Verfahrensgang
Tenor
1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2013 – BVerwG 6 C 18.12 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind Regelungen einer Universität über die Schwerpunktbereichsprüfung in der Ersten Juristischen Prüfung. Die Universität wehrt sich gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in einem Prüfungsrechtsstreit, mit dem diese Regelungen wegen eines Verstoßes gegen die Berufsfreiheit der Studierenden verworfen wurden.
I.
1. Mit dem Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl I S. 2592), das zum 1. Juli 2003 in Kraft getreten ist, hat der Bundesgesetzgeber die „Substanz des allgemeinen Ausbildungswesens” (BTDrucks 14/7176, S. 6) an die Länder und die Universitäten gegeben und die Eigenständigkeit der jeweiligen Prüfungen betont. Die Wahlfachprüfung der „Ersten Prüfung” sollte vollständig auf die Universitäten übertragen (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 1) und damit die rechtswissenschaftlichen Fakultäten gestärkt werden, die die Prüfung allein durchzuführen und zu verantworten haben (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 9).
2. In Baden-Württemberg ergeben sich die Vorgaben zu Prüfungen im Rahmen des Schwerpunktstudiums an Juristischen Fakultäten in Baden-Württemberg aus dem Deutschen Richtergesetz (DRiG), dem Juristenausbildungsgesetz (JAG BW) und der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung des Landes (JAPrO BW) sowie der Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Rechtswissenschaften der Universität (JuSPO 2007).
Grundsätzlich kann die Befähigung zum Richteramt nur erworben werden, wenn ein Studium mit einer ersten Prüfung abgeschlossen wird, die aus der universitären Schwerpunktprüfung und der staatlichen Pflichtfachprüfung besteht (§ 5 DRiG). Die Inhalte von Pflichtfächern und Schwerpunkten (§ 5a DRiG) sind ebenso wie Prüfungen (§ 5d DRiG) allgemein geregelt. Nach § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG ist die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen zu gewährleisten; nach § 5d Abs. 2 Satz 2 DRiG ist im Schwerpunkt mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen.
In Baden-Württemberg sieht das Juristenausbildungsgesetz in § 1 Abs. 3 Satz 1 JAG BW vor, dass die Schwerpunktbereichsprüfung der Ersten Juristischen Prüfung von den Universitäten in eigener Verantwortung abgenommen wird. Nach der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung gibt es die „Universitätsprüfung” (§ 1 Abs. 2 Satz 3), für deren Vorbereitung und Durchführung die Universitäten zuständig sind (§ 2, 2. Halbsatz). Für die Staatsprüfung, die das Landesjustizprüfungsamt vorbereitet und durchführt (§ 2, 1. Halbsatz), wird geregelt, wann aufgrund mangelnder schriftlicher Leistungen keine Zulassung zur mündlichen Prüfung erfolgt (§ 16) und wie sich die Endnote der Staatsprüfung errechnet (§ 19). Das Land gibt zudem vor, wie die Endnote der Universitätsprüfung zu bilden ist (§ 32 Abs. 1), wann die Universitätsprüfungsleistungen erbracht werden müssen (§ 33 Abs. 1 und 2 in der bis zum 6. Mai 2013 geltenden Fassung) und dass die Universitätsprüfung nur einmal wiederholt werden kann (§ 33 Abs. 3 in der bis zum 6. Mai 2013 geltenden Fassung).
Die Beschwerdeführerin gab in der JuSPO 2007 vor, dass in der Schwerpunktbereichsprüfung insgesamt drei Prüfungsleistungen zu erbringen waren (§ 10 Abs. 2): eine Studienarbeit, eine Aufsichtsarbeit und eine mündliche Prüfung. Die Prüfung war insgesamt nur bestanden, wenn alle Prüfungsleistungen erfolgreich abgelegt wurden (§ 14 Abs. 1); die einzelnen Leistungen wurden gewichtet (§ 14 Abs. 2). Eine nicht bestandene Prüfungsleistung konnte einmal wiederholt werden (§ 17 Abs. 1). War die Wiederholungsprüfung erfolglos, war die Schwerpunktbereichsprüfung endgültig nicht bestanden (§ 17 Abs. 3).
Entscheidungsgründe
II.
1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens studierte Rechtswissenschaften bei der Beschwerdeführerin. In der universitären Schwerpunktbereichsprüfung erzielte er in der Aufsichtsarbeit im ersten Versuch zwei Punkte, in der Wiederholungsprüfung einen Punkt. Er klagte auf die Feststellung, dass er zur Fortsetzung der Schwerpunktbereichsprüfung berechtigt sei. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, denn die Ordnung der Beschwerdeführerin, die JuSPO 2007, die das Bestehen aller Teilprüfungen verlange, verstoße gegen die landesrechtliche Vorgabe des § 32 Abs. 1 JAPrO BW, wonach aus allen Prüfungsleistungen eine Gesamtnote zu bilden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof änderte das Urteil und wies die Klage ab. Die landesrechtliche Regelung des § 32 Abs. 1 JAPrO BW sei nicht als abschließend zu verstehen. Für das Bestehen der Schwerpunktbereichsprüfung könne universitäres Satzungsrecht höhere Anforderungen stellen. Diese seien mit Art. 12 GG vereinbar, denn alle Teilprüfungen der Schwerpunktbereichsprüfung seien zur Beurteilung der Gesamteignung für das Studienziel wesentlich.
2. Die Revision des Klägers hielt das Bundesverwaltungsgericht für begründet, änderte das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs und wies die Berufung zurück.
Die Bestehensregelung verletze die durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit der Studierenden. Die Vorgaben der § 14 Abs. 1, § 17 Abs. 3 JusPO 2007 seien nicht hinreichend geeignet, den in §§ 5 ff. DRiG vorgegebenen Zweck der Schwerpunktbereichsprüfung zu erreichen. Ob eine Teilprüfung unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil der avisierten Qualifikation sei, habe in erster Linie der Normgeber zu beurteilen, der dabei über beträchtliche Einschätzungsspielräume verfüge. Verfassungswidrig seien Regelungen grundsätzlich nur, wenn die ihnen zugrunde liegende Einschätzung sachlich nicht vertretbar sei. Doch unterliege der universitäre Normgeber bei der juristischen Schwerpunktbereichsprüfung engeren grundrechtlichen Bindungen. Die Verbindung von Staats- und Schwerpunktbereichsprüfung in § 5 Abs. 1 DRiG richte beide Prüfungen auf denselben Zweck aus. Auch eine universitäre Bestehensregelung müsse darauf abgestimmt sein. Die Vorgaben für die Schwerpunktprüfung müssten mit der Pflichtfachprüfung kongruent sein. Soweit der Schwerpunktbereich eine Ergänzungsfunktion zum Pflichtfach habe, komme dem staatlichen Normgeber bei der Definition der Eignungsstandards schon logisch das Primat gegenüber dem universitären Normgeber zu. Auch nach dem Verweis des § 5d Abs. 6 DRiG auf das Landesrecht könne der Landesgesetzgeber die wesentlichen prüfungsrechtlichen Eckdaten verbindlich vorgeben. Demgegenüber habe die Universität breitere prüfungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, soweit der Schwerpunktbereich gegenüber dem Pflichtfachbereich eine Vertiefungsfunktion habe.
Hier habe die Beschwerdeführerin ihren prüfungsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschritten. Ihre Bestehensregelung sei nicht hinreichend geeignet, den der Universitätsprüfung zugedachten Zweck zu erfüllen, die Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst zu ermitteln. Die Aufsichtsarbeit und die mündliche Prüfung hätten eine Ergänzungsfunktion. Sie müssten sich daher an § 16 JAPrO BW orientieren, wonach in einzelnen Teilprüfungen abgeprüfte Kenntnisse und Fertigkeiten nicht bereits für sich genommen, sondern nur in ihrer Summe ausschlaggebend seien, also nicht bestandene Teilprüfungen durch die Leistungen in anderen Teilprüfungen kompensiert werden könnten, indem eine Durchschnittsnote gebildet werde. Im Unterschied dazu verabsolutiere die Universität in § 14 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 JuSPO 2007 die Aussagekraft einzelner Teile der Schwerpunktbereichsprüfung und weiche ersichtlich vom Ansatz der JAPrO BW ab. Demgegenüber habe die Studienarbeit eine Vertiefungsfunktion, weil sie auf wissenschaftlich-methodische Fertigkeiten ausgerichtet sei, weshalb die Universität die Bestehensregelung dafür anders fassen könne als im Landesrecht.
Nichts anderes ergebe sich aus der grundrechtlichen Lehrfreiheit. Der Grundrechtsschutz verändere sich nicht, wenn der staatliche Normgeber die Regelung von Bestehensanforderungen bei Prüfungen im Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG auf die Universitäten verlagere. Prüfungsrechtliche Bestehensregelungen wirkten nicht auf die inhaltliche oder methodische Gestaltung von Lehrveranstaltungen zurück.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Universität eine Verletzung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Lehrfreiheit. Das Bundesverwaltungsgericht habe die grundrechtlich geschützte Befugnis der Universität, Anforderungen der Schwerpunktbereichsprüfung eigenständig festzulegen, ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund verkürzt. Bei der Gestaltung des Schwerpunktbereichs handelten die Universitäten nicht lediglich aufgrund einer delegierten Rechtsetzungsermächtigung im Rahmen des staatlichen Aufgabenbereichs. Vielmehr sei es gerade Ziel der Reform der Juristenausbildung gewesen, einen Teil der früheren Staatsprüfung auf die Universitäten zu verlagern. Die Schwerpunktbereichsprüfung sollte danach als rechtlich, organisatorisch und zeitlich eigenständige Prüfung von den Universitäten in eigener Verantwortung konzipiert und durchgeführt werden (Verweis auf BTDrucks 14/7176, S. 1 und 8–10). Das Bundesverwaltungsgericht habe durch das Erfordernis einer Kongruenz der Eignungsstandards zwischen Pflichtfach- und Universitätsprüfung, die sich aus dem einfachen Recht nicht ergebe, den Einschätzungsspielraum der Universität zur Bedeutung der Teilprüfungen für das Prüfungsziel über Gebühr beschränkt. Es habe die aus der Berufsfreiheit folgenden Anforderungen an Bestehensregelungen für die Schwerpunktbereichsprüfung im Studium der Rechtswissenschaft überdehnt.
4. Zu der Verfassungsbeschwerde und den durch sie aufgeworfenen Fragen haben das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das Justizministerium Baden-Württemberg sowie der Deutsche Juristen-Fakultätentag Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.
Die Bundesregierung und das Justizministerium Baden-Württemberg verweisen auf die Begründung des Entwurfs für das Gesetz zur Reform der Juristenausbildung (BTDrucks 14/7176). Den Hochschulen sollten durch die bundesgesetzliche Regelung sowohl die Ausbildung als auch Teile der ersten Prüfung als eigene Aufgabe übertragen werden. Die Anforderungen an die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung seien vom Bundesgesetzgeber sehr zurückhaltend geregelt worden. In Baden-Württemberg schlage sich der eigene Verantwortungsbereich der baden-württembergischen Hochschulen für die Schwerpunktbereichsprüfung der Ersten Juristischen Prüfung in § 1 Abs. 3 Satz 1 JAG BW sowie in § 26 JAPrO BW nieder. Die §§ 26 ff. JAPrO BW beschränkten sich auf die Vorgabe von Mindeststandards; es verblieben vielfältige Gestaltungsspielräume der Universitäten. Die Ausgestaltung der universitären Prüfungsordnungen unterliege – im Rahmen der gesetzlichen Grenzen – der vollen akademischen Selbstverwaltung; sie sei von den Vorgaben für die staatliche Pflichtfachprüfung entkoppelt. Es gebe nur eine Bindung der Hochschulen an die Notenskala der staatlichen Pflichtfachprüfung (vgl. § 5d Abs. 1 Satz 3 DRiG).
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG), insbesondere sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Lehrfreiheit sowie des von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts der Hochschulen durch den Senat hinreichend geklärt (BVerfGE 35, 79 ≪112 ff.≫; 93, 85 ≪93, 95≫; 111, 333 ≪354 f.≫).
1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Regelungsspielräume der Universität nicht hinreichend berücksichtigt.
a) Hochschulen dienen nicht nur der Pflege der Wissenschaft, sondern sind auch Ausbildungsstätten für bestimmte Berufe. Die auf einen berufsqualifizierenden Abschluss zielende Lehre ist eine den Universitäten und den Fakultäten als ihren Untergliederungen einfachgesetzlich übertragene staatliche Aufgabe. Sie können aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit daher kein Recht ableiten, die wissenschaftsorientierte Berufsausbildung autonom zu gestalten (vgl. BVerfGE 35, 79 ≪121 f.≫; 67, 202 ≪207≫). Den Gesetzgeber trifft im Bereich der Berufsausbildung schon im Hinblick auf die Grundrechtspositionen der Studierenden aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Mitverantwortung. Es ist Sache des parlamentarischen Gesetzgebers, Rahmenregelungen für die berufsorientierte Lehre zu erlassen; er ist allerdings bei der Ausgestaltung der Berufsausbildungsfreiheit und bei der Festlegung der Rahmenbedingungen mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit nicht gänzlich frei. Vielmehr wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten durch die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende Grundsatznorm begrenzt (vgl. BVerfGE 35, 79 ≪114 f.≫; 93, 85 ≪95≫; 111, 333 ≪353≫). Die Wissenschaftsfreiheit schützt auch die Befugnis zum Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen (vgl. BVerfGE 93, 85 ≪93≫). Die Freiheit der Lehre umfasst insbesondere deren Inhalt, den methodischen Ansatz und das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen (BVerfGE 35, 79 ≪113 f.≫).
b) Das angegriffene Urteil berührt nicht nur Art. 12 Abs. 1 GG, sondern auch den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Urteil greift in die der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer akademischen Selbstverwaltung zustehende Satzungsautonomie ein, die auch die Befugnis umfasst, Prüfungsordnungen zu erlassen (vgl. BVerfGE 93, 85 ≪93≫). Diese Einschränkung ist nicht gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht hinreichend (aa). Zwar ist die Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Lehr- und Prüfungsrechts grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, doch lässt sich das in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellte Kongruenzerfordernis weder dem einfachen Recht noch Art. 12 Abs. 1 GG entnehmen (bb).
aa) Die Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Lehr- und Prüfungsrechts ist grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt davor, dass der Gesetzgeber kein System schafft, das Entscheidungen ermöglicht, die die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 12. Mai 2015 – 1 BvR 1501/13 u.a. –, Rn. 68; Beschluss des Ersten Senats vom 24. Juni 2014 – 1 BvR 3217/07 –, Rn. 55 ff. m.w.N.).
(1) Der Bundesgesetzgeber hat in Wahrnehmung seiner aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 und Art. 98 Abs. 1 GG folgenden Gesetzgebungskompetenz mit § 5a DRiG eine Regelung geschaffen, welche einen Rahmen für die rechtliche Ausgestaltung des Studiums der Rechtswissenschaft enthält und die nähere Ausgestaltung dem Landesrecht zuweist (vgl. § 5a Abs. 4 DRiG). Er hat dabei die universitäre und die staatliche Prüfung im Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl I S. 2592) nicht in einer Weise rechtlich, zeitlich oder organisatorisch verklammert, wie sie das Bundesverwaltungsgericht zugrunde legt. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf sollte die Schwerpunktbereichsprüfung der ersten Prüfung „vollständig auf die Universitäten übertragen werden” und die Hochschulen in einen „Qualitätswettbewerb” untereinander eintreten (BTDrucks 14/7176, S. 1). Die rechtswissenschaftlichen Fakultäten hätten die Universitätsprüfung „allein durchzuführen und zu verantworten” (BTDrucks 14/7176, S. 9); es gebe nun eine „universitätsautonome Gestaltung der Prüfungsanforderungen und des Prüfungsverfahrens” (BTDrucks 14/7176, S. 13). Die Schwerpunktbereichsprüfung sei ein selbständiger Bestandteil der ersten Prüfung und insoweit auch Voraussetzung für den Vorbereitungsdienst, doch könne eine mangelhafte Universitätsprüfung gerade nicht durch eine deutlich bessere Pflichtfachprüfung ausgeglichen werden (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 13). In der Beschlussempfehlung heißt es schließlich, dass die Universitäten die Schwerpunktbereiche „in eigener Verantwortung prüfen” (BTDrucks 14/8629, S. 11). Diese Formulierungen sprechen für sich genommen und in ihrer Gesamtheit dafür, dass die Verantwortung für die Schwerpunktbereichsprüfung vollständig bei den Universitäten liegt.
(2) Auf das Landesrecht, das nach § 5a Abs. 4 DRiG „das Nähere” zum Studium regelt, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an, weil es als solches im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisibel ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – BVerwG 3 B 35.09 –, juris, Rn. 4 f.; Beschluss vom 22. September 2011 – BVerwG 8 B 41.11 –, juris, Rn. 5; stRspr).
bb) Die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften ist Aufgabe der Fachgerichte. Sie dürfen dabei die zum Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre eröffneten gesetzlichen Spielräume nicht in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten und mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise verengen. Dies bewirkt jedoch die Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn es unter Verkennung der grundgesetzlichen Wertungen davon ausgeht, die beschwerdeführende Universität unterliege bei Regelungen über die juristische Universitätsprüfung aufgrund eines Kongruenzerfordernisses engeren Bindungen als ein prüfungsrechtlicher Normgeber. Eine solche Kongruenz zwischen Pflichtprüfung und Schwerpunktbereichsprüfung gibt das einfache Recht nicht vor. Soweit das Bundesverwaltungsgericht ein Kongruenzerfordernis unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ableitet, verengt es den vom Bundesgesetzgeber im Interesse der Satzungsautonomie der Universitäten eröffneten Spielraum in einer mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise (1). Die Prüfung, ob die streitige Bestehensregelung im konkreten Fall tatsächlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt, bleibt allerdings Aufgabe der Fachgerichte (2).
(1) Ein Kongruenzerfordernis zwischen Bestehensregelungen ergibt sich nicht aus der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, bei der es sich um revisibles Bundesrecht handelt. Allerdings greift jede Bestehensregelung in die Berufsfreiheit der Geprüften ein. Zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter ist auch ein gewisser, sich in vernünftigen Grenzen haltender „Überschuss” an Prüfungsanforderungen grundsätzlich hinzunehmen (BVerfGE 25, 236, ≪248≫; 80, 1 ≪24≫). Prüfungsregelungen genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nur, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind (vgl. BVerfGE 80, 1 ≪24≫ m.w.N.; stRspr). Das Bestehen von Teilprüfungen kann folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten (vgl. BVerfGE 80, 1 ≪35≫; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 3.95 –, juris, Rn. 4 f. m.w.N.). Spezifische Anforderungen einer Kongruenz mit Staatsprüfungen sind Art. 12 Abs. 1 GG damit jedoch nicht zu entnehmen.
(2) Ob die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch einzelne Prüfungsregelungen gewahrt sind, mit denen die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit durch subjektive Zulassungsregelungen eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 80, 1 ≪24≫), müssen die Fachgerichte beurteilen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs waren alle Teilprüfungen der Schwerpunktbereichsprüfung an der beschwerdeführenden Universität so dimensioniert, dass sie für die Gesamteignung der Prüflinge für das Studienziel wesentlich waren. Dann ist auch eine Anforderung, die das Bestehen aller Teilprüfungen erzwingt, zu rechtfertigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dieser Frage jedoch nicht auseinandergesetzt, weil es, unter Verkennung der nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Satzungsautonomie der Universität auch in Prüfungsfragen (vgl. BVerfGE 93, 85 ≪93≫), bereits deren Gestaltungsspielraum als beschränkt angesehen hat. Es erwähnt zwar kurz die Lehrfreiheit, hält diese aber nicht für berührt. Auch lässt das Gericht die Frage, ob die Ausgestaltung der Prüfungsordnung als Satzung der akademischen Selbstverwaltung unterliegt, ausdrücklich offen. Damit verkennt das Gericht den Schutzgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, der die akademische Selbstverwaltung auch hinsichtlich der Satzungsbefugnis in Prüfungsfragen umfasst. Wird der Satzungsautonomie hingegen Rechnung getragen und ein Kongruenzerfordernis universitärer Prüfungen mit der Staatsprüfung demzufolge verneint, bleibt die Frage zu beantworten, ob jede der drei im Schwerpunkt geforderten Prüfungsleistungen bereits für sich genommen eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage über das Bestehen oder Nichtbestehen der Schwerpunktbereichsprüfung bietet. Nur dann ist die Regelung, die das Bestehen aller drei Leistungen fordert, erforderlich und damit auch verhältnismäßig.
(3) In der Beurteilung der Prüfungsregelungen stellen sich tatsächliche Fragen, die von den Fachgerichten unter Beachtung der grundrechtlichen Wertungen zu beantworten sind. Die streitige Bestehensregelung der Universität ist streng, so dass im Vergleich zu anderen Universitäten ein höheres Risiko besteht, die Universitätsprüfung nicht zu bestehen, woraufhin auch eine geringere Zahl an Kandidatinnen und Kandidaten zum Vorbereitungsdienst zugelassen wird. Erhöht die Universität damit die Risiken für Studierende, ein Studium nicht erfolgreich abschließen zu können, ist dies grundsätzlich Teil ihrer Entscheidung in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten, wenn diese sachlich nachvollziehbar auf den Zweck ausgerichtet sind, die für den juristischen Vorbereitungsdienst ungeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu ermitteln. Dies zu prüfen obliegt sowohl hinsichtlich der Bestehensregelung sowie weiteren insoweit bedeutsamen Regelungen etwa zur Begrenzung oder Freigabe von Wiederholungsversuchen den Fachgerichten.
2. Die Grundrechtsverletzung hat besonderes Gewicht, weil das Bundesverwaltungsgericht die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erwachsende Grundrechtsposition der Beschwerdeführerin in seine Überlegungen nicht eingestellt hat. Damit fehlt es an dem Versuch, den bestehenden Konflikt mehrerer verfassungsrechtlich geschützter Positionen im Wege der praktischen Konkordanz zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 128, 1 ≪41≫ m.w.N.).
3. Die angegriffene Entscheidung beruht auch auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht anders entschieden hätte, wenn es die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätte.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Kirchhof, Masing, Baer
Fundstellen