Verfahrensgang
OVG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 31.05.2007; Aktenzeichen 3 M 53/07) |
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
2. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.
4. Der Antrag auf Anordnung der Auslagenerstattung für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht über den Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtete sich ursprünglich gegen die Versammlungsverbote sowie gegen die oberverwaltungsgerichtliche Eilentscheidung zum “Sternmarsch” zum G8-Gipfel in Heiligendamm. Mit Schreiben vom 25. Juni 2007 haben die Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde teilweise für erledigt erklärt, soweit das Verfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Verfassungsbeschwerdeführer gegen die Verbotsverfügungen der Polizeidirektion Rostock zum Gegenstand gehabt habe. Der Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, nämlich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Versammlungsverbote, habe sich durch Zeitablauf erledigt. Die Versammlung habe am 7. Juni 2007 stattfinden sollen und könne nicht nachgeholt werden, da das Gipfeltreffen der G8 beendet sei. Die Beschwerdeführer seien jedoch nach wie vor durch die Kostenentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern beschwert.
Entscheidungsgründe
II.
1. Soweit die Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde aufrechterhalten, ist sie nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben sind. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, weil sie bereits unzulässig ist. Eine allein aus der Kostenentscheidung herrührende Beschwer reicht nicht aus, um ein Rechtsschutzbedürfnis für die verfassungsgerichtliche Prüfung der gesamten Gerichtsentscheidung und deren Aufhebung zu begründen (vgl. BVerfGE 33, 247 ≪256 ff.≫; 39, 276 ≪292≫; 50, 244 ≪248≫).
2. Soweit die Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde im Übrigen für erledigt erklärt haben, ist über die Erstattung ihrer Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 87, 394 ≪397≫).
Hier erscheint es billig, die Auslagenerstattung anzuordnen. Die per Fax am 4. Juni 2007 erhobene Verfassungsbeschwerde war bis zum Ablauf des vorgesehenen Versammlungstermins am 7. Juni 2007 und der damit einhergehenden Erledigung des Interesses an der Durchführung der Versammlung selbst zulässig. Erst mit Ablauf des Versammlungstermins wurde sie aus Gründen der materiellen Subsidiarität unzulässig. Sie war nach Maßgabe der im Eilverfahren möglichen vorläufigen Prüfung im Zeitpunkt der Erledigung allerdings begründet, weil die vor den gewalttätigen Ereignissen in Rostock ergangene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, wie die Kammer in ihrer Entscheidung über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung festgestellt hat, nach den Maßstäben des Eilverfahrens mit der Versammlungsfreiheit unvereinbar war.
Dass die Frage, ob die Begründetheit auch in der für die einstweilige Anordnung erforderlichen Weise offensichtlich war, im Beschluss der Kammer vom 6. Juni 2007 offengelassen werden konnte, lag an den nach Erlass der oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen Ereignissen, insbesondere dem Gewaltausbruch in Rostock, der Gewalttätigkeiten auch bei dem Sternmarsch befürchten ließ. Erst diese bewirkten, dass die für das Bundesverfassungsgericht maßgebliche Beurteilung der Entscheidungsfolgen vom maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus nunmehr zu Lasten der Beschwerdeführer ausfallen musste. Das Bundesverfassungsgericht kann die bereits im Eilverfahren nach dessen Maßstäben getroffenen Feststellungen zu den Erfolgsaussichten jedoch im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG berücksichtigen.
3. Der Antrag, die Auslagenerstattung auch für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht anzuordnen, bleibt hingegen ohne Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig (vgl. BVerfGE 89, 91 ≪93 f.≫), jedoch unbegründet. Das Eilrechtsschutzverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist auch dann, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gestellt wird, kostenrechtlich selbständig zu würdigen (vgl. Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger ≪Hrsg.≫, BVerfGG, 2. Aufl., 2005, § 34a Rn. 62). Die Entscheidung über die Auslagenerstattung für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung folgt danach nicht zwangsläufig der Auslagenentscheidung im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde; vielmehr ist hierüber selbständig unter Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 89, 91 ≪95≫). Diese Entscheidung fällt hier zuungunsten der Beschwerdeführer aus. Der per Fax am 4. Juni 2007, mithin erst nach den gewalttätigen Ereignissen in Rostock am 2. Juni 2007 gestellte Eilantrag war, anders als die Verfassungsbeschwerde, von Anfang an ohne Aussicht auf Erfolg, da für die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des § 32 BVerfGG vorzunehmende Folgenabwägung der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag maßgeblich ist.
4. Der Gegenstandswert der Verfassungsbeschwerde wird auf die Mindesthöhe von 4.000 Euro festgesetzt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 RVG). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Verfassungsbeschwerde letztlich erfolglos geblieben ist; ferner, dass sie von der Kammer entschieden wurde (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪369≫).
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen