Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Beschluss vom 11.12.2003; Aktenzeichen 1 Bs 599/03) |
Tenor
Die Wirkung des Beschlusses des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2003 – 1 Bs 599/03 – wird bis zur Entscheidung über eine noch einzulegende Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Antragsteller die entstandenen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller und die Beigeladene des Ausgangsverfahrens sind Professoren der Besoldungsgruppe C 2 an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung – Fachbereich Polizei –. Nachdem der Antragsteller durch einen Zeitungsbericht von der bevorstehenden Ernennung der Beigeladenen zur C3-Professorin erfahren hatte, nahm er vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch. Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung statt, die zu besetzende Stelle habe nicht ohne die Durchführung eines Auswahlverfahrens vergeben werden dürfen. Für diesen Fall sei die Wahl des Antragstellers jedenfalls möglich. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hob den erstinstanzlichen Beschluss mit der Begründung auf, dass der Antragsteller ungeachtet der Frage, ob die Stelle hätte ausgeschrieben werden müssen, im Falle seiner Bewerbung chancenlos sei.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 7, 367 ≪371≫; 68, 233 ≪235≫; 71, 158 ≪161≫; 79, 379 ≪383≫; 91, 140 ≪144≫; 103, 41 ≪42≫, stRspr). Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 169 ≪172≫; 88, 173 ≪179 f.≫; 91, 140 ≪144≫; 99, 57 ≪66≫, stRspr).
2. Der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass ein Verfahren zur Hauptsache noch nicht anhängig ist (BVerfGE 71, 350 ≪352≫, stRspr). Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre jedenfalls in Bezug auf die Rüge der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG nicht offensichtlich unbegründet.
a) Es bleibt dem Hauptverfahren vorbehalten zu klären, ob es vorliegend der Ausschreibung der im Streit befindlichen Professur bedurfte. Hierfür spricht ungeachtet der von der Antragsgegnerin im Ausgangsverfahren aufgeworfenen Frage, ob es bei einer bloßen Stellenaufwertung im Rahmen von Bleibeverhandlungen eines Auswahlverfahrens bedarf, das Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass letztlich doch die Übertragung der vormals von Prof. Dr. A. innegehabten und derzeit vakanten C3-Stelle zu Gunsten von Frau Prof. Dr. H. beabsichtigt ist. Diese Anhaltspunkte ergeben sich daraus, dass der Zuschnitt des künftigen Postens der Beigeladenen im Wesentlichen dem der vorgenannten Stelle entspricht und diese zugleich auf die Besoldungsstufe C 2 abgewertet werden soll. So wird auch in den Stellungnahmen des Personalrats vom 27. Oktober 2003 und der Präsidialabteilung vom 24. Oktober 2003 sowie in einem Schreiben des Rektors der Fachhochschule an den Hamburger Innensenator vom 28. Oktober 2003 von einer „Umsetzung” von Frau Prof. Dr. H. auf die vorhandene C3-Professur ausgegangen. Die Beigeladene selbst spricht gleichfalls in ihrer Beschwerdeschrift von ihrer Umsetzung auf die ehemals von Prof. Dr. A. besetzte Stelle.
b) Hinsichtlich der vom Antragsteller als verletzt gerügten Rechte aus Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG erscheint ein Erfolg der Verfassungsbeschwerde im Hinblick darauf nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das Hamburgische Oberverwaltungsgericht eine Bewerbung des Antragstellers als chancenlos erachtete, obwohl es erhebliche Kenntniserweiterungen des Antragstellers in den mit der zu vergebenden Stelle verbundenen Fächern unterstellt hat.
3. Die somit erforderliche Folgenabwägung ergibt, dass die Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung überwiegen.
a) Erginge die einstweilige Anordnung nicht, so könnte die Beigeladene des Ausgangsverfahrens als Professorin der Besoldungsstufe C 3 ernannt werden. Stellte sich später die Verfassungswidrigkeit des mit einer – noch zu erhebenden – Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts heraus, ließe sich der Eingriff in das Recht des Antragstellers auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach bisheriger fachgerichtlicher Rechtsprechung durch eine erneute Durchführung des Auswahlverfahrens nicht mehr korrigieren (BVerwGE 80, 127 ≪129 f.≫; s. hierzu allerdings jetzt auch BVerwGE 115, 89 ≪91 f.≫).
b) Gegenüber dem irreparablen Rechtsverlust, der dem Antragsteller drohte, sind die Nachteile, die entstehen, wenn eine einstweilige Anordnung erlassen wird, die Verfassungsbeschwerde aber später keinen Erfolg hat, weniger gewichtig. Die geltend gemachten organisatorischen Schwierigkeiten im Falle eines Weggangs der Beigeladenen lassen sich durch eine Neubesetzung zumindest einer der beiden dann vakanten Stellen beheben. Zudem sind auch bisher Lehrtätigkeiten in größerem Umfang von Lehrbeauftragten erbracht worden.
4. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 3 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jentsch, Broß, Lübbe-Wolff
Fundstellen
Haufe-Index 1262394 |
NVwZ 2004, 1109 |