Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 24.07.2009; Aktenzeichen 13 UF 61/08) |
Tenor
1. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2009 – 13 UF 61/08 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2009 – 13 UF 61/08 – wird aufgehoben und die Sache an das Brandenburgische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
2. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anrechnung fiktiver Einkünfte in einem Kindesunterhaltsverfahren.
I.
1. Der 52-jährige Beschwerdeführer ist Vater eines 1997 geborenen Sohnes. Dieser wird seit dem Tod seiner Mutter von seinem Großvater mütterlicherseits betreut, der zugleich sein Vormund ist. Das Kind bezieht eine Halbwaisenrente und Kindergeld.
a) Im Ausgangsverfahren verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer mit Urteil vom 26. Juni 2008 zur Zahlung von Kindesunterhalt, zuletzt in Höhe von 378 EUR monatlich. Den Unterhalt errechnete das Amtsgericht, indem es den doppelten Betrag des 100%-igen Mindestunterhalts abzüglich des vollen Kindergeldes sowie der vollen Halbwaisenrente festsetzte.
Der Beschwerdeführer sei gelernter Gärtner. Er habe 1983 einen Arbeitsunfall mit Verbrennungen des dritten von vier Graden an 45 % seines Körpers erlitten. Seitdem beziehe er eine Unfallrente in Höhe von rund 325 EUR monatlich. Weiter erhalte er aus einer täglich zweistündigen Erwerbstätigkeit beim Auf- und Abbau eines Marktstandes ein Einkommen in Höhe von 270 EUR im Monat. Damit sei er zur Zahlung von Kindesunterhalt finanziell nicht in der Lage.
Er habe jedoch seine Pflicht verletzt, alles ihm Mögliche zu tun, um eine Tätigkeit zu erlangen, mit der er den Kindesunterhalt sichern könne. Um eine andere Tätigkeit habe der Beschwerdeführer sich nie bemüht. Er könne sich nicht infolge des 1983 erlittenen Unfalls auf krankheitsbedingte Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit berufen. Er habe seine Erkrankung nicht im Einzelnen dargetan, insbesondere Art und Umfang seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht substantiiert erläutert, keine ärztlichen Atteste beigebracht und die Auswirkungen der Erkrankung nicht konkret beschrieben. Er habe sich nur allgemein auf seine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit berufen. Die von ihm eingereichten Gutachten aus den Jahren 1986 und 1987 enthielten keine Aussage über seinen aktuellen Gesundheitszustand. Der Beschwerdeführer dürfe sich daher nicht auf eine Teilzeittätigkeit von zwei Stunden täglich beschränken. Ihm sei die Ausweitung seiner Tätigkeit oder die Aufnahme einer weiteren Tätigkeit zumutbar, um den geforderten Kindesunterhalt sicherzustellen.
b) Mit der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts wies der Beschwerdeführer darauf hin, infolge des Arbeitsunfalls über das ausgeübte Maß hinaus nicht erwerbsfähig zu sein. Die irreparablen Verbrennungen dritten Grades an 45 % seines Körpers seien nicht heilbar und führten zu dauerhaften, erheblichen Schmerzen. Trotz Hauttransplantationen sei die verbrannte Haut vernarbt und das Gewebe dauerhaft geschädigt. An heißen Sommertagen könne er sich teilweise nicht bewegen. Hitze wie Kälte verursachten Schmerzen. Auch Luftveränderungen sorgten für Hautreizungen. Er müsse still liegen, teilweise nachts die Beine hochlegen. Eine stehende Tätigkeit könne er nicht ausführen. Die Berührung der Kleidung verursache Hautreizungen, die zu nässenden Wunden führe. Die Haut müsse regelmäßig gekühlt werden. Teilweise müsse er seine Beine komplett mit Hydroverbänden bandagieren. Durch die Verbrennungen sei das Herz-Kreislauf-System dauerhaft angegriffen, es komme zu Funktionsstörungen, Kopfschmerz und Konzentrationsschwierigkeiten. Zum Nachweis bezog der Beschwerdeführer sich auf das Zeugnis der ihn behandelnden Ärzte und beantragte zum Beweis der zeitlebens bestehen bleibenden Beeinträchtigungen die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens.
c) Mit Beschluss vom 29. April 2009 wies das Brandenburgische Oberlandesgericht auf seine Absicht hin, die Berufung im Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, dass er seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit, insbesondere seiner Pflicht genügt habe, alles ihm Mögliche zur Erlangung einer besser bezahlten Tätigkeit zu unternehmen.
Die schlichte Behauptung, infolge der Dauerschäden der Verbrennungen lediglich stundenweise arbeitsfähig zu sein, könne den Beschwerdeführer von seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht entbinden. Dies gelte umso mehr, als der auf den Unfall zurückzuführende Körperschaden ausweislich des von dem Beschwerdeführer eingereichten Sachverständigengutachtens vom 17. Juni 1987 dauerhaft nur 30 % betragen solle. Ungeachtet der geringen Aussagekraft dieser weit zurückliegenden Stellungnahme rechtfertige eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit um 30 % nicht von vornherein die Annahme einer Leistungsunfähigkeit. Je nach den Einschränkungen sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer ein den Mindestkindesunterhalt sicherndes, höheres Einkommen erzielen könne. Bis zum Unfall sei der Beschwerdeführer als selbständiger Gärtner tätig gewesen, er übe diesen Beruf offensichtlich weiterhin aus. Als selbständiger Gärtner könne er Angestellte beschäftigen und einen Betrieb leiten, ohne selbst intensive körperliche Arbeit verrichten zu müssen. Er habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass und aus welchem Grunde ihm dies nicht möglich sei.
d) Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 24. Juli 2009 wies das Brandenburgische Oberlandesgericht die Berufung des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts vom 26. Juni 2008 sowie seinen Beschluss vom 29. April 2009 zurück. Der Beschwerdeführer habe nicht nachgewiesen, seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nachgekommen zu sein.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung seines Grundrechts auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die Anrechnung fiktiver Einkünfte.
Die Unterstellung fiktiven Einkommens belaste ihn unverhältnismäßig und überschreite die Grenzen des Zumutbaren. Das angerechnete Einkommen könne er objektiv nicht erzielen. Die im Jahre 1983 an Hals, Rumpf und beiden Beinen erlittenen Verbrennungen dritten Grades seien irreparabel und führten zu den von ihm im Ausgangsverfahren beschriebenen, medizinisch erwiesenen Folgeschäden. Mit diesen objektiv bestehenden Folgen und den damit verbundenen Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit habe das Oberlandesgericht sich nicht auseinander gesetzt, sondern pauschal unterstellt, es sei von einer Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit auszugehen. Mehr als die ausgeübte Tätigkeit könne er nicht leisten. Er sei intellektuell nicht in der Lage, einen Betrieb zu führen. Er lebe unter bescheidensten Bedingungen in seinem Haus. Das Grundstück sei mit einer Grundschuld für einen vor der Geburt des Klägers aufgenommenen Kredit seiner ehemaligen Ehefrau belastet, für den er mithafte und zu dessen Rückführung er monatlich die Unfallrente aufwende.
3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen. Die brandenburgische Landesregierung und der gesetzlich durch seinen Vormund vertretene Kläger des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 BVerfGG.
1. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens, welches unter Wahrung des Selbstbehalts des Beschwerdeführers in Höhe von 900 EUR die Zahlung des berechneten Kindesunterhalts in Höhe von zuletzt 378 EUR im Monat ermöglichen würde, führt zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Beschwerdeführers. Für die Annahme, der Beschwerdeführer sei in der Lage, ein Einkommen in entsprechender Höhe zu erzielen, fehlt es an einer tragfähigen Begründung.
a) Die Auferlegung von Unterhaltsleistungen schränkt den Verpflichteten in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit ein. Diese ist jedoch nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet, zu der auch das Unterhaltsrecht gehört, soweit es mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht (vgl. BVerfGE 57, 361 ≪378≫). Der ausgeurteilte Unterhalt darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen führen (vgl. BVerfGE 57, 361 ≪388≫). Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht ist § 1603 Abs. 1 BGB. Danach ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Hieraus sowie aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese „bei gutem Willen” ausüben könnte (vgl. BVerfGE 68, 256 ≪270≫). Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs bleibt dennoch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Überschreitet der ausgeurteilte Unterhalt die Grenze des Zumutbaren, ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (vgl. BVerfGE 57, 361 ≪381≫; BVerfGK 6, 25 ≪28≫; 7, 135 ≪138≫; 9, 437 ≪440≫; 10, 84 ≪87≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Oktober 2009 – 1 BvR 443/09 –, juris Rn. 12; stRspr).
b) Die Feststellung des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe nicht ausreichend substantiiert dargetan, an einer Ausweitung seiner Tätigkeit krankheitsbedingt gehindert zu sein, verbunden mit der Annahme, ihm sei bei einer Erweiterung seiner Tätigkeit die Erwirtschaftung eines Einkommens möglich, mit dem er unter Wahrung seines Selbstbehalts den errechneten Kindesunterhalt leisten könne, hält diesen Maßstäben nicht stand.
Zwar wird die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen nicht allein durch dessen tatsächlich vorhandenes Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit und seine Erwerbsmöglichkeiten (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. März 2008 – 1 BvR 125/06 –, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 – XII ZR 83/00 –, juris Rn. 22). Doch darf von dem Unterhaltspflichtigen auch im Rahmen seiner gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB nichts Unmögliches verlangt werden. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Zurechnung fiktiver Einkünfte, welche die Leistungsfähigkeit begründen sollen, zweierlei voraussetzt. Zum einen muss feststehen, dass subjektiv Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Zum anderen müssen die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv überhaupt erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt (vgl. BVerfGK 7, 135 ≪139≫; 9, 437 ≪440≫; BGH, Urteil vom 15. November 1995 – XII ZR 231/94 –, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06 –, juris Rn. 22).
aa) Der Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe nicht ausreichend dargetan, an einer über das bisherige Maß hinausgehenden Erwerbstätigkeit gesundheitlich gehindert zu sein, fehlt die tragfähige Grundlage.
Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren vorgetragen, infolge des Arbeitsunfalls über das ausgeübte Maß hinaus nicht erwerbsfähig zu sein. Er hat den Unfall und dessen Folgen konkret dargestellt, insbesondere auf medizinisch erwiesene irreparable Verbrennungen dritten Grades an 45 % seines Körpers, nämlich an Hals, Rumpf und Beinen, verwiesen und zu deren Nachweis Sachverständigengutachten aus den Jahren 1986 und 1987 vorgelegt, die seine Verletzungen bestätigen. Er hat die Folgeschäden konkret beschrieben und dauerhafte Beeinträchtigungen seiner Gesundheit infolge der Verbrennung, der Vernarbung, der Hauttransplantationen sowie der Schmerzen, insbesondere bei Temperaturänderungen, dargestellt. Zum Nachweis hat er sich nicht nur auf die im Ausgangsverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten und auf das Zeugnis der ihn behandelnden Ärzte bezogen, sondern zum Beweis der zeitlebens bestehen bleibenden Beeinträchtigungen die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt.
Dieses Vorbringen war entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts ausreichend substantiiert. Unterstellt man das Vorbringen des Beschwerdeführers, so sind ernsthafte gesundheitliche Einschränkungen schlüssig dargestellt, die einer erweiterten Tätigkeit des Beschwerdeführers entgegen stehen. Dies gilt insbesondere für eine Erwerbstätigkeit in seinem Beruf als Gärtner und in seiner derzeit ausgeübten Tätigkeit als Hilfskraft, da diese mit körperlicher Betätigung und regelmäßig körperliche Missempfindungen auslösenden Temperaturwechseln verbunden sind. Das schlüssige Vorbringen erforderte die Einholung des von dem Beschwerdeführer zum Nachweis seiner Darlegung beantragten Sachverständigengutachtens. Mit diesem wären die von dem Beschwerdeführer behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit einer Klärung zugeführt worden. Dies gilt umso mehr, als das Oberlandesgericht die in den Jahren 1986 und 1987 erstellten Sachverständigengutachten zutreffend für veraltet und damit als Grundlage einer abschließenden Entscheidung für wenig aussagekräftig hielt.
bb) Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht nicht tragfähig begründet, dass der Beschwerdeführer bei Einsatz seiner vollen Arbeitskraft überhaupt objektiv in der Lage wäre, ein Einkommen in der erforderlichen Höhe zu erzielen. Um den geforderten Kindesunterhalt in Höhe von 378 EUR im Monat sicherzustellen, müsste der Beschwerdeführer bereinigte Einkünfte in Höhe von insgesamt 1.278 EUR (Selbstbehalt in Höhe von 900 EUR zuzüglich Kindesunterhalt in Höhe von 378 EUR) monatlich erzielen. Der Beschwerdeführer bezieht eine Unfallrente in Höhe von 325 EUR, die er allerdings nach seinen Angaben in der Verfassungsbeschwerde für die Zahlung von Raten auf einen sieben Jahre vor der Geburt des Klägers des Ausgangsverfahrens aufgenommenen und damit bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigenden Kredit verwendet. Er lebt im eigenen Heim, wofür ihm ein Wohnvorteil angerechnet werden kann. Unterstellt man einen Wohnvorteil in Höhe von 250 EUR monatlich, müsste der Beschwerdeführer zusätzlich zu dem Wohnvorteil insgesamt bereinigte Erwerbseinkünfte in Höhe von 1.028 EUR, beziehungsweise unbereinigte Nettoeinkünfte in Höhe von 1.082 EUR (5 % berufsbedingte Aufwendungen) monatlich erzielen, um den errechneten Kindesunterhalt in Höhe von 378 EUR im Monat leisten zu können. Bei Steuerklasse I ohne persönliche Freibeträge (außer dem Kinderfreibetrag) und den üblichen Abzügen für Steuern und Sozialversicherung müsste der Beschwerdeführer hierfür einen Bruttoverdienst von rund 1.550 EUR im Monat erhalten.
Das Oberlandesgericht hat in der angegriffenen Entscheidung keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage es zu der Auffassung gelangt ist, der Beschwerdeführer könne mit einer seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten und seinem Gesundheitszustand entsprechenden Tätigkeit ein derartiges Bruttoeinkommen erzielen. Es ist aus der angegriffenen Entscheidung nicht zu erkennen, dass das Oberlandesgericht sich an den persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten des Beschwerdeführers und den tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt orientiert hat. Wäre dies geschehen, hätte das Oberlandesgericht davon ausgehen müssen, dass der Ausbildung und den Fähigkeiten des Beschwerdeführers letztlich eine Tätigkeit als ungelernte Kraft entspricht, zumal er derzeit beim Auf- und Abbau eines Marktstandes lediglich Hilfsarbeit verrichtet. Zur Höhe eines derzeit als ungelernte Kraft erzielbaren Einkommens hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen. Ohne nähere Prüfung hätte es jedoch nicht auf die volle Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Höhe des titulierten Kindesunterhalts schließen dürfen.
Das Oberlandesgericht hat daher mit der Zurechnung fiktiver Einkünfte den ihm eingeräumten Entscheidungsspielraum überschritten.
2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem dargestellten Verfassungsverstoß.
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫).
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen