Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist bei Grundstücksveräußerungsgeschäften teilweise verfassungswidrig
Leitsatz (amtlich)
1. Gesetzliche Regelungen, die für künftige belastende Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpfen (sog. unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung) sind nicht grundsätzlich unzulässig. Die unechte Rückwirkung ist mit den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes jedoch nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.
2. Die Verlängerung der früher sogenannten Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 war mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprechen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ist formell verfassungsgemäß.
2. Ausführungen zur echten Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) und zur unechten Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung).
3. Soweit die zweijährige Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG a.F. im Zeitpunkt der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 noch nicht abgelaufen war, begegnet ihre Verlängerung auf 10 Jahre keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
4. Die Verlängerung der Spekulationsfrist für bereits nach altem Recht erworbene Grundstücke verstößt aber gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind und die nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Verkündung steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können.
5. Wenn das Gesetz solche Veräußerungsgewinne nicht, wie dies für die allgemeine betriebliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG geschieht, als einen Unterschiedsbetrag definiert, der durch Betriebsvermögensvergleich im Jahresturnus zu ermitteln ist, sondern als einen Unterschiedsbetrag als Ergebnis eines den gesamten Behaltenszeitraum umfassenden Vergleichs, so liegt hierin keine systematische Besonderheit gegenüber der betrieblichen Gewinnermittlung. Vielmehr folgt die Gewinnermittlung zum Zeitpunkt der Veräußerung der Logik der allgemeinen betrieblichen Gewinnermittlung bei der Veräußerung einzelner Gegenstände des Betriebsvermögens.
6. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, Gewinne aus jeder Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens zu besteuern.
7. Die unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Erfassung von Wertsteigerungen im Vermögen des Steuerpflichtigen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Es mag unter dem Gesichtspunkt einer Ausrichtung der Besteuerung an der Leistungsfähigkeit zwar wünschenswert sein, wenn der Gesetzgeber den Reinvermögenszugangsgedanken bei der Bestimmung des Besteuerungsobjekts in weiterem Umfang aufgreift und den Wertzuwachs bei Vermögensgegenständen im Privatvermögen ebenso wie den Wertzuwachs bei Vermögensgegenständen im Betriebsvermögen ohne zeitliche Begrenzung der Besteuerung unterwirft. Verfassungsrechtlich geboten ist dies aber nicht. Ob und inwieweit der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist deshalb eine Frage politischer Gestaltung, so dass auch die unterschiedlichen Fristen für Grundstücke einerseits und andere Wirtschaftsgüter andererseits verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1; EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 52 Abs. 39 S. 1; StEntlG 1999/2000/2002
Verfahrensgang
Tenor
§ 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 52 Absatz 39 Satz 1 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I Seite 402) verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Verkündung steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können.
Tatbestand
A.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren betreffen die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Gewinne aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften nach Maßgabe von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 39 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG – in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I S. 402) der Einkommensteuer unterworfen sind, insbesondere soweit die damit einhergehende Verlängerung der Veräußerungsfrist von zwei Jahren auf zehn Jahre auch für bereits nach altem Recht erworbene Grundstücke gilt.
I.
1. Das Einkommensteuergesetz unterscheidet nach § 2 Abs. 2 EStG zwischen Gewinneinkunftsarten und Überschusseinkunftsarten. Im Rahmen der Gewinneinkunftsarten, zu denen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit zählen, unterliegt der Wertzuwachs bei den zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern der Besteuerung zum Zeitpunkt ihrer Realisierung insbesondere in Gestalt eines Veräußerungsgewinns. Bei den Überschusseinkunftsarten, zu denen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung sowie „sonstige Einkünfte” gehören, gilt das für die Einkünfteerzielung eingesetzte Vermögen als Privatvermögen. Wertsteigerungen des Privatvermögens bleiben grundsätzlich auch im Fall einer Veräußerung einkommensteuerfrei, wenn nicht das Einkommensteuergesetz die Besteuerung „privater” Veräußerungsgewinne besonders vorsieht. Nach der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Rechtslage war das für die zu den sonstigen Einkünften gehörenden „Spekulationsgeschäfte” (§ 22 Nr. 2 EStG a.F.) der Fall, zu denen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG a.F. insbesondere Grundstücksveräußerungsgeschäfte zählten, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als zwei Jahre betrug.
2. Diese Regelung geht auf das Einkommensteuergesetz vom 29. März 1920 (RGBl S. 359) zurück. Nach dessen § 11 Nr. 5 waren zwar im Ausgangspunkt alle Veräußerungsgewinne der Besteuerung unterworfen, für Grundstücke sollte das aber nach § 12 Nr. 13 nur gelten, wenn der Erwerb weniger als zehn Jahre zurücklag oder von vornherein zum Zweck der Wiederveräußerung erfolgt war. § 11 Nr. 5 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 24. März 1921 (RGBl S. 313) verallgemeinerte die letztere Voraussetzung. Danach waren Gewinne aus Veräußerungsgeschäften – gleich welcher Art – der Einkommensteuer generell nur unterworfen, wenn schon der Erwerb in Veräußerungsabsicht erfolgt war. § 42 des Einkommensteuergesetzes vom 10. August 1925 (RGBl I S. 189) führte dazu den Begriff des „Spekulationsgeschäfts” als Anknüpfungspunkt der Besteuerung ein. Darunter sollten insbesondere Veräußerungen von Grundstücken fallen, wenn die Anschaffung weniger als zwei Jahre zurücklag, es sei denn, der Steuerpflichtige wies nach, diese ohne Spekulationsabsicht vorgenommen zu haben. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes von 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1005) übernahmen diese Regelung, jedoch unter Ausschluss der Möglichkeit, eine fehlende Spekulationsabsicht nachzuweisen.
Diese Fassung blieb trotz verschiedener Reforminitiativen bis Ende des Jahres 1998 im Wesentlichen unverändert. Den Vorschlag der Steuerreformkommission 1971, die Spekulationsfrist auf acht Jahre zu verlängern (vgl. Bundesministerium der Finanzen ≪Hrsg.≫, Gutachten der Steuerreformkommission 1971, S. 84), griff der Gesetzgeber nicht auf. Der Bundesrat sprach sich in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 ebenfalls erfolglos für eine Verlängerung auf sieben Jahre aus (vgl. BTDrucks 13/1686, S. 39 f.). Die von einer Regierungskommission im Jahr 1997 unterbreiteten „Petersberger Steuervorschläge” sahen eine Verlängerung auf zehn Jahre vor (vgl. NJW 1997, Beilage zu Heft 13, S. 5 ≪8≫). Der darauf zurückgehende Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1999 (vgl. BTDrucks 13/7480, S. 38, 91) fand jedoch nicht die Zustimmung des Bundesrates (vgl. BTDrucks 13/8177).
3. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 wurde die Veräußerungsfrist durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 schließlich doch auf zehn Jahre verlängert.
a) Der zugrundeliegende Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN datiert vom 9. November 1998. In der Begründung heißt es, die Verlängerung der Spekulationsfrist entspreche dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit auch dem Gebot der Steuergerechtigkeit (vgl. BTDrucks 14/23, S. 12, 179 f.). Mit Beschluss vom 13. November 1998 überwies der Bundestag den Gesetzentwurf an den Finanzausschuss, der darüber an insgesamt zehn Tagen beriet und an drei weiteren Tagen eine öffentliche Anhörung durchführte (vgl. BTDrucks 14/443, S. 2). Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses datiert vom 2. März 1999 (vgl. BTDrucks 14/442). Im dazugehörigen Bericht wird die Verlängerung der Spekulationsfrist als Teil eines Katalogs von Maßnahmen aufgeführt, die durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gegenfinanzierung von im Gesetz vorgesehenen Steuererleichterungen dienen sollten (vgl. BTDrucks 14/443, S. 2 ff., S. 4, rechte Spalte, 5. Spiegelstrich).
b) Im Finanzausschuss und im Rahmen der anschließenden zweiten und dritten Beratung im Bundestag am 4. März 1999 wurde von den Oppositionsfraktionen der CDU/CSU, FDP und PDS vorgebracht, die Beratung der Gesetzesvorlage sei insbesondere im Finanzausschuss aufgrund des Umfangs und zahlreicher, zum Teil mehrfacher Änderungen in hohem Maß unübersichtlich gewesen. Da sich nach Durchführung der Sachverständigenanhörungen eine Reihe von Änderungsanträgen und Formulierungshilfen auf völlig neue Sachverhalte bezogen hätten, seien eine erneute Sachverständigenanhörung und die Durchführung eines Expertengesprächs beantragt, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen aber abgelehnt worden. Eine ordnungsgemäße Beratung sei nicht möglich gewesen. Noch in der letzten Ausschusssitzung hätten Beamte des Finanzministeriums den Ausschussmitgliedern „Änderungen in die Feder diktiert”, die niemand habe überblicken können; dies alles nur, damit der Bundesrat noch in der Sitzung am 19. März 1999 über das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 befinden könne, bevor die Koalitionsfraktionen dort aufgrund der vorangegangenen Wahl in Hessen ihre Mehrheit eingebüßt hätten (vgl. BTDrucks 14/443, S. 13 f.; BT-Plenarprotokoll 14/25, S. 1914, 1918 f., 1926).
c) Der Deutsche Bundestag fasste in der Sitzung am 4. März 1999 in namentlicher Abstimmung den endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BT-Plenarprotokoll 14/25, S. 1956 ff.). Der Bundesrat stimmte in seiner Sitzung am 19. März 1999 zu (vgl. BRDrucks 129/99). Nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten am 24. März 1999 wurde das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 am 31. März 1999 verkündet (BGBl I S. 402).
d) In der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2601) lauten die einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes:
§ 2
Umfang der Besteuerung, Begriffsbestimmungen
(1) Der Einkommensteuer unterliegen
(…)
7. sonstige Einkünfte im Sinne des § 22,
die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht oder als inländische Einkünfte während seiner beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt. (…)
(…)
§ 22
Arten der sonstigen Einkünfte
Sonstige Einkünfte sind
(…)
2. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23;
(…)
§ 23
Private Veräußerungsgeschäfte
(1) Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2) sind
1. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden;
2. Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt;
(…)
(3) Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ist der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. (…)
§ 52
Anwendungsvorschriften
(…)
(39) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2601) und § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 ist auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht. (…)
II.
1. a) Die Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 14/02 erwarben im Jahr 1990 ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 60.000 DM. Einen Teil veräußerten sie mit Vertrag vom 26. Februar 1999 zu einem Preis von 560.000 DM. Unter Berücksichtigung der auf zehn Jahre verlängerten Spekulationsfrist rechnete das Finanzamt den Gewinn nach Abzug von Anschaffungsnebenkosten und Werbungskosten in Höhe von 448.502 DM dem zu versteuernden Einkommen zu. Die dagegen erhobene Klage führte zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln vom 25. Juli 2002 – 13 K 460/01 – (EFG 2002, S. 1236 ff.).
b) Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 2/04 erwarb im Jahr 1990 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, aus dem er zunächst Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) erzielte. Im Jahr 1997 beauftragte er einen Makler mit dem Verkauf und veräußerte das Grundstück, nachdem sich schließlich ein Käufer gefunden hatte, mit notariellem Vertrag vom 22. April 1999. Den Gewinn rechnete das Finanzamt in Höhe von 49.047 DM dem zu versteuernden Einkommen zu. Die dagegen erhobene Klage führte zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 16. Dezember 2003 – IX R 46/02 – (BStBl II 2004, S. 284 ff. = BFHE 204, 228 ff.).
c) Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 13/05 erwarb im Jahr 1991 mit zwei weiteren Beteiligten in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Rückübertragung eines im Gebiet der ehemaligen DDR belegenen Grundstücks. Im Jahr 1994 wurde die Gesellschaft als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Im Zuge einer Teilungsversteigerung erwarb der Kläger das Grundstück am 18. Februar 1999, wiederum in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zusammen mit einem der bisherigen Mitgesellschafter und einer GmbH als weiterer Gesellschafterin, wobei die Anteilsverhältnisse als solche unverändert blieben. Mit notariellem Vertrag vom 16. März 1999 veräußerte die Gesellschaft das Grundstück an einen Dritten. Dies wertete das Finanzamt in der Person des Klägers als einkommensteuerbares privates Veräußerungsgeschäft und rechnete die Differenz zwischen den Anschaffungskosten der ersten Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Jahr 1991 und dem Erlös aus der Veräußerung an den Dritten im Jahr 1999 anteilig als Gewinn dem zu versteuernden Einkommen zu. Die dagegen erhobene Klage führte zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln vom 24. August 2005 – 14 K 6187/04 – (DStRE 2007, S. 150 ff.).
2. a) Die vorlegenden Gerichte halten die Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre in unterschiedlichem Umfang für nicht vereinbar mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz.
aa) Nach Auffassung des 13. Senats des Finanzgerichts Köln ist § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG verfassungswidrig, soweit die verlängerte Spekulationsfrist aufgrund dieser Überleitungsvorschrift – wie im Streitfall – auch bei solchen Grundstücksveräußerungen zur Anwendung komme, die vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages über das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 am 4. März 1999 getätigt worden und nach alter Rechtslage steuerfrei gewesen seien. Bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages habe der Veräußernde darauf vertrauen dürfen, den Gewinn steuerfrei vereinnahmen zu können. Ein öffentliches Interesse, das das mit dem Abschluss des Veräußerungsgeschäfts betätigte Vertrauen überwiege, bestehe nicht. Das Ziel, anderweitige Mindereinnahmen auszugleichen, genüge nicht, weil es stets angeführt werden könne und deshalb als besonderer Rechtfertigungsgrund nicht geeignet sei.
bb) Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs, dem sich der 14. Senat des Finanzgerichts Köln angeschlossen hat, hält die Verlängerung der Spekulationsfrist für verfassungswidrig, soweit die Neuregelung Wertsteigerungen erfasst, die bis zur Gesetzesänderung eingetreten und nach Maßgabe der zuvor geltenden zweijährigen Spekulationsfrist steuerfrei gewesen seien. Es komme nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige den Wertzuwachs bereits durch ein konkretes Veräußerungsgeschäft realisiert habe, denn auch die Entscheidung, einen Vermögensgegenstand zu halten, sei eine schutzwürdige Disposition in Form eines Unterlassens. Das Ziel, die durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 bewirkten Steuerausfälle zu kompensieren, rechtfertige die Erfassung steuerfreien Wertzuwachses nicht, weil sich der Gesetzgeber auf die Absicht, Einnahmen zu erzielen, stets berufen könne. Auch soweit dieser die Verlängerung der Spekulationsfrist im Interesse der Steuergerechtigkeit für geboten halte, rechtfertige dies nur die steuerliche Erfassung künftiger Wertzuwächse.
Die Neuregelung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit der Besteuerung Wertzuwächse unterlägen, die noch nicht steuerfrei gewesen seien, weil die zuvor gültige Spekulationsfrist im Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch nicht abgelaufen sei. Zwar werde auch insoweit das im Zeitpunkt des Erwerbs betätigte Vertrauen in die Fortgeltung der zweijährigen Spekulationsfrist enttäuscht. Das sei aber hinzunehmen, denn bis zur Gesetzesänderung hätten die Grundstückseigentümer zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen können, ihr Grundstück steuerfrei veräußern zu können. Verlängere der Gesetzgeber die Spekulationsfrist, nehme er nur seine vom Bundesverfassungsgericht bereits anerkannte Befugnis, Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens zeitlich unbefristet zu besteuern, ex nunc für längere Zeit als bisher in Anspruch. Der Gesetzgeber habe künftige Wertzuwächse steuerlich auch erfassen dürfen, soweit die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen sei; denn soweit die Wertveränderungen unter der Herrschaft des neuen Rechts einträten, seien sie gegen den Steuerzugriff des Staates nicht abgeschirmt. Das schutzwürdige Vertrauen sei daher auf die bis zur Gesetzesänderung eingetretenen Wertzuwächse begrenzt, soweit zu diesem Zeitpunkt die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen sei.
b) Im Übrigen halten die vorlegenden Gerichte die Neuregelung für verfassungsgemäß. Insbesondere teilt der 14. Senat des Finanzgerichts Köln nicht die vom Kläger des dortigen Ausgangsverfahrens geäußerten Einwände gegen die formelle Verfassungsmäßigkeit des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002. Soweit sich dieser die dem Bericht des Finanzausschusses und dem Plenarprotokoll des Bundestages zu entnehmende Kritik der Fraktionen von CDU/CSU, FDP und PDS zu eigen mache, das Beratungsverfahren sei angesichts zahlreicher, in ihrer inhaltlichen Tragweite nicht mehr durchschaubarer Änderungen noch in der letzten Sitzung des Finanzausschusses am 2. März 1999 nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, seien weder das Demokratieprinzip noch die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten verletzt. Ein evidenter Mangel im Gesetzgebungsverfahren, der zur Nichtigkeit eines Gesetzes führen könne, sei nicht ersichtlich. Das Gesetzgebungsverfahren habe innerhalb von vier Monaten alle in der Geschäftsordnung des Bundestages vorgesehenen Stationen durchlaufen. Dass das Gesetz unter Zeitdruck zustande gekommen sei, begründe keinen Verfassungsverstoß, denn im Rahmen der allgemeinen Aussprache und des Gesetzesbeschlusses am 4. März 1999 habe für alle Abgeordneten ausreichend Gelegenheit zur Mitwirkung bestanden.
III.
Zu den Vorlagen haben sich das Bundesministerium der Finanzen namens der Bundesregierung, die Kläger der Ausgangsverfahren und – neben dem vorlegenden IX. Senat – der IV., VI., VIII. und XI. Senat des Bundesfinanzhofs geäußert.
1. Das Bundesministerium der Finanzen hält das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 in Übereinstimmung mit dem 14. Senat des Finanzgerichts Köln für formell verfassungsgemäß. Der Verfahrensablauf habe sich im Rahmen dessen gehalten, was bei vergleichbar umfangreichen Gesetzgebungsverfahren üblich sei. Das Einbringen zahlreicher Änderungsanträge im Verlauf von Beratungen sei in der Gesetzgebungspraxis nicht ungewöhnlich. Im Übrigen habe im Rahmen der Beratung des Deutschen Bundestages am 4. März 1999 ausreichend Gelegenheit zur Erörterung bestanden.
Die Verlängerung der Spekulationsfrist sei auch in der Sache nicht zu beanstanden. Sie betreffe nur Veräußerungsgeschäfte ab dem Beginn des Veranlagungszeitraums 1999, so dass es bereits an einer Rückwirkung fehle. Es komme nicht darauf an, ob der Erwerb des Grundstücks eher erfolgt sei. Rechtserheblich sei nur der Veräußerungsvorgang, denn nach der tatbestandlichen Struktur des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG werde die Besteuerung erst durch diesen ausgelöst. Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht bereits ausgesprochen, dass der Gesetzgeber Wertzuwächse im Privatvermögen generell besteuern dürfe. Erst recht müsse er daher berechtigt sein, einen Tatbestand, der nach der bisherigen Regelung durch Fristablauf aus der Steuerpflicht ausgeschieden sei, wieder in die Steuerpflicht einzubeziehen.
Nehme man dennoch eine Rückwirkung an, sei diese zumindest als verfassungsgemäß anzusehen. Da der steuererhebliche Tatbestand allein im Veräußerungsvorgang liege, begründe weder die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen im Erwerbszeitpunkt noch eine – wie auch immer motivierte – Untätigkeit ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der zweijährigen Spekulationsfrist schutzwürdiges Vertrauen. Anderenfalls würden gesetzliche Änderungen weitgehend unmöglich, wenn bereits aufgrund einer nur vagen, mittelbaren Zukunftswirkung von Dispositionen ohne konkreten Bezug zur Verwirklichung eines Steuertatbestandes die im Entscheidungszeitpunkt bestehende Rechtsfolgenlage unverändert festgeschrieben werden müsste. Es sei nach der Lebenserfahrung auch kaum anzunehmen, dass der Entschluss zum Erwerb eines Grundstücks maßgeblich von der Erwartung bestimmt werde, dieses nach zwei Jahren steuerfrei wieder veräußern zu können. Jedenfalls sei dies nicht typischerweise der Fall. Auch aus dem Unterlassen einer Veräußerung nach Ablauf der Spekulationsfrist könne ein maßgeblicher Vertrauenstatbestand nicht abgeleitet werden. Der Fristablauf als solcher führe nicht zu einem „negativen” Abschluss des Tatbestands im Sinne einer „Steuerentstrickung” des Grundstücks. Denn da ohne den Realisierungstatbestand der Veräußerung weder Vermögenszuwächse noch Vermögensminderungen steuerlich relevant seien, könne sich vorher kein schutzwürdiges Vertrauen auf eine bestimmte steuerliche Behandlung eines entsprechenden Wertzuwachses bilden.
Jedenfalls überwiege das Änderungsinteresse des Gesetzgebers. Die Neuregelung entspreche dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit dem Gebot der Steuergerechtigkeit. Mit ihr sei zu rechnen gewesen, da die Besteuerung privater Veräußerungsgewinne in den Jahren zuvor bereits mehrfach diskutiert worden sei. Die Verlängerung der Spekulationsfrist sei außerdem notwendiger Finanzierungsbestandteil des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, dessen geplantes Entlastungsvolumen von 57 Milliarden DM der Gesetzgeber in Höhe von 42 Milliarden DM durch Maßnahmen zur Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage habe gegenfinanzieren wollen, zu denen auch die Verlängerung der Spekulationsfrist zähle. Schließlich seien die Folgen für die Steuerpflichtigen nicht übermäßig belastend. Allein in der Fristverlängerung realisiere sich noch keine greifbare, sondern allenfalls eine latente Belastungswirkung. Dem Steuerpflichtigen stehe die Möglichkeit offen, durch Abwarten der neuen Spekulationsfrist eine Besteuerung zu vermeiden. Selbst im ungünstigsten Fall werde die ursprüngliche Disposition nicht entwertet, sondern lediglich die Rendite gemindert.
2. Die Kläger der Ausgangsverfahren teilen die Auffassung der vorlegenden Gerichte, es liege eine unzulässige Rückwirkung vor.
Darüber hinaus hält der Kläger im Ausgangsverfahren zu 2 BvL 2/04 die Neuregelung unabhängig von der Frage der Rückwirkung für insgesamt gleichheitswidrig. Es sei nicht einsichtig, weshalb bei Grundstücksverkäufen eine zehnjährige, bei anderen Wirtschaftsgütern aber eine einjährige steuerauslösende Frist gelte. Im Jahr des Anfalls des Veräußerungsgewinns komme es zu einer erheblichen Progressionsverzerrung, weil sich darin Wertsteigerungen niederschlagen würden, die bei materieller Betrachtung den vorangegangenen Jahren zuzuordnen seien. Gleichwohl habe der Gesetzgeber den Veräußerungsgewinn nicht in den für außerordentliche Einkünfte vorgesehenen ermäßigten Tarif des § 34 EStG einbezogen. Schließlich sei es mit dem Verfassungsgebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht vereinbar, wenn der zu versteuernde Gewinn als Differenz aus Anschaffungs- und Verkaufspreis ermittelt werde, aber unberücksichtigt bleibe, dass sich schon aufgrund der zwischenzeitlichen Inflation ein höherer Verkaufspreis ergeben könne, ohne dass dem eine reale Wertsteigerung entspreche. Unter Umständen müsse daher Einkommensteuer entrichtet werden, obwohl die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen inflationsbereinigt nicht erhöht sei.
Der Kläger im Ausgangsverfahren zu 2 BvL 13/05 wiederholt und vertieft seine Auffassung, das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sei formell verfassungswidrig. Die fortwährenden Änderungen des Gesetzentwurfs seien so umfangreich gewesen, dass es keinem der Mitglieder des Finanzausschusses möglich gewesen sei, sie zu lesen und im Zusammenhang des gesamten Gesetzgebungsvorhabens zu würdigen. Noch in den letzten 90 Minuten der Sitzung des Finanzausschusses vom 2. März 1999 seien erneut berichtigte und geänderte Texte in „Leitz-Ordner-Stärke” vorgelegt worden. Der Antrag der Oppositionsfraktionen auf Vertagung sei gleichwohl ohne hinreichenden sachlichen Grund abgelehnt worden, nur um das Gesetzgebungsvorhaben noch durch den Bundesrat zu bringen, bevor sich die dortigen Mehrheitsverhältnisse wegen der vorangegangenen Landtagswahl in Hessen geändert hätten. Da in den Ausschüssen ein wesentlicher Teil des Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses des Deutschen Bundestages vorweggenommen werde, könne der darin liegende Verfahrensmangel auch nicht durch die Mitwirkung der Abgeordneten an der Aussprache und bei der Fassung des endgültigen Gesetzesbeschlusses im Deutschen Bundestag am 4. März 1999 kompensiert werden.
3. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs nimmt wie der vorlegende 13. Senat des Finanzgerichts Köln eine unzulässige Rückwirkung an, soweit die Neuregelung auch solche Veräußerungsgeschäfte erfasst, die zwischen dem Beginn des Veranlagungszeitraums 1999 und dem Gesetzesbeschluss durch den Deutschen Bundestag am 4. März 1999 getätigt worden sind. Mit der Veräußerung habe der Steuerpflichtige die entscheidende Disposition getroffen, auf deren Steuerfreiheit er habe vertrauen dürfen, solange der Deutsche Bundestag über die Neuregelung noch nicht abschließend beschlossen habe. Weitergehend stimmen der VI., VIII. und XI. Senat mit dem vorlegenden IX. Senat des Bundesfinanzhofs überein, unabhängig von einem Veräußerungsvorgang liege eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung vor, soweit durch die Verlängerung der Spekulationsfrist bereits eingetretene steuerfreie Wertsteigerungen der Besteuerung unterworfen würden. Verfassungsrechtlich unbedenklich sei es dagegen, wenn unter Geltung des neuen Rechts eingetretene Wertsteigerungen erfasst würden; denn die mit dem Ablauf der alten Spekulationsfrist einhergehende Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, erstarke nicht zu einer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition.
Entscheidungsgründe
B.
Soweit der 13. Senat des Finanzgerichts Köln die Vorlage in dem Verfahren 2 BvL 14/02 auf die Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 beschränkt hat, ist diese auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erweitern, denn eine Übergangsregelung ist ohne die Bestimmung, auf die sie sich bezieht, einer sinnvollen Prüfung nicht zugänglich (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪295 f.≫). Soweit sich die Vorlagen des IX. Senats des Bundesfinanzhofs in dem Verfahren 2 BvL 2/04 und des 14. Senats des Finanzgerichts Köln in dem Verfahren 2 BvL 13/05 zutreffend auf die im jeweiligen Ausgangsverfahren entscheidungserhebliche Norm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG beziehen, ist das Verfahren der Entscheidungsformel entsprechend auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG insgesamt zu erstrecken, denn Satz 2 und 3 sind auf Satz 1 bezogen und im Falle einer Nichtigkeitserklärung gegenstandslos (vgl. BVerfGE 122, 210 ≪228 f.≫).
C.
Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ist formell verfassungsgemäß (I.). § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ist aber wegen Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes teilweise materiell verfassungswidrig (II.). Im Übrigen sind die Vorschriften verfassungsrechtlich jedoch nicht zu beanstanden (III.).
I.
Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ist verfassungsmäßig zustande gekommen. Dass der umfangreiche und schwer überschaubare Gesetzentwurf im Plenum und in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, insbesondere im Finanzausschuss, sowie im Bundesrat in großer Eile behandelt wurde, begründet keinen Verfassungsverstoß. Es stand jedem Gesetzgebungsorgan frei, die Gesetzesvorlage abzulehnen, wenn es sich durch den Zeitdruck in der sachgemäßen Behandlung behindert fühlte. Eine Verletzung wesentlicher verfassungsrechtlich vorgeschriebener Förmlichkeiten ist nicht festzustellen. Soweit sich der Kläger des dem Verfahren 2 BvL 13/05 zugrundeliegenden Ausgangsverfahrens die Kritik der Oppositionsfraktionen insbesondere in Bezug auf das Verfahren im Finanzausschuss zu eigen macht, wonach die Beratung aufgrund zahlreicher und zum Teil mehrfacher Änderungen in hohem Maß unübersichtlich und eine erneute Sachverständigenanhörung geboten gewesen sei (vgl. BTDrucks 14/443, S. 13 f.; BT-Plenarprotokoll 14/25, S. 1914, 1918 f., 1926), handelt es sich um eine Beanstandung politischer Art, über die das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden hat. Konsequenzen hätten daraus nur die beteiligten Gesetzgebungsorgane ziehen können (vgl. BVerfGE 29, 221 ≪233, 235≫). Soweit die Oppositionsfraktionen mit ihrer Kritik weder im Finanzausschuss noch bei der anschließenden Beratung im Deutschen Bundestag durchdringen konnten, ist das als Ausdruck des Mehrheitsprinzips bei der Bildung eines einheitlichen politischen Willens hinzunehmen.
II.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ist verfassungswidrig, soweit die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang verletzt sind.
1. a) Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte „ins Werk gesetzt” worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 ≪167 f.≫; 63, 343 ≪356 f.≫; 72, 200 ≪242≫; 97, 67 ≪78 f.≫). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl. BVerfGE 30, 272 ≪285≫; 63, 343 ≪357≫; 72, 200 ≪257 f.≫; 97, 67 ≪78≫; 105, 17 ≪37≫; 114, 258 ≪300 f.≫).
b) Eine Rechtsnorm entfaltet „echte” Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen”). Das ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfGE 97, 67 ≪78 f.≫ m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfGE 63, 343 ≪353 f.≫; 67, 1 ≪15≫; 72, 200 ≪241 f.≫; 97, 67 ≪78 f.≫; 114, 258 ≪300≫).
c) Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung”), liegt eine „unechte” Rückwirkung vor (vgl. BVerfGE 63, 343 ≪356≫; 72, 200 ≪242≫; 97, 67 ≪79≫; 105, 17 ≪37 f.≫). Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 ≪357≫; 105, 17 ≪40≫; 114, 258 ≪301≫). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 ≪331≫; 67, 1 ≪15≫; 71, 255 ≪272≫; 76, 256 ≪349 f.≫). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 ≪83≫; 68, 193 ≪222≫; 105, 17 ≪40≫; 109, 133 ≪180 f.≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, S. 634 ≪640≫).
Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 ≪404≫; 50, 386 ≪395≫; 67, 1 ≪15≫; 75, 246 ≪280≫; 105, 17 ≪37≫; 114, 258 ≪300≫). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein (vgl. BVerfGE 72, 200 ≪242 f.≫; 95, 64 ≪86≫; 101, 239 ≪263≫; 116, 96 ≪132≫; 122, 374 ≪394≫; 123, 186 ≪257≫). Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.
d) Die maßgebliche Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen ist das Entstehen der Steuerschuld. Im Sachbereich des Steuerrechts liegt eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) daher nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, das heißt nach § 25 Abs. 1 EStG des Kalenderjahres (vgl. BVerfGE 72, 200 ≪252 f.≫; 97, 67 ≪80≫; vgl. auch bereits BVerfGE 13, 261 ≪263 f., 272≫; 13, 274 ≪277 f.≫; 19, 187 ≪195≫; 30, 272 ≪285≫).
e) Der Senat hält an diesen Grundsätzen auch angesichts der im Schrifttum geäußerten Kritik fest. Diese Kritik gründet im Kern auf dem Einwand, die Reichweite des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes müsse aus der Perspektive des Normadressaten, der auf die Geltung einer bestimmten Regelung vertraue und sein Handeln danach ausrichte, bestimmt werden; dem würden die Begriffe der echten und der unechten Rückwirkung nicht gerecht. Als lediglich formale Kategorien seien sie nicht geeignet, die Fälle, in denen das Vertrauen des Bürgers Vorrang haben müsse, von den Fällen zu unterscheiden, in denen das Änderungsinteresse des Gesetzgebers überwiege. Gleichwohl hätten sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zumindest faktisch eine vorentscheidende Bedeutung (vgl. m.w.N. Friauf, BB 1972, S. 669 ≪673 ff.≫; Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, S. 232 f., 236 f., 245 ff.; Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S. 70 ff.; Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, 1981, S. 79 ff.; K.-A. Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S. 109 ff., 295 ff.; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 284 ff.). Insbesondere könne es unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes für die Abgrenzung nicht auf die formale Entstehung der Steuerschuld mit Abschluss des Veranlagungszeitraums ankommen, sondern nur auf die vom Steuerpflichtigen allein beeinflussbare Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der steuerlichen Einzelnorm (vgl. etwa Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rn. 739 ≪Juni 1999≫; Friauf, a.a.O., S. 675 f.; Hey, a.a.O., S. 259 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4 Rn. 177; Vogel, in: Festschrift für Martin Heckel, 1999, S. 875 ≪879 ff.≫).
Diese Einwände stellen die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung in erster Linie im Hinblick auf die an sie geknüpften Folgerungen in Frage. Insoweit findet jedoch die Kategorie der echten Rückwirkung – verstanden als zeitliche Rückbewirkung von Rechtsfolgen auf abgeschlossene Tatbestände – ihre Rechtfertigung darin, dass mit ihr eine Fallgruppe gekennzeichnet ist, in der der Vertrauensschutz regelmäßig Vorrang hat, weil der in der Vergangenheit liegende Sachverhalt mit dem Eintritt der Rechtsfolge kraft gesetzlicher Anordnung einen Grad an Abgeschlossenheit erreicht hat, über den sich der Gesetzgeber vorbehaltlich besonders schwerwiegender Gründe nicht mehr hinwegsetzen darf. Das ändert aber nichts daran, dass auch im Übrigen, auf dem weiten und vielgestaltigen Feld unechter Rückwirkungen (vgl. BVerfGE 63, 343 ≪357≫), auf dem ein allgemeiner Grundsatz unzulässiger Rückwirkung nicht gilt, die belastenden Wirkungen einer Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens stets einer hinreichenden Begründung nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit bedürfen. Das gilt auch, wenn der Gesetzgeber das Einkommensteuerrecht während des laufenden Veranlagungszeitraums umgestaltet und die Rechtsänderungen auf dessen Beginn bezieht. Auch hier muss der Normadressat eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. Wäre dies anders, so fehlte den Normen des Einkommensteuerrechts als Rahmenbedingung wirtschaftlichen Handelns ein Mindestmaß an grundrechtlich und rechtsstaatlich gebotener Verlässlichkeit.
2. Die Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei Jahren auf zehn Jahre durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 gilt nur für Grundstücksveräußerungen ab dem Jahr 1999 und geht in diesen Fällen mit einer unechten Rückwirkung einher, soweit sie Grundstücke einbezieht, die vor der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31. März 1999 erworben wurden. Das ist nach den genannten Grundsätzen verfassungsrechtlich nur teilweise gerechtfertigt.
a) Soweit die zweijährige Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG a.F. im Zeitpunkt der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 noch nicht abgelaufen war, begegnet ihre Verlängerung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar kann die Entscheidung für den Erwerb eines Grundstücks im einzelnen Fall maßgeblich von der Erwartung bestimmt sein, einen etwaigen Veräußerungsgewinn nach Ablauf von zwei Jahren steuerfrei vereinnahmen zu können. Dies geht jedoch über die allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde unverändert bleiben, nicht hinaus. Es fehlen die besonderen Momente der Schutzbedürftigkeit, deretwegen der Gesetzgeber verpflichtet sein könnte, bei der Bestimmung des zukünftigen Steueraufkommens auf Erwartungen der Steuerpflichtigen bei zurückliegenden Dispositionen Rücksicht zu nehmen.
Die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, begründet keine (vertrauens-)rechtlich geschützte Position. Mit Wertsteigerungen kann im Zeitpunkt des Erwerbs nicht sicher gerechnet werden, so dass auch die Enttäuschung der Hoffnung auf künftige steuerfreie Vermögenszuwächse nicht als Beeinträchtigung greifbarer Vermögenswerte zu werten ist. Hinzu kommt, dass angesichts langjähriger Auseinandersetzungen und verschiedener gescheiterter Reformversuche zur Erweiterung der Besteuerung privater Veräußerungsgewinne mit der Möglichkeit einer Realisierung derartiger Vorhaben seit langem zu rechnen war. Soweit durch die Verlängerung der Spekulationsfrist das beim Erwerb eines Grundstücks betätigte Vertrauen enttäuscht wird, reichen deshalb die allgemeinen Ziele der Verbesserung der Steuergerechtigkeit durch bessere Erfassung der Leistungsfähigkeit (vgl. BTDrucks 14/23, S. 12, 179 f.) und der Gegenfinanzierung der durch das Steuerentlastungsgesetz bewirkten Steuerausfälle (vgl. BTDrucks 14/443, S. 2 ff., S. 4, rechte Spalte, 5. Spiegelstrich) zur Rechtfertigung aus.
b) Die Verlängerung der Spekulationsfrist für bereits nach altem Recht erworbene Grundstücke verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind und die nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Verkündung steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können.
aa) Mit dem Ablauf der Zweijahresfrist erfüllten sich in den Fällen zwischenzeitlicher Wertzuwächse ursprünglich beim Erwerb des Grundstücks vertrauensrechtlich nicht besonders geschützte Erwartungen in Gestalt eines konkret vorhandenen Vermögensbestands im grundrechtlich geschützten Verfügungsbereich. Dessen Erwerb unterlag nicht der Einkommensteuer. Daraus ergibt sich ein erhöhter Rechtfertigungsbedarf, soweit die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist eine solche konkret verfestigte Vermögensposition nachträglich entwertet. Dabei kommt es allein darauf an, ob diese vor dem Wirksamwerden des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 mit seiner Verkündung am 31. März 1999 objektiv entstanden war. Die konkrete Motivations- und Entscheidungslage beim Erwerb des Grundstücks im einzelnen Fall ist aus der für die Verfassungsmäßigkeit maßgeblichen generalisierenden Sicht des Gesetzgebers nicht entscheidend. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit der einzelne Steuerpflichtige nach Ablauf der Zweijahresfrist im Vertrauen auf die Steuerfreiheit des zwischenzeitlich eingetretenen Wertzuwachses weitere Dispositionen – sei es in Form einer Veräußerung, sei es in Form eines bewussten und gewollten Absehens davon – vorgenommen hat und dabei gegebenenfalls wegen des bereits schwebenden Gesetzgebungsverfahrens eine rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist als möglich in Betracht ziehen musste. Der erhöhte Rechtfertigungsbedarf folgt schon aus dem Erwerb eines konkreten Vermögensbestands durch den Ablauf der Zweijahresfrist. Das zwischenzeitlich eingeleitete und abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren konnte hieran nichts ändern.
bb) Für die Vielzahl der Fälle, in denen die alte Spekulationsfrist von zwei Jahren nicht erst bis zur Verkündung der Neuregelung, sondern bereits bis zum Ende des Jahres 1998 und damit bis zum Abschluss eines vorangegangenen Veranlagungszeitraums abgelaufen war, erhöhen sich die Anforderungen an die Rechtfertigung, denn der einkommensteuerrechtliche Zugriff auf die steuerfrei erworbenen Vermögenszugänge läuft dem Gebot einer folgerichtigen Ausgestaltung der einkommensteuerrechtlichen Belastungsentscheidungen (stRspr; vgl. BVerfGE 122, 210 ≪230 f.≫ m.w.N.) zuwider und bedarf deshalb auch vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG einer besonderen Begründung.
Mit der tatbestandlichen Bestimmung und Abgrenzung der verschiedenen Einkunftsarten und Einkünfte trifft der Gesetzgeber die zentralen Ausgangsentscheidungen für die einkommensteuerrechtliche Belastung. Zu diesen das geltende Einkommensteuerrecht seit langem prägenden Ausgangsentscheidungen gehört
auch die Unterscheidung zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten vor dem Hintergrund unterschiedlicher finanzwissenschaftlicher Theorien des 19. Jahrhunderts (sog. Dualismus der Einkunftsarten, vgl. Lang, in: Tipke/Lang, a.a.O., § 9 Rn. 181 ff.). Wesentliches Charakteristikum bei den Überschusseinkunftsarten, insbesondere auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, war stets die grundsätzliche Beschränkung der Besteuerung auf die Erträge des für die Einkünfteerzielung eingesetzten Vermögens und die (abgesehen insbesondere von Abschreibungsmöglichkeiten) weitgehende steuerliche Neutralität von Veränderungen des eingesetzten Vermögens. Auf dieser Grundlage bildete die Besteuerung der sogenannten Spekulationsgeschäfte als sonstige Einkünfte nach § 23 EStG a.F. eine Ausnahme. Danach sollten solche Wertsteigerungen auch „privaten” Vermögens steuerlich erfasst werden, die als Erfolg einer gerade auf Wertsteigerung, nicht auf Fruchtziehung, gerichteten Erwerbs- und Veräußerungstätigkeit anzusehen waren. Dem entsprachen die für die Qualifikation als Spekulationsgeschäfte maßgeblichen kurzen Fristen zwischen Erwerb und Veräußerung von zwei Jahren bei Grundstücken und sechs Monaten bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren. Zwar waren und sind die entsprechenden Einkünfte den Überschusseinkunftsarten nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG zugeordnet, in der Sache geht es jedoch, wie es auch in § 23 EStG ausdrücklich heißt, um eine Besteuerung des Gewinns, nämlich um die Besteuerung des Unterschiedsbetrags zwischen dem Wert des Vermögensgegenstandes zum Zeitpunkt des Erwerbs und dem Wert zum Zeitpunkt der Veräußerung.
Wenn das Gesetz solche Veräußerungsgewinne nicht, wie dies für die allgemeine betriebliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG geschieht, als einen Unterschiedsbetrag definiert, der durch Betriebsvermögensvergleich im Jahresturnus zu ermitteln ist, sondern als einen Unterschiedsbetrag als Ergebnis eines den gesamten Behaltenszeitraum umfassenden Vergleichs, so liegt hierin keine systematische Besonderheit gegenüber der betrieblichen Gewinnermittlung. Vielmehr folgt die Gewinnermittlung zum Zeitpunkt der Veräußerung der Logik der allgemeinen betrieblichen Gewinnermittlung bei der Veräußerung einzelner Gegenstände des Betriebsvermögens: Für den Gewinnausweis im Hinblick auf Wertzuwächse an einzelnen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens gilt das Realisationsprinzip, nach dem Wertsteigerungen betrieblicher Wirtschaftsgüter grundsätzlich erst zum Zeitpunkt der Realisierung durch Veräußerung auszuweisen sind (vgl. nur Hey, in: Tipke/Lang, a.a.O., § 17 Rn. 67 f., 200 ff.). Mit anderen Worten:
Wie die allgemeine periodische Einkommensbesteuerung betrieblicher Gewinne zielt auch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen auf eine die Liquidität der Steuerpflichtigen schonende Erfassung von Wertsteigerungen an einzelnen Gegenständen erst im Zeitpunkt der Realisierung durch Veräußerung nicht deshalb, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Wertzuwachs entsteht, sondern obwohl er bereits vorher beim Steuerpflichtigen entstanden ist. Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und die Ermittlung von Veräußerungsgewinnen durch periodenübergreifenden Vermögensvergleich bedeutet deshalb ebensowenig wie die Maßgeblichkeit des Realisationsprinzips im Rahmen der betrieblichen Gewinnermittlung eine Durchbrechung des Systems der periodischen Erfassung des Jahreseinkommens. Das Jahreseinkommen bleibt grundsätzlich Maßstab der finanziellen Leistungsfähigkeit, an der die Einkommensteuer auszurichten ist, auch wenn die Besteuerung früherer Vermögenszuwächse zum Zeitpunkt der Veräußerung „nachgeholt” wird.
Diesen durch Vermögensvergleich und Realisationsprinzip geprägten systematischen Zusammenhang der einkommensteuerrechtlichen Gewinnbesteuerung durchbricht die rückwirkende Erfassung von Wertzuwächsen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002. Soweit in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns Wertzuwächse einbezogen werden, die vor dem Veranlagungszeitraum 1999 entstanden sind und deren Realisierung bis Ende des Jahres 1998 nicht steuerbar gewesen wäre, kann von einem „Nachholen” der Besteuerung, von einer schonenden Erfassung von Wertzuwächsen – erst – zum Veräußerungszeitpunkt nicht die Rede sein. Die Besteuerung greift vielmehr auf vorhandene Vermögensbestände der Steuerpflichtigen zu, deren Zuerwerb nicht der Einkommensteuer unterlegen hatte. Ob ein derartiger, einer Vermögensbesteuerung angenäherter Zugriff überhaupt noch als Einkommensteuer gerechtfertigt werden kann, kann offen bleiben. Jedenfalls wird die Grundentscheidung für die Bemessung der Einkommensteuer nach der Höhe des Jahreseinkommens verlassen und bedürfte zur Rechtfertigung auch vor dem Gleichheitssatz sachlich tragfähiger besonderer Gründe.
cc) Hinreichend gewichtige Gründe, die geeignet sind, die nachträgliche einkommensteuerrechtliche Belastung bereits entstandener, steuerfrei erworbener Wertzuwächse zu rechtfertigen, sind nicht erkennbar.
(1) Soweit die Neuregelung allgemein damit begründet wird, dass sie dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit auch dem Gebot der Steuergerechtigkeit besser entspreche, hat dies nur Bedeutung für die Grundsatzentscheidung, private Veräußerungsgewinne und damit Wertsteigerungen des Privatvermögens stärker als zuvor bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Diese Grundsatzentscheidung ist als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, denn wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, wäre der Gesetzgeber nicht gehindert, Gewinne aus jeder Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens zu besteuern (vgl. BVerfGE 26, 302 ≪312≫; 27, 111 ≪127≫). Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, inwieweit er in diesem Zusammenhang zu rückwirkenden Regelungen berechtigt ist. Zwar unterliegt die steuerliche Erfassung von Wertzuwächsen, die nach der Verkündung des Gesetzes eintreten, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, und zwar auch nicht in den Fällen, in denen die zweijährige Spekulationsfrist bereits abgelaufen war; denn die Erwartung künftiger steuerfreier Wertzuwächse ist verfassungsrechtlich nicht geschützt. Die Einbeziehung von Wertsteigerungen vergangener Zeiträume lässt sich damit aber nicht rechtfertigen, denn das Ziel, die Rechtslage zu „verbessern”, bezeichnet nur das allgemeine Änderungsinteresse, ist aber kein spezifischer Grund, der geeignet ist, gerade auch den rückwirkenden Zugriff auf bereits steuerfrei erworbene Wertsteigerungen zu legitimieren.
(2) Soweit die Verlängerung der Zweijahresfrist als Maßnahme zur Gegenfinanzierung durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bezeichnet wird, ergibt sich daraus ebenfalls keine Begründung, die den Zugriff auf zuvor nicht steuerbare Wertsteigerungen der Vergangenheit rechtfertigen könnte. Dieser Gesichtspunkt geht über den eines allgemeinen Finanzbedarfs nicht hinaus. Die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen, ist aber für sich genommen grundsätzlich noch kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerpflichtiger überwindendes Gemeinwohlinteresse, denn dies würde bedeuten, dass der Vertrauensschutz gegenüber rückwirkenden Verschärfungen des Steuerrechts praktisch leerliefe (vgl. BVerfGE 105, 17 ≪45≫). Dies macht die rückwirkende einkommensteuerliche Belastung nicht nur dann unzumutbar, wenn mit ihr zugleich mangelnde Folgerichtigkeit verbunden ist, wie in den Fällen des Ablaufs der alten Frist in vorausgegangenen Veranlagungszeiträumen, wo die fehlende Legitimationskraft rein fiskalischer Interessen nur besonders deutlich hervortritt. Wieweit ausnahmsweise anderes gelten kann, wenn der Gesetzgeber den allgemeinen Steuertarif mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum „in maßvollen Grenzen” anhebt (vgl. BVerfGE 13, 274 ≪278≫; 18, 135 ≪144≫), kann dahinstehen.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass mit den Mehreinnahmen an anderer Stelle gewährte Steuererleichterungen finanziert werden sollen. „Gegenfinanzierung” bedeutet nichts anderes als Umverteilung von Steuerlasten. Diese ist als typischer Gegenstand politischer Gestaltung durch den Einkommensteuergesetzgeber aber grundsätzlich zukunftsgerichtet. Das Bedürfnis nach Gegenfinanzierung bezeichnet daher ebenfalls nur einen allgemeinen Änderungsbedarf, der es rechtfertigt, Wertsteigerungen ab der Verkündung steuerlich zu erfassen, der aber nicht gerade auch die rückwirkende Einbeziehung bereits steuerfrei erzielter Vermögenszuwächse legitimiert. Dies kann anders zu beurteilen sein, wenn mit der innerhalb eines Veranlagungszeitraums rückwirkenden Verschärfung unerwartete Mindereinnahmen oder ein sonstiger außerordentlicher Finanzbedarf aufgefangen werden soll (vgl. BVerfGE 105, 17 ≪44 f.≫). Ein solcher Fall liegt jedoch bei bloßen Umverteilungsmaßnahmen nicht vor, denn der Gesetzgeber hat die Wahl zwischen Gegenfinanzierung und Verzicht auf Entlastung.
(3) Andere Rechtfertigungsgründe, wie etwa einen Finanzierungsbedarf möglicherweise begleitende ordnungspolitische Sachziele (vgl. etwa BVerfGE 30, 250 ≪268 ff.≫; 50, 386 ≪396≫; 72, 175 ≪198≫; 88, 384 ≪407≫) oder die Notwendigkeit rascher Korrektur offensichtlicher Fehlsubventionierungen, die durch Ankündigungs- oder Mitnahmeeffekte gefährdet wäre (vgl. BVerfGE 97, 67 ≪81 f.≫), kommen ebenfalls nicht in Betracht. Auch unter Gesichtspunkten der Praktikabilität ist es nicht gerechtfertigt, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes eingetretenen steuerfreien Wertsteigerungen einzubeziehen. Die Schwierigkeit und Streitanfälligkeit der Feststellung des gemeinen Werts im Sinne des § 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes, das heißt des Marktpreises, zum Zeitpunkt der Verkündung können allenfalls grobe Schätzungslösungen bei der Wertermittlung rechtfertigen, wie sie der Bundesfinanzhof in seinem Vorlagebeschluss im Verfahren 2 BvL 2/04 erörtert hat (vgl. BStBl II 2004, S. 284 ≪297≫ = BFHE 204, 228 ≪255≫). Dagegen kommt der Rückgriff auf potentiell lange zurückliegende und im Zweifel wesentlich niedrigere Anschaffungswerte als eine verfassungsmäßige Typisierung für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht in Betracht.
III.
Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken innerhalb von zehn Jahren seit ihrer Anschaffung der Einkommensteuer unterliegen.
1. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 122, 210 ≪230 f.≫ m.w.N.).
2. Davon ausgehend ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine zehnjährige Veräußerungsfrist bei Grundstücken als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, dass Wertsteigerungen im Vermögen des Steuerpflichtigen in unterschiedlichem Umfang der Einkommensteuer unterliegen.
aa) Bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit erfasst die Einkommensteuer den Wertzuwachs im Betriebsvermögen in vollem Umfang, weil der zu versteuernde Gewinn in der jeweiligen Einkunftsart nach § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird. Im Übrigen – das heißt bei Vermögensgegenständen, die zum Privatvermögen des Steuerpflichtigen gehören – ist der Wertzuwachs nicht steuerbar, soweit das Einkommensteuergesetz nicht Ausnahmen vorsieht. Nach § 23 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr 1999 maßgeblichen Fassung war das für Grundstücke der Fall, soweit zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre liegen, und für andere Wirtschaftsgüter, insbesondere Wertpapiere, soweit dieser Zeitraum kürzer als ein Jahr ist. Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 13/05 sieht Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere durch letztere Unterscheidung verletzt.
bb) Die unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Erfassung von Wertsteigerungen im Vermögen des Steuerpflichtigen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Sie ist die systematische und insofern folgerichtige Konsequenz aus der das Einkommensteuerrecht prägenden Grundkonzeption, nach der die Einkommensteuer grundsätzlich nur im Rahmen der Gewinneinkunftsarten den Gedanken der Reinvermögenszugangstheorie aufgreift und deshalb auch den Wertzuwachs bei Vermögensgegenständen erfasst, während die Einkünfte im Rahmen der übrigen Einkunftsarten, dem Gedanken der Quellentheorie entsprechend, als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden, so dass hier Zuwächse im Stammvermögen grundsätzlich außer Betracht bleiben. Dieser sogenannte Dualismus der Einkunftsarten gehört zum historisch gewachsenen Bestand des deutschen Einkommensteuerrechts (vgl. bereits oben C. II. 2. b≫ bb≫) und liegt als Grundentscheidung innerhalb des Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen zukommt (vgl. BVerfGE 26, 302 ≪311 f.≫). Es mag daher unter dem Gesichtspunkt einer Ausrichtung der Besteuerung an der Leistungsfähigkeit zwar wünschenswert sein, wenn der Gesetzgeber den Reinvermögenszugangsgedanken bei der Bestimmung des Besteuerungsobjekts in weiterem Umfang aufgreift und den Wertzuwachs bei Vermögensgegenständen im Privatvermögen ebenso wie den Wertzuwachs bei Vermögensgegenständen im Betriebsvermögen ohne zeitliche Begrenzung der Besteuerung unterwirft. Verfassungsrechtlich geboten ist dies aber nicht. Ob und inwieweit der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist deshalb eine Frage politischer Gestaltung, so dass auch die unterschiedlichen Fristen für Grundstücke einerseits und andere Wirtschaftsgüter andererseits verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind.
b) Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, dass Gewinne aus Grundstücksveräußerungen nicht dem für außerordentliche Einkünfte geltenden ermäßigten Tarif nach § 34 EStG unterliegen.
aa) Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 EStG nur die dort genannten Einkünfte in Betracht. Hierzu zählen nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 EStG insbesondere Gewinne aus der Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen. Für diese gilt nach § 34 Abs. 1 EStG ein ermäßigter Tarif. Damit soll die Progressionswirkung des regulären Tarifs nach § 32a EStG abgemildert werden, weil sich in diesen Fällen im Veräußerungsgewinn typischerweise ein über viele Veranlagungszeiträume akkumulierter Wertzuwachs zusammengeballt realisiert. Das setzt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs voraus, dass alle stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden; denn eine Zusammenballung liegt nicht vor, wenn dem Veräußerer noch stille Reserven verbleiben, die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum aufgedeckt werden (vgl. BFH ≪GrS≫, Beschluss vom 18. Oktober 1999 – GrS 2/98 –, BStBl II 2000, S. 123 ≪126 f.≫ = BFHE 189, 465 ≪473≫).
bb) Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, diese Steuervergünstigung auf sämtliche Fälle zu erstrecken, in denen die Besteuerung auf der Aufdeckung stiller Reserven beruht, die über mehrere Jahre angesammelt wurden. Grundsätzlich unterliegen derartige Erträge unterschiedslos dem regulären Tarif nach § 32a EStG, dessen Progressionswirkung insofern vom Steuerpflichtigen hinzunehmen ist. Wenn § 34 EStG hiervon punktuell abweicht, handelt es sich um ihrerseits rechtfertigungsbedürftige Ausnahmen (vgl. BVerfGE 81, 108 ≪118≫). Wann eine solche Ausnahme in Betracht kommt, obliegt in erster Linie der Einschätzung des Gesetzgebers. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass er hierbei nicht allein auf den Gesichtspunkt der Aufdeckung stiller Reserven abgestellt, sondern die Tarifermäßigung an weitere, die Außerordentlichkeit des Zuflusses kennzeichnende Merkmale geknüpft hat. Der Fall der Grundstücksveräußerung ist der Veräußerung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils auch nicht so ähnlich, dass eine Gleichbehandlung verfassungsrechtlich geboten wäre. Soweit im letzteren Fall eine Tarifermäßigung gewährt wird, liegt dem das Leitbild zugrunde, dass die Erwerbstätigkeit beendet und die in einem gesamten Wirtschaftsleben angesammelten stillen Reserven einmalig realisiert werden. Die bloße Veräußerung eines Grundstücks unterscheidet sich davon deutlich, denn sie betrifft nur einen einzelnen Vermögensgegenstand und erfasst nach der Neuregelung nur solche stillen Reserven, die über einen Zeitraum von maximal zehn Jahren angefallen sind.
c) Es ist mit dem Gleichheitsgebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar, dass bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns die zwischenzeitliche Geldentwertung unberücksichtigt bleibt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass es aus Gründen der Klarheit und Handhabbarkeit des Rechts wie auch aus währungspolitischen Gründen nicht zu beanstanden ist, dass das Einkommensteuerrecht vom Nominalwertprinzip ausgeht, das ein tragendes Ordnungsprinzip der geltenden Währungsordnung und Wirtschaftspolitik darstellt (vgl. BVerfGE 50, 57 ≪77 ff.≫). Die Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücke auf zehn Jahre gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass.
Diese Entscheidung ist hinsichtlich der Begründung mit 6:2 Stimmen ergangen.
Unterschriften
Voßkuhle, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 2372957 |
BFH/NV 2010, 1959 |
BStBl II 2011, 76 |
BVerfGE 2011, 1 |
DStR 2010, 1727 |
DStRE 2010, 1086 |
DStZ 2010, 664 |