Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 07.12.2007; Aktenzeichen 103-34/07) |
Tenor
Der Vorsitzende Richter der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Köln wird angewiesen, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit es dem Beschwerdeführer ermöglicht wird, am 11. Dezember 2007 und den folgenden Verhandlungstagen 15 Minuten vor Beginn und nach Ende der Verhandlung sowie in den Verhandlungspausen Filmaufnahmen unter Einschluss der Verfahrensbeteiligten und des Angeklagten zu fertigen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe
Verfassungsbeschwerde und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffen sitzungspolizeiliche Maßnahmen über das Fertigen von Fernsehaufnahmen aus einer Hauptverhandlung in Strafsachen.
I.
1. Der als Fernsehjournalist tätige Beschwerdeführer beabsichtigt eine Fernsehberichterstattung über das Geschehen am Rande der Verhandlung einer Strafsache, die vor einer Strafkammer des Landgerichts Köln am 11. Dezember 2007 fortgesetzt werden soll.
Dem Angeklagten liegen zwei Banküberfälle zur Last. Über die Tat und die Eröffnung der Hauptverhandlung war in drei Tageszeitungen der Massenpresse am 22. November 2007 unter Veröffentlichung eines Phantombilds des Angeklagten und zweier von einer Überwachungskamera bei der Tatbegehung gefertigte Bildnisse des Angeklagten berichtet worden.
Der Beschwerdeführer erbat am 6. Dezember 2007 bei dem Landgericht die Erteilung einer Drehgenehmigung für das Geschehen am Rande der anstehenden Fortsetzungstermine. Die Verteidiger des Angeklagten teilten auf Bitte des Vorsitzenden um eine Stellungnahme zu diesem Antrag am 6. Dezember 2007 mit, dass Gründe für einen Ausschluss der Öffentlichkeit nicht ersichtlich seien und zur Überzeugung der Verteidigung und des Angeklagten eine herabwürdigende oder den persönlichen Lebensbereich des Angeklagten verletzende Berichterstattung nicht stattfinden werde.
2. Mit Anordnung des Vorsitzenden der Strafkammer vom 7. Dezember 2007 hat dieser unter Zurückweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Drehgenehmigung die Anfertigung von Fernsehaufnahmen vor und nach der Hauptverhandlung in Anwesenheit von Verfahrensbeteiligten untersagt.
Die Anordnung diene der ordnungsgemäßen, am Grundsatz der Fairness orientierten Durchführung des Strafverfahrens. Es sei unter anderem auch die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu prüfen. Ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit, dem unter dem Gesichtspunkt medientypisch geforderter Authentizität nur eine filmische oder bildliche Darstellung der Vorgänge im Umfeld der Verhandlung gerecht werden könnte, sei nicht ersichtlich. Zwar sei über die Tat in der örtlichen Presse berichtet worden. Ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an Abbildungen des Angeklagten oder der übrigen Verfahrensbeteiligten, welches die Zulassung von Film- und Tonaufnahmen im Sitzungssaal aus verfassungsrechtlichen Gründen gebieten könnte, sei aber nicht zu erkennen.
3. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der ihm die Anfertigung von Filmaufnahmen aus dem Sitzungssaal bei Anwesenheit des Angeklagten und der übrigen Verfahrensbeteiligten ermöglicht werden soll. Auf den Schutz des Grundrechts könne sich auch der Beschwerdeführer als für das Fernsehen tätiger Journalist berufen. Auf ein besonderes Gewicht der verfolgten Informationsinteressen könne es hier nicht ankommen. Da die Verteidiger des Angeklagten und dieser ihre Zustimmung zu der beabsichtigten Berichterstattung erteilt hätten, stünden ihre Belange der beabsichtigten Berichterstattung nicht entgegen. Die angeklagten und jedenfalls nicht als Bagatelldelikt einzustufenden Raubtaten des Angeklagten hätten zudem bereits deutlichen Rückhall in der Massenpresse gefunden. Von den übrigen Verfahrensbeteiligten sei die beabsichtigte Berichterstattung grundsätzlich hinzunehmen.
Jedenfalls innerhalb einer Folgenabwägung komme daher dem Interesse des Beschwerdeführers an Zulassung zu der beabsichtigten Berichterstattung ein Übergewicht zu. Eine Nachholung der beabsichtigten Berichterstattung sei nicht möglich und es lasse sich insbesondere nicht ausschließen, dass die Hauptverhandlung bereits an dem für den 11. Dezember 2007 bevorstehenden Termin durch Urteilsverkündung beendet werde.
II.
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung regeln, wenn dies insbesondere zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten ist.
Hiernach ist der Antrag gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG begründet. Bei der gebotenen Abwägung der für und gegen eine einstweilige Anordnung sprechenden Gründe überwiegen diejenigen, die eine Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtfertigen.
1. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, so könnte eine Fernsehberichterstattung über das Strafverfahren nicht in einer den Informationsinteressen der Öffentlichkeit gerecht werdenden Weise stattfinden. Von dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Berichterstattungsinteresse des Beschwerdeführers ist die bildliche Dokumentation des Erscheinens und der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal umfasst. Die Straftat hat zwei Raubtaten zum Gegenstand, über die in der Massenpresse teils auch unter Beigabe von Bildnissen des Angeklagten berichtet worden war und deren Fortgang damit auf ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit stoßen kann.
Mit dem angeordneten umfassenden Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen würde der Beschwerdeführer unwiederbringlich gehindert, die Geschehnisse im Sitzungssaal zu dokumentieren, um dem gegenwärtig besonders lebhaften Interesse der Öffentlichkeit an Informationen und damit auch an einer Bildberichterstattung über das Verfahren und die Verhandlung mit den Beteiligten Rechnung zu tragen. Eine derartige Beschränkung der Berichterstattungstätigkeit des Beschwerdeführers wäre ein schwerer Nachteil.
2. Erginge die einstweilige Anordnung, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde aber später als unbegründet, so wären Filmaufnahmen von den Verfahrensbeteiligten gefertigt worden, auf die der Beschwerdeführer keinen Anspruch hatte. Die hieraus zu erwartenden Nachteile wiegen jedoch gering und können zudem allenfalls mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit in die Folgenabwägung eingestellt werden.
a) Eine Beeinträchtigung von Belangen der Wahrheitsfindung aus der Zulassung von Filmaufnahmen der Angeklagten und ihrer Verteidiger sowie eine Beeinträchtigung der Belange ihres Persönlichkeitsschutzes liegt fern. Die Verteidiger des Angeklagten hatten im eigenen Namen sowie ausdrücklich auch für den Angeklagten verneint, dass der beabsichtigten Berichterstattung Bedenken entgegen stünden und im Gegenteil die Zulassung der Öffentlichkeit ausdrücklich befürwortet. Es bedurfte einer besonderen Begründung, wollte der Vorsitzende gleichwohl entgegen der ausdrücklichen Einschätzung der Verteidiger die Zulassung eines einzelnen Fernsehberichterstatters aus Gründen der Gefährdung eines fairen Verfahrens unterbinden. Solche Gesichtspunkte sind angesichts der Stellungnahme der Verteidiger des Angeklagten nicht schon damit aufgezeigt, dass der Vorsitzende auch auf das Erfordernis hingewiesen hat, die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu prüfen.
b) Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Richter und Schöffen aus einer Anfertigung und Verbreitung von Filmaufnahmen sind von diesen hinzunehmen, da sie Kraft des ihnen übertragenen Amtes anlässlich einer öffentlichen Verhandlung ohnedies im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der Medienöffentlichkeit stehen. Eines erheblichen und gesteigerten Informationsinteresses der Öffentlichkeit, wie es für die Zulassung einer Verbreitung von Abbildungen des Angeklagten ohne oder gegen dessen Willen zu fordern ist, bedarf es insoweit nicht. Ein Interesse der Richter und Schöffen, in ihrer Person nur durch die in der Sitzung Anwesenden wahrgenommen zu werden, ist angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit für ein rechtsstaatliches Strafverfahren regelmäßig nicht anzuerkennen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. Juli 2000 – 1 BvQ 17/00 –, NJW 2000, S. 2890 ≪2891≫). Die Anfertigung von Bildnissen dieses Personenkreises aus Anlass ihrer Anwesenheit im Sitzungssaal ist allein gemäß § 169 Satz 2 GVG während der laufenden Verhandlung – im Strafverfahren somit frühestens ab Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 StPO) – sowie ferner dort ausgeschlossen, wo konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit der Mitglieder des Spruchkörpers vorliegen und dies eine weitergehende Beschränkung der Bildberichterstattung durch Anordnung gemäß § 176 GVG rechtfertigt. Auf solche Umstände hat der Vorsitzende seine Anordnung bereits nicht gestützt.
c) Es liegt fern, dass aus der Zulassung eines einzelnen Fernsehberichterstatters eine Störung der äußeren Ordnung des Sitzungsablaufs erwächst, die sich durch geeignete konkretisierende Anordnungen etwa zur Art und Weise der Aufstellung mitgeführten technischen Geräts nicht auffangen lässt. Auf eine solche Besorgnis ist die angegriffene Anordnung auch nicht gestützt.
3. Bei der Folgenabwägung kommt den Belangen des Beschwerdeführers ein Vorrang zu.
Für den Fall des Nichterlasses der Eilanordnung und eines späteren Erfolges der Verfassungsbeschwerde steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die unwiederbringliche Vereitelung einer auch Personenbildnisse einschließenden Medienberichterstattung und der Befriedigung des damit verbundenen Informationsinteresses der Öffentlichkeit zu erwarten.
Ihr stehen für den Fall eines Erlasses der Eilanordnung und einer Nichtstattgabe der Verfassungsbeschwerde denkbare Nachteile für die Belange des Persönlichkeitsschutzes der Verfahrensbeteiligten und einer ungehinderten Wahrheitsfindung des Gerichts gegenüber, die im Rahmen einer Folgenabwägung jedoch nur geringeres Gewicht haben. Der Vorsitzende hat die Anfertigung von Lichtbildern in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu ermöglichen.
Die von dem Beschwerdeführer aufgeworfenen weiteren, im Zuge einer Folgenabwägung nicht zu klärenden Verfassungsrechtsfragen sind der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde vorbehalten.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34 a Abs. 3 BVerfGG.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Kirchhof
Fundstellen
Haufe-Index 1890588 |
NPA 2009 |