Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Privatautonomie beim Abschluss eines Künstlervertrags.
I.
1. Die Beschwerdeführerin, ein Tonträgerunternehmen, schloss mit dem Beklagten des Ausgangsverfahrens 1998 einen Künstlervertrag ab, dessen Wirksamkeit, Inhalt und Verpflichtungsgehalt Gegenstand des Ausgangsverfahrens waren. Zum Produktionsumfang enthielt der Vertrag in Ziffer 4.1.1 die Verpflichtung des Künstlers, pro Vertragsjahr einen Langspieltonträger mit zehn bisher unveröffentlichten Aufnahmen zu produzieren. Im Falle einer Nichteinigung über die aufzunehmenden Titel und ihre Zahl räumte der Vertrag der Beschwerdeführerin die Letztentscheidungsbefugnis ein. Ebenso sollte die endgültige Entscheidung über Produktionsort, -zeit, -dauer sowie die Produktionsdetails, Inhalt, Gestaltung und Durchführung von Bildtonträgern sowie Zeitpunkt, Ort, Art, Dauer und Form der Veröffentlichung der Aufnahmen in der endgültigen Entscheidung der Beschwerdeführerin liegen. Zur Vertragsdauer enthielt Ziffer 9 die Regelung:
9.1 Dieser Vertrag wird auf die Dauer von einem (1) Jahr ab dem 01.10.1997 abgeschlossen. Ein Vertragsjahr endet jedoch frühestens sechs (6) Monate nach Veröffentlichung der jeweils letzten vertragsgegenständlichen Produktion gemäß Ziff. 4.1.1 bzw. nicht vor Ablauf von vier (4) Wochen, nachdem KÜNSTLER 3P ≪die Beschwerdeführerin≫ schriftlich aufgefordert hat, mitzuteilen, ob 3P von einer der in Ziffer 9.2 geregelten Optionen Gebrauch zu machen wünscht, je nachdem welcher Zeitpunkt später liegt.
9.2 3P wird eine Option auf Verlängerung des Vertrages um viermal (4x) ein (1) Jahr eingeräumt. …
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses betätigte sich der Beklagte bereits in einer Künstlergruppe, mit der er auch auftrat. Die aufgrund der Zusammenarbeit mit der Beschwerdeführerin entstandenen Tonträgeraufnahmen des Beklagten erwiesen sich in der Folgezeit als ungewöhnlich erfolgreich.
Im Mai 1999 teilte die Beschwerdeführerin dem Beklagten mit, sie übe das Optionsrecht für das zweite Vertragsjahr aus, die letzte Single des ersten Vertragsjahres werde voraussichtlich am 4. Oktober 1999 veröffentlicht, so dass Beginn des zweiten Vertragsjahres der 3. April 2000 sei. Im März 2001 erklärte die Beschwerdeführerin die Ausübung der Option auf das dritte Vertragsjahr. Nachdem der Beklagte mehrfach die Kündigung des Künstlervertrags aus wichtigem Grund ausgesprochen hatte, erhob die Beschwerdeführerin Klage auf Auskunft über die Verwertung diverser Tonträger, die der Beklagte unter anderem mit der Künstlergruppe aufgenommen hatte, und begehrte Schadensersatz wegen der Verletzung des Künstlervertrags.
2. Das Landgericht wies mit Urteil vom 19. April 2002 die Klage ab.
Die Beschwerdeführerin könne keine Ansprüche aus dem Künstlervertrag geltend machen; denn dieser sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Der Vertrag unterwerfe den Beklagten weitestgehend der Dispositions- und Entscheidungsbefugnis der Beschwerdeführerin. Er schränke damit die künstlerische Freiheit des Beklagten als ausübendem Künstler weitestgehend zugunsten der Beschwerdeführerin ein. Praktisch alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Betätigung des Beklagten als Musiker stünden nach dem Vertrag letztlich der Beschwerdeführerin zu. Schwersten Bedenken sei auch die Vergütungs- und Abrechnungsregelung des Vertrags ausgesetzt.
Diese den Beklagten einseitig belastenden Regelungen könnten von der Beschwerdeführerin aufgrund der Laufzeitregelung des Vertrags in nicht mehr hinnehmbarer Weise zeitlich ausgedehnt werden. Die Beschwerdeführerin habe nach dem Vertrag die Möglichkeit gehabt, bei Erfolg des Beklagten die Laufzeit weit über das gewöhnliche Maß hinaus auszudehnen, indem sie die Titel eines erfolgreichen Albums intensiv für Single-Auskopplungen genutzt habe; ob, wann und wie viele Singles ausgekoppelt würden, habe allein die Beschwerdeführerin entscheiden können. Andererseits habe sie sich vergleichsweise schnell von dem Vertrag lösen können, falls dieser sich als wirtschaftlich uninteressant erwiesen hätte.
Die einseitige Möglichkeit der Beschwerdeführerin, die Laufzeit des Vertrags auf einen weit über das übliche Maß hinausgehenden Zeitraum zu erstrecken, führe in ihrem Zusammenwirken mit den zuvor genannten, den Beklagten stark einseitig belastenden Regelungen zu einem auffälligen, den Ausbeutungscharakter begründenden Missverhältnis zwischen Bindung und Erfolgsbeteiligung der beiden Parteien. Diese Bewertung stelle auch nicht unzulässigerweise auf die Verhältnisse nach Vertragsschluss ab. Sittenwidrig sei der Vertrag nicht deshalb, weil der Beklagte nach Vertragsschluss Erfolg gehabt habe und damit die Äquivalenz der Leistungen gestört worden sei. Die Sittenwidrigkeit gründe sich vielmehr darauf, dass das gesamte Regelungssystem des Vertrags bereits bei dessen Abschluss die Chancen bei Erfolg des Beklagten einseitig und außergewöhnlich langfristig der Beschwerdeführerin zugewiesen und es ihr andererseits erlaubt habe, den Beklagten im Falle des Misserfolgs rasch wieder “fallenzulassen”.
Auch die behauptete Branchenüblichkeit einzelner Bestimmungen des Vertrags ändere nichts an der Beurteilung der Gesamtregelung. Es gebe zudem kein Sonderrecht der Musikbranche, dass in diesem Bereich eine massive Benachteiligung einer Partei zugunsten der anderen hinzunehmen sei.
Das für die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB erforderliche subjektive Moment habe vorgelegen. Der Künstlervertrag sei damit als wucherähnliches Rechtsgeschäft insgesamt nichtig. Eine Reduktion der Klausel Ziffer 9.1 auf eine “Kernlaufzeit” von einem Kalenderjahr mit vier Verlängerungsoptionen griffe zu tief in das Regelungssystem des Vertrags ein; da die Nichtigkeit an die Gesamtheit der Regelungen anknüpfe, sei eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich, ohne den Vertrag sozusagen “neu aufzusetzen”, wozu das Gericht nicht berufen sei.
3. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beschwerdeführerin mit Urteil vom 9. Juli 2003 zurück. Dadurch, dass der Abschluss sittenwidriger Verträge in einer Branche üblich geworden sein möge, änderten sich die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Bewertungskriterien zur Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht. Dem Landgericht könne keine Missachtung der Privatautonomie vorgeworfen werden. Diese ende dort, wo Leistung und Gegenleistung in einem derartigen Missverhältnis stünden, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gerechtfertigt erscheine.
4. Mit Beschluss vom 7. Oktober 2004 wies der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin als unbegründet zurück.
5. Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer gegen die drei zivilgerichtlichen Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.
Sie könne sich neben der Vertragsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und der darin geschützten Privatautonomie mit der Gewährleistung von Abschluss- und Inhaltsfreiheit auch auf das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen. Dieses Grundrecht schütze nicht nur den Werkbereich des Künstlers, sondern auch den Wirkbereich; das Bundesverfassungsgericht erstrecke den Schutz der Kunstfreiheit auf die unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum. Damit erfasse der Schutzbereich auch Verleger, Galeristen oder wie hier Tonträgerunternehmen.
Der zwischen dem Beklagten und der Beschwerdeführerin geschlossene Vertrag sei unter Wahrung der beiderseitigen Privatautonomie geschlossen worden. Ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG sei aber verletzt, wenn ein Fachgericht einen durch die verfassungsrechtlich verbürgte Privatautonomie geschützten Vertrag als nichtig gemäß § 138 BGB bewerte, indem es statt auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf die nachfolgende – positive – Entwicklung und einseitig nur auf die Rechte eines Vertragspartners abstelle.
Der hier fragliche Künstlervertrag sei branchenüblich und entspreche damit der “Sitte” in der Musikbranche. Kleinere Produktionsgesellschaften wie die Beschwerdeführerin seien auf die hier beanstandeten Vertragsbestimmungen angewiesen. Mit den Erträgen eines erfolgreichen Künstlers müssten nicht nur die Investitionen für die Vermarktung von dessen Produkten refinanziert werden, sondern auch die verlorenen Investitionen für die übrigen nicht erfolgreichen Künstler. Von einer “Knebelung” des Künstlers durch die vertraglich eingeräumten Weisungsrechte könne keine Rede sein, da es sich um einen Anfängervertrag handele. Wo Kapital und Arbeit sich zusammenfänden, habe in der freien Marktwirtschaft derjenige das Sagen, der das wirtschaftliche Risiko trage. Auch für die beanstandete Laufzeitregelung gebe es sachliche Gründe. Es wäre ökonomisch unvertretbar, in neue Künstler zu investieren, um diese dann, wenn sie erfolgreich seien, gleich zu verlieren. Zumindest aber verstoße die Annahme der Nichtigkeit des gesamten Vertrags gegen das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in die Vertragsfreiheit. Dem Gebot der praktischen Konkordanz hätte allein eine geltungserhaltende Reduktion der Laufzeit entsprochen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt.
1. Die Voraussetzungen einer Verletzung der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstfreiheit (vgl. BVerfGE 77, 240 ≪253 ff.≫; 81, 278 ≪292 ff.≫; 83, 130 ≪138 ff.≫) sind ebenso geklärt wie die Reichweite und die Schranken der Privatautonomie in Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 72, 155 ≪170≫; 81, 242 ≪254 ff.≫; 89, 214 ≪231 ff.≫; 103, 89 ≪100 f.≫).
2. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
a) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in dem Recht auf Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.
Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft in gleicher Weise den “Werkbereich” wie den “Wirkbereich” des künstlerischen Schaffens. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt, wie das Bundesverfassungsgericht in der Mephisto-Entscheidung (BVerfGE 30, 173 ≪189≫) ausgeführt hat, nicht nur die künstlerische Betätigung, sondern darüber hinaus auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks, die für die Begegnung mit dem Werk als einem kunstspezifischen Vorgang sachnotwendig ist. Die Ausstrahlungswirkung dieser Verfassungsbestimmung erstreckt sich daher auf die Medien (Kommunikationsmittel), da sie durch Vervielfältigung, Verbreitung und Veröffentlichung die zwischen Künstler und Publikum unentbehrliche Mittlerfunktion ausüben (vgl. BVerfGE 36, 321 ≪331≫). Dieser “Wirkbereich”, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird, ist der Boden, auf dem die Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vor allem erwachsen ist (vgl. BVerfGE 30, 173 ≪189≫). Soweit es daher zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum der publizistischen Medien bedarf, sind auch die Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die hier eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben (vgl. BVerfGE 30, 173 ≪191≫). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch dem Schallplattenhersteller (vgl. BVerfGE 36, 321 ≪331≫) und dem Verleger (vgl. BVerfGE 30, 173 ≪191≫; BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 1 BvR 825/98 –, NJW 2001, S. 598) grundsätzlich die Berufung auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gestattet, ebenso allen Personen, die daran mitwirken, ein Kunstwerk geschäftsmäßig zu vertreiben (vgl. BVerfGE 81, 278 ≪292≫).
Hiernach ist die Berufung auch eines Tonträgerunternehmens auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht generell ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall fällt jedoch die konkrete Handlung, wegen derer die Beschwerdeführerin sich auf die Kunstfreiheit beruft, nicht in den Schutzbereich des Grundrechts. Die Beschwerdeführerin begehrt den Schutz der Kunstfreiheit für den Abschluss eines Künstlervertrags, bei dem ihr der Künstler als Vertragspartner gegenübersteht und durch den die Vermarktung der von ihm zu schaffenden Kunstwerke geregelt werden soll. Nach ihrer Auffassung soll in einer auf den Ausgleich widerstreitender Grundrechte gerichteten Abwägung die von ihr in Anspruch genommene Kunstfreiheit des Wirkbereichs derjenigen des Künstlers für den Werkbereich gegenübergestellt werden. Die Kunstfreiheit wird jedoch um des künstlerischen Schaffens willen gewährleistet, während die Vermittlung des Kunstwerks demgegenüber eine dienende Funktion hat (vgl. BVerfGE 77, 240 ≪253≫). Diese dienende Funktion schließt jedenfalls eine Inanspruchnahme des Grundrechts durch den Mittler dann aus, wenn dieser damit kein künstlerisches Konzept, sondern kommerzielle Interessen gegenüber dem Künstler durchzusetzen beabsichtigt.
b) Die Entscheidungen verkennen auch nicht die Bedeutung der in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie der Beschwerdeführerin.
aa) Im Privatrechtsverkehr entfalten die Grundrechte ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch das Medium der Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, damit vor allem durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (vgl. BVerfGE 89, 214 ≪229≫; 103, 89 ≪100≫). Der Staat hat auch insoweit die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzung durch andere zu bewahren (vgl. BVerfGE 103, 89 ≪100≫ m.w.N.). Den Gerichten obliegt es, diesen grundrechtlichen Schutz durch Auslegung und Anwendung des Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren. Ihrer Beurteilung und Abwägung von Grundrechtspositionen im Verhältnis zueinander kann das Bundesverfassungsgericht nur dann entgegentreten, wenn eine angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereiches, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫; 42, 143 ≪149≫; 103, 89 ≪100≫; stRspr). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Durch Art. 2 Abs. 1 GG wird das Prinzip der eigenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen gewährleistet (vgl. BVerfGE 72, 155 ≪170≫). Die Vertragspartner bestimmen selbst, wie ihre gegenläufigen Interessen angemessen auszugleichen sind, und verfügen damit zugleich über ihre grundrechtlich geschützten Positionen ohne staatlichen Zwang (vgl. BVerfGE 81, 242 ≪254≫). Wechselseitige Bindung und Freiheitsausübung finden so ihre Konkretisierung. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat (vgl. BVerfGE 81, 242 ≪254≫; 103, 89 ≪100≫). Die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie setzt aber voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind. Ist aufgrund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, dass in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (BVerfGE 89, 214 ≪232≫; 103, 89 ≪100 f.≫). Hier greifen ergänzend solche zivilrechtlichen Generalklauseln ein, die als Übermaßverbote wirken, vor allem die §§ 138, 242, 315 BGB. Der entsprechende Schutzauftrag des Grundrechts richtet sich dann an den Richter, der den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte in Fällen gestörter Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen hat (vgl. BVerfGE 81, 242, ≪256≫).
bb) Die Annahme der Gerichte, der zwischen der Beschwerdeführerin und dem Beklagten des Ausgangsverfahrens geschlossene Künstlervertrag lasse es in erheblichem Maße an einem gerechten Interessenausgleich mangeln, so dass er als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB anzusehen sei, lässt keine Auslegungsfehler erkennen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung des auf Seiten der Beschwerdeführerin betroffenen Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG beruhen. Insbesondere ist nicht festzustellen, dass die Fachgerichte in der gebotenen Abwägung die Grundrechte des beklagten Künstlers einseitig hervorgehoben und die Grundrechte der Beschwerdeführerin verkannt hätten.
Dass die Freiheit der künstlerischen Betätigung in Art. 5 Abs. 3 GG vorbehaltlos geschützt ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Fachgerichte diesem Grundrecht immer Vorrang einräumen müssten. Denn die Kunstfreiheit findet ihre Grenzen in entgegenstehenden Grundrechten Dritter (vgl. BVerfGE 81, 278 ≪292≫). Hier stand ihr die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie des Vertragspartners, der Beschwerdeführerin, gegenüber. Diesem Grundrecht ist nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz Geltung zu verschaffen, indem die kollidierenden Grundrechtspositionen so zu begrenzen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfGE 89, 214 ≪232≫). Die Fachgerichte haben einen solchen Ausgleich vorgenommen, indem sie Inhalt und Umstände des von der Beschwerdeführerin unter Berufung auf die Vertragsfreiheit mit dem Künstler abgeschlossenen Vertrags einer Gesamtbetrachtung unterzogen und den zu erwartenden Auswirkungen auf die künstlerische Freiheit des beklagten Künstlers wertend gegenübergestellt haben.
Hierbei haben sie nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, entgegen Sinn und Zweck von § 138 BGB auf einen späteren als den tatsächlichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgestellt. Sie haben vielmehr folgerichtig die in der Laufzeitregelung des Vertragswerkes angelegte Dauer berücksichtigt und die – für den Fall wirtschaftlichen Erfolges des Künstlers bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren – Auswirkungen des Vertrags bei maximaler Ausschöpfung der Laufzeit bewertet.
Auch das Argument der Beschwerdeführerin, kleinere Tonträgerunternehmen seien auf derartige Verträge angewiesen, um am Markt bestehen zu können, weist nicht auf eine fehlende Berücksichtigung des Grundrechtsschutzes der Beschwerdeführerin in der Abwägung hin. Das Landgericht hat sich vielmehr mit dieser Argumentation auseinander gesetzt; es kommt zu dem Schluss, es sei nicht ersichtlich, dass bei angemessenen Vertragsbedingungen, insbesondere einer angemessenen Laufzeitregelung, die typischen Investitionen des Produzenten nicht amortisiert werden könnten. Der Interpretation des Landgerichts, dass die behaupteten hohen Investitionen im konkreten Fall vor dem sich abzeichnenden Erfolg des beklagten Künstlers getätigt worden seien, ist die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten.
Dem Vorwurf der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe abweichend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Feststellung des subjektiven Elementes der Sittenwidrigkeit auf die Kenntnis von Umständen außerhalb des Vertrags verzichtet, lässt sich eine grundrechtliche Relevanz nicht entnehmen. Wenn Landgericht und Oberlandesgericht auf die Feststellung der Kenntnis von Umständen außerhalb des Vertrags verzichten und es für ausreichend erachten, dass der Beschwerdeführerin die Auswirkungen der wesentlichen Vertragsregelungen (Weisungsrechte, Vergütung, Laufzeit) bewusst gewesen seien, so folgen sie darin der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für so genannte “Knebelungsverträge”, bei denen der Bundesgerichtshof auf die Feststellung der Schädigungsabsicht verzichtet (vgl. Urteil vom 7. Januar 1993 – IX ZR 199/91 –, NJW 1993, S. 1587 ≪1589≫). Die Anwendung dieser Grundsätze ist angesichts der von den Fachgerichten festgestellten überlangen nachteiligen Bindung durch den streitigen Künstlervertrag verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Entsprechend verhält es sich mit der Forderung der Beschwerdeführerin, die Gerichte hätten, anstelle eine Gesamtnichtigkeit des Künstlervertrags anzunehmen, einer Reduktion der beanstandeten Laufzeitregelung analog § 139 BGB den Vorzug geben müssen. Das Landgericht weist darauf hin, dass eine geltungserhaltende Reduktion schon deswegen scheitert, weil die Korrektur der die Unausgewogenheit begründenden Gesamtregelung nicht durch Veränderung einer einzelnen Vertragsklausel möglich ist. Auch dagegen sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Haas, Hömig, Bryde
Fundstellen
NJW 2006, 596 |
GRUR 2005, 880 |
AfP 2005, 461 |
JA 2006, 255 |
JuS 2006, 648 |
ZUM 2005, 809 |