Verfahrensgang
Tenor
- Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
- Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden betreffen den Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung.
I.
Der mit Wirkung zum 1. Januar 1994 durch das Gesundheitsstrukturgesetz – GSG – vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266) eingeführte Risikostrukturausgleich (im Folgenden: RSA) ist in den §§ 266 ff. SGB V und in der nach § 266 Abs. 7 SGB V ergangenen, mittlerweile mehrfach geänderten Risikostrukturausgleichsverordnung geregelt. Vor dem Hintergrund erheblicher Beitragssatzunterschiede zwischen den Krankenkassen sollte der RSA als Korrelat des gleichzeitig geschaffenen Rechts der freien Krankenkassenwahl dem Ausgleich der finanziellen Auswirkungen der unterschiedlichen Risikostrukturen der Krankenkassen dienen. Hierdurch sollen, so die Gesetzesbegründung, eine gerechtere Beitragsbelastung der Versicherten erreicht und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Krankenkassen abgebaut werden (BTDrucks 12/3608, S. 68 f., S. 117 f.). Stark vereinfacht lässt sich die Wirkungsweise des RSA so beschreiben, dass Krankenkassen mit einer ungünstigen Risikostruktur (z.B. hoher Anteil an beitragsfrei mitversicherten Familienangehörigen, an Mitgliedern mit unterdurchschnittlichen beitragspflichtigen Einkünften, an Mitgliedern mit hohem Krankheitsrisiko) zu Lasten von Kassen mit einer besseren Risikostruktur in den Genuss von Ausgleichzahlungen kommen. Die Ausgleichspflichten im RSA haben regelmäßig Auswirkungen auf die Höhe der Beitragssätze der Zahler- wie der Empfängerkrankenkassen. Die konkrete Höhe des Ausgleichsanspruchs oder der Ausgleichsverpflichtung einer Krankenkasse wird in einem komplexen Prozess durch einen Vergleich ihres Beitragsbedarfs mit ihrer Finanzkraft ermittelt. Der RSA zwischen den Krankenkassen wird jährlich vom Bundesversicherungsamt durchgeführt (§ 266 Abs. 5 Satz 1 SGB V).
Die wirtschaftliche Bedeutung ist ganz erheblich. Allein im Jahr 2002 belief sich das Ausgleichsvolumen auf annähernd 15 Milliarden Euro (vgl. Presseerklärung des Bundesversicherungsamts vom 6. November 2003). Der RSA wurde gemäß Art. 1 Nr. 171 GSG zunächst getrennt für den Rechtskreis West und den Rechtskreis Ost – neue Bundesländer – durchgeführt. Mit dem GKV-Finanzstärkungs-gesetz vom 24. März 1998 (BGBl I S. 526) unternahm der Gesetzgeber den ersten Schritt zur Aufhebung der Rechtskreistrennung, bevor er mit dem Gesetz zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2657) sukzessive bis zum Jahr 2007 den gesamtdeutschen RSA einführte. Mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001 (BGBl I S. 3465) wurde der RSA inhaltlich weiterentwickelt.
Mit der Einführung des RSA als Teil der vom Gesundheitsstrukturgesetz bezweckten umfassenden Organisationsreform der gesetzlichen Krankenversicherung sollten die Voraussetzungen für die erstmals ab dem 1. Januar 1996 ermöglichte Wahl der Krankenkasse geschaffen werden. Gab es bis dahin lediglich für bestimmte Gruppen von gesetzlich Krankenversicherten beschränkte Möglichkeiten einer Kassenwahl, was tendenziell zur Risikoselektion und zur Beitragssatzspreizung beitrug, so sollten nach dem Willen des Gesundheitsstrukturgesetzes nunmehr alle versicherungspflichtigen und versicherungsberechtigten Personen frei wählen können, welcher gesetzlichen Krankenkasse sie angehören wollen (§§ 173 ff. SGB V i.d.F. des GSG; vgl. BTDrucks 12/3608, S. 68 f., S. 74 f.). Zur Absicherung des Rechts der freien Kassenwahl führte der Gesetzgeber in § 175 Abs. 1 Satz 2 SGB V eine Aufnahmeverpflichtung ein, nach der die von einem Versicherungspflichtigen oder Versicherungsberechtigten gewählte Krankenkasse diesem die Mitgliedschaft nicht verweigern darf.
II.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind Betriebskrankenkassen, die für das Streitjahr 1997 jeweils durch Bescheide des Bundesversicherungsamts zur Erbringung von Ausgleichszahlungen im Rahmen des RSA herangezogen wurden. Die Ausgleichsverpflichtung der Beschwerdeführerin zu 1. für das Jahr 1997 belief sich auf rund 177 Mio. DM, die der Beschwerdeführerin zu 2. auf rund 8,5 Mio. DM. Beide Beschwerdeführerinnen weisen eine Besonderheit auf. Bei ihnen handelt es sich um so genannte nicht geöffnete Betriebskrankenkassen, d.h., sie können gemäß § 173 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB V nur von denjenigen Versicherten gewählt werden, die im Betrieb beschäftigt sind. Sie sind damit im Unterschied zu geöffneten Betriebskrankenkassen nicht für alle wahlberechtigten Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten wählbar.
2. Gegen die Bescheide des Bundesversicherungsamts erhoben die Beschwerdeführerinnen jeweils sozialgerichtliche Klagen zum Sozialgericht Köln, das beide Klagen mit Urteilen vom 28. Februar 2000 – S 19 KR 90/99 und S 19 KR 84/99 – überwiegend abwies. Sowohl die Beschwerdeführerinnen als auch das Bundesversicherungsamt – als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland – legten jeweils Berufung ein. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wies in zwei Urteilen vom 28. August 2001 – L 5 KR 164/00 und L 5 KR 166/00 – die Berufungen der Beschwerdeführerinnen ab und gab den Berufungen des Bundesversicherungsamts teilweise statt. Die Regelungen des RSA, so das Landessozialgericht, verstießen weder gegen Verfassungs- noch gegen Europarecht.
Beide Parteien legten Revision ein. Während die Rechtsmittel der Beschwerdeführerinnen erfolglos blieben, wies das Bundessozialgericht auf die jeweils vom Bundesversicherungsamt eingelegte Revision hin die Klagen in vollem Umfang ab. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts entsprechen die Bescheide dem Gesetz, dieses entspricht der Verfassung. Ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft sei nicht gegeben, eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof scheide daher aus. Die Regelungen der Finanzverfassung des Grundgesetzes seien auf den RSA als Teil der Sozialversicherung nicht übertragbar. Auch aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ergebe sich keine Beschränkung für den RSA. Die Verordnungsermächtigungen genügten den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Schließlich könnten die Beschwerdeführerinnen als Körperschaften des öffentlichen Rechts den RSA auch nicht unter Hinweis auf Grundrechte angreifen, da Grundrechte ihrem Wesen nach regelmäßig auf juristische Personen des öffentlichen Rechts unanwendbar seien. Krankenkassen seien zwar körperschaftlich organisiert und verfügten über einen begrenzten Raum eigenverantwortlichen Handelns. Gleichwohl seien sie nur organisatorisch verselbständigte Teile der Staatsgewalt. Sie übten der Sache nach mittelbare Staatsgewalt aus, es fehle ihnen an einer besonderen Zuordnung zu dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich. Das Bundesverfassungsgericht habe daher die Grundrechtsberechtigung von Krankenkassen verneint. Die Grundrechtsberechtigung könne auch nicht aus einem mit der Ausdehnung der Kassenwahlrechte angeblich eröffneten “Wettbewerb” hergeleitet werden.
Die Bedeutung eines “Wettbewerbs” unter den Kassen sei mit dem in der gewerblichen Wirtschaft nicht vergleichbar. Während es dort darum gehe, die eigene Marktposition zu Lasten von Konkurrenten auszubauen, seien Kassen der Verfolgung des gemeinsamen Zieles der Gewährleistung einer zweckmäßigen und qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung verpflichtet. Allein diesem Ziel diene der “Wettbewerb” der Kassen. Der Gesetzgeber erwarte hiervon positive Auswirkungen im Sinne von mehr Effektivität und Flexibilität des Verwaltungshandelns, besserer Kundenorientierung, eines permanenten Ansporns zur Innovation und eines Drucks auf Preise und Beiträge. Dagegen solle verhindert werden, dass durch “Wettbewerb” Zugangsprobleme zur sozialen Krankenversicherung entstünden und es zu einer Risikoselektion komme. Der Gesetzgeber habe bei der Erweiterung von Wahlrechten der Mitglieder weder beim Zugang der Versicherten zur gesetzlichen Krankenversicherung noch bei der Gestaltung des Leistungs- und Beitragsrechts der einzelnen Krankenkasse wesentliche Befugnisse eingeräumt, mit denen sie die eigene Stellung zu Lasten von Konkurrenten verbessern könne. Die gesetzliche Krankenversicherung als Zwangsversicherung diene dem sozialen Ausgleich, dem auch der RSA diene.
Der RSA verstoße schließlich auch nicht gegen das Willkürverbot. Die maßgeblichen Ausgleichsfaktoren seien für die gesetzliche Krankenversicherung prägend, der Gesetzgeber habe sie willkürfrei ausgewählt. Ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Regelung getroffen habe, sei nicht zu prüfen.
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof scheide aus. Nach dessen Rechtsprechung seien Einrichtungen, die obligatorische, auf dem Grundsatz der Solidarität beruhende Systeme der sozialen Sicherheit verwalteten, keine Unternehmen im Sinne der europäischen Wettbewerbsvorschriften und daher aus deren Anwendungsbereich ausgenommen. Die gesetzliche Krankenversicherung sei in diesem Sinne ein System der sozialen Sicherheit. Soweit der Europäische Gerichtshof bestimmte Einrichtungen der sozialen Sicherheit unter bestimmten Voraussetzungen als Unternehmen angesehen habe, seien jeweils andere Funktionen dieser Einrichtungen betroffen gewesen. Die deutschen Krankenkassen würden im Unterschied zu den vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fällen nicht nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeiten, nicht auf dem Prinzip freiwilliger Mitgliedschaft beruhen und auch die von ihnen gewährten Leistungen nicht von der Höhe der Beiträge abhängig machen. Zwar seien bei den deutschen Kassen auch rund sechs Millionen freiwillige Mitglieder versichert, doch sei diese Versicherungsform fast nur noch als Weiterversicherung im Anschluss an eine frühere Pflichtversicherung ausgestaltet. Die Beiträge der freiwillig Versicherten würden dem umlagefinanzierten System zugeführt, die Krankenversicherungsleistungen seien grundsätzlich nicht von der vorherigen Beitragszahlung abhängig. Es könne dahingestellt bleiben, ob Krankenkassen ausnahmsweise dann als Unternehmen anzusehen seien, wenn sie – etwa zur Beschaffung von Sachleistungen – am Markt aufträten. Denn vorliegend gehe es nicht um eine derartige Tätigkeit, sondern allein um einen internen Finanzausgleich ohne wettbewerbsregelnde Tendenz gegenüber anderen am Gesundheitsmarkt auftretenden privaten Unternehmen. Soweit der RSA innerhalb der gesetzlichen Kassen wettbewerbsähnliche Effekte erzeuge, sei zu bedenken, dass der Gesetzgeber des RSA dafür Sorge trage, dass die Kassen eine Versicherung zu annähernd gleichen Bedingungen innerhalb des Systems der sozialen Sicherheit garantieren könnten. Der RSA verstoße schließlich weder gegen das Verbot wettbewerbsverfälschender Beihilfen – da es sich bei den Kassen nicht um Unternehmen handele und das Erfordnis der Selektivität der Maßnahme nicht gegeben sei – noch gegen den durch Art. 49 EG geschützten freien Dienstleistungsverkehr. Denn die Krankenkassen fielen nicht unter den Schutzbereich dieser Vorschrift und seien auch nicht befugt, ihren Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich ins EG-Ausland zu erstrecken.
III.
1. Die Beschwerdeführerinnen rügen übereinstimmend, dass die Regelungen des RSA sie in ihren Grundrechten, namentlich aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG verletzten. Zudem habe das Bundessozialgericht ihr grundrechtsgleiches Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, weil es dem Europäischen Gerichtshof in willkürlicher Weise gemeinschaftsrechtliche Fragen nicht zur Vorabentscheidung vorgelegt habe.
Die Beschwerdeführerin zu 1. trägt zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde vor, dass das Bundessozialgericht ihre partielle, funktionsbezogene Grundrechtsfähigkeit verkannt habe. Entscheidend für die Grundrechtsfähigkeit sei, ob hinter bestimmten Funktionen der Staat oder aber natürliche Personen als die eigentlichen Grundrechtsträger stünden. Es sei vorliegend danach zu fragen, ob sie – die Beschwerdeführerin – im Bereich der beschwerenden Belastungen durch den RSA staatliche oder vorrangig private Funktionen wahrnehme. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar Allgemeinen Ortskrankenkassen die Grundrechtsfähigkeit abgesprochen. Selbstverwaltungsfunktionen, wettbewerbliche Öffnung und Kassenwahlfreiheit ließen Krankenkassen jedoch nicht mehr in der gleichen Weise als rein staatliche Funktionsträger erscheinen. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge komme es nicht auf die Rechtsform oder die bloße faktische Institutionalisierung an, sondern auf die Intensität staatlicher Funktionszuweisungen einerseits und mitgliedschaftlicher Selbstverwaltungsautonomie andererseits. Krankenkassen besäßen neben staatlichen auch mitgliedschaftliche bzw. korporative Funktionen. Von einer rein staatlichen Institutionalität der Krankenkasse könne angesichts vielfältiger privat-korporativer Funktionen nicht gesprochen werden. Der funktionellen Staatlichkeit, die Grundrechtsschutz ausschließe, stünde eine vorrangig mitgliedschaftlich bestimmte Körperschaft entgegen, welche erhebliche Selbstverwaltungskompetenzen wahrnehme. Mitgliedschaftliche Selbstverwaltung erfasse weite Funktionsbereiche. Krankenkassen erfüllten ihre Aufgaben gemäß § 29 Abs. 3 SGB IV in eigener Verantwortung. An dieser maßgeblichen funktionalen Privatheit in einem weiten Rahmen funktionaler Staatlichkeit ändere der gesetzliche Rahmen nichts, da auch jeder private Bürger im Rahmen der Gesetze handeln müsse. Entscheidend sei auch hier die Regelungsdichte der staatlichen Aufgabenzuweisungen. Ihre Selbstverwaltungsautonomie als geschlossene Betriebskrankenkasse enthalte jedoch vielfältige Räume satzungsmäßiger, finanzieller, beitragssatzmäßiger oder organisatorischer Autonomie.
Im Ergebnis sei festzustellen, dass die vielfältigen Elemente mitgliedschaftlicher Interessenwahrnehmung im Rahmen der Selbstverwaltung primär dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen seien. Die funktional vorrangig mitgliedschaftlich bestimmte Aufgabenwahrnehmung werde durch die verhältnismäßig geringe staatliche Regelungsdichte der gesetzlichen Vorgaben bestätigt. Einzelne Bereiche geringerer Autonomie vermöchten hieran nichts zu ändern. Gerade die wettbewerblichen Öffnungen und die entsprechende Stärkung der Selbstverwaltungsautonomie deuteten auf eine maßgeblich und zunehmend private Funktion der Versicherungsträger hin. In einem System miteinander konkurrierender Einheiten könne schwerlich von rein staatlichen Verwaltungseinheiten gesprochen werden, denen kein Grundrechtsschutz zukomme. Nach den Vorgaben des Sparkassenbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts stelle sich die Betriebskrankenkasse als Sachwalterin des Einzelnen mit personalem Substrat dar, so dass Grundrechtsschutz bestehen müsse. Sie sei vor allem private Vereinigung ihrer solidarisch vereinigten Mitglieder, welche sich zudem weitgehend selbst verwalten würden.
Der RSA verletze sie in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit. Dem Bund fehle es schon an der Gesetzgebungskompetenz für einen RSA ohne Belastungsgrenzen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip sei verletzt. Die vom RSA verfolgten Ziele seien widersprüchlich, das Verfahren ungeeignet, der RSA im Übrigen nicht erforderlich und nicht zumutbar. Der allgemeine Gleichheitssatz sei ebenfalls verletzt, und zwar bereits deshalb, weil das RSA-Verfahren an strukturellen Vollzugsmängeln leide. Die Datenmeldungen der Krankenkassen seien häufig falsch, die Prüfungen des Bundesversicherungsamts unzureichend. Wie im Steuerrecht sei auch hier die Ergänzung des Deklarations- durch das Verifikationsprinzip geboten. Die Maßstäbe der grundgesetzlichen Finanzverfassung und die vom Bundesverfassungsgericht in dessen Urteil zum Länderfinanzausgleich (vgl. BVerfGE 101, 158) herausgearbeiteten Grundsätze seien analog auf den RSA anzuwenden. Der RSA verletze danach Verfassungsrecht. Das Gebot, die unterschiedliche Finanzkraft nur angemessen und ohne Nivellierung auszugleichen, werde nicht gewahrt. Der RSA führe zu einer willkürlichen Verkehrung der Finanzkraftrelation. Verfassungsrechtliche Umverteilungsgrenzen würden überschritten, der RSA sehe keinen Eigenbehalt vor. Bei größer werdender Finanzkraft müssten bestimmte Anteile hiervon den einnehmenden Körperschaften verbleiben. Eine Zahlerkasse dürfe keinen höheren Beitragssatz als eine Empfängerkrankenkasse haben. Begrenzungen des RSA beziehungsweise Eigenbehalt an Finanzkraft seien daher geboten.
Das Bundessozialgericht habe Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, indem es seiner Pflicht zur Vorlage des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof nicht nachgekommen sei. Die Vorschriften des Europäischen Wettbewerbsrechts seien anwendbar. Das Bundessozialgericht habe sämtliche tatsächlich gegebenen Wettbewerbsbezüge im System der gesetzlichen Krankenversicherung verkannt. Diese Bezüge zeigten deutlich das marktliche Handeln und damit die Wettbewerbsteilnahme der Krankenkassen auf. In vielen Bereichen stünden sie zudem im Wettbewerb mit privaten Krankenversicherungen. Soweit das Bundessozialgericht den Kassenwettbewerb vom gewerblichen Wettbewerb unterscheide, zeige sich hierin eine rein institutionelle Betrachtungsweise, die von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abweiche. Die funktionale Sichtweise des Gemeinschaftsrechts sei damit verkannt worden.
Verkannt worden sei außerdem die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten für die Systeme der sozialen Sicherung. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs “Decker”, “Kohll”, aber auch “Smits” und “Vanbreakel” seien sehr wohl einschlägig. Die Auswirkungen des deutschen Quasi-Monopols der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Binnenmarkt der europäischen Dienstleister im Bereich der Krankenversicherung würden ebenso verkannt wie die Inländer-Diskriminierung der deutschen Versicherten und Arbeitgeber. Verkannt worden seien auch die objektiv-rechtlichen Wirkungen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auf das nationale Recht. Die einfachgesetzlichen RSA-Regelungen hätten die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln zu achten. Die Tätigkeit einer gesetzlichen Krankenkasse sei eine wirtschaftliche im Sinne des Gemeinschaftsrechts, da dieses auf die Funktion und nicht auf die Institution abstelle. Das Bundessozialgericht habe den funktionalen Begriff des Unternehmens unzutreffend definiert. Die Schlussanträge des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof Francis Jakobs vom 22. Mai 2003 im Arzneimittelfestbetragsverfahren bestätigten explizit die Eigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen als Unternehmen im Sinne der Art. 81, 86 EG. In einer graduellen Prüfung habe Generalanwalt Jakobs zugleich sinngemäß die Argumentation des Bundessozialgerichts hinsichtlich der sozialen Prägung der gesetzlichen Krankenkassen, insbesondere die Argumente zum Solidarprinzip und zur Unabhängigkeit der Leistungen von Beitragshöhe und Gesundheitsrisiko zurückgewiesen. Das deutsche Krankenversicherungsrecht völlig außerhalb des Schutzbereichs des europäischen Wettbewerbsrechts zu sehen, wie durch das Bundessozialgericht geschehen, widerspreche der Idee des Gemeinschaftsrechts.
3. Die Beschwerdeführerin zu 2. legt dar, dass sie sich auf Grundrechte berufen könne. Die Selbstverwaltung der Krankenkassen sei von vielfältigen Elementen mitgliedschaftlicher Interessenwahrnehmung geprägt. Die Eingliederung in ein hoheitlich determiniertes Krankenversicherungssystem sei gerade nicht das zentrale Element bei der Aufgabenwahrnehmung durch diese rechtlich selbständigen und wirtschaftlich voneinander unabhängigen Versicherungsträger. Der Gesetzgeber habe den Krankenkassen auch die Aufgabe zugewiesen, sich im Rahmen eines Kassenwettbewerbs um ein möglichst kostengünstiges Angebot von Krankenversicherungsleistungen zu bemühen. Ein weiteres Wettbewerbselement sei mit der Freiheit der Kassenwahl eingeführt worden. Um diese Ziele effektiv zu verfolgen, müssten die Kassen wie private Krankenversicherungsunternehmen auf dem Markt agieren. Hierfür bedürfte es konsequenterweise eines ausreichenden Grundrechtsschutzes, um verfassungswidrige Eingriffe abzuwehren. Nur so sei es möglich, Selbstverwaltungsautonomie und Kassenwettbewerb zu wahren. Kassen stünden mit privaten Versicherungen auf einer Stufe, und zwar insbesondere im Marktsegment der nicht krankenversicherungspflichtigen Personen. Kassen seien zudem verpflichtet, Mitgliedsbeiträge sachgerecht zu verwenden, insoweit seien sie Sachwalter des Einzelnen, so dass zumindest mittelbarer Grundrechtsschutz zu gewähren sei.
Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG seien verletzt, weil der RSA mit staatorganisations- und finanzverfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang stünde. Er verstoße insbesondere gegen Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, weil er Deckungsbeiträge für fremde Krankenkassen aus den Sozialversicherungsbeiträgen einzelner Versichertengemeinschaften finanziere und so den Bund von der in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG festgelegten Zuschusspflicht befreie. Das Bundessozialgericht habe insoweit verkannt, dass diese Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck ein Verbot der Differenzierung zwischen Beitragszahler und Steuerzahler bei der Beseitigung von Defiziten in der Sozialversicherung enthalte.
Das Bundessozialgericht habe schließlich die Frage der Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in unhaltbarer Weise gehandhabt. Was die Anwendbarkeit der europäischen Wettbewerbsvorschriften angehe, habe sich das Bundessozialgericht zwar im Ausgangspunkt zutreffend am funktionalen Unternehmensbegriff des Europäischen Gerichtshofs orientiert, in concreto diesen Begriff jedoch völlig fehlerhaft angewandt. Die Kerntätigkeit der Krankenversicherung sei die Erbringung von Krankenversicherungsleistungen. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei einschränkungslos zu bejahen, dass Krankenkassen hierbei als Unternehmen handeln würden. Generalanwalt Jakobs habe jüngst in seinen Schlussanträgen im Verfahren zur Überprüfung der deutschen Arzneimittelfestbeträge exakt die Argumentation zurückgewiesen, auf die das Bundessozialgericht die vermeintlich fehlende Unternehmenseigenschaft stütze. Das Gericht habe noch nicht einmal ansatzweise erörtert, ob die von Generalanwalt Jakobs diagnostizierten Wettbewerbsverhältnisse bestünden. Es liege auf der Hand, dass die Wettbewerbsstellung privater Versicherungsunternehmen durch die nivellierende Wirkung des RSA gestärkt werde. Auch in Hinblick auf das Verbot wettbewerbsverfälschender Beihilfen habe sich dem Bundessozialgericht die Vorlage zum Europäischen Gerichtshof aufdrängen müssen. Die von Art. 87 Abs. 1 EG geforderte Selektivität der Maßnahme sei gegeben, da der RSA private Krankenversicherungsunternehmen insofern begünstige, als die Beitragshöhe als wichstigster Wettbewerbsparameter nivelliert werde. Das Bundessozialgericht habe zudem verkannt, dass faktische Begünstigungen von Unternehmen genügen würden. Auch die Ausführungen zu dem durch Art. 49 EG geschützten freien Dienstleistungsverkehr seien unhaltbar. Unternehmen seien den natürlichen Personen im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit gleichgestellt. Dies gelte zwar nicht für solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die – wie Krankenkassen – keinen Erwerbszweck verfolgten. Doch sei hier der Zusammenhang mit den Wettbewerbsregeln und der Verpflichtung der Gemeinschaft auf den Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb zu beachten. Der “solidarische” Wettbewerb um die Erbringung von Dienstleistungen an Versicherte sei ohne weiteres unter die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs zu subsumieren.
IV.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Den Verfassungsbeschwerden kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).
a) Die Frage, ob sich die Beschwerdeführerinnen als Krankenkassen auf Grundrechte berufen können, ist in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung geklärt und nicht erneut klärungsbedürftig geworden; sie läßt sich anhand der bisherigen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten.
Die Beschwerdeführerinnen sind als Betriebskrankenkassen rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 4 Abs. 1 SGB V). In der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Körperschaften im Allgemeinen, im Hinblick auf Sozialversicherungsträger und gesetzliche Krankenkassen im Besonderen geklärt, dass für diese die Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 GG grundsätzlich nicht gelten. Denn die Grundrechte sind ihrem Wesen nach nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar, soweit letztere öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Die Grundrechtsberechtigung hängt damit namentlich von der Funktion ab, in der die juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen wird. Besteht diese Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so kann eine juristische Person sich insoweit nicht auf Grundrechte berufen (vgl. BVerfGE 39, 302 ≪312 ff.≫; 68, 193 ≪205 ff.≫; 70, 1 ≪15≫; 75, 192 ≪196 f.≫). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist für solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu machen, die von den ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind (vgl. BVerfGE 75, 192 ≪196 f. m.w.N.≫).
Anhand der verfassungsrechtlich geklärten Maßstäbe, deren Richtigkeit und Geltung von den Beschwerdeführerinnen nicht angezweifelt werden, läßt sich die Frage der Grundrechtsfähigkeit von Betriebskrankenkassen ohne weiteres beantworten.
b) Die Beschwerdeführerinnen sind nicht grundrechtsfähig. Sie werden von den angegriffenen gesetzlichen Regelungen des RSA in ihrer Funktion als Träger öffentlicher, vom Staat durch Gesetz übertragener und geregelter Aufgaben betroffen.
aa) Das Sozialrecht ist eines der wichtigsten Instrumente staatlicher Sozialpolitik. Der Schutz in Fällen von Krankheit ist in der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine der Grundaufgaben des Staats. Ihr ist der Gesetzgeber nachgekommen, indem er durch Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung für den Krankenschutz eines Großteils der Bevölkerung Sorge getragen und die Art und Weise der Durchführung dieses Schutzes geregelt hat (vgl. BVerfGE 68, 193 ≪209≫). Die Hauptaufgabe der gesetzlichen Krankenkassen besteht im Vollzug einer zwecks Erfüllung dieser staatlichen Grundaufgabe geschaffenen detaillierten Sozialgesetzgebung (vgl. BVerfGE 39, 302 ≪313≫).
Die angegriffenen Regelungen des RSA sind Teil dieser Sozialgesetzgebung. Sie gehören zu demjenigen Funktionsbereich, in dem die gesetzlichen Krankenkassen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen. Die Regelungen des RSA verwirklichen ein zentrales Strukturprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung; sie stellen eine Einzelausprägung des in § 1 Satz 1 SGB V niedergelegten Solidargedankens dar. Nach der Begründung des Gesundheitsstrukturgesetzes zielen die §§ 266, 267 SGB V auf eine solidarische Verteilung der Risikobelastung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Dass mit einem bundesweiten, alle Krankenkassen einbeziehenden Risikoausgleich die Gliederung der Krankenkassen in selbständige Teil-Solidargemeinschaften weitgehend aufgehoben wird, nimmt dem Solidargedanken nichts von seiner Bedeutung (Schulin, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 6, Rz 204). Der Risikostrukturausgleich betrifft die gesetzlichen Krankenkassen damit in ihrer öffentlich-rechtlichen Kernfunktion, eine auf dem Solidarprinzip gründende soziale Krankenversicherung zu gewährleisten.
bb) Dass der RSA die gesetzlichen Krankenkassen in einer etwa als “privat” zu qualifizierenden Stellung als “Wettbewerber” im Rahmen des vom Gesundheitsstrukturgesetz induzierten “Kassenwettbewerbs” mit der eventuellen Folge einer Grundrechtsberechtigung der Beschwerdeführerinnen beträfe, ist nicht ersichtlich. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Einführung “wettbewerblicher” Elemente in der gesetzlichen Krankenversicherung an der Funktion der Krankenkassen als Träger öffentlicher Verwaltung etwas mit der Folge geändert haben sollte, dass nunmehr die Zuerkennung einer (partiellen) Grundrechtsfähigkeit der Krankenkassen zu erwägen wäre.
Die Hauptaufgabe der gesetzlichen Krankenkassen besteht nach wie vor darin, als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung öffentlich-rechtlich geregelten Krankenversicherungsschutz für die Versicherten zu gewähren. Allein der Erfüllung dieser sozialstaatlichen Aufgabe dient der “Kassenwettbewerb”. Nur in dieser Aufgabenstellung werden die Krankenkassen von den Regelungen des RSA betroffen. “Kassenwettbewerb” und der den Solidargedanken repräsentierende RSA stehen nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr hat der Gesetzgeber “Kassenwettbewerb” nur im Rahmen und unter den Voraussetzungen des RSA zugelassen. Der zeitlich früher eingeführte RSA sollte zunächst den Boden für die zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehene Zulassung der Kassenwahlfreiheit bereiten. Offenkundige “Wettbewerbsnachteile” bestimmter gesetzlicher Kassen mit ungünstiger Risikostruktur, die als Folge eines in beschränktem Umfang bereits seit längerer Zeit vorhandenen, allerdings ungeordneten “Wettbewerbs” entstanden waren, sollten mit Hilfe des RSA beseitigt werden, um für alle Kassen die gleichen Startbedingungen für die ab 1996 mögliche freie Kassenwahl der Versicherten zu schaffen (BTDrucks 12/3608, S. 68 f., S. 74 f.).
Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesundheitsstrukturgesetzes belegen den untrennbaren Funktionszusammenhang zwischen “Wettbewerb” und RSA deutlich. Eine grundsätzliche Neuausrichtung der gesetzlichen Krankenversicherung war nicht beabsichtigt. Gewollt war eine “Wettbewerbsordnung auf der Grundlage des Solidarprinzips” (so Wille, in: Wille (Hrsg.), Zur Rolle des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung, 1999, S. 95 ≪120≫). “Wettbewerb” und RSA erscheinen hiernach lediglich als Mittel zum Zweck, die den gesetzlichen Krankenkassen zugewiesene öffentliche Aufgabe zu erfüllen (in diesem Sinne auch Gohla, Der Risikostrukturausgleich auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, 2002, S. 190; Becker, in: SDSRV 48 (2001), Soziale Sicherheit und Wettbewerb, S. 7 ≪19≫).
cc) Eine Grundrechtsfähigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Argument der Beschwerdeführerin zu 1., dass Wettbewerb und Konkurrenz Freiheit zu marktgerechtem Verhalten und damit (Grundrechts)Schutz vor wettbewerbsverzerrenden Eingriffen des Staates erforderten (vgl. insoweit auch Ramsauer, NJW 1998, S. 481 ≪484≫). Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des RSA und der Kassenwahlfreiheit keine privatrechtlich geordneten Handlungsspielräume für die Krankenkassen eröffnet, sondern eine öffentlich-rechtliche Organisationsentscheidung für die Erledigung öffentlicher Aufgaben getroffen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Grundgesetz eine Verfassungsgarantie des bestehenden Systems der Sozialversicherung oder doch seiner tragenden Organisationsprinzipien nicht zu entnehmen. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind hinzunehmen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (vgl. BVerfGE 77, 340 ≪344≫; 89, 365 ≪376 ff.≫). Der Gesetzgeber des SGB V hat sich im Rahmen des ihm zustehenden weitreichenden sozialpolitischen Gestaltungsspielraumes bewegt, als er “wettbewerbliche Elemente” – freilich auf dem Boden eines RSA – im System der gesetzlichen Krankenversicherung implementierte. Von Verfassungs wegen steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, einen “Kassenwettbewerb” einzuführen, diesen bei Bedarf zu modifizieren, ihn aber auch durch die alte oder eine neue Organisationsstruktur zu ersetzen.
dd) Soweit die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1. entscheidend darauf abstellt, dass die gesetzlichen Krankenkassen nach § 4 Abs. 1 SGB V rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sind, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Juristische Personen sind einem grundrechtlich geschützten Lebensbereich nicht schon deshalb zugeordnet, weil ihnen Selbstverwaltungsrechte zustehen (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪103≫). Diese Organisationsform stellt kein Anzeichen für die Zuordnung zur Freiheitssphäre des Einzelnen oder für eine Unabhängigkeit vom Staat dar. Da sich dem Grundgesetz zudem eine Verfassungsgarantie des bestehenden Systems der Sozialversicherung nicht entnehmen lässt, können Sozialversicherungsträger aus dem Selbstverwaltungsgrundsatz eine Grundrechtsträgerschaft nicht ableiten (vgl. BVerfGE 21, 362 ≪377≫; 77, 340 ≪344≫).
Zwar kann das Selbstverwaltungsrecht freiheitsstabilisierend und sogar freiheitskonstituierend wirken, doch gibt der abstrakte Begriff der Selbstverwaltung für sich genommen für die Frage der Grundrechtsberechtigung nichts her. Im Hinblick auf Sozialversicherungsträger hat das Bundesverfassungsgericht im Selbstverwaltungsgrundsatz lediglich eine innerstaatliche Organisationsform der Dezentralisation erblickt, aus der die Grundrechtsfähigkeit von Krankenkassen und anderen Sozialversicherungsträgern nicht abgeleitet werden kann (vgl. BVerfGE 21, 362 ≪377≫; 39, 302 ≪313 f.≫; 61, 82 ≪103≫; 77, 340 ≪344≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. September 1995 – 1 BvR 597/95 –, NJW 1996, S. 1588 ≪1589≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. September 2000 – 1 BvR 178/00 –, NVwZ-RR 2001, S. 93; vgl. zum Vorstehenden auch Bethge AöR 104 (1979), S. 54 ≪265, 275 ff., 289≫). Selbst die verfassungsrechtlich durch Art. 28 Abs. 2 GG verstärkte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gab dem Bundesverfassungsgericht keine Veranlassung, einer Gemeinde deswegen Grundrechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪103≫). Allein eine rein organisatorische Verselbständigung ist kein hinreichender Grund für die Zuerkennung von Grundrechtsfähigkeit (vgl. Peter Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 256).
Zur Feststellung, dass das Selbstverwaltungsprinzip für die Frage der Grundrechtsfähigkeit grundsätzlich irrelevant ist, tritt hinzu, dass es zu der von der Beschwerdeführerin zu 1. behaupteten Stärkung der Selbstverwaltungsautonomie augenscheinlich nicht gekommen ist. Dass wesentliche Funktionen der Krankenkassen in Folge der gesetzlichen Organisationsreformen heute nicht mehr rein staatlich wären, dass sie vielmehr aufgrund einer höheren Intensität der Selbstverwaltungsautonomie maßgeblich “privat-korporativer” Art seien, ist ebenso wenig festzustellen wie die behauptete Abnahme der staatlichen Regelungsdichte. Ganz im Gegenteil ist zu konstatieren, dass den Krankenkassen Selbstverwaltung im Sinne eines Freiraumes für eigenverantwortliches Handeln nur in außerordentlich bescheidenem Umfang eingeräumt ist. Dies entspricht dem einhelligen Befund des sozialrechtlichen Schrifttums (vgl. nur Axer, Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung, Die Verwaltung 2002, S. 377 ≪380 ff.≫; Gohla, a.a.O., S. 200 ff., S. 216 ff.; Schnapp, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 49, Rz 70 ff.; Schulin, ebendort, § 6, Rz 83 ff.). Die staatliche Regelungsdichte ist derart hoch, dass den Sozialversicherungsträgern eine eigenverantwortliche Gestaltung des Satzungs-, Organisations-, Beitrags- und Leistungsrechts weitgehend verwehrt ist.
ee) Mit der Erwägung, die Krankenkassen seien Sachwalter des einzelnen Mitglieds bei der Wahrnehmung seiner Grundrechte, kann deren Grundrechtsfähigkeit ebenfalls nicht begründet werden. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der einzelne Bürger seine Grundrechte selbst wahrnimmt (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪103 f.≫; 75, 192 ≪196≫). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundessozialgericht in einer Parallelentscheidung ausdrücklich festgestellt hat, dass das einzelne Kassenmitglied unter Berufung auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit die Regelungen des RSA einer verfassungsrechtlichen Prüfung zuführen kann, wenn seine Kasse aufgrund von Ausgleichsverpflichtungen gemäß §§ 266, 267 SGB V den Beitragssatz anheben muss (Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Januar 2003 – B 12 KR 6/00 R –, veröffentlicht in JURIS).
ff) Schließlich ist nicht erkennbar, dass Krankenkassen – vergleichbar den Kirchen, Universitäten oder Rundfunkanstalten – in ihrer “wettbewerblichen” Tätigkeit unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet wären.
c) Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt den Verfassungsbeschwerden auch insoweit nicht zu, als die Verfassungswidrigkeit des RSA geltend gemacht wird. Die vom RSA aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen harren zwar noch verfassungsgerichtlicher Klärung, doch sind die diesbezüglichen Grundrechtsrügen der Beschwerdeführerinnen mangels Grundrechtsfähigkeit unzulässig, so dass die mit dem RSA zusammenhängenden Grundsatzfragen im vorliegenden Verfahren keiner Beantwortung zugeführt werden können.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerden haben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 ff.≫; 96 , 245 ≪250≫). Insbesondere sind die Rügen einer Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unbegründet. Das Bundessozialgericht hat die Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof nicht in unhaltbarer Weise gehandhabt.
a) Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein letztinstanzliches nationales Gericht ist daher unter der Voraussetzung des Art. 234 Abs. 3 EG gehalten, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Die Nichteinleitung eines solchen Vorlageverfahrens kann das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzen. Da die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erfüllt sind, zunächst Sache der Fachgerichte ist, prüft das Bundesverfassungsgericht nur, ob diese die in Art. 234 Abs. 3 EG zum Ausdruck kommende Zuständigkeitsregel in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt haben. Eine unhaltbare Handhabung der Vorlagepflicht liegt vor allem vor, wenn das Gericht eine Vorlage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der Beantwortung der europarechtlichen Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), oder wenn das Gericht bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195 f.≫).
b) Gemessen an diesen Kriterien ist die Nichteinleitung des Vorlageverfahrens durch das Bundessozialgericht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Eine grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht liegt nicht vor. Denn das Bundessozialgericht hat sich ausdrücklich mit der Frage einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof auseinandergesetzt.
bb) Das Gericht ist auch nicht bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abgewichen (hierzu BVerfGE 75, 223 ≪234, 245≫; 82, 159 ≪195≫). Es ging vielmehr davon aus, in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu judizieren.
cc) Das Bundessozialgericht hat seinen Beurteilungsspielraum nicht in unvertretbarer Weise überschritten. Insbesondere sind die von den Beschwerdeführerinnen vertretenen Auffassungen zu den jeweiligen europarechtlichen Fragen denen des Bundessozialgerichts nicht eindeutig vorzuziehen.
(1) Soweit das Bundessozialgericht die Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts – Art. 85 ff. EGV (a.F., jetzt: Art. 81 ff. EG) – für unanwendbar gehalten hat, weil die gesetzlichen Krankenkassen keine Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften seien, ist diese Auffassung, bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt, zumindest gut vertretbar und zudem durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel vom 16. März 2004 (verbundene Rechtssachen C-264/01, C-306/01, C-354/01, C-355/01) in der Sache bestätigt worden.
Wie von den Beschwerdeführerinnen konzediert, hat sich das Bundessozialgericht im Ausgangspunkt seiner Betrachtung zu Recht an dem vom Europäischen Gerichtshof entwickelten funktionalen Unternehmensbegriff orientiert. Danach ist Unternehmen jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Bei Einrichtungen, die mit der Verwaltung von Systemen der sozialen Sicherheit betraut sind, stellt sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stets die Frage, ob es sich bei deren Tätigkeit um eine wirtschaftliche im Sinne vorstehender Definition handelt oder ob die Einrichtungen eine Aufgabe mit ausschließlich sozialem Charakter erfüllen. Der reichhaltigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt sich eine Vielzahl von Elementen entnehmen, die für oder wider eine wirtschaftliche Tätigkeit sprechen können. Dementsprechend kam der Europäische Gerichtshof bei der Beurteilung der Tätigkeiten diverser Sozialversicherungsträger zu unterschiedlichen Ergebnissen. Entscheidend ist jeweils der konkret betroffene Tätigkeits- und Funktionsbereich der Einrichtung.
Ein ganz wesentliches Kriterium für oder wider eine soziale Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Gedanke der Solidarität. In einer grundlegenden Entscheidung zur Frage der Unternehmenseigenschaft von Sozialversicherungsträgern hat der Europäische Gerichtshof ein französisches Krankenversicherungssystem, soweit es um die Pflichtmitgliedschaft im gesetzlichen System in der Alternative zur Mitgliedschaft bei einer privaten Versicherung ging, nicht dem Anwendungsbereich des Europäischen Wettbewerbsrechts unterworfen, weil die fragliche Einrichtung eine Aufgabe mit ausschließlich sozialem Charakter wahrnehme. Die ohne Gewinnzweck ausgeübte Tätigkeit beruhe nämlich auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität, Leistungen würden aufgrund Gesetzes und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht (Urteil vom 17. Februar 1993 – Rs. C-159/91 u. C-160/91 – “Poucet und Pistre”, Slg. 1993 I-00637, NJW 1993, S. 2597 ≪2598≫).
Das Bundessozialgericht hat sich in ausreichendem Maße mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Qualifizierung von Sozialversicherungsträgern als Unternehmen auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, welche Merkmale des deutschen Krankenversicherungssystems im Funktionsbereich des RSA seines Erachtens für das Vorliegen einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit der Krankenkassen sprechen. Es ist im Ergebnis davon ausgegangen, dass die gesetzliche Krankenversicherung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein auf dem Grundsatz der Solidarität beruhendes obligatorisches System der sozialen Sicherheit mit rein sozialem Charakter und ohne Gewinnzweck mit der Folge fehlender Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen sei. Dass dem Bundessozialgericht bei der Anwendung der vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien auf den konkret von ihm zu entscheidenden Fall ein Fehler solcher Art und solchen Gewichts unterlaufen wäre, dass die Nichtvorlage an den Europäischen Gerichtshof unvertretbar erschiene, lässt sich nicht feststellen.
Soweit das Bundessozialgericht darauf verwiesen hat, dass es dahingestellt bleiben könne, ob Krankenkassen dann als Unternehmen anzusehen seien, wenn sie zur Beschaffung von Sachleistungen auf dem Markt auftreten würden, hat es seinen Beurteilungsspielraum nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise überschritten. Tatsächlich entspann sich die jüngere europarechtliche Diskussion um die Unternehmenseigenschaft von gesetzlichen Krankenkassen vor allem in diesem so genannten Leistungserbringerbereich, dem Bereich also, in dem Krankenkassen als “Einkäufer” medizinischer Dienstleistungen auf dem – internationalen – Gesundheitsmarkt in Erscheinung treten. Der Meinungsstreit wurde insbesondere im Zusammenhang mit den deutschen Arzeimittelfestbeträgen virulent. Wegen Zweifeln an der europarechtlichen Vereinbarkeit der deutschen Vorschriften hatte u.a. der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 3. Juli 2001 – KZR 31/99 – VersR 2001, S. 1361) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet. Für diesen Zusammenhang bejahte die wohl überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bislang die Unternehmenseigenschaft der deutschen Krankenkassen. Die Regelungen des RSA betreffen die Krankenkassen jedoch gerade nicht in ihrer Rolle als Einkäufer medizinischer Dienstleistungen. Der RSA betrifft lediglich die “versichernde” Tätigkeit der Krankenkassen als solche.
Soweit die europarechtliche Vereinbarkeit des RSA überhaupt Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung war, wurde bereits vor der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16. März 2004 häufig die Meinung vertreten, dass der RSA nicht gegen Europäisches Recht verstoße, Krankenkassen im Funktionszusammenhang des RSA nicht unternehmerisch tätig würden (vgl. z.B. Axer, in: Wannagat, Sozialgesetzbuch, Loseblattkommentar, Stand: 2003, § 266 SGB V, Rz 45; deutlicher derselbe in SGb 2003, S. 485 ≪491≫; Becker, VSSR 2001, S. 277 ≪284≫; a.A. Sodan/Gast, Umverteilung durch “Risikostrukturausgleich”, 2002, S. 81 ff.). Soweit es in der Diskussion nicht speziell um die Auswirkungen des RSA ging, vollzog das Schrifttum die vom Bundessozialgericht vorgenommene, am funktionalen Unternehmensbegriff des Europäischen Gerichtshofs orientierte Differenzierung zwischen Tätigkeitsbereichen nach. Danach wurde die Unternehmenseigenschaft der deutschen Krankenkassen im Leistungserbringerbereich überwiegend bejaht (z.B. Pitschas, VSSR 1999, S. 221 ≪228, 234 f.≫; Gassner, VSSR 2000, S. 121 ≪135 ff.≫; Axer, NZS 2002, S. 57 ≪61 ff.≫; a.A. z.B. Knispel, NZS 1998, S. 563 ≪565 f.≫), in der Angebotskonstellation – also dem mittelbar von den Regelungen des RSA berührten Bereich der Mitgliedschaft – jedoch überwiegend verneint. Denn der Vorrat solidaritätsgeprägter Komponenten sei in der Krankenversicherung so groß, dass im Ergebnis die Krankenkassen keine Unternehmen nach den Kriterien des Europäischen Gerichtshofs darstellten (so Möller, VSSR 2001, S. 25 ≪35≫; ähnlich Rolfs, SGb 1998, S. 202 ≪204 f.≫; Becker, in: Igl (Hrsg.), Das Gesundheitswesen in der Wettbewerbsordnung, 2000, S. 329 ≪350≫; Ebsen, in: Igl (Hrsg.), Das Gesundheitswesen in der Wettbewerbsordnung, 2000, S. 298 ≪307 ff.≫; Bieback, EWS 1999, S. 361 ≪362 ff.≫; vgl. auch Penner, NZS 2003, S. 234 ≪238 f.≫; generell die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen verneinend Knispel, a.a.O.).
Dagegen hatte Generalanwalt Jakobs in dem Arzneimittelfestbetragsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (verbundene Rechtssachen C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01) in seinen Schlussanträgen vom 22. Mai 2003 (vgl. insbesondere Rz 35 ff.) die Unternehmenseigenschaft der deutschen Krankenkassen bejaht. Gleichwohl drängen sich Zweifel an den europarechtlichen Ausführungen des Bundessozialgerichts nicht in einer Weise auf, dass die Nichtvorlage an den Europäischen Gerichtshof unvertretbar erschiene.
Zum einen ist der Europäische Gerichtshofs den Anträgen des Generalanwalts in seinem Urteil vom 16. März 2004 nicht gefolgt und hat die Eigenschaft der betroffenen deutschen Kassenverbände und Kassen der Gesetzlichen Krankenversicherung als Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen im Sinne des Artikels 81 EG (auch) insoweit verneint, als diese Festbeträge festsetzen, bis zu deren Erreichen die Krankenkassen die Kosten von Arzneimitteln übernehmen. Zum anderen hatte bereits der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen aufgezeigt, dass speziell der RSA zu denjenigen zahlreichen Merkmalen des deutschen Krankenversicherungssystems zählt, die gegen das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit sprechen, und dies hat auch der Europäische Gerichtshof (a.a.O. Rz 51 ff.) bestätigt. Danach garantiert der RSA als interner Finanzausgleich die Solidarität innerhalb des Krankenversicherungssystems und ist somit als ein vom deutschen Gesetzgeber geschaffenes Instrument zur Verwirklichung des Solidargedankens für sich genommen bereits ein zentrales Kriterium, das im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gegen die Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts streitet. Das europäische Wettbewerbsrecht schon aus diesem Grunde für grundsätzlich unanwendbar zu erachten, wie es das Bundessozialgericht im Ergebnis getan hat, liegt also nicht fern.
(2) Das Vorlageverhalten des Bundessozialgerichts ist verfassungsrechtlich auch im Hinblick auf dessen Ausführungen zum Verbot wettbewerbsverfälschender Beihilfen gemäß Art. 92 EGV (a.F., jetzt: Art. 87 EG) und zum Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 59, 60 EGV (a.F., jetzt: Art. 49, 50 EG) im Zusammenhang mit dessen Darlegungen zur Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die in den Verfassungsbeschwerden niedergelegten Auffassungen sind denen des Bundessozialgerichts nicht eindeutig vorzuziehen. Dass dessen jeweilige Meinung zumindest gut vertretbar ist, zeigen entsprechende Äußerungen im Schrifttum, die ebenfalls davon ausgehen, dass der RSA weder gegen die Gewährleistung der Dienstleistungsfreiheit noch gegen das Verbot wettbewerbsverfälschender Beihilfen verstößt (vgl. Axer, in: Wannagat, Sozialgesetzbuch, Loseblattkommentar, Stand 2003, § 266 SGB V, Rz 45; derselbe, SGb 2003, S. 485 ≪492≫; Becker, VSSR 2001, S. 277 ≪284, Fußnote 28≫; derselbe, SDSRV 48 (2001), Soziale Sicherheit und Wettbewerb, S. 7 ≪39≫).
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1338546 |
EuGRZ 2004, 520 |
KrV 2004, 264 |
SGb 2004, 555 |