirkung des politischen Prozesses ist nur dann gesichert, wenn die selbst gesetzten Regelungen des Parlaments beachtet und im Bedarfsfall – gegebenenfalls auch mittels Sanktionen – durchgesetzt werden (s. Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, S. 325 ≪327≫).
b) Regelungen, die Verstöße gegen Anzeigepflichten sanktionieren, sind jedoch nur dann und insoweit verfassungsgemäß wie die Regelungen über die Anzeigepflicht selbst mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Da § 44 a Abs. 4 Satz 1, § 44 b Nrn. 1, 2 und 4 AbgG in Verbindung mit den Verhaltensregeln mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar sind, soweit sie die Abgeordneten dazu verpflichten, ihre erzielten Einnahmen in weitem Umfang und ohne jede rechtsstaatlichen Sicherungen der Öffentlichkeit preiszugeben, darf an eine Verletzung dieser Anzeigepflichten auch keine Sanktion geknüpft werden. § 44 a Abs. 4 Sätze 2 bis 5, § 44 b Nr. 5 AbgG in Verbindung mit § 8 VR in der derzeitigen Fassung sind daher ebenfalls verfassungswidrig.
Unterschriften
Hassemer Broß Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau
Fundstellen