Gegen den 81jährigen Beschwerdeführer ist ein Ermittlungsverfahren anhängig. Ihm wird vorgeworfen, im Juli und August 2003 Vergewaltigungen begangen zu haben. Im Ermittlungsverfahren hat der Beschwerdeführer, der die Vorwürfe bestreitet, sich dahin eingelassen, er leide seit mehreren Jahren an Diabetes und sei krankheitsbedingt erektionsunfähig.
Das Landgericht ordnete vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 202 StPO die stationäre Untersuchung des Beschwerdeführers auf seine Erektions- und Ejakulationsfähigkeit für eine Dauer von bis zu sieben Tagen an. Der Beschluss enthielt keine Begründung.
Mit seiner dagegen eingelegten Beschwerde rügte der Beschwerdeführer u.a. die Unverhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahme. Diese stelle ein völlig ungeeignetes Beweismittel dar, jedenfalls wenn sie unter Zwang durchgeführt werde. Das Landgericht half der Beschwerde mit der Begründung, die Untersuchung sei angesichts der Einlassung des Beschwerdeführes erforderlich, nicht ab.
Das Oberlandesgericht holte vor seiner Beschwerdeentscheidung bei dem vom Landgericht bestimmten Sachverständigen Erkundigungen über Art und Umfang der erforderlichen Untersuchung ein. Dieser teilte im Wesentlichen mit:
“Bisher haben wir keinen einzigen Fall gehabt, bei dem Untersuchungen gegen den Willen des zu Begutachtenden durchgeführt wurden. … Die Erektions- und Ejakulationsfähigkeit können wir nur mit gewissen Einschränkungen bestimmen, vor allem ist die Untersuchungssituation nicht gleichzusetzen mit der im wirklichen Leben. Bei der Ejakulation können wir im Grunde nur im Ausschlussverfahren vorgehen. … Wir sind auch auf die anamnestischen Angaben des Patienten angewiesen. … Bei der Erektionsfähigkeit haben wir etwas günstigere Voraussetzungen, wir bedienen uns vor allem folgender Untersuchungen:
- Ultraschalluntersuchung des Penis und der Penisdurchblutung (nicht invasiv)
- Herbeiführen einer Erektion durch Einspritzen von gefäßerweiternden Medikamenten in den Penis
- Nachtschlafuntersuchungen mit Aufzeichnung der spontanen, nächtlichen Erektionen (hierzu ist ein 2-3tägiger nächtlicher Aufenthalt im KH nötig).”
Ergänzend erläuterte der Sachverständige, eine Untersuchung durch Einspritzen gefäßerweiternder Medikamente dürfte beim Beschwerdeführer nicht in Betracht kommen. Eine Ultraschalluntersuchung in Verbindung mit einer Nachtschlafuntersuchung sei grundsätzlich geeignet, die Frage der Erektionsfähigkeit zu klären. Eine Ultraschalluntersuchung allein dürfte hierfür nicht ausreichen. Bei der Nachtschlafuntersuchung würden etwaige nächtliche Erektionen aufgezeichnet, wozu dem Betroffenen ein Bändchen um den Penis gelegt werde, das dessen Spannung aufnehme. Die Daten würden durch ein Erektometer aufgezeichnet. Eine solche Untersuchung sei zwar auch gegen den Willen des Betroffenen möglich, jedoch sei dabei dessen Kooperationsbereitschaft wesentlich.
Der Beschwerdeführer erklärte hierzu, er sei nicht bereit, an den Untersuchungen mitzuwirken. Er beabsichtige auch nicht, in der Uniklinik zu schlafen, denn dies sei von seiner ihm gemäß § 81a StPO obliegenden Duldungspflicht nicht umfasst. Die Ausführungen des Sachverständigen seien zudem widersprüchlich. Wenn die Nachtschlafuntersuchung auch gegen seinen Willen durchgeführt werden könne, könne seine Kooperationsbereitschaft nicht wesentlich sein. Zudem sei fraglich, ob es sich bei einer solchen Untersuchung gegen seinen Willen um eine in den Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei als richtig und zuverlässig eingestufte Methode handele, der nach dem erreichten Forschungsstand Beweiswert zukomme. Da der Sachverständige insoweit keine Erfahrungen gemacht habe, müsse die Beweiseignung der Untersuchung zumindest durch wissenschaftliche Publikationen belegt werden können.
Das Oberlandesgericht verwarf die Beschwerde mit der Maßgabe, dass die Untersuchung auf die Erektionsfähigkeit des Beschwerdeführers beschränkt werde, die Dauer der stationären Untersuchung drei Tage nicht übersteigen dürfe und keine Untersuchungsmethoden (insbesondere Injektionen) eingesetzt werden dürften, durch die die körperliche Unversehrtheit des Beschwerdeführers beeinträchtigt werde. Der Senat führte aus, es spreche aus seiner Sicht einiges dafür, dass es der körperlichen Untersuchung des Beschwerdeführers angesichts der gesamten Beweislage nicht unbedingt bedürfe und dem Ergebnis angesichts des seit der Tat verstrichenen Zeitraums allenfalls ein eingeschränkter Beweiswert zukomme.
Dies könne der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg verhelfen, denn Prüfungsmaßstab für den Senat sei allein die Frage, ob durch den Vollzug der angefochtenen Entscheidung Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt würden. Damit sei die Prüfung der Zweckmäßigkeit der Beweisanordnung nicht verbunden. Unzulässig sei die Untersuchung des Beschwerdeführers auf seine Ejakulationsfähigkeit, denn hierfür sei seine Mitwirkung erforderlich. Hingegen bestünden keine rechtlichen Bedenken gegen die Untersuchung der Erektionsfähigkeit mittels Ultraschalluntersuchung und der Nachtschlafuntersuchung. Die Nachtschlafuntersuchung verletze den Beschwerdeführer nicht in seiner Menschenwürde, denn es handele sich um eine Messung der reinen Körperfunktion, hingegen ermögliche die Untersuchung keine Ermittlung der sexuellen Wünsche des Betroffenen. Der Beschwerdeführer sei auch verpflichtet, den mit der Untersuchung notwendigerweise verbundenen stationären Aufenthalt zu dulden, wobei nur ein maximal dreitägiger Aufenthalt erforderlich und damit die darüber hinausgehende Anordnung durch das Landgericht unverhältnismäßig sei. Die Möglichkeit, Widerstand etwa durch Fixierung an das Bett zu brechen, führe nicht zur Unzulässigkeit der Untersuchung. Allerdings dürften keine Medikamente zur Erzwingung des Schlafs verabreicht werden.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer ergebenden Weise offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung maßgeblichen Fragen sind beantwortet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Der Grundsatz der Subsidiarität nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG führt nicht zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Zwar wendet sich der Beschwerdeführer gegen eine Maßnahme, die im Zwischenverfahren ergangen ist. Jedoch ist es ihm nicht zumutbar, zunächst den rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens abzuwarten (vgl. hierzu BVerfGE 56, 363 ≪380≫; 75, 108 ≪145≫; 86, 15 ≪22≫). Denn der mit der angeordneten Untersuchung verbundene Freiheitsentzug stellt einen schweren Nachteil dar, der beim Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens nicht mehr beseitigt werden könnte.
2. Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Anordnung der stationären Untersuchung sei unverhältnismäßig und verstoße gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der persönlichen Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, ist die Verfassungsbeschwerde begründet.
a) Die Anordnung der stationären Untersuchung bis zu einer Dauer von drei Tagen erlaubt eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, denn durch die Untersuchung wird die körperliche Bewegungsfreiheit des Beschwerdeführers auf einen eng umgrenzten Raum für eine mehr als kurzfristige Zeitdauer beschränkt (vgl. hierzu Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 104 Rn. 10).
b) Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf in das Recht auf Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes eingegriffen werden.
aa) Ob § 81a StPO die Rechtsgrundlage für eine mit einer körperlichen Untersuchung zwangsläufig verbundene Freiheitsentziehung darstellt und die materiellen Voraussetzungen einer solchen Maßnahme mit hinreichender Bestimmtheit regelt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 75, 329 ≪342≫), kann dahinstehen (zum Meinungsstand: Rogall, in: SK-StPO, § 81a Rn. 112 m.w.N.). Denn selbst wenn freiheitsentziehende Maßnahmen von mehrtägiger Dauer auf § 81a StPO gestützt werden könnten, haben die angefochtenen Entscheidungen bei Anwendung des § 81a StPO die Tragweite des Grundrechts auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verkannt und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit außer Acht gelassen.
bb) Der Richter hat, wie bei allen staatlichen Eingriffen in die Freiheitssphäre, bei der Entscheidung über eine auf § 81a StPO gestützte freiheitsentziehende Maßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt zu beachten (vgl. BVerfGE 16, 194 ≪201 f.≫).
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und dass der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des Tatverdachts steht (vgl. BVerfGE 16, 194 ≪202≫; 17, 108 ≪117≫). Die Abwägung zwischen den in Betracht kommenden Maßnahmen und zwischen Anlass und Auswirkungen des angeordneten Eingriffs haben die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte unter Würdigung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. BVerfGE 27, 211 ≪219≫). Eine dem Sinn der Grundrechte Rechnung tragende Gesetzesanwendung erfordert dabei die Berücksichtigung der Stärke des Tatverdachts (vgl. BVerfGE 17, 108 ≪117≫). Auch begründete Zweifel am Beweiswert der Maßnahme sind in die einzelfallbezogene Prüfung einzustellen, denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert im Strafverfahren, dass die Maßnahme unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 17, 108 ≪117≫). Das Bundesverfassungsgericht kann die gebotene Abwägung freilich nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die hierbei zu Grunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen (vgl. BVerfGE 27, 211 ≪219≫).
cc) Nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Stand.
Ob die angeordnete Untersuchung zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist, kann dahinstehen. Denn der Senat hat Inhalt und Tragweite des Übermaßverbots verkannt; er hat es versäumt, eine Würdigung aller Umstände sowie eine Prüfung der Unerlässlichkeit der Maßnahme vorzunehmen. Dies verdeutlichen seine Ausführungen, es spreche zwar einiges dafür, dass es der angeordneten Maßnahme angesichts der gesamten Beweislage nicht unbedingt bedürfe und dem Ergebnis angesichts der seit der Tat verstrichenen Zeit allenfalls ein beschränkter Beweiswert zukomme; dieses sei vom Beschwerdegericht jedoch nicht zu überprüfen. Das Beschwerdegericht hat vielmehr diese Umstände bei der Überprüfung freiheitsentziehender Maßnahmen im Rahmen der von Verfassungs wegen gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu würdigen. Darüber hinaus hätten sich dem Senat auch angesichts der Angaben des Sachverständigen Zweifel am zu erwartenden Ertrag der Untersuchung zur Aufklärung der Erektionsfähigkeit des Beschwerdeführers aufdrängen und ebenfalls im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung berücksichtigt werden müssen. Bereits die Angaben des mit der Untersuchung beauftragten Sachverständigen zur Bedeutung der Mitwirkung des Beschwerdeführers waren widersprüchlich, weil dieser ausführte, eine Nachtschlafuntersuchung sei zwar gegen den Willen des Betroffenen möglich, jedoch sei dessen Kooperationsbereitschaft wesentlich. Diesen Widerspruch hat das Oberlandesgericht nicht aufgelöst. Hinzu kommt, dass in der Klinik des Sachverständigen bislang keine entsprechende Untersuchung gegen den Willen des zu Begutachtenden stattgefunden hat, so dass es dem Sachverständigen insoweit an Erfahrungswerten mangeln könnte. Ebenso wenig setzt sich das Oberlandesgericht mit dem Einwand des Beschwerdeführers, er beabsichtige nicht, in der Klinik zu schlafen, auseinander, obwohl dieser Einwand geeignet sein könnte, den Erfolg der Untersuchung zu beeinflussen. Das Oberlandesgericht hat es mithin versäumt, eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
dd) Soweit die Entscheidung des Landgerichts nicht bereits durch die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben worden ist, verstößt sie ebenfalls gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Denn die bloße Begründung, die Untersuchung sei angesichts der Einlassung des Beschwerdeführers erforderlich, lässt eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gänzlich vermissen.
c) Es ist nicht ausgeschlossen, dass die angefochtenen Entscheidungen bei einer entsprechenden Abwägung anders ausgefallen wären. Das Oberlandesgericht zeigte insoweit auf, dass es jedenfalls an dem Erfordernis der angeordneten Untersuchung angesichts deren eingeschränkten Beweiswerts sowie der Beweislage Zweifel hegte.
d) Die mit der Verfassung nicht in Einklang stehenden Entscheidungen sind aufzuheben, das Verfahren ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Einer isolierten Aufhebung der Anordnung der Nachtschlafuntersuchung steht entgegen, dass nicht beurteilt werden kann, ob die Gerichte die Ultraschalluntersuchung auch unabhängig von der Nachtschlafuntersuchung hätten anordnen wollen. Dagegen spricht, dass nach den Angaben des Sachverständigen die Ultraschalluntersuchung nur in Verbindung mit der Nachtschlafuntersuchung zur Klärung der Frage der Erektionsfähigkeit geeignet sein könne.
3. Ob die angefochtenen Entscheidungen zugleich gegen die Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG sowie gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen, kann dahinstehen.
4. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.