Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 06.12.2004; Aktenzeichen 1 Qs 268/041 Qs 269/04) |
AG Tübingen (Beschluss vom 28.10.2004; Aktenzeichen 4 Gs 1022/04) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt den Verfassungsbeschwerden nicht zu, und sie dienen auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführer, denn sie haben keine Aussicht auf Erfolg.
Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG nicht.
1. Dem Gewicht des Eingriffes in die Unverletzlichkeit der Wohnung entspricht es, dass die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehalten ist (Art. 13 Abs. 2 GG). Dies dient einer neutralen, in persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit vorgenommenen Überprüfung der Eingriffsvoraussetzungen und einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪223≫; 57, 346 ≪355 f.≫; 76, 83 ≪91≫; 103, 142 ≪150 f.≫).
a) Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat, der auf konkreten Tatsachen beruhen muss; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 ≪381 f.≫; 59, 95 ≪97 f.≫). Steht der Eingriff, wie die Wohnungsdurchsuchung, unter einem Richtervorbehalt, so gehören zur richterlichen Aufgabe die sorgfältige Prüfung des Tatverdachts und eine umfassende Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Fall.
b) Der Durchsuchungsbeschluss soll die Durchführung des Eingriffs in die räumliche Privatsphäre messbar und kontrollierbar gestalten. Dazu muss er den Tatvorwurf und die aufzusuchenden Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Die aufzuklärende Straftat ist kurz, aber doch so genau zu umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalles möglich ist. Die Beweismittel sind so genau zu bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann. So ist sicherzustellen, dass die Durchführung der Durchsuchung nicht allein dem Ermessen der beauftragten Beamten überlassen bleibt (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪224≫; 42, 212 ≪220 f.≫; 103, 142 ≪151 f.≫).
Ein Durchsuchungsbeschluss, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und den Inhalt der gesuchten Beweismittel nicht erkennen lässt, wird rechtsstaatlichen Anforderungen nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪220 f.≫; 44, 353 ≪371≫; 45, 82; 50, 48 ≪49≫; 71, 64 ≪65≫).
Bei der Überprüfung von Durchsuchungsanordnungen anhand dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe greift das Bundesverfassungsgericht nur ein, wenn die Feststellungen und Wertungen der Fachgerichte objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; stRspr). Weder die Annahme des Verdachts steht zur vollständigen Überprüfung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 96 ≪128≫) noch die Bewertungen der befassten Gerichte zur Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung. Hier können nur ein vollkommenes Unterlassen jeglicher Erwägungen (vgl. BVerfGE 30, 173 ≪197≫; 59, 231 ≪270≫; 97, 391 ≪406≫; 106, 28 ≪50≫), grobe Fehleinschätzungen (vgl. BVerfGE 30, 173 ≪197≫) oder eine Verkennung des Grundrechtseinflusses, auf der die Entscheidung beruht (vgl. BVerfGE 95, 28 ≪37≫; 97, 391 ≪401≫), durch das Bundesverfassungsgericht beanstandet werden.
2. Die angegriffenen Beschlüsse werden diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.
a) Amts- und Landgericht haben einen Tatverdacht willkürfrei angenommen. Nachdem die Vernehmung der Nachbarn des nach den Angaben der Beschwerdeführer vermieteten Hauses und eine Augenscheinseinnahme Anhaltspunkte für eine Eigennutzung ergeben hatten, sprach eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschwerdeführer mit der Erklärung von Verlusten aus der Vermietung Steuern verkürzt haben könnten. Einer Bezeichnung der vor der Durchsuchung ausgewerteten Beweismittel im Beschluss des Amtsgerichts bedurfte es nicht. Das Landgericht konnte diese Darlegungen zur näheren Begründung der Verhältnismäßigkeit, insbesondere der Erforderlichkeit, der Durchsuchung ergänzen, ohne dadurch die Durchsuchungsanordnung verfassungsrechtlichen Bedenken auszusetzen. Es ist von Verfassungs wegen auch nichts dagegen zu erinnern, die Durchsuchung nach dem Heranziehen anderer Beweismittel für erforderlich zu halten und aus der nicht unerheblichen Höhe der vermeintlich falsch angegebenen Verluste auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu schließen. Der Darlegung eines gesteigerten Verdachtsgrades bedurfte es dazu nicht.
b) Der Beschluss des Amtsgerichts erfüllt seine Aufgabe, den Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung zu begrenzen. Der Tatvorwurf der Steuerhinterziehung wird durch die Benennung der Art der Steuer und der fraglichen Veranlagungsjahre beschrieben. Die vorgeworfene Tathandlung wird bezeichnet, und die Gegenstände, die als Beweismittel aufgesucht und sichergestellt werden sollen, werden mit Bezug auf diese Tathandlung beschrieben. Den Beamten, die die Durchsuchung durchzuführen hatten, war es anhand des Beschlusses möglich, gezielt nach den zur Aufklärung des Vorwurfs dienlichen Schriftstücken zu suchen und Räume innerhalb der Wohnung und dort verwahrte Gegenstände unbeachtet zu lassen, die mit der beschriebenen vermeintlichen Tat erkennbar nicht im Zusammenhang standen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen