Verfahrensgang
VG Arnsberg (Vorlegungsbeschluss vom 14.03.2008; Aktenzeichen 2 K 680/05) |
Tenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Vorlagen sind unzulässig.
Tatbestand
A.
Gegenstand der Verfahren ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2003 unter dem Gesichtspunkt der jährlichen Sonderzuwendung.
I.
1. Die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung war ebenso wie das jährliche Urlaubsgeld bis zum Jahr 2003 bundeseinheitlich durch Bundesrecht geregelt. Nach § 67 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020) erhielten die Beamten, Richter und Soldaten eine Sonderzuwendung nach besonderer bundesgesetzlicher Regelung, dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung (Sonderzuwendungsgesetz – SoZuwG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (BGBl I S. 3642). Des Weiteren erhielten die Beamten, Richter und Soldaten ein jährliches Urlaubsgeld nach § 68a BBesG in Verbindung mit dem Gesetz über die Gewährung eines jährlichen Urlaubsgeldes (Urlaubsgeldgesetz – UrlGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 (BGBl I S. 1780).
2. Durch Art. 18 Abs. 1 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BBVAnpG 2003/2004) vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) wurden das Sonderzuwendungsgesetz und das Urlaubsgeldgesetz aufgehoben. Zugleich wurde darin gemäß Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 13 Nr. 7 BBVAnpG 2003/2004 den Ländern im Wege einer Neufassung des § 67 BBesG die Befugnis eingeräumt, eigene Regelungen bezüglich einer jährlichen Sonderzahlung zu erlassen. Gemäß Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 sind das Sonderzuwendungsgesetz und das Urlaubsgeldgesetz bis zum Inkrafttreten bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen zur Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen weiter anzuwenden.
3. Der nordrhein-westfälische Landtag verabschiedete am 20. November 2003 als Artikel I des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung und über die Bezüge der Staatssekretäre und entsprechender Versorgungsempfänger in den Jahren 2003 und 2004 für das Land Nordrhein-Westfalen das Gesetz über die Gewährung einer Sonderzahlung an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger für das Land Nordrhein-Westfalen (Sonderzahlungsgesetz NRW – SZG-NRW). Das Gesetz, das am 30. November 2003 in Kraft trat, sieht eine gegenüber der alten Rechtslage geringere jährliche Sonderzahlung vor; ein gesondertes Urlaubsgeld wird nicht mehr gewährt.
II.
1. Die Kläger der Ausgangsverfahren sind Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie wenden sich gegen die Neuregelung des Sonderzahlungsrechts für die Jahre 2003 bis 2006 und begehren die ungeschmälerte Weitergewährung der bisherigen jährlichen Sonderzuwendung. Den Vorlageverfahren 2 BvL 13/08 und 2 BvL 6/09 liegen jeweils Leistungsklagen von Beamten der Besoldungsgruppe A 10 auf die Gewährung einer Sonderzahlung für das Jahr 2003 in Höhe von 84,29 v. H. der für den Monat Dezember 2003 maßgeblichen Besoldungsbezüge zugrunde. Das Vorlageverfahren 2 BvL 9/09 betrifft die Leistungsklage eines Beamten der Besoldungsgruppe A 9 auf die Gewährung einer Sonderzahlung für das Jahr 2003 in Höhe von 84,29 v. H. der für den Monat Dezember 2003 maßgeblichen Besoldungsbezüge. Die Vorlageverfahren 2 BvL 7/09, 2 BvL 8/09 und 2 BvL 10/09 betreffen Leistungsklagen eines Beamten der Besoldungsgruppe A 9 auf die Gewährung von Sonderzahlungen „nach Maßgabe der sich aus dem Sonderzuwendungsgesetz in der zuletzt gültigen Fassung ergebenden Bemessungsfaktoren”, und zwar für das Jahr 2004 (2 BvL 10/09), für das Jahr 2005 (2 BvL 8/09) und für das Jahr 2006 (2 BvL 7/09).
2. a) Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht – mit Differenzierungen nach dem Kalenderjahr und der Besoldungsgruppe der Kläger des Ausgangsverfahrens – die Frage zur Entscheidung vorgelegt,
ob das Gesetz über die Gewährung einer Sonderzahlung an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger für das Land Nordrhein-Westfalen (Artikel I des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung und über die Bezüge der Staatssekretäre und entsprechender Versorgungsempfänger in den Jahren 2003 und 2004 für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2003) mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist, soweit es bewirkt, dass das Sonderzuwendungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 nicht mehr weiter anzuwenden ist, wodurch der Anspruch auf Zahlung einer jährlichen Sonderzuwendung nach dem Sonderzuwendungsgesetz durch einen der Höhe nach geringeren Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung nach dem Sonderzahlungsgesetz NRW ersetzt worden und im Übrigen ersatzlos entfallen ist.
b) Das Verwaltungsgericht hält das aus seiner Sicht entscheidungserhebliche Sonderzahlungsgesetz NRW für unvereinbar mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG und damit für verfassungswidrig, soweit es bewirkt, dass der Anspruch auf eine jährliche Sonderzuwendung verringert beziehungsweise entfallen ist. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hängt seine Entscheidung über die Klagen von der Verfassungswidrigkeit des Sonderzahlungsgesetzes NRW ab, weil in diesem Falle das Sonderzuwendungsgesetz weiter anzuwenden sei mit der Folge, dass der von den Klägern des Ausgangsverfahrens geltend gemachte Anspruch auf Weitergewährung der jährlichen Sonderzuwendung begründet sei. Die Entscheidungserheblichkeit der Frage der Verfassungswidrigkeit des Sonderzahlungsgesetzes NRW lasse sich nicht mit der Erwägung verneinen, dass verfassungsrechtlich nicht eine Rückgängigmachung der Kürzung der Sonderzuwendung, sondern eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze geboten wäre. Die durch das Sonderzahlungsgesetz NRW bewirkte Kürzung der jährlichen Sonderzuwendung führe zu einem mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht zu vereinbarenden Zustand, weil sie – im Zusammenhang mit anderen, die Beamtenbezüge negativ beeinflussenden Maßnahmen des Landes – in den Kernbestand der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation eingreife.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlagen sind unzulässig.
I.
Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Vorschriften nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪76≫). Das vorlegende Gericht muss hierzu darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Normen abhängt. Dabei sind an die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit im Interesse der Abgrenzung der konkreten von der abstrakten Normenkontrolle strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 97, 49 ≪66 f.≫). Ferner muss das Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm näher darlegen und deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten sowie einer eingehenden, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehenden Darstellung der Rechtslage (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪77≫; 88, 198 ≪201≫; 89, 329 ≪336 f.≫; 97, 49 ≪60≫).
II.
Diesen Anforderungen werden die Vorlagebeschlüsse nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Vorschriften nicht in ausreichender Weise dargelegt. Es hat die von den Klägern in den Ausgangsverfahren erhobenen Leistungsklagen auf die Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen ohne Weiteres als statthaft angesehen, ohne sich mit anderen in Betracht kommenden Möglichkeiten fachgerichtlichen Rechtsschutzes und den daraus resultierenden potentiell unterschiedlichen Auswirkungen auf die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen zu befassen. Das vorlegende Gericht hätte thematisieren müssen, ob die Klagen nicht unabhängig von der Gültigkeit des Sonderzahlungsgesetzes NRW als unzulässig abzuweisen gewesen wären mit der Folge, dass die Vorlagefragen nicht entscheidungserheblich wären. Insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Verletzung des Alimentationsprinzips in erfolgversprechender Weise nur im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden kann.
1. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Frage der Amtsangemessenheit der Alimentation im Wege der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zu klären ist. Das Ziel, eine höhere als die jeweils gesetzlich vorgesehene Besoldung zu erhalten, werde mit einem Feststellungsantrag in der umfassendsten und zweckentsprechenden Weise zum Ausdruck gebracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 1985 – 2 C 14.83 –, DVBl 1986, S. 468 ≪468≫; BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1996 – 2 C 7.95 –, NVwZ 1998, S. 76 ≪77≫; BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 – 2 C 1.04 –, BVerwGE 123, 308 = NVwZ-RR 2005, S. 833 ≪834≫; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 34.01 –, BVerwGE 117, 305 = NVwZ 2003, S. 869 ≪870≫). Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil zur beihilferechtlichen Kostendämpfungspauschale nach § 12a der nordrhein-westfälischen Beihilfenverordnung ausgesprochen, dass die Verletzung des Alimentationsprinzips durch besoldungsrelevante Einschnitte in einfachrechtlich statthafter Weise nur im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 – 2 C 49.07 –, BVerwGE 131, 20 = NVwZ 2008, S. 1129 ≪1131≫).
Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, dass aufgrund des besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers den Beamten auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage stehe, keine gesetzlich nicht vorgesehenen Besoldungsleistungen zugesprochen werden könnten. Vielmehr seien sie darauf verwiesen, ihren Alimentationsanspruch durch Klagen auf Feststellung geltend zu machen, dass ihr Nettoeinkommen – bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller besoldungsrelevanten Regelungen – verfassungswidrig zu niedrig bemessen sei. Teile das Verwaltungsgericht diese Beurteilung, so müsse es nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des die Dienstbezüge festlegenden Besoldungsgesetzes einholen. Dieser Rechtsprechung hat sich auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinen neuerlichen Vorlagebeschlüssen angeschlossen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Juli 2009 – 1 A 1525/08 –, juris-Rn. 36 ff., 173 ff.).
2. Das Verwaltungsgericht hat es versäumt, sich mit der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die im fachgerichtlichen Verfahren statthafte Klageart zur Geltendmachung einer möglichen Unteralimentation auseinanderzusetzen. Es hätte begründen müssen, weshalb entgegen dieser Rechtsprechung die Leistungsklagen im Ausgangsverfahren als statthaft zu erachten sind mit der Folge, dass die Gültigkeit des Sonderzahlungsgesetzes NRW entscheidungserheblich ist (vgl. zum Erfordernis der hinreichenden Auseinandersetzung mit einer gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juli 2009 – 2 BvL 3/09 –, juris-Rn. 15 ff.).
In den Ausgangsverfahren haben die Kläger nach den vom Vorlagegericht getroffenen Feststellungen weder ausdrücklich noch sinngemäß Klage auf Feststellung erhoben, dass ihr Nettoeinkommen in den fraglichen Kalenderjahren verfassungswidrig zu niedrig bemessen gewesen sei. Vielmehr haben sie nach Wertung des vorlegenden Gerichts Leistungsklage mit dem Ziel erhoben, für das jeweilige Kalenderjahr eine Sonderzahlung in vergleichbarer Höhe wie in früheren Jahren zu erhalten. Auf der Basis der vom vorlegenden Gericht getroffenen Feststellungen ist auch nicht ersichtlich, dass das Gericht gezwungen gewesen wäre, dem Vorbringen der Kläger ein Feststellungsbegehren zu entnehmen.
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die Verfassungswidrigkeit des Sonderzahlungsgesetzes NRW entscheidungserheblich, weil zur Sicherung einer amtsangemessenen Alimentation nicht eine Korrektur der das Alimentationsprinzip konkretisierenden Besoldungs- und Versorgungsgesetze, sondern schlicht die Rückgängigmachung der Kürzung beziehungsweise Streichung der jährlichen Sonderzahlung geboten sei. Diese Rechtsauffassung steht jedoch im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Verletzung der Alimentationspflicht des Gesetzgebers nicht die Unwirksamkeit oder Unanwendbarkeit einer bestimmten Regelung nach sich ziehen kann, die eine Leistung kürzt oder streicht, die – wie Beihilfen oder die jährliche Sonderzuwendung – für sich genommen verfassungsrechtlich nicht gewährleistet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 – 2 C 49.07 –, BVerwGE 131, 20 = NVwZ 2008, S. 1129 ≪1131≫; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 2 C 127.07 –, NVwZ 2009, S. 1037 ≪1038≫), ohne dass das Verwaltungsgericht sich hiermit auseinandersetzt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Mellinghoff, Lübbe-Wolff
Fundstellen