Leitsatz (amtlich)
Verletzt eine mehrdeutige Meinungsäußerung das Persönlichkeitsrecht eines anderen, scheidet ein Anspruch auf deren zukünftige Unterlassung – anders als eine Verurteilung wegen einer in der Vergangenheit erfolgten Äußerung, etwa zu einer Strafe, zur Leistung von Schadensersatz oder zum Widerruf – nicht allein deshalb aus, weil sie auch eine Deutungsvariante zulässt, die zu keiner Persönlichkeitsbeeinträchtigung führt.
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1998 – VI ZR 205/97 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Unterlassungsansprüche wegen der Verbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen.
I.
Der Beschwerdeführer war in Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und danach Ministerpräsident des Bundeslandes Brandenburg. In seiner Eigenschaft als Vertreter der Kirche unterhielt er von 1969 bis 1989 Kontakte zu hauptamtlichen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit, welches ihn in einem IM-Vorgang unter der Bezeichnung “IM-Sekretär” als inoffiziellen Mitarbeiter registriert hatte.
Der Beklagte des Ausgangsverfahrens (künftig: Beklagter) ist Rechtsanwalt und Notar und war seinerzeit stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Abgeordnetenhaus von Berlin. Er hatte in einer Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens am 2. April 1996 zu dem Meinungsstand im Vorfeld der Volksabstimmung über die Vereinigung der Bundesländer Berlin und Brandenburg über den Beschwerdeführer geäußert:
Die Tatsache, dass Herr S…, wie wir alle wissen, IM-Sekretär, über 20 Jahre im Dienste des Staatssicherheitsdienstes tätig, dass der die Chance erhält, 1999 hier in Berlin, auch über Berlin Ministerpräsident zu werden, d.h. dass ich sein Landeskind werde, zusammen mit anderen, das verursacht mir doch erhebliche Kopfschmerzen.
Der Beschwerdeführer begehrt Unterlassung der Äußerung und macht geltend, dass die Tatsachenbehauptung, er sei über 20 Jahre im Dienste des Staatssicherheitsdienstes tätig gewesen, eine Verleumdung seiner Person darstelle, da er niemals als Inoffizieller Mitarbeiter im Dienste des Ministeriums für Staatssicherheit tätig gewesen sei. Diese Tatsachenbehauptung – unterstrichen durch die Formulierungen “Tatsache” und “wie wir alle wissen” – sei geeignet, ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und verächtlich zu machen.
Das Landgericht hat eine auf Unterlassung gerichtete Klage des Beschwerdeführers abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Äußerung vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und den Beklagten verurteilt, es bei Vermeidung eines Ordnungsgelds zu unterlassen, die Behauptung zu verbreiten oder zu wiederholen, der Beschwerdeführer sei “IM-Sekretär, über 20 Jahre im Dienste des Staatsicherheitsdienstes tätig” gewesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte eine den Beschwerdeführer herabsetzende und verächtlich machende Tatsache behauptet und verbreitet habe. Die angegriffene Äußerung bedeute nach allgemeinem Sprachgebrauch, dass jemand auf Grund einer ausdrücklich oder konkludent abgegebenen Verpflichtungserklärung im Auftrag des Staatssicherheitsdienstes Informationen über Dritte gesammelt oder beschafft und an den “Dienstherrn” zu dessen Nutzen weitergegeben habe.
Nach § 823 Abs. 2 BGB, § 186 StGB habe der Beklagte die Wahrheit seiner Behauptung beweisen müssen. Das sei ihm nicht gelungen. Zum Beweise für Dienste bei der Staatssicherheit genüge nicht die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bei dem Ministerium für Staatssicherheit als “IM-Sekretär” registriert gewesen sei. Eine schriftliche Verpflichtungserklärung sei nicht bekannt. Die über ihn bei dem Ministerium für Staatssicherheit geführte Akte sei vernichtet. Das Gericht vermöge auch angesichts der weiteren durch den Beklagten angeführten Indizien nicht mit hinreichender Gewissheit zu erkennen, ob der Beschwerdeführer in dem Bemühen, humanitäre Hilfe zu leisten und Handlungsspielräume der Kirche zu erweitern, in seinen Kontakten zum Ministerium für Staatssicherheit “zu weit gegangen”, gleichwohl aber ein Mann der Kirche geblieben sei oder ob er die Seiten gewechselt und für das Ministerium für Staatssicherheit zielgerichtet die Kirche ausspioniert habe, um Handlungsspielräume der Staatsführung der Deutschen Demokratischen Republik in die Kirche hinein zu eröffnen oder zu erweitern. Die Äußerung des Beklagten sei auch nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt oder nach § 193 StGB gerechtfertigt. Zur Wahrnehmung berechtigter politischer Interessen hätte es genügt, die Berichterstattung zu den Vorwürfen mit den Indizien gegen den Beschwerdeführer zusammenzufassen, sie in Erinnerung zu rufen oder gekennzeichnet als eigene Meinung zu bewerten. Der Beklagte habe dagegen nicht über die bewiesenen Tatsachen hinausgehende Behauptungen verbreiten dürfen, die er zudem auf ihren Wahrheitsgehalt nicht überprüft habe.
Der Bundesgerichtshof hat mit dem angegriffenen Urteil (BGHZ 139, 95) auf die Revision des Beklagten hin das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht dem Unterlassungsbegehren des Beschwerdeführers entsprochen.
Die angegriffene Äußerung weise einen Tatsachengehalt auf, der mit den Mitteln des Beweises auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden könne. Das Berufungsgericht habe den Aussagegehalt allerdings fälschlicherweise nur in einem ganz bestimmten Sinn gedeutet, ohne andere Verständnismöglichkeiten auch nur zu erörtern. Der Hinweis auf eine Tätigkeit “im Dienst” des Staatssicherheitsdienstes schließe nicht zwingend die Behauptung ein, der Beschwerdeführer habe eine solche Tätigkeit auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung für den Staatssicherheitsdienst als seinen Dienstherrn ausgeübt. Vielmehr könne der fragliche Textabschnitt zwanglos auch dahingehend verstanden werden, der vom Ministerium für Staatssicherheit aktenmäßig als “IM-Sekretär” geführte Beschwerdeführer habe diesem – ohne hierzu auf Grund einer Verpflichtungserklärung angehalten gewesen zu sein – Dienste geleistet, indem er im Rahmen seiner – unstreitig intensiven – Kontakte zum Staatssicherheitsdienst diesem entsprechend dessen Erwartungen, aus welchen Motiven auch immer, bewusst und gewollt Informationen über Dritte oder bestimmte Vorgänge geliefert habe; hierbei habe er in Kenntnis dessen, dass diese Informationen dem Staatssicherheitsdienst dienlich, also nützlich gewesen seien, der Sache nach wie ein Beauftragter gehandelt. Jedenfalls lasse sich ein solches Verständnis nicht ausschließen. Seien mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so sei der rechtlichen Beurteilung diejenige zu Grunde zu legen, die dem auf Unterlassung in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt. Dies sei aber hier die dargelegte zweite Alternative.
Auch bei einem derartigen Verständnis der Textpassage handele es sich jedoch um eine Behauptung tatsächlichen Inhalts, deren Wahrheit nicht erwiesen sei. Dies wirke sich indessen nicht zu Lasten des Beklagten aus. Eine in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Angelegenheit aufgestellte, nicht erweislich ehrenrührige Behauptung dürfe so lange nicht untersagt werden, wie der Äußernde sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen habe für erforderlich halten dürfen (unter Hinweis auf BGHZ 132, 13 ≪23≫). Die erforderliche Güterabwägung ergebe hier, dass das Interesse des Beklagten an der Äußerung überwiege. Die an eine Recherchepflicht zu knüpfenden Anforderungen dürften nicht überspannt werden. Dem Beklagten hätten nach diversen Ermittlungen über die Rolle des Beschwerdeführers keine weiteren Möglichkeiten offen gestanden, substantiell Neues über die Rolle zu erkunden, die der Beschwerdeführer in seinen Kontakten mit dem Staatssicherheitsdienst gespielt hat.
Für die Zulässigkeit der Äußerung spreche auch, dass sie im politischen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage gefallen sei und deshalb zu Gunsten des Beklagten die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede spreche. Es komme hinzu, dass der Beschwerdeführer selbst sich engagiert an der politischen Auseinandersetzung beteiligt und sich damit aus eigenem Entschluss ins Rampenlicht einer öffentlichen Diskussion gestellt habe, für die von vornherein die Thematisierung der Rolle nicht fern gelegen habe, die er mit seinen langjährigen Kontakten zum Staatssicherheitsdienst gespielt habe. Schließlich habe der Beklagte seine Äußerung nicht ohne jeden Anhaltspunkt aufgestellt, sondern könne sich darauf stützen, dass es auch gegen den Beschwerdeführer sprechende Indizien gebe.
Der Bundesgerichtshof sei an einer abschließenden Entscheidung in der Sache nicht durch einen erstmals im Revisionsverfahren gestellten Beweisantrag des Beschwerdeführers gehindert, wonach der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt während seiner Amtszeit den Beschwerdeführer darum gebeten habe, mit dem Staatssicherheitsdienst der Deutschen Demokratischen Republik Kontakt aufzunehmen. Abgesehen davon, dass damit die Unwahrheit der konkreten Behauptung des Beklagten nicht zu beweisen wäre, sei ein solcher Beweisantrag in der Revisionsinstanz unzulässig. Außerdem habe das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus keine Veranlassung gehabt, auf ergänzenden Vortrag oder Beweisanträge des Beschwerdeführers hinzuwirken.
II.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und von Verfahrensgrundrechten (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1 GG).
Das Urteil des Bundesgerichtshofs verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, indem es auf einer Umdeutung der Behauptung des Beklagten beruhe, für die es an jeglichem Anhalt fehle. Die Umdeutung der “Tätigkeit im Dienste der Staatssicherheit” in die Erteilung von Informationen, die dem Staatssicherheitsdienst dienlich oder nützlich gewesen seien, habe mit dem Wortlaut und Inhalt der Behauptungen des Beklagten nichts mehr zu tun. Soweit der Bundesgerichtshof die danach angenommene Tätigkeit als ein “Handeln der Sache nach wie ein Beauftragter” oder “gleichsam als Beauftragter dienlich” bezeichne, deute gerade dies ein Über- oder Unterordnungsverhältnis oder ein Weisungsverhältnis zur Staatssicherheit an.
Der Bundesgerichtshof komme zu einer Umkehr der Beweislast aus der Überlegung, es handele sich um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit. Mit diesem Ansatzpunkt werde der Bereich der Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG weit überzogen. Die Richtigkeit der Behauptungen des Beklagten sei zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beklagten im Streit. Die durchgeführten Untersuchungen hätten keinerlei Beweis für die Richtigkeit der Behauptung des Beklagten ergeben. Deshalb könne objektiv von der Feststellung ausgegangen werden, dass es für die Richtigkeit der Behauptungen des Beklagten keine Beweise gebe. Die durch den Bundesgerichtshof angesprochene Vermutungsregel zu Gunsten der freien Meinungsäußerung spiele dann keine Rolle, wenn Recherchen praktisch ausschieden, weil der Sachverhalt ermittelt sei. Wolle der Beleidiger darüber hinausgehende Behauptungen aufstellen, trage er das Risiko der Beweisbarkeit.
Die Verfassungsbeschwerde rügt weiter die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), verbunden mit einem Verstoß gegen die Grundrechte des fairen Verfahrens und des effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG). Der Bundesgerichtshof habe aus seiner Umdeutung des Inhalts der Angriffe des Beklagten auf eine Umkehr der Beweislast geschlossen und sei damit zur Abweisung der Klage gelangt. Wegen der Abweichung von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts habe er aber die Sache zurückverweisen müssen, um dem Tatsachengericht Gelegenheit zu geben, sich auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof geschaffenen neuen tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung erneut mit der Sache zu befassen, insbesondere neuen Beweisanträgen nachzugehen. Dies sei auch notwendig, weil im Revisionsverfahren ein Beweisantrag unzulässig ist. Durch die Handhabung des Bundesgerichtshofs sei dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör genommen worden. Insbesondere sei es nicht zu der von ihm beantragten Vernehmung des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt zu der Behauptung gekommen, dieser habe den Beschwerdeführer persönlich gebeten, mit dem Staatssicherheitsdienst Kontakt aufzunehmen.
III.
1. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erachtet die Äußerung für zulässig. Sie sei Ausdruck seiner Besorgnis über die – seiner Auffassung nach – mangelnde Eignung des Beschwerdeführers als Ministerpräsident und beziehe sich auf etwas der Allgemeinheit Bekanntes. Die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung, wonach der Beschwerdeführer für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei, sei nicht zu widerlegen und werde auch durch neuere Pressemeldungen bestätigt. Danach fänden sich in den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes Hinweise nicht nur auf eine wie immer geartete Tätigkeit, sondern auch auf eine erfolgreiche Anwerbung des Beschwerdeführers.
2. Der V. und der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs haben sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert.
Der VI. Zivilsenat hat darauf hingewiesen, dass die in seiner Entscheidung enthaltene Abwägung der Meinungsfreiheit gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen gewesen sei, die in der angegriffenen Entscheidung auch zitiert seien.
Der V. Zivilsenat hat ausgeführt, dass die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ihm unbegründet erscheine. Von einer möglichen Zurückverweisung zur abschließenden Aufklärung des Sachverhalts habe der VI. Zivilsenat ausweislich der Urteilserwägungen abgesehen, weil er den Sachverhalt für aufgeklärt und den Beweisantrag für unerheblich angesehen habe. Sei dies zutreffend und lege der Beschwerdeführer keinen anderen Sachvortrag dar, der ihm hierdurch abgeschnitten worden sei, habe kein Anlass zur Zurückverweisung bestanden.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
I.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
1. Die Entscheidung berührt den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers.
a) Das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt die im Grundgesetz normierten Freiheitsrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 54, 148 ≪153≫). Der Inhalt dieses Rechts ist nicht allgemein und abschließend umschrieben. Zu den anerkannten Inhalten gehören das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, die soziale Anerkennung sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 ≪153 f.≫; 99, 185 ≪193≫). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Person insbesondere vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind (vgl. BVerfGE 97, 125 ≪148 f.≫; 99, 185 ≪193 f.≫).
b) Der grundrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bewirkt, dass der Staat gehalten ist, den Einzelnen vor Gefährdungen dieses Rechts durch Dritte zu schützen. Bei der Anwendung der diesem Schutz dienenden zivilrechtlichen Normen haben die Gerichte die grundrechtlichen Maßgaben zu beachten. Verfehlen sie diese, so liegt darin nicht nur eine Verletzung objektiven Verfassungsrechts, sondern auch ein Verstoß gegen die Grundrechte des Betroffenen. Gerichtliche Entscheidungen, die persönlichkeitsrelevante Aussagen zulassen, gegen die sich der Betroffene mit der Begründung wehrt, sie seien falsch, berühren daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfGE 99, 185 ≪194 f.≫).
So liegt es hier. Der Bundesgerichtshof verneint den Anspruch des Beschwerdeführers auf Unterlassung der Äußerung, dieser habe als “IM-Sekretär” über 20 Jahre im Dienste der Staatssicherheit gestanden. Die Äußerung ist geeignet, das soziale und politische Ansehen des Beschwerdeführers zu mindern. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs berührt daher dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht.
2. Durch das Urteil des Bundesgerichtshofs wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers verletzt. Die dem Beschwerdeführer nachteilige Äußerung des Beklagten ist nicht durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt.
a) Zivilrechtliche Grundlage zur Durchsetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch einen Anspruch auf Unterlassung beeinträchtigender Äußerungen sind § 1004 Abs. 1 und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 186 StGB. Die Belange der Meinungsfreiheit finden demgegenüber vor allem in § 193 StGB Ausdruck, der bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen eine Verurteilung wegen ehrverletzender Äußerungen ausschließt und – vermittelt über § 823 Abs. 2 BGB, sonst seinem Rechtsgedanken nach – auch im Zivilrecht zur Anwendung kommt (vgl. BVerfGE 99, 185 ≪195 f.≫). Diese Vorschriften tragen dem Umstand Rechnung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht vorbehaltlos gewährleistet ist. Nach Art. 2 Abs. 1 GG wird es durch die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Rechte anderer beschränkt. Zu diesen Rechten gehört auch die Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Auch diese ist nicht vorbehaltlos garantiert. Sie findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften müssen die zuständigen Gerichte die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪205 ff.≫; 85, 1, ≪13≫; stRspr). Die Zivilgerichte verstehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung voraussetzt (vgl. BGHZ 45, 296 ≪307 f.≫; 50, 133 ≪143 f.≫; 73, 120 ≪124≫). In Fällen der vorliegenden Art ist eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits vorzunehmen. Im Zuge der Abwägung sind die grundrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Maßgebend wird dabei eine Reihe von Prüfungsgesichtspunkten und Vorzugsregeln, die in der Rechtsprechung entwickelt worden sind, um eine größtmögliche Wahrung der beiderseitigen grundrechtlichen Positionen und Interessen bei der Beurteilung und Entscheidung über Fälle von Meinungsäußerungen zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 61, 1 ≪8 ff.≫; 85, 1 ≪14 ff.≫; 93, 266 ≪293 ff.≫; 99, 185 ≪196 ff.≫). Das Ergebnis dieser Abwägung lässt sich wegen der Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls nicht generell und abstrakt vorausbestimmen.
b) Weichenstellend für die Prüfung einer Grundrechtsverletzung ist die Erfassung des Inhalts der Aussage, insbesondere die Klärung, in welcher Hinsicht sie ihrem objektiven Sinn nach das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers beeinträchtigt. Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪295≫; BGHZ 95, 212 ≪215≫; 132, 13 ≪19≫). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪296≫). Ist der Sinn unter Zugrundelegung dieses Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zu Grunde zu legen. Zeigt sich aber, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen.
Vorliegend hat der Bundesgerichtshof Mehrdeutigkeit angenommen. Er hat seiner Entscheidung jedoch die vom Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung von straf- und zivilrechtlichen Sanktionen wegen in der Vergangenheit erfolgter mehrdeutiger Meinungsäußerungen entwickelten Maßstäbe zu Grunde gelegt, ohne zu berücksichtigen, dass sie auf Ansprüche auf Unterlassung zukünftiger Äußerungen nicht in gleicher Weise anwendbar sind. Daher ist schon der Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung verfehlt (aa). Auch die auf dieser Grundlage vom Bundesgerichtshof vorgenommene Abwägung widerspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (bb).
aa) (1) Das Bundesverfassungsgericht geht bei der Überprüfung von straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen wegen in der Vergangenheit erfolgter Meinungsäußerungen von dem Grundsatz aus, dass die Meinungsfreiheit verletzt wird, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zu einer Verurteilung führende Bedeutung zu Grunde legt, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 82, 43 ≪52≫; 93, 266 ≪295 ff.≫; 94, 1 ≪9≫). Lassen Formulierungen oder die Umstände der Äußerung eine nicht das Persönlichkeitsrecht verletzende Deutung zu, so verstößt ein Strafurteil oder ein die Verurteilung zum Schadensersatz, zum Widerruf oder zur Berichtigung aussprechendes zivilgerichtliches Urteil nach dieser Rechtsprechung gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 43, 130 ≪136≫; 93, 266 ≪296≫ – zur strafrechtlichen Verurteilung –; BVerfGE 85, 1 ≪18≫; 86, 1 ≪11 f.≫ – zur zivilrechtlichen Verurteilung). Müsste der sich Äußernde befürchten, wegen einer Deutung, die den gemeinten Sinn verfehlt, mit staatlichen Sanktionen belegt zu werden, würden über die Beeinträchtigung der individuellen Meinungsfreiheit hinaus negative Auswirkungen auf die generelle Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit eintreten. Eine staatliche Sanktion könnte in einem solchen Fall wegen ihrer einschüchternden Wirkung die freie Rede, freie Information und freie Meinungsbildung empfindlich berühren und damit die Meinungsfreiheit in ihrer Substanz treffen (vgl. BVerfGE 43, 130 ≪136≫ 54, 129 ≪136≫ 94, 1 ≪9≫).
(2) Ein gleicher Schutzbedarf für die individuelle Grundrechtsausübung und die Funktionsfähigkeit des Meinungsbildungsprozesses besteht indessen nicht bei gerichtlichen Entscheidungen über die Unterlassung zukünftiger Äußerungen. Hier ist im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu Grunde zu legen ist. An diesen Inhalt werden die für die Abwägung bei Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch Werturteile oder Tatsachenbehauptungen in der Rechtsprechung entwickelten Prüfkriterien und Abwägungsmaßstäbe angelegt. Handelt es sich bei der Äußerung um eine Tatsachenbehauptung, wird entscheidend, ob der Wahrheitsbeweis gelingt. Bei Werturteilen wird maßgebend, ob sie als Schmähung, Formalbeleidigung oder Verletzung der Menschenwürde anzusehen und deshalb zu unterlassen sind oder, wenn dies zu verneinen ist, ob sie im Rahmen einer Abwägung dem Persönlichkeitsschutz vorgehen (vgl. BVerfGE 90, 241 ≪248 f.≫; 93, 266 ≪293 f.≫).
Ist der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, besteht kein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsverletzung führen. Der Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht sind vielmehr alle nicht entfernt liegenden Deutungsvarianten zu Grunde zu legen, die dieses Recht beeinträchtigen. Dem Äußernden steht es frei, sich in Zukunft eindeutig zu äußern und – wenn eine persönlichkeitsverletzende Deutungsvariante nicht dem von ihm beabsichtigten Sinn entspricht – klarzustellen, wie er seine Aussage versteht. Eine auf Unterlassung zielende Verurteilung des Zivilgerichts kann der Äußernde nach der Rechtsprechung vermeiden, wenn er eine ernsthafte und inhaltlich ausreichende Erklärung abgibt, die mehrdeutige Äußerung, der eine Aussage mit dem persönlichkeitsverletzenden Inhalt entnommen werden kann, nicht oder nur mit geeigneten Klarstellungen zu wiederholen (allgemein zur Abwendung der Verurteilung zur Unterlassung vgl. BGHZ 14, 163 ≪167≫; 78, 9 ≪20≫; BGH, NJW 1994, 1281 ≪1283≫; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 12 Rn. 20 f.).
Anders als bei straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen, die nachträglich an eine schon gefallene Äußerung anknüpfen, ist ein den Prozess freier Meinungsäußerung und -bildung beeinträchtigender Einschüchterungseffekt durch diese Anforderungen an den sich Äußernden nicht zu erwarten. Sein Selbstbestimmungsrecht über den Inhalt der Äußerung bleibt gewahrt. Zugleich wird der Schutz des Persönlichkeitsrechts des nachteilig Betroffenen gewährleistet. Der Äußernde kann sein Äußerungsanliegen in freier Selbstbestimmung in einer das Persönlichkeitsrecht nicht verletzenden Art und Weise weiterverfolgen. Sieht er sich dazu nicht in der Lage, trifft er auf die im Persönlichkeitsschutz begründete Schranke der Meinungsäußerungsfreiheit.
(3) Der Bundesgerichtshof hat der vom Beschwerdeführer und vom Berufungsgericht zu Grunde gelegten Deutungsvariante eine andere gegenübergestellt und die rechtliche Beurteilung der Persönlichkeitsverletzung allein an ihr vorgenommen. Dadurch hat er seine Entscheidung nicht an den für Unterlassungsansprüche maßgebenden Grundsätzen ausgerichtet.
Der Beschwerdeführer und das Berufungsgericht verstehen die Aussage des Beklagten als Behauptung, er habe auf Grund einer ausdrücklichen oder konkludenten Verpflichtungserklärung im Auftrag des Staatssicherheitsdienstes gearbeitet und Informationen über Dritte an diesen als “Dienstherrn” zu dessen Nutzen weitergegeben. Der Bundesgerichtshof hält diese Auslegung zwar für vertretbar, hat aber als weitere Deutungsvariante angenommen, die Äußerung enthalte die Aussage, der Beschwerdeführer habe dem Staatssicherheitsdienst Dienste geleistet, indem er diesem im Rahmen seiner zu ihm bestehenden Kontakte entsprechend dessen Erwartungen Informationen über Dritte oder bestimmte Vorgänge geliefert habe; hierbei habe er in Kenntnis dessen, dass diese Informationen dem Staatssicherheitsdienst dienlich, also nützlich gewesen seien, der Sache nach wie ein Beauftragter gehandelt. Dieses Verständnis der Äußerung lasse sich jedenfalls nicht ausschließen.
Der Bundesgerichtshof hat diese Deutungsvariante in Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht für straf- und zivilrechtliche Sanktionen entwickelten Rechtsprechung auch für den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch zu Grunde gelegt. Damit hat er dem Unterschied zivilrechtlicher Ansprüche auf Unterlassung zukünftiger Äußerungen gegenüber straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen für eine in der Vergangenheit erfolgte Äußerung nicht Rechnung getragen. Der Prüfung hätte die das Persönlichkeitsrecht stärker verletzende Deutungsvariante zu Grunde gelegt werden müssen. Bereits wegen des unzutreffend gewählten Ausgangspunkts sind die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Anforderungen verfehlt worden.
bb) Die unzutreffende Wahl des Ausgangspunkts der Prüfung hat sich zum Nachteil des Beschwerdeführers auf die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter ausgewirkt. Diese entspricht auch im Übrigen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht in jeder Hinsicht.
(1) Die Aussage, der Beschwerdeführer habe als “IM-Sekretär” im Dienste des Staatssicherheitsdienstes gestanden, ist – wie auch der Bundesgerichtshof feststellt – eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung. Da es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt, ist sie dem Wahrheitsbeweis zugänglich.
Beweisbelastet für die Richtigkeit einer persönlichkeitsverletzenden Tatsachenbehauptung ist nach der fachrichterlichen Rechtsprechung derjenige, der sie aufstellt (vgl. BGHZ 132, 13 ≪23≫). Dies entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 186 StGB, dessen Anwendung im Äußerungsrecht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Für die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es in der Regel keinen rechtfertigenden Grund (vgl. BVerfGE 61, 1 ≪8≫; 94, 1 ≪8≫; 99, 185 ≪197≫). Grundsätzlich tritt die Meinungsfreiheit daher bei Tatsachenbehauptungen, die bewusst unwahr oder erwiesenermaßen falsch sind, hinter das Persönlichkeitsrecht zurück (vgl. BVerfGE 85, 1 ≪17≫).
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts ist die Wahrheit oder Unwahrheit im Hinblick auf die von ihm zu Grunde gelegte, dem Beklagten ungünstigere Deutungsvariante nicht feststellbar. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der Wahrheitsbeweis ebenso wenig für die dem Beklagten günstigere Deutung seiner Äußerung erbracht. Es war somit bei jeder der Deutungsvarianten von einem “non liquet” auszugehen.
Für die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheitsgehalt nicht endgültig festgestellt werden kann, prüft die Rechtsprechung der Zivilgerichte den Ausgleich zwischen den Anforderungen der Meinungsfreiheit und den Belangen des Persönlichkeitsschutzes daran, ob der Äußernde die Anforderungen erfüllt hat, die bei der Verbreitung von Tatsachenbehauptungen ungeklärten Wahrheitsgehalts an eine Rechtfertigung durch Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) zu stellen sind (vgl. BGH, NJW 1987, S. 2225 ≪2226≫ m.w.N.). Jedenfalls in Fällen, in denen es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht, kann nach dieser Rechtsprechung auch eine möglicherweise unwahre Behauptung demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, so lange nicht untersagt werden, wie er vor der Aufstellung und Verbreitung seiner Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat (vgl. BGHZ 132, 13 ≪23 f.≫).
Gegen die Entwicklung derartiger Pflichten bestehen verfassungsrechtlich keine Einwände, sofern der Umfang dieser Sorgfaltspflichten von den Fachgerichten im Einklang mit den grundgesetzlichen Anforderungen bemessen wird (vgl. BVerfGE 99, 185 ≪198≫). Die Fachgerichte dürfen deshalb einerseits an die Wahrheitspflicht im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen stellen, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so auf die Meinungsfreiheit insgesamt einschnürend wirken können (vgl. BVerfGE 54, 208 ≪219 f.≫; 85, 1 ≪17≫). Sie haben andererseits aber auch zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt (vgl. BVerfGE 12, 113 ≪130≫; 99, 185 ≪198≫). Liegt ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor, sind deshalb hohe Anforderungen an die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zu stellen (vgl. BGHZ 95, 212 ≪220≫; 132, 13 ≪24≫). Diese sind verletzt, wenn sich der Äußernde selektiv und ohne dass dies für die Öffentlichkeit erkennbar wäre, allein auf dem Betroffenen nachteilige Anhaltspunkte stützt und hierbei verschweigt, was gegen die Richtigkeit seiner Behauptung spricht (vgl. BVerfGE 12, 113 ≪130 f.≫; BGHZ 31, 308 ≪318≫).
(2) Diesen Anforderungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist der Bundesgerichtshof bei der Bemessung des Umfangs der Wahrheits- und Sorgfaltspflicht des Beklagten nicht einmal von seinem eigenen Ausgangspunkt her bei der minder eingriffsintensiven Deutung der in Frage stehenden Äußerung gerecht geworden. Erst recht sind sie nicht bei der vorliegend maßgebenden Deutungsvariante erfüllt.
Zu Unrecht beruft sich der Bundesgerichtshof auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn er meint, der Beschwerdeführer müsse die nicht erwiesene Behauptung schon deshalb auch für die Zukunft hinnehmen, weil diese eine Stellungnahme in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Angelegenheit betreffe. Auch bei solchen Äußerungen sind die schon erwähnten Sorgfaltsanforderungen zur Sicherung des grundrechtlichen Schutzanspruchs zu beachten. Diese sind vorliegend nicht schon dadurch erfüllt, dass dem Beklagten keine Nachforschungen möglich waren, die über den bereits allgemein bekannten Kenntnisstand hinausführten.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar anerkannt, dass der dem Äußernden neben seiner Wahrheits- und Sorgfaltspflicht obliegenden erweiterten Darlegungslast für ehrenrührige Behauptungen durch den Verweis auf unwidersprochene Pressemitteilungen genügt werden kann (vgl. BVerfGE 85, 1 ≪21 ff.≫). Jedoch gilt dies nur, wenn diese Presseberichte zur Stützung der aufgestellten Behauptung geeignet sind (vgl. BVerfGE 99, 185 ≪199≫). Ist dem Äußernden bekannt, dass die Richtigkeit der verbreiteten Behauptung in Frage gestellt ist, so kann er sich auf diese Berichterstattung nicht stützen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. Februar 2000 – 1 BvR 456/95 –, NJW-RR 2000, S. 1209 ≪1211≫). Die Wahrheitspflicht geht somit über die Verpflichtung hinaus, die dem Äußernden offen stehenden Nachforschungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Der Äußernde muss kenntlich machen, wenn von ihm verbreitete Behauptungen durch das Ergebnis seiner Nachforschungen nicht gedeckt sind. Eine nach seinem Kenntnisstand umstrittene oder zweifelhafte Tatsache darf er nicht als feststehend hinstellen (vgl. BVerfGE 12, 113 ≪130 f.≫; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. Februar 2000 – 1 BvR 456/95 –, NJW-RR 2000, S. 1209 ≪1211≫; BGHZ 132, 13 ≪24≫).
Vorliegend war die Art der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Kontakt mit dem Staatssicherheitsdienst selbst für die vom Bundesgerichtshof gefundene weniger eingriffsintensive Deutungsvariante streitig. Die auch von öffentlichen Stellen verbreiteten Aussagen hierzu waren ebenso wie die Medienberichterstattung kontrovers. Zu beurteilen war nicht die Verbreitung einer konkreten Tatsachenbehauptung auf Grund einer in den Medien unwidersprochen verbreiteten Meldung, sondern die selektive Darstellung allein einer bestimmten Sicht auf die bekannten Tatsachen als zutreffend. Über deren Richtigkeit aber herrschte Streit.
Von dem Äußernden ist im Interesse des Persönlichkeitsschutzes des Betroffenen zu verlangen, dass er dann, wenn er sich eine bestimmte, das Persönlichkeitsrecht verletzende Sicht auf bekannte Tatsachen zu Eigen macht, zum Ausdruck bringt, dass diese Sicht umstritten und der Sachverhalt nicht wirklich aufgeklärt ist. Steht die Wahrheit nicht fest und lässt sie sich auch nicht mit hinreichender Sorgfalt ermitteln, hat der Äußernde jedenfalls Sorgfalt auf die Wiedergabe des Kenntnisstandes zu verwenden. Hiervon war der Beklagte auch nicht schon wegen der durch den Bundesgerichtshof angeführten Erwägung entbunden, der Beschwerdeführer habe sich aus eigenem Entschluss in das Rampenlicht der Öffentlichkeit begeben und der Beklagte habe seine Behauptung nicht etwa ohne jeden Anhaltspunkt aufgestellt, wie die bekannten Indizien über die Kontakte des Beschwerdeführers mit dem Staatssicherheitsdienst zeigten. Es führt nicht zu einer mit der Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede unvereinbaren Überspannung der Wahrheitspflicht des Beklagten, wenn dieser, falls er künftig erneut Stellung nehmen will, offen legen muss, dass eine gesicherte Tatsachengrundlage für die von ihm aufgestellte Behauptung fehlt.
II.
Die weiteren Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet.
Die Ansprüche auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), auf effektiven Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) sind nicht dadurch verletzt worden, dass der Bundesgerichtshof die Sache nicht an die Tatsacheninstanz zurückverwiesen hat, um dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, Beweisanträge zu der vom Bundesgerichtshof seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Deutung der Äußerung zu stellen. Insbesondere ist der Beschwerdeführer nicht dadurch in seinen Verfahrensgrundrechten verletzt worden, dass es nicht zu einer Vernehmung des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt zu der Behauptung gekommen ist, dieser habe den Beschwerdeführer persönlich gebeten, mit dem Staatssicherheitsdienst Kontakt aufzunehmen. Es ist schon nicht erkennbar, dass dieser oder ein ähnlicher Beweisantrag zur hinreichenden Aufklärung des Verhältnisses zwischen dem Staatssicherheitsdienst und dem Beschwerdeführer führen kann.
III.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bundesgerichtshof zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn er seiner Prüfung die den Beschwerdeführer stärker belastende Deutung der Äußerung zu Grunde gelegt und die zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers gebotenen Anforderungen an die Wahrheitspflicht des Beklagten gestellt hätte. Die angegriffene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Papier, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1479214 |
BVerfGE 2006, 339 |
NJW 2006, 207 |
NVwZ 2006, 447 |
ZAP 2005, 1223 |
AfP 2005, 544 |
AfP 2006, 41 |
DSB 2006, 19 |
JA 2006, 495 |
JuS 2006, 639 |
LKV 2006, 76 |
NJ 2006, 27 |
WRP 2006, 61 |
ZUM-RD 2006, 1 |
BayVBl. 2006, 699 |
DVBl. 2006, 43 |
BAnz 2006, 12 |
LL 2006, 337 |
Nds.MBl 2005, 963 |