Verfahrensgang
AG Schweinfurt (Vorlegungsbeschluss vom 21.05.2009; Aktenzeichen XVI 0006/07) |
Tenor
Die Vorlage ist unzulässig.
Tatbestand
I.
Das Vorlageverfahren betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 7 Satz 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes – LPartG – (in der Fassung vom 15. Dezember 2004, BGBl I S. 3396) in Verbindung mit § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB.
1. Dem Bundesverfassungsgericht ist die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG (in der Fassung vom 15. Dezember 2004, BGBl I S. 3396) in Verbindung mit § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB insoweit mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar ist, als einem Lebenspartner bei der Annahme des leiblichen Kindes des anderen Lebenspartners eine dem leiblichen Elternteil gleiche Rechtsstellung zu dem Kind eingeräumt wird.
2. Das Ausgangsverfahren betrifft die Annahme des im Juli 2006 geborenen Kindes L. durch Frau K. Die Annehmende, Frau K., und die Kindesmutter begründeten am 2. Mai 2006 vor dem Notar in Sch. eine Lebenspartnerschaft. Die Annehmende beantragte mit notarieller Urkunde vom 13. November 2006 am 21. März 2007 die Annahme des Kindes L. Die Kindesmutter willigte mit gleicher Urkunde in eigenem Namen und als alleinige gesetzliche Vertreterin des Kindes in die Annahme ein. Der leibliche Vater erklärte mit gleicher Urkunde ebenfalls seine Einwilligung zu der beabsichtigten Annahme des Kindes durch die Annehmende. Das zuständige Jugendamt befürwortete in seiner Stellungnahme unter Kindeswohlgesichtspunkten die beabsichtigte Adoption. Zwischen der Annehmenden und dem Kind bestehe eine Mutter-Kind-Beziehung. Durch die Adoption werde die bereits bestehende soziale Elternschaft auch rechtlich bekräftigt.
Das Gericht hat das Adoptionsverfahren ausgesetzt. Auf die Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 7 LPartG in Verbindung mit § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB komme es bei der zu treffenden Entscheidung allein an. Im Hinblick auf die Sachlage habe das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG in Verbindung mit § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB gegeben seien und die begehrte Adoption daher auszusprechen wäre, wenn die fragliche Vorschrift dem Grundgesetz entspräche. Insbesondere beständen keinerlei Zweifel an der persönlichen Eignung der Annehmenden. Im konkreten Fall seien auch die Voraussetzungen des § 1741 BGB gegeben. Nach dem Bericht des Jugendamtes sei zwischen der Annehmenden und dem Kind ein Mutter-Kind-Verhältnis bereits entstanden und abgesehen von der Tatsache, dass die Annehmende und die Kindesmutter in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebten, wäre davon auszugehen, dass die beabsichtigte Adoption dem Kindeswohl diene.
Jedoch sei § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG in Verbindung mit § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB zur Überzeugung des Gerichts verfassungswidrig und nichtig, da er gegen das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verstoße, indem er durch den Verweis auf § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB den annehmenden Lebenspartner dem leiblichen Elternteil des Kindes gleichstelle.
Der annehmende Lebenspartner sei nicht schon deshalb Elternteil im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, weil ihm § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG in Verbindung mit § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB diese Stellung zuweise. Denn eine solche Auffassung würde nach Art eines Zirkelschlusses verkennen, dass die verfassungsrechtliche Haltbarkeit einer Rechtsstellung nicht davon abhängen könne, dass sie einfachrechtlich gewährt werde. Vielmehr dürfe der Gesetzgeber dem annehmenden Lebenspartner eine dem leiblichen Elternteil gleiche Rechtsstellung nur dann einräumen, wenn er damit nicht gegen die grundgesetzliche Entscheidung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verstoße. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erkenne den Eltern das „natürliche Recht” zur Kindererziehung vorrangig vor allen anderen möglicherweise mit Erziehungsauftrag ausgestatteten Personen zu.
Zur Frage, welche Personen „Eltern” im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sein könnten, habe das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach festgestellt, dass das Grundgesetz als selbstverständlich voraussetze, dass Eltern eines Kindes dessen Vater und dessen Mutter seien (Hinweis auf BVerfGE 108, 82). Mit „Vater” und „Mutter” seien hier verschiedengeschlechtliche Personen gemeint, wobei unter „Geschlecht” das biologische Geschlecht zu verstehen sei. Die zitierte Entscheidung kreise zwar um die Frage der Rechtsstellung des sogenannten „biologischen Vaters”, indessen seien grundsätzliche Überlegungen daraus auch hier relevant. Denn gerade aus dem Umstand, „dass ein Kind nur von einem Elternpaar abstammen könne”, schließe das Bundesverfassungsgericht, „dass der Verfassungsgeber auch nur einem Elternpaar das Elternrecht für ein Kind habe zuweisen wollen” (Hinweis auf BVerfGE 108, 82 ≪101≫).
Das Bundesverfassungsgericht stelle also gerade auf die für die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Elternrechts schlechthin konstituierenden Strukturmerkmale ab, die sich letztlich aus der biologischen Beschaffenheit des Menschen herleiten ließen und vom Verfassungsgeber vorgefunden und als selbstverständlich vorausgesetzt worden seien. Diesen Strukturmerkmalen und damit der grundgesetzlichen Wertordnung entsprächen weder einfachrechtliche Vorschriften, die eine durch Adoption entstandene Vielzahl von Müttern beziehungsweise Vätern zuließen, noch solche, die eine Adoption vorsähen beziehungsweise erlaubten, die die rechtliche Existenz eines gleichgeschlechtlichen „Elternpaares” nach sich zöge.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist unzulässig.
1. a) Der Vorlage eines Gerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG muss neben der Begründung, inwiefern die in einem bestimmten Verfahren zu treffende Entscheidung von der Gültigkeit der vorgelegten Rechtsnorm abhängig ist und mit welcher Verfassungsnorm sie nicht vereinbar ist, die Angabe enthalten, welches Verfahren davon betroffen ist, welcher Spruchkörper oder Richter darüber zu entscheiden und insofern die Entscheidung über die Vorlage getroffen hat, und muss wie jede schriftlich abzusetzende Entscheidung unterschrieben sein (s. auch §§ 313, 315 ZPO).
b) Dem genügt die Vorlage in keiner Weise. Sie gibt im Beschlusstenor an, das „Amtsgericht Schweinfurt” halte die Regelung des § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG in Verbindung mit § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB für verfassungswidrig, ohne zu erkennen zu geben, welcher Richter den Beschluss getroffen hat. In welchem Verfahren der Beschluss ergangen ist, erschließt sich nur durch die beigefügte Verfahrensakte. Schließlich ist der Beschluss im Original, wie er sich in der Verfahrensakte befindet, nicht unterschrieben.
2. Darüber hinaus genügt der Beschluss nicht dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.
Abgesehen davon, dass das Gericht weder auf die Entstehungsgeschichte von Art. 6 GG und eventuelle Rückschlüsse daraus auf die Trägerschaft des Elternrechts eingegangen ist noch auf einen möglichen, auf die Interpretation von Art. 6 GG Einfluss nehmenden Wandel des Rechtsverständnisses von Elternschaft, hat es sich nur ungenügend mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der in der Literatur vertretenen Auffassungen zu der Frage, wer Träger des Elternrechts sein kann, auseinandergesetzt.
Soweit das Gericht meint, § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG in Verbindung mit § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB sei verfassungswidrig und nichtig, weil die Norm gegen das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verstoße, indem durch den Verweis auf § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB der annehmende Lebenspartner dem leiblichen Elternteil des Kindes gleichgestellt wird, geht das Gericht nicht darauf ein, dass die Gleichstellung des Annehmenden mit dem leiblichen Elternteil nicht nur bei Annahme eines Kindes durch einen Lebenspartner erfolgt, sondern auch bei Annahme durch einen Ehepartner. Auch setzt es sich nicht damit auseinander, dass für die Vermittlung des Elternrechts neben der biologischen Abstammung auch rechtlichen und sozialen Tatbeständen Bedeutung beigemessen werden kann (vgl. BVerfGE 92, 158 ≪178≫), die Elternstellung zu einem Kind im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG damit nicht allein durch die Abstammung, sondern auch aufgrund der sozial-familiären Verantwortungsgemeinschaft vermittelt wird (vgl. BVerfGE 56, 363 ≪382≫; 61, 358 ≪372≫; 103, 89 ≪107≫), diese gleichermaßen den Gehalt von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ausmacht (vgl. BVerfGE 108, 82 ≪101, 106≫) und dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die leibliche Elternschaft gegenüber der rechtlichen und sozial-familiären Elternschaft keine Vorrangstellung einnimmt (vgl. BVerfGE 108, 82 ≪105 f.≫).
Soweit das Gericht seine Annahme von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Stiefkindadoption eines Lebenspartners auf die Erwägung stützt, Eltern eines Kindes könnten nur dessen Mutter und Vater sein und sich dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003 (BVerfGE 108, 82) stützt, verkennt es, dass sich das Bundesverfassungsgericht darin nicht mit der Frage der zwischen den Eltern bestehenden Geschlechterkonstellation, sondern mit der Begrenzung der Trägerschaft des Elternrechts befasst hat. Schließlich zieht das Gericht nicht in seine Erwägungen mit ein, dass Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht die Eltern als Gemeinschaft sind, sondern jeder Elternteil für sich (vgl. BVerfGE 47, 46 ≪76≫; 99, 145 ≪164≫). Etwaigen Folgerungen hieraus für die Frage, wer unter welchen Voraussetzungen Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sein kann, geht das Gericht nicht nach.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen
FamRZ 2009, 1653 |
JA 2010, 72 |
FamRB 2009, 329 |
FamRB 2009, 378 |
ZKJ 2010, 65 |