Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen strafgerichtliche Entscheidungen. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass wegen einer Sicherheitsverfügung des Gerichtspräsidenten die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht gewährleistet gewesen sei.
A.
I.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam erhob gegen den Beschwerdeführer sowie zwei andere Beschuldigte Anklage und legte ihnen zur Last, als Mitglied einer örtlichen Führungsebene, als „Member” (Vollmitglied) und als „Prospect” (Anwärter auf eine Vollmitgliedschaft) des Hells Angels Motorcycle Club verschiedene Straftaten begangen zu haben.
1. Der Beschwerdeführer und die Mitangeschuldigten sollen die Betreiber eines Tätowierstudios gezwungen haben, mit den Hells Angels „zusammenzuarbeiten” und ihnen zunächst regelmäßig einen Teil der Einnahmen sowie später Einrichtungsgegenstände zu überlassen. Dabei sollen zahlreiche Bedrohungen ausgesprochen worden sein. Einer der Mitangeschuldigten soll zur Überprüfung der Buchführung und zur Entgegennahme der Zahlungen regelmäßig im Tätowierstudio erschienen sein und dabei einen Hammer an seinem Hosengürtel bei sich geführt haben. Einer der Betreiber soll aufgefordert worden sein, an seine Familie zu denken; einem anderen sei gedroht worden, ihm den Kopf abzureißen. Im weiteren Verlauf soll ein Betreiber in eine Schlägerei verwickelt und mit einem Messer an einer Hand verletzt worden sein. Danach soll ihm einer der Mitangeschuldigten des Beschwerdeführers ein gerade getötetes Schaf vor die Wohnungstür gelegt haben.
Ein Mitangeschuldigter des Beschwerdeführers soll außerdem einen Geschädigten aufgefordert haben, zum Ausgleich für eine belastende Aussage bei der Polizei seine Anstellung zu kündigen und eine von ihm vermittelte Arbeit anzunehmen, von der er 900 Euro behalten dürfe und den Rest abzuliefern habe. Anderenfalls werde er bereits existierende Fotos von ihm „an Araber weitergeben”, was als Morddrohung gemeint und aufgefasst worden sein soll. Er werde „sich eine Drahtschlinge nehmen und ihm die Eier abschneiden”, wenn wegen der Aussage jemand zur Polizei müsse. Die Geduld der Hells Angels solle nicht überstrapaziert werden; unter denen gebe es Leute, die wesentlich inhumaner seien.
2. Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen ist ausgeführt, dass es sich bei den Hells Angels um eine weltweit verzweigte und in „Charter” gegliederte Gruppierung handle. Deren Vollmitglieder gäben sich durch Motorradwesten („Kutten”) zu erkennen. In Deutschland seien bislang drei Charter als kriminelle Vereinigung vereinsrechtlich verboten worden. Kämpfe mit konkurrierenden Vereinigungen würden seit Jahren auch öffentlich mit Waffengewalt ausgetragen. So sei im Jahr 2009 in Berlin ein zu einer anderen Gruppierung „übergelaufenes” früheres Mitglied erschossen worden. Die in der Anklage genannten Geschädigten seien vom Beschwerdeführer und seinen Mitbeschuldigten unter Druck gesetzt worden und hätten ihre Aussagen zeitweilig zurückgenommen.
II.
1. Der Präsident des Landgerichts Potsdam hielt in einem Vermerk fest, dass anlässlich der bevorstehenden Hauptverhandlung eine Sicherheitskonferenz unter Beteiligung von Mitarbeitern der Gerichtsverwaltung, Berufsrichtern der für das Verfahren zuständigen Strafkammer, der Staatsanwaltschaft, der Polizei (Zeugenschutz, „Ermittlungsgruppe Rocker”) und des Justizvollzugs stattgefunden habe. In diesem Zusammenhang sei Rücksprache mit Geschäftsleitern verschiedener Landgerichte zu Erfahrungen anlässlich vergleichbarer Strafverfahren gehalten worden.
Der Landgerichtspräsident erließ für den ersten Hauptverhandlungstag eine Sicherheitsverfügung, wonach im Justizzentrum Waffen und andere gefährliche Werkzeuge zur Mitnahme nicht zugelassen sowie „das Tragen von Kutten, die die Zugehörigkeit zu einem Motorradclub demonstrieren, untersagt” sind. „Die Kutten sind in eigener Verantwortung außerhalb des Gebäudes zu deponieren.” Eine entsprechende Verfügung erging für die folgenden Hauptverhandlungstage. Durch weitere Sicherheitsverfügungen wurde das Verbot auf „das Tragen von Bekleidungsgegenständen, die die Zugehörigkeit zu einem Motorradclub oder zur Brigade 81 demonstrieren”, erstreckt.
Der Verteidiger des Beschwerdeführers beanstandete die Sicherheitsverfügungen als nicht erforderliche sowie unverhältnismäßige Beschränkung der Öffentlichkeit und beantragte deren Aufhebung. Dies lehnte der Landgerichtspräsident ab. Das Verbot sei auf Anraten von Staatsanwaltschaft und Polizei erfolgt, die über genaue Kenntnisse der Szene verfügten. Ein massenhaftes Tragen szenetypischer Kleidung stelle eine nicht hinnehmbare Machtdemonstration dar, die bei der Öffentlichkeit ein Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung hervorrufen sowie Verfahrensbeteiligte einschüchtern und beeinflussen könne. Es sei seine Aufgabe, auf dem Gerichtsgelände für eine angstfreie Atmosphäre zu sorgen. Untersagt werde lediglich das Tragen bestimmter Kleidung. Der daraufhin vom Verteidiger des Beschwerdeführers gestellte Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung wurde abgelehnt.
2. Ein anderer Rechtsanwalt beantragte im Namen eines zurückgewiesenen Zuschauers, diesem Zugang zum Gerichtsgebäude zu gewähren. Ihm sei der Zugang zum Justizzentrum versagt worden, „weil er eine Motorradkutte mit einem Hells Angels-MC-Abzeichen trug beziehungsweise in Freizeitkleidung mit entsprechenden Abzeichen erschien”. Es bestehe kein verständlicher Anlass für die Maßnahme. Hilfsweise bestehe Bereitschaft, die Motorradkutte im Gerichtsgebäude auszuziehen und über dem Arm zu tragen. Diesen Antrag lehnte der Landgerichtspräsident ab und ordnete die sofortige Vollziehung der Sicherheitsverfügung an. Der Antrag des zurückgewiesenen Zuschauers auf vorläufigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz blieb ohne Erfolg (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2010 – 10 S 51/10 –, NJW 2011, S. 1093).
III.
Das Landgericht Potsdam verurteilte den Beschwerdeführer am 30. Dezember 2010 wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sprach ihn im Übrigen frei. Die Mitangeklagten des Beschwerdeführers wurden wegen schwerer räuberischer Erpressung, Beihilfe zur räuberischen Erpressung, räuberischer Erpressung und versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl und Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie wegen räuberischer Erpressung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
IV.
1. Mit seiner Revision gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam beanstandete der Beschwerdeführer auch einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 Satz 1 GVG, § 338 Nr. 6 StPO).
2. Der Generalbundesanwalt beantragte, die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet zu verwerfen. Eine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit liege nicht vor. Der Grundsatz der Öffentlichkeit könne auch durch gesetzlich nicht erfasste unabweisbare Bedürfnisse der Rechtspflege modifiziert werden. Dazu gehöre die Notwendigkeit, durch geeignete vorbeugende Maßnahmen für eine sichere und ungestörte Durchführung der Verhandlung zu sorgen. Eine ungestörte Verhandlung sei ebenso wesentlich wie ihre Kontrolle durch die Allgemeinheit. Daraus folge die Zulässigkeit von Maßnahmen, die den Zugang zu Gerichtsverhandlungen nur unwesentlich erschwerten und dabei eine Auswahl der Zuhörerschaft nach bestimmten persönlichen Merkmalen vermieden, wenn für sie ein die Sicherheit oder den ungestörten Ablauf des Dienstbetriebs im Gerichtsgebäude berührender verständlicher Anlass bestehe. Worin solche Maßnahmen im Einzelfall bestehen müssten, bleibe dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtspräsidenten überlassen, der das Hausrecht ausübe.
Danach liege keine ungesetzliche Beschränkung der Öffentlichkeit vor. Jede Person habe ohne die in der Sicherheitsverfügung angeführten Bekleidungsstücke das Gerichtsgebäude betreten können. Maßgebend sei nicht die Zugehörigkeit zu einem Motorradclub gewesen, sondern allein das Tragen von Kleidungsstücken, die eine solche Zugehörigkeit demonstrierten. Auch eine über dem Arm getragene Kutte dokumentiere diese Zugehörigkeit. Es sei eine plausible Befürchtung, dass ein demonstratives Auftreten von Mitgliedern der Hells Angels oder vergleichbarer Gruppierungen grundsätzlich geeignet sein könne, dritte Personen zu beunruhigen. Der Gerichtspräsident habe die Aufgabe, im gesamten Gerichtsgebäude für eine angstfreie Atmosphäre zu sorgen. Ein Widerspruch zu den sitzungspolizeilichen Befugnissen der Strafkammervorsitzenden liege nicht vor; diese sei in die sicherheitsrelevanten Überlegungen einbezogen gewesen und habe die Sicherheitsverfügungen des Gerichtspräsidenten gekannt. Durch die Maßnahme sei es nur zu einer geringfügigen Erschwerung des Zugangs gekommen. Es habe sich um eine präventive Maßnahme gehandelt; die Anforderungen an die Einschätzung einer Gefahr dürften nicht überspannt werden.
3. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision des Beschwerdeführers durch Beschluss vom 28. September 2011 als unbegründet. Die Begründung des Beschlusses geht auf die Rüge der Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens nicht ein.
Entscheidungsgründe
B.
Der Beschwerdeführer greift mit seiner Verfassungsbeschwerde das Urteil des Landgerichts Potsdam und den Beschluss des Bundesgerichtshofs an. Er rügt die Verletzung von „Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (faires Verfahren) sowie Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (willkürfreie Rechtsanwendung)”.
Das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren umfasse auch die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung. Für die Sicherheitsverfügungen des Landgerichtspräsidenten bestehe schon keine Rechtsgrundlage. Sie seien auch willkürlich und unverhältnismäßig. Allein die Möglichkeit, dass sich Dritte durch ein „demonstratives” Auftreten von Mitgliedern der Hells Angels beunruhigt fühlen könnten, reiche nicht aus, um dem Beschwerdeführer die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht teilweise zu versagen. Hypothetische Einschüchterungslagen erreichten nicht das erforderliche Gewicht. Die Maßnahmen knüpften an ein empfundenes Unbehagen, nicht jedoch an eine real bestehende Gefahr an. Sitzungspolizeiliche Mittel wären ausreichend gewesen. Nach dem ersten störungsfrei verlaufenen Sitzungstag hätten einzelne Personen oder Personengruppen aus dem Sitzungssaal entfernt werden können. Spätestens zur Urteilsverkündung hätte die Beschränkung aufgehoben werden müssen. Der Sachverhalt sei einseitig gewürdigt worden. Angesichts der fehlenden Erforderlichkeit sei unerheblich, dass es sich um eine geringfügige Beschränkung gehandelt habe.
C.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248 ff.≫).
Es liegt kein Verstoß gegen das Willkürverbot vor (I.). Der Beschwerdeführer ist auch nicht in seinem Recht auf ein faires Strafverfahren verletzt (II.).
I.
Es liegt kein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) vor.
1. Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missgedeutet wird (vgl. BVerfGE 74, 102 ≪127≫; 87, 273 ≪278 f.≫; 96, 189 ≪203≫; 112, 185 ≪215 f.≫).
2. Danach ist die Auslegung und Anwendung der § 169 Satz 1 GVG, § 338 Nr. 6 StPO nicht willkürlich.
a) Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung hinsichtlich des vom Beschwerdeführer beanstandeten Verstoßes gegen die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht begründet. Daher kann davon ausgegangen werden, dass sich der Bundesgerichtshof insoweit der Begründung des Verwerfungsantrags des Generalbundesanwalts angeschlossen hat (vgl. BVerfGK 5, 269 ≪285 f.≫).
b) Diese Begründung begegnet unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
aa) Der rechtliche Ausgangspunkt entspricht der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und wird auch in der Literatur vertreten. Danach kann der Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 Satz 1 GVG) außer durch ausdrückliche Regelungen auch durch gesetzlich nicht erfasste unabweisbare Bedürfnisse der Rechtspflege modifiziert werden. Dazu gehört die Notwendigkeit, durch geeignete vorbeugende Maßnahmen für eine sichere und ungestörte Durchführung der Verhandlung zu sorgen. Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsverhandlung nur unwesentlich erschweren und dabei eine Auswahl der Zuhörerschaft nach bestimmten persönlichen Merkmalen vermeiden, sind zulässig, wenn für sie ein verständlicher Anlass besteht (vgl. BGHSt 27, 13 ≪15≫; Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2010, § 169 GVG Rn. 33; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 5). Es bleibt dem pflichtgemäßen Ermessen des das Hausrecht ausübenden Gerichtspräsidenten überlassen, worin solche Maßnahmen im Einzelfall bestehen. Das Hausrecht des Gerichtspräsidenten ist Rechtsgrundlage für alle Maßnahmen im Gerichtsgebäude, die außerhalb des Sitzungsbereichs erfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2011 – 7 B 17/11 –, NJW 2011, S. 2530 ≪2531≫; Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2010, § 176 GVG Rn. 3; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 176 GVG Rn. 3, jeweils m.w.N.; zur Abgrenzung von Hausrecht und Sitzungspolizei BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 1994 – 1 BvR 733/94 –, NJW 1996, S. 310 ≪310≫; BGHSt 24, 329 ≪330 f.≫; 30, 350 ≪353 ff.≫).
Diese Erwägungen sind nicht unvertretbar oder sachfremd. Insbesondere ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Aufrechterhaltung der Ordnung im gerichtlichen Verfahren auch den störungsfreien äußeren Ablauf der Sitzung und die ungehinderte Entscheidungsfindung umfasst (vgl. BVerfGE 91, 125 ≪137≫; 103, 44 ≪64≫; 119, 309 ≪322≫, jeweils zu § 176 GVG).
bb) Die Anwendungen der danach bestehenden Befugnisse im Einzelfall unterliegt nur eingeschränkter verfassungsrechtlicher Überprüfung (vgl. BVerfGE 48, 118 ≪123≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 29. September 1997 – 2 BvR 1676/97 –, NJW 1998, S. 296 ≪297≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Januar 2006 – 2 BvR 2/06 –, NJW 2006, S. 1500 ≪1500 f.≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Mai 2006 – 2 BvQ 27/06 –, juris, Rn. 3, 6 f.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2006 – 2 BvR 677/05 –, NJW 2007, S. 56 ≪57≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. Februar 2007 – 1 BvR 218/07 –, NJW-RR 2007, S. 1053 ≪1054≫, jeweils zu § 176 GVG). Daran gemessen legt die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass Einschätzung und Bewertung sowohl einer möglichen Beeinträchtigung der Hauptverhandlung durch das Tragen bestimmter Kleidung oder Abzeichen als auch der zur Abwehr dieser Gefahr geeigneten und erforderlichen Maßnahmen verfassungsrechtlich bedenklich wären.
II.
Der Beschwerdeführer ist auch nicht in seinem Recht auf ein faires Strafverfahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt.
1. Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪274 f.≫; 86, 288 ≪317≫; 118, 212 ≪231≫; 122, 248 ≪271≫) und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 38, 105 ≪111≫; 46, 202 ≪210≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, juris, Rn. 111). Am Recht auf ein faires Verfahren ist die Ausgestaltung des Strafprozesses zu messen, wenn und soweit keine spezielle verfassungsrechtliche Gewährleistung existiert (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪274 f.≫; 109, 13 ≪34≫; 122, 248 ≪271≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, juris, Rn. 111).
Das Recht auf ein faires Verfahren enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪275 f.≫; 63, 45 ≪61≫; 64, 135 ≪145 f.≫; 70, 297 ≪308 f.≫; 86, 288 ≪317 f.≫; 122, 248 ≪272≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, juris, Rn. 112). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind nicht nur die Rechte des Beschuldigten, insbesondere prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können, sondern auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 122, 248 ≪272 f.≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, juris, Rn. 113).
2. Es bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz einen Angeklagten in seinem Recht auf ein faires Strafverfahren verletzen kann (siehe dazu Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 6 m.w.N.; Grabenwarter/Pabel, in: EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 14 Rn. 109). Der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen wurde gewahrt (a). Abweichendes ergibt sich nicht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (b).
a) Der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen wurde gewahrt.
aa) Der im Gerichtsverfassungsrecht enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen ist ein Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (BVerfGE 103, 44 ≪63 f.≫). Die rechtsstaatliche Komponente der Gerichtsöffentlichkeit zielt darauf, die Einhaltung des formellen und materiellen Rechts zu gewährleisten und zu diesem Zweck Einblick in die Funktionsweise der Rechtsordnung zu ermöglichen (BVerfGE 103, 44 ≪65≫). Dies soll zur Gewährleistung von Verfahrensgerechtigkeit beitragen (BVerfGE 103, 44 ≪64≫).
Der Verfassungsgrundsatz der Öffentlichkeit gilt nicht ausnahmslos (BVerfGE 103, 44 ≪63≫). Einer unbegrenzten Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht stehen gewichtige Interessen gegenüber. Zu den entgegenstehenden Belangen gehören die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung (BVerfGE 103, 44 ≪64, 68 ff.≫; 119, 309 ≪322, 324 f.≫). Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt noch nichts zu den Modalitäten, unter denen die Öffentlichkeit zugelassen wird (BVerfGE 103, 44 ≪63≫). Darüber hinaus kann die Öffentlichkeit aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls auch dort ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wo sie nach der Verfassung grundsätzlich geboten ist (BVerfGE 103, 44 ≪63≫).
bb) Danach wurde der Öffentlichkeitsgrundsatz gewahrt. Die dem Grunde nach gerechtfertigte (s. oben I. 2. b) bb)) Sicherheitsverfügung legte ausschließlich Zugangsmodalitäten fest, deren Befolgung ohne weiteres möglich und zumutbar war. Sie führte weder ausdrücklich noch faktisch zum Ausschluss der Öffentlichkeit insgesamt oder auch nur einzelner Personengruppen oder Personen.
b) Die Sicherheitsverfügung widerspricht schließlich nicht den Anforderungen an eine öffentliche Verhandlung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. zu deren Berücksichtigung BVerfGE 111, 307 ≪315 ff.≫; 128, 326 ≪366 ff.≫).
aa) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gewährleistet das Recht auf eine öffentliche Verhandlung. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz EMRK kann die Öffentlichkeit während des ganzen oder eines Teils des Verfahrens ausgeschlossen werden – soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält –, wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
Die durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK garantierte Öffentlichkeit des Verfahrens schützt die Rechtsunterworfenen vor einer Geheimjustiz, die sich öffentlicher Kontrolle entzieht. Sie ist außerdem ein Mittel, um das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit zu sichern (vgl. EGMR, Urteil vom 8. Dezember 1983 – 8273/78 –, Axen/Deutschland, Tz. 25, EGMR-E 2, 321 ≪325 f.≫; EGMR, Urteil vom 22. Februar 1984 – 8209/78 –, Sutter/Schweiz, Tz. 26, EGMR-E 2, 345 ≪349≫; EGMR, Urteil vom 14. November 2000 – 35115/97 –, Riepan/Österreich, Tz. 27; EGMR, Urteil vom 7. Juni 2007 – 66941/01 –, Zagorodnikov/Russland, Tz. 20; EGMR, Urteil vom 4. Dezember 2007 – 64056/00 –, Volkov/Russland, Tz. 25; EGMR, Urteil vom 4. Dezember 2008 – 28617/03 –, Belashev/Russland, Tz. 79).
Eine Verhandlung entspricht den an die Öffentlichkeit zu stellenden Anforderungen, wenn die Allgemeinheit Informationen über deren Zeit sowie Ort erhalten kann und wenn dieser Ort einfach zugänglich ist (vgl. EGMR, Urteil vom 29. November 2007 – 9852/03, 13413/04 –, Hummatov/Aserbaidschan, Tz. 144). Zwar können tatsächliche Hindernisse ebenso gegen ein Konventionsrecht verstoßen wie rechtliche Beschränkungen. Daher kann es bei erheblichen tatsächlichen Zugangshindernissen erforderlich sein, zur Gewährleistung der Öffentlichkeit Ausgleichsmaßnahmen zu treffen (vgl. EGMR, Urteil vom 14. November 2000 – 35115/97 –, Riepan/Österreich, Tz. 27 ff.; EGMR, Urteil vom 29. November 2007 – 9852/03, 13413/04 –, Hummatov/Aserbaidschan, Tz. 143 f.). Allerdings wird der öffentliche Charakter einer Verhandlung nicht schon dadurch berührt, dass sich mögliche Zuschauer etwa bestimmten Identitätsüberprüfungen und möglichen Sicherheitsüberprüfungen unterziehen müssen (vgl. EGMR, Urteil vom 14. November 2000 – 35115/97 –, Riepan/Österreich, Tz. 28; EGMR, Urteil vom 29. November 2007 – 9852/03, 13413/04 –, Hummatov/Aserbaidschan, Tz. 143).
bb) Danach war die Verhandlung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK öffentlich. Die Sicherheitsverfügungen des Gerichtspräsidenten führten nicht zu einem tatsächlichen Hindernis, als Zuschauer an der Hauptverhandlung teilnehmen zu können. Das Gerichtsgebäude war auch für Träger der in der Sicherheitsverfügung bezeichneten Oberbekleidung nach wie vor einfach zugänglich, da diese nur ausgezogen und außerhalb des Gerichtsgebäudes hätte deponiert werden müssen. Es handelte sich ersichtlich um eine ganz geringfügige Beschränkung, die keine kompensatorischen Maßnahmen erforderlich machte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Gerhardt, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 2997565 |
NJW 2012, 1863 |
EuGRZ 2012, 347 |
NVwZ 2012, 6 |
ZAP 2012, 496 |
DÖV 2012, 605 |
JA 2012, 875 |
BayVBl. 2012, 3 |
BayVBl. 2013, 112 |
NJW-Spezial 2012, 344 |
NPA 2012 |
StRR 2012, 376 |