Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Beschluss vom 06.06.2005; Aktenzeichen 1 Ws 462/04) |
LG Karlsruhe (Beschluss vom 29.09.2004; Aktenzeichen 15 StVK 329/04) |
Tenor
1. Die Verfügung der Justizvollzugsanstalt B… vom 22. Juli 2004 sowie der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 29. September 2004 – 15 StVK 329/04 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes und dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 GG). Der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 29. September 2004 verletzt den Beschwerdeführer ferner in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe wird aufgehoben. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. Juni 2005 – 1 Ws 462/04 – wird damit gegenstandslos. Die Sache wird an das Landgericht Karlsruhe zurückverwiesen.
2. Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Wiedereinsetzung eines Gefangenen in die Beschäftigung bei einem in der Anstalt tätigen privaten Unternehmen.
1. Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt B…. Im Juni 2003 löste ihn die Anstalt aufgrund eines Diebstahlsverdachts von der bis dahin von ihm wahrgenommenen Nebentätigkeit als Einkaufshelfer bei einem privaten Unternehmen ab, das auf der Grundlage eines mit dem Land Baden-Württemberg, vertreten durch die Justizvollzugsanstalt, geschlossenen Vertrages die Einkaufsstelle für Gefangene in der Anstalt (§ 22 Abs. 1 StVollzG) betreibt. Das Landgericht Karlsruhe hob mit Beschluss vom 8. Juli 2004 die Ablösungsverfügung auf, nachdem der Beschwerdeführer vom Verdacht des Diebstahls rechtskräftig freigesprochen worden war. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in seine Tätigkeit als Einkaufshelfer lehnte die Justizvollzugsanstalt durch Verfügung vom 22. Juli 2004 mit der Begründung ab, das betreffende Privatunternehmen wolle ihn nicht wieder beschäftigen und die Anstalt könne ihm daher die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit nicht ermöglichen.
2. Hiergegen stellte der Beschwerdeführer Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Die Justizvollzugsanstalt nahm dahingehend Stellung, dass nach Eingang der gerichtlichen Entscheidung, mit der die Ablösungsverfügung aufgehoben worden war, die Angelegenheit mit dem Verantwortlichen des Betreiberunternehmens erörtert worden sei. Dieser habe aber mitgeteilt, dass er den Beschwerdeführer “nicht erneut als Einkaufshelfer beschäftigen möchte.” Bei dieser Sachlage habe keine Möglichkeit bestanden, dem Beschwerdeführer zur Wiederaufnahme seiner früheren Tätigkeit zu verhelfen. Der Beschwerdeführer verkenne, dass es sich bei der Ablehnung seiner erneuten Beschäftigung als Einkaufshelfer nicht um eine Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, sondern um eine Entscheidung des in der Anstalt mit der Durchführung des Gefangeneneinkaufs betrauten Kaufmanns handele, der unter den von der Anstalt zugelassenen und vorgeschlagenen Gefangenen selbst seine Einkaufshelfer auswähle und diese für ihre Tätigkeit auch entlohne. Es handele sich bei der Tätigkeit als Einkaufshelfer nicht um eine zugewiesene Arbeit gemäß § 41 StVollzG. Der Rechtsweg nach § 109 StVollzG sei nicht eröffnet.
Das Landgericht holte telefonisch eine Stellungnahme des innerhalb des Betreiberunternehmens für die Einkaufsstelle in der Anstalt zuständigen Verkäufers ein. Dieser erklärte, dass er sich nach längerer Überlegung entschieden habe, den Beschwerdeführer ungeachtet des zwischenzeitlichen Verlaufs des Strafverfahrens nicht wieder zu beschäftigen. Der Beschwerdeführer hatte demgegenüber unter Benennung zweier Zeugen vorgetragen, der Vertreter des Unternehmens habe sich ihm gegenüber am 17. August 2004 über die Behauptung der Justizvollzugsanstalt, er sei zu einer Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers nicht bereit, völlig überrascht geäußert und erklärt, eine solche Äußerung nie getan zu haben; wenn es nach ihm gehe, könne der Beschwerdeführer jederzeit wieder bei ihm anfangen. Das Landgericht wies mit dem angegriffenen Beschluss den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück. Die unternehmerische Entscheidung, den Beschwerdeführer nicht wieder zu beschäftigen, sei zu respektieren. Entscheidungsprozesse des privaten Unternehmens, welches weder Vollzugsinteressen des Beschwerdeführers noch solche der Justizvollzugsanstalt verfolge, könnten nicht Gegenstand einer Gefangenenbeschwerde sein. Die Justizvollzugsanstalt sei zwar zur Beseitigung der Folgen der gerichtlich aufgehobenen Ablösungsverfügung verpflichtet. Sie müsse dem Privatunternehmen jedoch die Wiederbeschäftigung des Beschwerdeführers lediglich antragen, was hier geschehen sei.
3. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde verwarf das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 6. Juni 2005 als unzulässig, da es nicht geboten sei, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Mit seiner fristgerecht eingelegten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Justizvollzugsanstalt habe selbst darüber entscheiden müssen, ob er wieder als Einkaufshelfer zu beschäftigen sei, und dies nicht dem privaten Unternehmen überlassen dürfen. Das Landgericht habe den Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt.
2. Das Justizministerium Baden-Württemberg hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
3. Ab November 2005 ist der Beschwerdeführer wieder als Einkaufshelfer beschäftigt worden. Er begehrt gleichwohl eine Entscheidung über seine Verfassungsbeschwerde, da er einen Amtshaftungsprozess gegen das Land Baden-Württemberg wegen der Ablösung von seiner Tätigkeit und der zwischenzeitlichen Nichtwiedereinsetzung in diese betreibe. Die Verfahrensakten dieses Prozesses sind beigezogen worden. Das Landgericht Karlsruhe hat die Amtshaftungsklage des Beschwerdeführers mit Urteil vom 26. September 2006 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen unter anderem auf eine Bindungswirkung des Beschlusses des Landgerichts vom 29. September 2004 verwiesen, die der Feststellung einer Amtspflichtverletzung wegen der unterlassenen Wiedereinsetzung als Einkaufshelfer entgegenstehe. Das Verfahren ist derzeit beim Oberlandesgericht Karlsruhe anhängig.
III.
1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung der Kammer liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (siehe unter 3.). Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen der Justizvollzugsanstalt und des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip. Die landgerichtliche Entscheidung verletzt ihn darüber hinaus in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist trotz der mit der Wiederbeschäftigung des Beschwerdeführers als Einkaufshelfer eingetretenen Erledigung seines Rechtsschutzbegehrens zulässig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht das Rechtsschutzinteresse für eine Verfassungsbeschwerde trotz Erledigung des ihr zugrundeliegenden Begehrens unter anderem dann fort, wenn die gegenstandslos gewordene Maßnahme den Beschwerdeführer weiterhin beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 33, 247 ≪257 f.≫; 91, 125 ≪133≫; 99, 129 ≪138≫). Dies ist vorliegend der Fall, da die angegriffene landgerichtliche Entscheidung dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Amtshaftungsprozesses als bindend entgegengehalten wird.
3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.
a) Der Vollzug der Freiheitsstrafe muss auf das Ziel der Resozialisierung ausgerichtet sein (vgl. BVerfGE 35, 202 ≪235 ff.≫; 45, 187 ≪238 ff.≫; 64, 261 ≪276 ff.≫; 98, 169 ≪200 f.≫; 116, 69 ≪85 f.≫). Arbeit im Strafvollzug ist ein wichtiges Mittel der sozialen Integration. Nach dem Resozialisierungskonzept, für das der Gesetzgeber sich mit dem Strafvollzugsgesetz entschieden hat, ist die Gefangenenarbeit zentrales Instrument des verfassungsrechtlich gebotenen Behandlungsvollzuges (vgl. BVerfGE 66, 199 ≪208≫; 98, 169 ≪172, 206 ff.≫; BVerfGK 3, 101 ≪104≫). Der Gesetzgeber sieht in der Arbeit nach Maßgabe der §§ 37 ff. StVollzG einen Weg, um Fähigkeiten zur Schaffung der Grundlage für ein straffreies Leben in Freiheit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten und zu fördern (vgl. BVerfGE 98, 169 ≪172≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2007 – 2 BvR 725/07 –, juris). Arbeit dient der Entfaltung der Persönlichkeit. Durch sie erfährt der Einzelne Achtung und Selbstachtung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. März 2002 – 2 BvR 2175/01 –, NJW 2002, S. 2023 ≪2024≫).
Um den Anforderungen des Resozialisierungsgebotes an die Behandlung der Strafgefangenen gerecht werden zu können, muss die Vollzugsbehörde die öffentlichrechtliche Verantwortung für die Rechtsstellung des Gefangenen bei der zugewiesenen Pflichtarbeit (§§ 37, 41 StVollzG) mindestens in Gestalt einer Leitungsgewalt beibehalten (vgl. BVerfGE 98, 169 ≪209, 211≫). Soweit Gefangene Pflichtarbeit nicht in einem Eigenbetrieb der Anstalt verrichten, sondern die Leitung der einzelnen Arbeitsvorgänge gemäß § 149 Abs. 4 StVollzG einem privaten sogenannten Unternehmerbetrieb übertragen wird, hat die Vollzugsbehörde im Rahmen der vertraglichen Beziehungen mit diesem sicherzustellen, dass der Gefangene weiterhin unter ihrer öffentlichrechtlichen Verantwortung verbleibt und nicht völlig in den privat geleiteten Betriebsablauf eingegliedert wird (vgl. BVerfGE 98, 169 ≪209, 211≫; siehe auch Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Aufl. 2005, Einleitung Rn. 45, § 149 Rn. 2; Däubler/Spaniol, in: Feest ≪Hrsg.≫, StVollzG, 5. Aufl. 2006, § 41 Rn. 13; Feest/Lesting, ebd., vor § 1 Rn. 12; Matzke/Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Aufl. 2005, § 149 Rn. 7; Lohmann, Arbeit und Arbeitsentlohnung des Strafgefangenen, 2002, S. 254 f.). Entscheidungen über die Zuweisung zur Pflichtarbeit und über die Ablösung von zugewiesener Pflichtarbeit bleiben danach auch dann originäre Aufgabe der Vollzugsbehörde und sind als Behandlungsmaßnahme (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 4 StVollzG) unter Berücksichtigung vollzuglicher wie grundrechtlicher Belange zu treffen, wenn der betreffende Gefangene in einem privaten Unternehmerbetrieb beschäftigt wird. Dem Unternehmen ist lediglich eine fachlich-technische Leitungsbefugnis eingeräumt (§ 149 Abs. 4 StVollzG).
b) Unabhängig von der Frage, wie weit nach dem Strafvollzugsgesetz und nach dem Grundgesetz allgemein die Einräumung von Entscheidungsbefugnissen an Unternehmen gehen kann, die Gefangene beschäftigen, darf die Zuordnung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung von Verfassungs wegen jedenfalls nicht so beschaffen sein, dass Gefangene für ihr Arbeitsverhältnis betreffende Ansprüche unter Umständen überhaupt keinen handlungs- und verantwortungsfähigen Adressaten mehr vorfinden oder dass Ansprüche trotz grundrechtlicher Bedeutung nicht als solche anerkannt werden, weil versäumt wurde, Arbeitsverhältnisse des Gefangenen überhaupt als Rechtsverhältnisse auszugestalten, die auch für den Gefangenen Rechte – sei es im Verhältnis zur Anstalt oder zum privaten Unternehmen – begründen. Mit dem grundrechtlichen Anspruch der Gefangenen auf einen am Ziel der Resozialisierung orientierten Strafvollzug (vgl. BVerfGE 35, 202 ≪235 f.≫; 116, 69 ≪85 f.≫, m.w.N.; stRspr), mit dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für Grundrechtseingriffe im Strafvollzug (vgl. BVerfGE 33, 1 ≪9≫; 116, 69 ≪80 f.≫), mit dem Grundsatz, dass auch die Ausrichtung des Vollzuges auf das Resozialisierungsziel einer das Resozialisierungskonzept ausformenden gesetzlichen Regelung bedarf (vgl. BVerfGE 98, 169 ≪201≫; 116, 69 ≪89≫), und mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wäre es nicht vereinbar, Arbeitsverhältnisse der Gefangenen in solcher Weise in einem rechtlichen Niemandsland anzusiedeln. Grundrechtserhebliche Belange, für die der Gefangene rechtlichen Schutz erwarten darf, müssen entweder, wie im Fall des freien Beschäftigungsverhältnisses (§ 39 Abs. 1 StVollzG), durch privatrechtliche Ansprüche gegenüber dem Unternehmer oder durch öffentlichrechtliche Verantwortlichkeiten der Anstalt geschützt sein. Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend das arbeitsbezogene Resozialisierungskonzept des Strafvollzugsgesetzes gerade und nur im Hinblick darauf als verfassungskonform angesehen, dass für die Beschäftigungsverhältnisse der Gefangenen, soweit sie nicht als freie (§ 39 Abs. 1 StVollzG) dem Schutz des Arbeitsrechts unterstehen, eine öffentlichrechtliche Verantwortlichkeit der Anstalt besteht (vgl. BVerfGE 98, 169 ≪206, 209 f., 211≫).
c) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 ≪58≫; stRspr). Im Bereich des Strafvollzugsrechts wird Art. 19 Abs. 4 GG durch §§ 109 ff. StVollzG auf der Ebene des einfachen Rechts konkretisiert. Dieses Prozessrecht ist im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG auszulegen und anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 1993 – 2 BvR 594/92 –, NJW 1993, S. 3188 f. und vom 1. Juli 1998 – 2 BvR 1758/97 –, NStZ-RR 1999, S. 28 f.). Das Gericht hat dementsprechend den Sachverhalt umfassend aufzuklären und dabei festzustellen, ob die Vollzugsbehörde als Voraussetzungen ihrer Entscheidung alle Tatsachen zutreffend angenommen und den zugrundegelegten Sachverhalt insgesamt vollständig ermittelt hat (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪308≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 1997 – 2 BvR 615/97 –, NStZ-RR 1998, S. 121 ff.; Beschluss vom 1. April 1998 – 2 BvR 1951/96 –, NStZ 1998, S. 430 f.; Beschluss vom 13. April 1999 – 2 BvR 827/98 –, NStZ 1999, S. 428 f.).
4. Den daraus sich ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffene Entscheidung der Justizvollzugsanstalt und der angegriffene Beschluss des Landgerichts nicht gerecht. Sowohl die Justizvollzugsanstalt als auch das Landgericht haben die grundrechtlichen Anforderungen an den Umgang mit dem Begehren des Beschwerdeführers grundlegend verkannt, indem sie davon ausgegangen sind, die Anstalt könne sich hinsichtlich der Wiederbeschäftigung des Beschwerdeführers ohne weiteres darauf beschränken, dem Privatunternehmen diese lediglich anzutragen.
a) Die Justizvollzugsanstalt hatte die angegriffene Verfügung lediglich mit dem Hinweis auf die ablehnende Haltung des privaten Betreibers begründet, ohne Rechtsgründe für die Maßgeblichkeit dieser ablehnenden Haltung anzugeben. Im Verfahren vor dem Landgericht hat sie die Auffassung vertreten, bei dieser Tätigkeit handele es sich nicht um zugewiesene Arbeit im Sinne des § 41 StVollzG. Um welche Art der Tätigkeit nach Maßgabe der §§ 37 ff. StVollzG es sich stattdessen gehandelt haben soll, hat sie nicht festgestellt. Mit der Frage, wie die vom Beschwerdeführer ausgeübte Einkaufshelfertätigkeit in das die Gefangenenarbeit betreffende Regelwerk des Strafvollzugsgesetzes (§§ 37 ff. StVollzG) rechtlich einzuordnen ist, hat auch das Landgericht sich nicht auseinandergesetzt, sondern ohne diesbezügliche Klärung entschieden, dass die Anstalt zu einer über die bloße Anregung der Wiederbeschäftigung hinausgehenden Einflussnahme auf das Betreiberunternehmen nicht verpflichtet war. Schon dies ist im Hinblick auf die dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht nachvollziehbar.
Eine nähere Prüfung erübrigte sich nicht etwa im Hinblick darauf, dass die Frage der rechtlichen Einordnung als zugewiesene Arbeit oder Pflichtarbeit, für die eine öffentlichrechtliche Verantwortung besteht, mit Selbstverständlichkeit zu verneinen wäre.
Es ist schon unklar, ob nur die Einordnung als zugewiesene Arbeit im engeren Sinne – im Unterschied zu zugewiesenen sonstigen Beschäftigungen und Hilfstätigkeiten nach § 41 Abs. 1 Satz 2 StVollzG (für insoweit unterscheidenden Wortgebrauch s. etwa § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollzG) – verneint werden sollte, oder ob von Arbeit im gleichfalls gebräuchlichen weiteren, insbesondere sonstige Beschäftigungen im Sinne des § 37 StVollzG sowie Hilfstätigkeiten einschließenden Sinne die Rede sein sollte (für die gebräuchliche, im Strafvollzugsgesetz unter anderem in den Überschriften des Fünften Titels und der §§ 41 ff. angelegte extensive Verwendung des Begriffs der Arbeit und für einen entsprechend weiten Begriff der Pflichtarbeit s. statt vieler Lohmann, Arbeit und Arbeitsentlohnung des Strafgefangenen, 2002, S. 62 ff., 66 ff.; Däubler/Spaniol, in: Feest ≪Hrsg.≫, a.a.O., Rn. 4 zu § 41). Zu berücksichtigen wäre jedenfalls, dass die im Strafvollzugsgesetz angelegte und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hervorgehobene öffentlichrechtliche Verantwortung – die die Anstalt mit der Annahme, es gehe hier nicht um zugewiesene Arbeit, abzuweisen suchte – sich nicht nur auf Arbeit im erwähnten engeren Sinne, sondern auch auf sonstige Beschäftigungen und Hilfstätigkeiten erstreckt (vgl. BVerfGE 98, 169 ≪211≫).
Auch wenn man von einem weiten Verständnis des Begriffs der Arbeit ausgeht, bleibt unklar, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die Anstalt die Einordnung als zugewiesene Arbeit verneint hat. Hier kommen verschiedene Gesichtspunkte in Betracht.
Der Umstand, dass ein Gefangener sich zu einer Tätigkeit freiwillig bereitfindet und sie sogar ausdrücklich erstrebt, schließt ihre Einordnung als Pflichtarbeit oder unter die Arbeitspflicht fallende Hilfstätigkeit im Sinne des § 41 Abs. 1 StVollzG offensichtlich nicht aus. Dies zeigt sich schon in den Zustimmungsvorbehalten des § 41 StVollzG, denen zufolge Zuweisung und Freiwilligkeit der Arbeitsaufnahme gerade nicht in einem Gegensatzverhältnis stehen (s. etwa § 41 Abs. 1 Satz 2 StVollzG; vgl. auch Däubler/Spaniol, in: Feest ≪Hrsg.≫, a.a.O., § 41 Rn. 2, 8; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 41 Rn. 2 f.; Matzke/Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle, a.a.O., § 41 Rn. 11). Die in § 41 StVollzG festgeschriebene Arbeitspflicht stellt in Fällen einer vom Gefangenen selbst angestrebten Tätigkeit das Äquivalent für die Arbeitsverpflichtung dar, die unter den Bedingungen des freien Arbeitsmarktes Rechtsfolge eines ebenfalls aus freien Stücken eingegangenen Arbeitsvertrages ist. Sie stellt sicher, dass der Gefangene seine zunächst freiwillig übernommene Tätigkeit kontinuierlich und mit einer Verlässlichkeit ausführt, die ihn auf ein Erwerbsleben in Freiheit vorbereitet.
Es versteht sich daher auch nicht von selbst, dass es der Einordnung einer Tätigkeit als zugewiesene Arbeit, zu der der Gefangene nach erfolgter Zuweisung verpflichtet ist, entgegenstünde, wenn eine Tätigkeit lediglich neben einer anderen, hauptsächlich zugewiesenen Arbeit verrichtet wird. Zwar kann dem Gefangenen Arbeit nicht in beliebigem Umfang gegen seinen Willen zugewiesen werden; schon von daher unterliegt eine nicht vom Willen des Gefangenen gedeckte Zuweisung von Nebentätigkeiten neben einer bereits zugewiesenen anderen, hauptsächlich zu verrichtenden Arbeit Grenzen (vgl. zu den zeitlichen Grenzen Nr. 4 Abs. 1 der VV zu § 37 StVollzG; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 41 Rn. 4). Daraus ergibt sich aber nicht mit einer jede nähere Prüfung erübrigenden Notwendigkeit, dass eine zusätzliche Nebentätigkeit nicht – auch soweit der Gefangene, aus welchen Gründen auch immer, nicht verpflichtet ist, ihre Zuweisung (§ 37 StVollzG) gegen seinen Willen hinzunehmen – im Einverständnis zugewiesen werden könnte. Denn die Möglichkeit der Zuweisung von Arbeit und daher auch die Einordnung einer Arbeit als zugewiesene und eine daran anknüpfende Pflichtigkeit nach § 41 StVollzG hängen, wie ausgeführt, nicht davon ab, dass die Zuweisung ohne Zustimmung des Gefangenen erfolgen kann.
Auch aus der Feststellung der Justizvollzugsanstalt, die Auswahl – aus Vorschlägen der Anstalt – und Entlohnung der Einkaufshelfer erfolge durch das Betreiberunternehmen, folgte jedenfalls nicht ohne weiteres, dass es sich bei der Tätigkeit als Einkaufshelfer bei einem die Einkaufsstelle gemäß § 22 StVollzG betreibenden Unternehmen nicht um zugewiesene Arbeit im Sinne des Strafvollzugsgesetzes handelt, die unter der öffentlichrechtlichen Verantwortung der Justizvollzugsanstalt verbleiben muss. Ob die Anstalt berechtigt ist, innerhalb der Anstalt für Betreiberunternehmen geleistete Gefangenenarbeit zuzulassen, für die Entgeltansprüche nicht gemäß § 43 StVollzG als öffentlichrechtliche (vgl. Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 43 Rn. 2, m.w.N.), sondern gegenüber dem privaten Betreiber entstehen und die auch sonst in wesentlichen Hinsichten nicht unter der öffentlichrechtlichen Verantwortung der Anstalt stehen, ist gerade die Frage. Wenn allein mit dem Hinweis auf Abweichungen von dem Regime, welches das Strafvollzugsgesetz für zugewiesene Arbeit vorsieht, geschlossen werden könnte, dass die unter solchen Abweichungen verrichtete Arbeit von Gefangenen keine zugewiesene ist und nicht unter der entsprechenden öffentlichrechtlichen Verantwortung der Anstalt steht, hätten die Anstalten es in der Hand, sich ihrer kraft Gesetzes bestehenden öffentlichrechtlichen Verantwortung zu entziehen.
Der Entscheidung der Justizvollzugsanstalt fehlte es nach alledem an einer rechtlich auch nur ansatzweise tragfähigen Begründung. Indem das Landgericht versäumt hat, zu prüfen, wie die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit als Einkaufshelfer sich in das Regelwerk des Strafvollzugsgesetzes einfügt und ob es mit den Regelungen dieses Gesetzes zur Gefangenenarbeit vereinbar ist, dass die Anstalt dem als Betreiber der Einkaufsstelle tätigen privaten Unternehmen im Verhältnis zu dort beschäftigten Gefangenen mehr als bloß technische und fachliche Leitungsaufgaben überträgt (vgl. § 149 Abs. 4 StVollzG; zur Auslegung dieser Bestimmung BT-Drucks 7/918, S. 64; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 149 Rn. 2), hat es seine Entscheidung schon nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise an rechtlichen Maßstäben orientiert.
b) Die Bedeutung der Grundrechte des Beschwerdeführers wurde auch darüber hinaus verkannt.
aa) Einer Nebentätigkeit der vom Beschwerdeführer ausgeübten Art und der Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, kommt Bedeutung für die Resozialisierung des Ausübenden auch unabhängig davon zu, ob sie einfachrechtlich als zugewiesene Pflichtarbeit im Sinne der § 37, § 41 StVollzG einzuordnen ist. Die Bedeutung der Gefangenenarbeit als Resozialisierungsmittel ist nicht auf Pflichtarbeit im Sinne dieser Bestimmungen beschränkt (vgl. nur BVerfGE 98, 169 ≪209 f.≫ zur Arbeit in einem freien Beschäftigungsverhältnis). Eine Nebentätigkeit der vom Beschwerdeführer ausgeübten Art kann zusätzliche Gelegenheit zur Erzielung von Einnahmen, zur Entwicklung lebensdienlicher Fähigkeiten, zum Erwerb von Achtung, zur Förderung der Selbstachtung, und damit zur Verbesserung der Voraussetzungen für ein künftiges straffreies Leben in Freiheit (s.o. unter III.3.a) vermitteln. Vor allem ist es – nicht nur, aber auch – unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung nicht hinnehmbar, dass ein Gefangener bei einem privaten Unternehmer Arbeit in einem rechtsfreien Raum leistet, in dem grundrechtserhebliche Belange, für die er rechtlichen Schutz erwarten darf, weder durch privatrechtliche Ansprüche gegenüber dem Unternehmer noch durch öffentlichrechtliche Verantwortlichkeiten der Anstalt geschützt sind (s. unter III.3.b). Dies haben weder die Justizvollzugsanstalt noch das Gericht berücksichtigt. Sie haben hinsichtlich der Entscheidung über die Wiederbeschäftigung des Beschwerdeführers jede über eine bloße Anregung an das Betreiberunternehmen hinausgehende Verantwortlichkeit der Anstalt verneint. Zugleich bestanden angesichts des Umstandes, dass kein dem Arbeitsrecht unterliegendes freies Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Anstalt (§ 39 Abs. 1 Satz 1 StVollzG; vgl. BVerfGE 98, 169 ≪209 f.≫; Däubler/Spaniol, in: Feest ≪Hrsg.≫, a.a.O., § 39 Rn. 13 ff.; Lohmann, a.a.O., S. 62 ff.) vorlag, keine Anhaltspunkte dafür, dass anstelle der verneinten Verantwortlichkeit der Anstalt in diesem Punkt eine privatrechtliche Verantwortlichkeit des Betreiberunternehmens gegenüber dem Beschwerdeführer bestanden hätte; jedenfalls hat weder die Anstalt noch das Landgericht den Beschwerdeführer hierauf verwiesen oder die Rechtslage insoweit geprüft. Damit wurde dem grundrechtlichen Anspruch des Beschwerdeführers auf einen am Resozialisierungsziel orientierten Strafvollzug nicht Rechnung getragen.
Die grundrechtliche Relevanz der Entscheidung über eine Wiederbeschäftigung nach Freispruch von dem Straftatvorwurf, der der Ablösung von einer zugewiesenen Arbeit zugrundelag, zeigt sich bereits darin, dass der Entzug von Arbeit im Katalog der Disziplinarmaßnahmen aufgeführt ist, die gegen einen Strafgefangenen verhängt werden können (§ 103 Abs. 1 Nr. 7 StVollzG; zum tiefgreifenden Charakter des in einer solchen Disziplinarmaßnahme liegenden Grundrechtseingriffs vgl. Walter, in: Feest ≪Hrsg.≫, a.a.O., § 103 Rn. 10; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 103 Rn. 5). Für eine dauerhafte Ablösung von der Arbeit, die bereits aufgrund ihrer zeitlichen Wirkungsdauer über eine Disziplinarmaßnahme gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 7 StVollzG hinausgeht, verlangt die obergerichtliche Rechtsprechung nicht nur eine ausreichende Sachverhaltsermittlung der Vollzugsbehörde (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 9. Dezember 2004 – 3 Ws 1055/04 u.a. –, juris), sondern auch eine Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen der § 49 Abs. 2 VwVfG, § 14 Abs. 2 StVollzG (vgl. OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 11. April 2005 – 1 Ws 506/04 – sowie vom 29. Juni 2005 – 1 Ws 291/04 –, juris). Auch wenn es sich im vorliegenden Fall nicht um eine disziplinarische Maßnahme handelte, verdeutlicht dies, dass die Wiedereinsetzung des Beschwerdeführers in seine Tätigkeit nicht durch den bloßen Verweis auf eine ablehnende Haltung des privaten Betreibers der Kontrolle anhand rechtlicher Maßstäbe entzogen werden konnte.
bb) Das Landgericht hat zudem auch ausgehend von seiner unzutreffenden Auffassung, die Anstalt könne sich ohne weiteres auf eine ablehnende Haltung des Betreibers der Einkaufsstelle zurückziehen, seine aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (vgl. BVerfGK 1, 201 ≪207≫; 2, 318 ≪324 f.≫) dadurch verletzt, dass es allein aufgrund einer telefonischen Auskunft des zuständigen Verkäufers entschieden hat, ohne dem Hinweis des Beschwerdeführers auf eine ihm gegenüber bekundete Weiterbeschäftigungsbereitschaft des Unternehmens und der damit aufgeworfenen Frage nachzugehen, ob die telefonisch nunmehr bekundete ablehnende Haltung auf einer von der Anstalt unbeeinflussten Willensbildung beruhte.
5. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den dargelegten Grundrechtsverletzungen. Der landgerichtliche Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht Karlsruhe zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG). Mit der Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses wird der Beschluss des Oberlandesgerichts gegenstandslos.
6. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Broß, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen