Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 15.05.2006; Aktenzeichen II ZR 48/05) |
OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.01.2005; Aktenzeichen I-6 U 5/04) |
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 22.06.2004; Aktenzeichen I-3 Wx 44/04) |
LG Düsseldorf (Beschluss vom 23.12.2003; Aktenzeichen 36 T 19/03) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 12.12.2003; Aktenzeichen 39 O 74/03) |
AG Düsseldorf (Beschluss vom 19.08.2003; Aktenzeichen HRB 827) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
A.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen verfahrensfehlerhaft in das Handelsregister eingetragenen Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, mit dem die Beschwerdeführerin als Minderheitsaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurde (Squeeze out).
1. Die Beschwerdeführerin, die Klägerin und Antragstellerin der beiden zugrunde liegenden Ausgangsverfahren ist, war Minderheitsaktionärin der beklagten Aktiengesellschaft. Am 13. Mai 2003 beschloss die Hauptversammlung der Beklagten gegen den Widerspruch der Beschwerdeführerin die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung. Dieser Beschluss wurde vor Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist bereits am 4. Juni 2003 in das Handelsregister eingetragen. Etwa eine Woche später – ebenfalls noch vor Ablauf der in § 246 Abs. 1 AktG bestimmten Anfechtungsfrist – erhob die Beschwerdeführerin gegen den Übertragungsbeschluss sowie gegen weitere Beschlüsse der Hauptversammlung Anfechtungsklage. Überdies regte sie die Einleitung eines Verfahrens zur Löschung des im Handelsregister bereits eingetragenen Übertragungsbeschlusses von Amts wegen an.
2. Das Amtsgericht lehnte die Fortsetzung des zunächst eingeleiteten Amtslöschungsverfahrens ab. Eine hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zum Landgericht blieb ebenso ohne Erfolg wie eine weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht (Beschluss veröffentlicht in NZG 2004, S. 824).
Zur Begründung führten die Gerichte aus, eine Löschung von Amts wegen komme nicht in Betracht. Die begehrte Löschung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses richte sich nach § 144 Abs. 2 FGG a.F., der als lex specialis der Anwendung von § 142 FGG a.F. vorgehe. Die hiernach für eine Löschung erforderliche Verletzung zwingender Vorschriften des Gesetzes durch den Inhalt des Beschlusses der Hauptversammlung sei nicht gegeben. Zwar sei der Beschwerdeführerin zuzugeben, dass die Eintragung verfahrensfehlerhaft entgegen der sich aus § 327e Abs. 2 in Verbindung mit § 319 Abs. 5 AktG ergebenden Wartefrist erfolgt sei. Hieraus folge jedoch nicht, dass der zugrunde liegende Beschluss der Hauptversammlung seinem Inhalt nach zwingende Vorschriften des Gesetzes verletze; lediglich das Eintragungsverfahren sei fehlerhaft gewesen. Eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses seinem Inhalt nach mache die Beschwerdeführerin mit den von ihr vorgetragenen Anfechtungsgründen auch nicht geltend. Zudem – so das Oberlandesgericht aufgrund einer Bezugnahme auf die Entscheidung des Landgerichts – biete das Gesetz der Beschwerdeführerin die Möglichkeit, durch eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Hauptversammlung letztlich doch noch eine Korrektur des Handelsregisters herbeizuführen.
3. Die parallel innerhalb der Anfechtungsfrist erhobene gestufte Nichtigkeits-, Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage der Beschwerdeführerin gegen den Übertragungsbeschluss sowie gegen weitere am 13. Mai 2003 gefasste Beschlüsse der Hauptversammlung wies das Landgericht ab. Das Oberlandesgericht wies die hiergegen gerichtete Berufung zurück. Die daraufhin erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision blieb ohne Erfolg.
Zur Begründung der Zurückweisung der Berufung führte das Oberlandesgericht unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts aus, für eine aktienrechtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage fehle der Beschwerdeführerin die Anfechtungsbefugnis und für die Nichtigkeitsfeststellungsklage das Feststellungsinteresse, da sie nicht mehr Aktionärin der beklagten Aktiengesellschaft sei.
Anfechtungsbefugt sei neben dem Vorstand, dessen Mitgliedern und den Mitgliedern des Aufsichtsrates nach § 245 Nr. 1 AktG nur der Aktionär. Die Beschwerdeführerin habe mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister ihre Aktionärsstellung verloren, weil hiermit ihre Aktien auf den Hauptaktionär übergegangen seien. Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses, die im registerrechtlichen Amtslöschungsverfahren Bestand gehabt habe, entfalte Tatbestandswirkung für das materiell-rechtliche Verfahren. Insofern komme es nur auf den Bestand der Handelsregistereintragung als Hoheitsakt an, der als solcher hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit nicht mehr zu überprüfen sei.
Auch der Rechtsgedanke aus § 265 Abs. 2 ZPO helfe der Beschwerdeführerin nicht weiter, da er den Verlust der Aktivlegitimation während des laufenden Prozesses voraussetze. Vorliegend sei die Klägerin aber schon bei Erhebung der Klage nicht mehr Aktionärin gewesen. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift über die Anfechtungsbefugnis fehle es an der dafür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke, weil der Gesetzgeber eine Registersperre vor der Entscheidung im Anfechtungsverfahren vorgesehen habe. Anstatt einer der Grundkonzeption des Gesetzes zuwiderlaufenden analogen Anwendung bestehender Vorschriften sei die Beschwerdeführerin daher auf den ihr allein noch eröffneten Sekundärrechtsschutz zu verweisen, nämlich die Möglichkeit, Geldersatz im Wege der Amtshaftungsklage oder der Geltendmachung eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff zu erlangen. Dies sei ausreichend, weil das Anteilseigentum eines Aktionärs nicht gegen den Verlust der Mitgliedschaft schütze, sondern der Entzug allein des vollen Ausgleichs des verlorenen Vermögenswertes bedürfe. Dementsprechend geböten auch übergeordnete Gesichtspunkte nicht, der Beschwerdeführerin über den Sekundärrechtsschutz hinaus Primärrechtsschutz in Form einer als fortbestehend fingierten Anfechtungsbefugnis (§ 245 Nr. 1 bis 3 AktG) zu gewähren.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG durch die im Registerverfahren ergangenen Beschlüsse sowie durch die Entscheidungen im Rahmen des Anfechtungsverfahrens. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, infolge der angegriffenen Entscheidungen werde ihr effektiver Rechtsschutz verweigert. Während sich die Gerichte im Registerverfahren darauf berufen hätten, eine materiell-rechtliche Auseinandersetzung mit ihrem Anfechtungsbegehren könne nicht im Registerverfahren erfolgen, hätten sie sich im Anfechtungsverfahren nicht mit ihrem Vorbringen in der Sache auseinandergesetzt, weil sie sich auf die tatbestandliche Wirkung der Entscheidungen im Registerverfahren gestützt hätten. Die Fachgerichte hätten sich demnach insgesamt mit ihrem Vortrag und den damit verbundenen Sach- und Rechtsfragen inhaltlich nicht auseinandergesetzt.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Rechtsnachfolgerin der im Anfechtungsverfahren beklagten Aktiengesellschaft, die mittlerweile in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) umgewandelt worden ist, sowie für die Bundesregierung das Bundesministerium der Justiz Stellung genommen. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat eine Äußerung des II. Zivilsenats übermittelt, der für das Gesellschaftsrecht zuständig ist. Die Akten der Ausgangsverfahren sind beigezogen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).
I.
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Beschlüsse der Registergerichte (Rubrum unter Ziffer 1.) wendet, ist ihre Verfassungsbeschwerde wegen Versäumung der einmonatigen Einlegungsfrist (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) bereits unzulässig. Die im registerrechtlichen Verfahren letztinstanzliche Entscheidung des Oberlandesgerichts wurde der Beschwerdeführerin bereits im Juli 2004 zugestellt. Mit ihrer etwa zwei Jahre später eingegangenen Verfassungsbeschwerde konnte die Beschwerdefrist nicht gewahrt werden.
II.
Hinsichtlich der im Anfechtungsverfahren ergangenen gerichtlichen Entscheidungen (Rubrum unter Ziffer 2.) liegen die Annahmevoraussetzungen ebenfalls nicht vor.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG). Sie wirft keine verfassungsrechtlichen Fragen auf, die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung beantwortet sind oder an deren Klärung ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse besteht (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 f.≫). Namentlich die Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Grundsatz geklärt (vgl. etwa BVerfGE 112, 185 ≪208≫). Die spezielle Frage, ob der Verfahrensfehler des Registergerichts und die verfrühte Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister die Fachgerichte im Blick auf die Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und die Grundsätze eines fairen Verfahrens im Rahmen des nachfolgenden Anfechtungsverfahrens dazu hätten veranlassen müssen, die Beschwerdeführerin für anfechtungsbefugt zu erachten, gilt einer besonderen Fallkonstellation. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass – der gesetzlich vorgesehenen Registersperre zuwiderlaufend und damit entgegen dem Regelfall ihrer Beachtung durch die Registergerichte – versehentlich ein Übertragungsbeschluss nach § 327a Abs. 1 AktG in das Handelsregister eingetragen wurde und dieses Versehen zugleich der in einem gesonderten Verfahren beabsichtigten fristgerechten Anfechtung desselben Beschlusses die rechtliche Grundlage entzog. Es handelt sich mithin – worauf auch in den Stellungnahmen des Bundesministeriums der Justiz sowie des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hingewiesen wird – um einen seltenen Ausnahmefall, dessen außergewöhnliche Umstände ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse und damit eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu begründen vermögen (vgl. BVerfGE 90, 24 ≪25≫).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der im Anfechtungsverfahren ergangenen Entscheidungen überdies nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG). Die geltend gemachte Verletzung verfassungsmäßiger Rechte hat unter den Gegebenheiten des vorliegenden Falles kein besonderes Gewicht und die Beschwerdeführerin ist auch sonst nicht in existentieller Weise betroffen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫).
Ausweislich des unwidersprochen gebliebenen Vorbringens der Rechtsnachfolgerin der Beklagten des Ausgangsverfahrens in ihrer Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde war die Beschwerdeführerin an der Aktiengesellschaft mit nur fünf Aktien in einem damaligen Gesamtwert von deutlich unter 100 EUR beteiligt. Angesichts dessen scheidet eine existentielle Betroffenheit durch die angegriffenen Entscheidungen aus. Dass die Beschwerdeführerin ihre Aktien erworben haben könnte, um als Sachwalter der Interessen auch anderer Kleinaktionäre aufzutreten, ändert diese Betrachtung nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2000 – 1 BvR 68/95 und 1 BvR 147/97 –, NJW 2001, S. 279 ≪281≫). In Anbetracht der verschwindend geringen Gesellschaftsbeteiligung spricht zudem nichts dafür, dass die angegriffenen Entscheidungen geeignet wären, die Beschwerdeführerin zukünftig von der Ausübung ihrer Grundrechte abzuhalten. Schließlich lässt sich nicht feststellen, dass die Gerichte den Schutzbereich der Grundrechte der Beschwerdeführerin grob verkannt hätten. Insbesondere das Oberlandesgericht hat sich in den Gründen seiner die Berufung zurückweisenden Entscheidung ausführlich mit dem Schutzbedürfnis der Beschwerdeführerin als Minderheitsaktionärin auseinandergesetzt. Eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten oder eine krasse Verletzung von rechtsstaatlichen Grundsätzen steht mithin nicht in Frage. Daher ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde auch unter diesem Gesichtspunkt nicht veranlasst.
3. Auf die weitergehende Frage, inwieweit die im Registerverfahren sowie im Anfechtungsverfahren ergangenen Entscheidungen verfassungsrechtlichen Bedenken im Blick auf die Wahrung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs der Beschwerdeführerin und der Erfordernisse eines fairen Verfahrens begegnen, kommt es danach nicht an. Zu bemerken ist jedoch Folgendes: Das Zusammenwirken der einfachrechtlich – jeweils für sich betrachtet – in vertretbarer Weise ergangenen und begründeten Entscheidungen der Fachgerichte im Registerverfahren sowie im Anfechtungsverfahren legt hier eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren Verfahrensgrundrechten nahe.
a) Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der allgemeine Justizgewährungsanspruch unter Berücksichtigung der Grundsätze eines fairen Verfahrens. Der sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Justizgewährungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291≫).
Diese Garantie effektiven Rechtsschutzes richtet sich auch an den Richter, der die Verfahrensordnung anwendet (vgl. BVerfGE 97, 298 ≪315≫). Das Gericht darf ein von der Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leerlaufen” lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 ≪98 f.≫; 96, 27, ≪39≫). Demgemäß verbietet es das Rechtsstaatsgebot dem Gericht, bei der Auslegung und Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen von Voraussetzungen abhängig zu machen, die unerfüllbar oder unzumutbar sind oder den Zugang in einer Weise erschweren, die aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BVerfGE 112, 185 ≪208≫). Dabei dürfen aus eigenen oder den Gerichten zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Nachteile für die Verfahrensbeteiligten abgeleitet werden (vgl. BVerfGE 78, 123 ≪126≫; 110, 339 ≪342≫). Insbesondere ist den Gerichten nicht gestattet, Gründe für die Abweisung von Anträgen als unzulässig durch eine eigene verfahrensfehlerhafte Antragsbehandlung selbst herbeizuführen (vgl. BVerfGK 10, 129 ≪132≫).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen dürfte der Rechtsschutz der Beschwerdeführerin durch die im Registerverfahren und im Anfechtungsverfahren ergangenen Entscheidungen – jedenfalls in ihrem faktischen Zusammenwirken – in unzumutbarer und damit verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise eingeschränkt worden sein. Dies zeigt sich deutlich anhand der beiden Entscheidungen des Oberlandesgerichts im Registerverfahren sowie im Anfechtungsverfahren, die unterschiedliche Senate dieses Gerichts getroffen haben. So macht sich der – im Registerverfahren ergangene – die weitere Beschwerde zurückweisende Beschluss die Argumentation der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung zu eigen, wonach der Weg zu einer Korrektur des Handelsregisters nur noch durch eine erfolgreiche Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage der Beschwerdeführerin eröffnet werden könne. Auf der anderen Seite verweist das – im Anfechtungsverfahren ergangene – die Berufung zurückweisende Urteil darauf, dass die von der Beschwerdeführerin erhobene Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage schon deshalb ohne Erfolg bleibe, weil die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt des Rechtsstreits mehr Aktionärin der Beklagten gewesen sei; denn die im Handelsregister bereits vor Klageerhebung erfolgte Eintragung des Übertragungsbeschlusses zeitige für das Anfechtungsverfahren als Hoheitsakt Tatbestandswirkung. Im Ergebnis wurde der Beschwerdeführerin aufgrund dieser wechselseitigen Bezugnahmen der Entscheidungen im Registerverfahren sowie im Anfechtungsverfahren die Möglichkeit genommen, dass die von ihr gegen den Übertragungsbeschluss erhobenen Einwände in der Sache geprüft wurden.
Da der Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung eines Übertragungsbeschlusses eröffnet hat (vgl. § 327f Satz 1 AktG), nimmt der von ihm vorgesehene Primärrechtsschutz an der Schutzwirkung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs teil und kann nicht durch den schlichten Verweis auf einen möglichen Sekundärrechtsschutz im Wege der Amtshaftungsklage abgegolten werden. Zwar ist zutreffend, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung aus einer Aktiengesellschaft auszuschließen und so die Schutzrechte dieser Aktionäre weitgehend auf die Vermögenskomponente zu konzentrieren (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2000 – 1 BvR 68/95 und 1 BvR 147/97 –, NJW 2001, S. 279). Indessen geht das Oberlandesgericht in der Einschätzung fehl, es bedürfe aus diesem Grunde keines wie auch immer gearteten Rechtsschutzes, sofern nur eine vermögensrechtliche Kompensation vorgesehen sei. Zutreffend ist vielmehr, dass auch der Entzug der Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs in dessen Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG eingreift. Damit ein solcher Eingriff einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält, muss mit ihm ein legitimer Zweck verfolgt werden. Zudem ist sicherzustellen, dass die Minderheitsaktionäre vollen Wertersatz für den Verlust ihrer Aktien erhalten, und schließlich ist effektiver Rechtsschutz gegen den Ausschluss zu gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. Mai 2007 – 1 BvR 390/04 –, ZIP 2007, S. 1261 ≪1262≫ unter Bezug auf BVerfGE 100, 289 ≪303≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2000 – 1 BvR 68/95 und 1 BvR 147/97 –, NJW 2001 S. 279 f.; vgl. ferner Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2007 – 1 BvR 2984/06 –, ZIP 2007, S. 2121 ≪2122≫). Wie und in welchem Umfang der erforderliche effektive Rechtsschutz im Einzelnen zu statuieren ist, bleibt im Wesentlichen dem Gesetzgeber überlassen. Insoweit bedarf der Justizgewährungsanspruch der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 85, 337 ≪345 f.≫). Dort aber, wo der Gesetzgeber – wie hier – eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen hat, darf der Zugang zu ihr nicht unzumutbar erschwert werden (vgl. BVerfGE 74, 228 ≪234≫).
Eine solche unzumutbare und deshalb verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Erschwerung des Zugangs zu einer gerichtlichen Prüfung des Übertragungsbeschlusses liegt hier nahe. Die von den Fachgerichten in den gesondert geführten Verfahren getroffenen Entscheidungen mögen zwar – je für sich betrachtet – vertretbar sein; einfachrechtlich zwingend erscheinen sie indessen nicht. Sind aber mehrere Auslegungen einer gesetzlichen Bestimmung möglich, muss regelmäßig die verfassungskonforme Interpretation gewählt werden. Dabei dürften hier weder die von der neueren fachgerichtlichen Rechtsprechung weitgehend einhellig angenommene Spezialität des § 144 Abs. 2 FGG a.F. (nunmehr § 398 FamFG) gegenüber § 142 FGG a.F. (nunmehr § 395 FamFG) (aa)) noch die Regelung des § 245 Nr. 1 AktG (bb)) einer verfassungskonformen Auslegung unübersteigbare Grenzen setzen (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪278 f.≫; 97, 186 ≪196≫). Deshalb erscheinen verschiedene – hier nicht abschließend aufzuführende und zu erörternde – Möglichkeiten zur Überwindung der sonst drohenden Verkürzung der Justizgewähr eröffnet, ohne dass aus verfassungsrechtlicher Sicht eine bestimmte einfachrechtliche Lösung geboten wäre.
aa) Im Einklang mit der Rechtsprechung weiterer Gerichte (vgl. nur BayObLG, GmbHR 1992, S. 304 ≪305≫; KG, OLGR 2000, S. 60; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2001, S. 1326; OLG Köln, RPfleger 2002, S. 209; OLG Frankfurt a.M., NZG 2002, S. 91) hat das Oberlandesgericht in seinem das Registerverfahren rechtskräftig beendenden Beschluss angenommen, dass § 144 FGG a.F. für die Löschung von in das Handelsregister eingetragenen Beschlüssen bei einer Aktiengesellschaft eine im Verhältnis zu § 142 FGG a.F. abschließende Regelung enthalte. Ein entgegenstehender Ansatz findet sich hingegen schon in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RGZ 85, 205 ≪208 f.≫). Das Reichsgericht ging dabei nicht von einer generellen Vorrangigkeit der Regelung des § 144 FGG a.F. aus, sondern beschränkte dessen Anwendbarkeit auf die Korrektur von Mängeln, die dem Hauptversammlungsbeschluss selbst anhaften, während es für die Fallgestaltung einer „wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässigen Eintragung” die erleichterte Löschungsmöglichkeit nach § 142 FGG a.F. auch in Bezug auf bei Kapitalgesellschaften gefasste Beschlüsse als eröffnet sah. Dieser in der fachgerichtlichen Rechtsprechung aufgegebene Ansatz findet im Schrifttum bis in die heutige Zeit namhafte Anhänger (so: Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 241 Rn. 242; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 241 Rn. 34; Hüffer, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 2001, § 241 Rn. 81; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 241 Rn. 143; ähnlich: Raiser, in: Ulmer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 66; Ulmer, in: Ulmer, GmbHG, § 54 Rn. 60 f.; Priester, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 54 Rn. 85).
Zur Vermeidung einer drohenden Verletzung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs liegt daher für den hier gegebenen Sachverhalt einer verfrühten Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister im Wege verfassungskonformer Auslegung eine Anknüpfung an diesen Ansatz nahe. Die Löschung des versehentlich eingetragenen Beschlusses würde dann die negativen tatbestandlichen Vorgaben für das Anfechtungsverfahren entfallen lassen, sodass die mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage befassten Fachgerichte nicht mehr an einer Sachentscheidung über die gegen den Hauptversammlungsbeschluss erhobenen Einwände gehindert wären.
bb) Weiter kommt in Betracht, dem von einem verfrüht eingetragenen Übertragungsbeschluss betroffenen Minderheitsaktionär im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 245 Nr. 1 AktG – auch bei Fortbestand der Eintragung des Beschlusses im Handelsregister – unmittelbar im Anfechtungsverfahren zu einer Durchsetzung seines allgemeinen Justizgewährungsanspruchs zu verhelfen.
Zwar unterliegt es aus einfachrechtlicher Sicht keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Gerichte die Stellung der Beschwerdeführerin als Aktionärin zum Zeitpunkt der Klageerhebung für erforderlich hielten und weder eine analoge Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO noch eine andere Auslegung des § 245 Nr. 1 AktG für geboten erachtet haben. Gleichwohl erscheint auch die Möglichkeit einer anderen Auslegung des § 245 Nr. 1 AktG und damit einer Bejahung der Anfechtungsbefugnis eröffnet. Anstatt – wie geschehen – das gesetzlich in seinen Folgen nicht gesondert geregelte Versehen des Registergerichts zum Grund zu nehmen, die Beschwerdeführerin aus dem Kreis der ursprünglich Anfechtungsbefugten auszuschließen, wäre auch eine weitergehende Auslegung von § 245 Nr. 1 AktG in Betracht zu ziehen gewesen, um der vom Gesetzgeber vorgesehenen, verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit gegen den von der Hauptversammlung gefassten Übertragungsbeschluss – trotz der versehentlichen Missachtung der im Registerverfahren über § 327e Abs. 3 in Verbindung mit § 319 Abs. 5 AktG vorgesehenen Registersperre – Geltung zu verschaffen und die ursprünglich gegebene Anfechtungsbefugnis auch nach der verfrühten Registereintragung zu bejahen (so im Ergebnis etwa Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, § 327e Rn. 10; Schnorbus, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 327e Rn. 27).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen