Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 25.11.2008; Aktenzeichen 1 Vollz (Ws) 811/08) |
LG Paderborn (Beschluss vom 22.09.2008; Aktenzeichen Vollz M 273/08 (11 a)) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit, sein Rechtsschutzziel im fachgerichtlichen Verfahren mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verfolgen. Die Verfassungsbeschwerde ist daher unzulässig, weil der Rechtsweg bislang noch nicht erschöpft ist (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
1. Kann ein Beschwerdeführer mit einem Rechtsmittel, für das ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, erreichen, dass seine Rechte im Wege des fachgerichtlichen Rechtsschutzes gewahrt werden, so ist regelmäßig von ihm zu verlangen, dass er diesen Weg beschreitet, bevor er Verfassungsbeschwerde erhebt (vgl. BVerfGE 10, 274 ≪281≫; 42, 252 ≪256 f.≫; 77, 275 ≪282≫).
2. Diese Möglichkeit besteht hier.
a) Der Beschwerdeführer hat gegen den Beschluss des Landgerichts „sofortige Beschwerde” zum Oberlandesgericht erhoben. Das Oberlandesgericht hat, weil gegen den Beschluss des Landgerichts allein eine Rechtsbeschwerde gemäß §§ 116 ff. StVollzG statthaft war, die „sofortige Beschwerde” als Rechtsbeschwerde ausgelegt und diese als unzulässig zurückgewiesen, da sie nicht den Formerfordernissen des § 118 Abs. 3 StVollzG entsprach.
Nach dem Sachverhalt, den der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde vorträgt, kann er mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung der Rechtsbeschwerde, verbunden mit erneuter, formgerechter Einlegung einer Rechtsbeschwerde, erreichen, dass der angegriffene Beschluss einer Sachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterzogen wird.
Ausweislich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie der „Rechtsmittelbelehrung (K)”, die nach seinen Angaben dem Beschluss des Landgerichts Paderborn vom 22. September 2008 beigefügt war, wurde der Beschwerdeführer dahingehend belehrt, dass er „sofortige Beschwerde” erheben könne, die „schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht, das den Beschluss erlassen hat”, einzulegen sei. Diese Rechtsmittelbelehrung war fehlerhaft. Gegen den Beschluss des Landgerichts Paderborn war nur die Rechtsbeschwerde statthaft, und diese kann gemäß § 118 Abs. 3 StVollzG nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden.
Hat der Beschwerdeführer aufgrund einer ihm erteilten unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung die erforderliche Form nicht gewahrt und die Frist für die Einlegung einer den Formerfordernissen entsprechenden Rechtsbeschwerde versäumt, so war die Versäumung der Frist unverschuldet (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 44 Satz 2 StPO), so dass ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsbeschwerdefrist gewährt werden kann (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 44 Satz 1 StPO).
b) Eine Wiedereinsetzung scheidet hier nicht deshalb aus, weil die einwöchige Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 45 Abs. 1 StPO) abgelaufen wäre. Es ist Sache der Fachgerichte, zu entscheiden, ob wegen der fehlerhaften Belehrung des Beschwerdeführers bereits die Frist zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zu laufen begonnen hat oder ob davon auszugehen ist, dass diese Frist in dem Zeitpunkt zu laufen begann, in dem der Beschwerdeführer Kenntnis von der Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde und den Gründen dieser Unzulässigkeit erhielt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2005 – 2 BvR 172/04 u.a. –, NJW 2005, S. 3629 f.). Im letzteren Fall wäre die Wiedereinsetzungsfrist zwischenzeitlich abgelaufen. Da der Beschwerdeführer über die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, erst durch den vorliegenden Beschluss in der notwendigen Weise informiert wird, beginnt jedenfalls die Frist zur Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist erst mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses zu laufen (vgl. BVerfG, a.a.O., sowie BVerfGK 5, 151 ≪154≫).
c) Der Beschwerdeführer kann danach innerhalb einer Woche ab Zustellung des vorliegenden Beschlusses durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle bei dem jeweils zuständigen Landgericht eine zulässige Rechtsbeschwerde einlegen, indem er gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, und zwar sowohl hinsichtlich der versäumten Rechtsbeschwerdefrist als auch vorsorglich im Hinblick auf die Wiedereinsetzungsfrist. Die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass er die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist nicht verschuldet hat – hier: die Erteilung einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung – hat er dabei glaubhaft zu machen (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Die Einlegung einer Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle erfordert, dass die Rechtsbeschwerde von einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu Protokoll genommen wird. Der Gefangene, der eine Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einlegen will, kann bei der Justizvollzugsanstalt, in der er inhaftiert ist, beantragen, dass ihm hierzu Gelegenheit gegeben wird – sei es durch Vorführung zur Geschäftsstelle oder dadurch, dass ein zuständiger Urkundsbeamter ihn aufsucht. Zur Einlegung der Rechtsbeschwerde auf diesem Wege ist dem Beschwerdeführer innerhalb der einwöchigen Wiedereinsetzungsfrist Gelegenheit zu geben.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Mellinghoff, Lübbe-Wolff
Fundstellen