Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 12.07.2001; Aktenzeichen 46 Qs 1/01) |
AG Norderstedt (Beschluss vom 10.12.2000; Aktenzeichen 72 Gs 628/00) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Kiel vom 12. Juli 2001 – 46 Qs 1/01 – und der Beschluss des Amtsgerichts Norderstedt vom 10. Dezember 2000 – 72 Gs 628/00 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Kiel zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.
Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung einer Durchsuchung in einem Verfahren wegen handwerksrechtlicher Verstöße.
I.
1. Der Beschwerdeführer betreibt seit 1994 ein einzelkaufmännisches Unternehmen, das seit einer Änderung der Gewerbeanmeldung vom 25. August 2000 als Gewerbe zur “Montage von Drahtzäunen sowie Holz- und Sichtschutzzäunen” registriert ist. Ausgenommen sind laut der Gewerbeanmeldung Arbeiten im Sinne der Handwerksrolle. Eine Eintragung in die Handwerksrolle besteht nicht. Im September 2000 zeigte ein Kunde den Beschwerdeführer, für den dieser ein Drehflügeltor gefertigt und montiert hatte, bei der Kreishandwerkerschaft wegen unerlaubter Ausübung des Metallbauerhandwerks an. Auf Nachfrage erklärten zwei Angestellte des Beschwerdeführers, das Tor sei in der Firma des Beschwerdeführers angefertigt worden. Während einer der Zeugen angab, er sei zu 70 % mit Schweißarbeiten, dem Bau von Toren, Reparaturen und der Montage aller Torarten beschäftigt gewesen, machte der andere Zeuge keine Angaben zum Anteil der Toranfertigungen gegenüber den übrigen Geschäftsaufträgen. Gleichwohl gaben beide Zeugen an, überwiegend mit der Montage von Standardtoren und Zäunen beschäftigt gewesen zu sein.
2. Mit angegriffenem Beschluss vom 10. Dezember 2000 ordnete das Amtsgericht wegen des “Verdachts des Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit” (SchwarzArbG) die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers an. Der Beschwerdeführer sei nicht zur selbständigen Erbringung von handwerklichen Leistungen berechtigt, da er nicht in der Handwerksrolle eingetragen sei. Er sei jedoch verdächtig, im September 2000 ein Drehflügeltor angefertigt und eingebaut zu haben. Es stehe daher zu erwarten, dass er auch weitere Kunden mit vollhandwerklichen Tätigkeiten bedient habe. Die Durchsuchung diene der Feststellung des tatsächlichen Umfangs der vollhandwerklichen Tätigkeiten des Betroffenen und der Auffindung von Rechnungen, Auftragsbestätigungen, geschäftlichem Schriftverkehr und Kontoauszügen.
3. Die gegen die Durchsuchungsanordnung eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht mit angegriffenem Beschluss vom 12. Juli 2001 als unbegründet. Nach den bisherigen Ermittlungen habe ein ausreichender Anfangsverdacht bezüglich einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG bestanden. Anlässlich einer Baustellenkontrolle sei festgestellt worden, dass in dem Betrieb des Beschwerdeführers ein Drehflügeltor angefertigt worden sei. Außerdem habe man festgestellt, dass der Beschwerdeführer über eine voll eingerichtete Werkstatt verfüge, in der Schlosser- und Schweißarbeiten durchgeführt würden. Nach den Angaben der befragten Angestellten sei von einem der Handwerksordnung nicht unterliegenden “Minderhandwerk” nicht auszugehen gewesen.
II.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 12, Art. 13, Art. 14, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 GG.
Die Regelungen der Handwerksordnung seien zu unbestimmt, um die Berufsausübungsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG wirksam einschränken zu können. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit sei damit nicht hinreichend bestimmt gewesen. Ferner sei der Meisterzwang mit Art. 12 GG unvereinbar und daher verfassungswidrig.
Art. 13 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die Durchsuchungsanordnung nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Weder der Tatvorwurf noch die aufzufindenden Beweismittel seien hinreichend konkret umschrieben worden. Darüber hinaus habe kein Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG bestanden. Der Beschwerdeführer habe lediglich im Nebenbetrieb zu seinem Handelsgewerbe ein Drehflügeltor angefertigt. Schließlich sei die Anordnung einer Durchsuchung zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit generell unverhältnismäßig.
Außerdem begründeten europarechtliche Vorschriften eine Ungleichbehandlung von deutschen Handwerkern, die ihre Tätigkeit erst nach Ablegung der Meisterprüfung und Eintragung in die Handwerksrolle ausüben dürften, und EU-ausländischen Handwerkern, bei denen diese Einschränkung nicht gelte.
III.
1. Das Land Schleswig-Holstein hat zu der Verfassungsbeschwerde nicht Stellung genommen.
2. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der schwerwiegende Eingriff einer Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts und zur Schwere der Tat stehen müsse. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, in welcher Höhe die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bewehrt sei. Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO (Gesetz zur Ordnung des Handwerks in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998) handle ordnungswidrig, wer entgegen § 1 HwO ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, wobei die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € (bis 31. Dezember 2001: 20.000 Deutsche Mark) geahndet werden könne. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) handle ordnungswidrig, wer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbringe, indem er ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Hier sehe der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 SchwarzArbG einen Bußgeldrahmen von bis zu 100.000 € (bis 31. Dezember 2001: 200.000 Deutsche Mark) vor. Der Qualifikationstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG konsumiere den Grundtatbestand des § 117 Abs. 1 HwO, soweit das qualifizierende Tatbestandsmerkmal “Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang” gegeben sei. Durch dieses Tatbestandsmerkmal werde zum Ausdruck gebracht, dass die Tathandlungen eine andere Qualität erreichten als beim Grundtatbestand des § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO, wobei auf den objektiven Umfang der Leistungen anhand der Kriterien Dauer, Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität abzustellen sei. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Ermittlungsrichter komme es daher auf die Frage an, ob sich der Anfangsverdacht auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO oder auf eine solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG beziehe. Beide Vorschriften seien Ausdruck eines unterschiedlichen Unrechtsgehalts und könnten somit Einfluss auf die Ermessenserwägung haben. Während angesichts der Schwere der Tat und der Höhe der Bußgeldbewehrung eine Durchsuchung bei hinreichendem Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG in der Regel als verhältnismäßig anzusehen sei, müsse bei Vorliegen eines Tatverdachts der unerlaubten Handwerksausübung nach § 117 Abs. 1 HwO angesichts der geringeren Bußgeldbewehrung den persönlichen und tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehr Gewicht beigemessen werden. So müsse auch dahingehend unterschieden werden, ob bei dem Verdächtigten lediglich der Formalakt der Eintragung ausstehe oder ob er auch den materiellen Voraussetzungen für eine Handwerksrolleneintragung nicht genüge. Nur in letzterem Fall komme überhaupt in Betracht, der Tat eine derartige Schwere beizumessen, die eine Durchsuchungsanordnung als verhältnismäßig erscheinen lasse.
Andererseits stehe ein geringeres Eingriffsmittel als die Durchsuchung und Beschlagnahme in der Regel nicht zur Verfügung. Auch sei die Aufforderung zur freiwilligen Herausgabe von Unterlagen regelmäßig erfolglos. Anfragen vor Durchführung von Durchsuchungsmaßnahmen würden diese oft zwecklos machen. Regelmäßig werde bestimmtes beweiserhebliches Material ausgelagert. In der Praxis habe sich gezeigt, dass sich nur in einer ganz geringen Anzahl von Fällen ex post der Verdacht eines Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit auf Grund einer durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme als unbegründet erwiesen habe. Dies belege eine sorgfältige Vorarbeit. Durchsuchungsmaßnahmen würden nur beantragt, wenn hinreichende Verdachtsmomente vorlägen. Erst auf Grund der durchgeführten Durchsuchung und Beschlagnahme lasse sich nachweisen, dass Schwarzarbeit in weit größerem Umfang ausgeführt wurde, als ursprünglich angenommen.
Der Meisterzwang sei nach wie vor verfassungsgemäß. Die Gründe, die das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 13, 97 zur Vereinbarkeit des Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz genannt habe, bestünden unverändert fort. Das Handwerk sei der zweitstärkste Wirtschaftszweig in Deutschland. In den Betrieben des Handwerks werde der größte Teil des Nachwuchses der gesamten gewerblichen Wirtschaft ausgebildet.
3. Weiterhin hat der Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker Stellung genommen. Er hält die angegriffenen Entscheidungen für verfassungswidrig, da § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG verfassungswidrig seien. Angesichts der Höhe der Geldbußen und der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit gemäß § 17 Abs. 3 und Abs. 4 OWiG liege ein Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Schuldangemessenheit vor. Die Durchsuchungen seien unverhältnismäßig, da es sich um schwerwiegende Grundrechtseingriffe handele, der Vorwurf aber nur eine Ordnungswidrigkeit betreffe. Im Übrigen fehle eine genaue Prüfung des Tatverdachts der Ordnungswidrigkeit. Regelmäßig diene die Durchsuchung erst der Begründung eines solchen Tatverdachts und erfolge daher zum Zwecke der Ausforschung. Dies widerspreche dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Der Meisterzwang verstoße zudem gegen Art. 12 GG.
4. Dem Bundesverfassungsgericht hat der Verwaltungsvorgang vorgelegen.
IV.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil der empfindliche Eingriff einer Durchsuchung vorschnell und auf unzureichender Verdachtsgrundlage angeordnet wurde. Darüber hinaus lassen die angegriffenen Beschlüsse eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht erkennen, obwohl sich Ausführungen hierzu im vorliegenden Fall aufdrängen mussten.
1. a) Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 ≪371 f.≫; 59, 95 ≪97≫; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03 u.a. –, NJW 2004, S. 3171 ≪3172≫).
b) Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich auf Grund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 ≪51≫).
2. a) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet zwar – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – nicht, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten stets von Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen abzusehen. Allerdings sind die Anforderungen an die Stärke des Tatverdachts umso höher, je weniger schwer die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat wiegt.
In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind darüber hinaus die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände sind Zweifel daran angebracht, ob die bis Ende des Jahres 2003 geltenden Regelungen über die Ausgestaltung des Meisterzwangs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 HwO a.F.) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch gerecht werden konnten. Wegen dieser Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die damals geltende Ausnahmeregelung des § 8 HwO a.F. mit Blick auf Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG großzügig anzuwenden ist (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2005 – 1 BvR 1730/02 –, DVBl 2006, S. 244 ≪246≫). Diese Besonderheiten sind auch bei Durchsuchungsmaßnahmen zu berücksichtigen, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung stützen.
Bei der verfassungsmäßigen Prüfung der Durchsuchung kommt es zwar nur auf einen Anfangsverdacht an. Ob die vorgeworfene Tätigkeit dem Kernbereich des Handwerks zuzuordnen ist, wird sich unter Umständen erst feststellen lassen, wenn Art und Umfang der handwerklichen Tätigkeit ermittelt wurden, was gerade durch eine Durchsuchung erfolgen soll. Gleichwohl ist Voraussetzung für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, dass die vorliegenden Erkenntnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nahe legen, dass eine Eintragungspflicht des Betroffenen besteht.
Darüber hinaus haben die Ermittlungsbehörden im Einzelfall auch zu berücksichtigen, ob lediglich der Formalakt der Eintragung in die Handwerksrolle fehlt oder ob der Betroffene über die materiellen Voraussetzungen einer Eintragung verfügt. Sofern lediglich der Formalakt der Eintragung unterblieben ist, eine Eintragung in die Handwerksrolle aber voraussichtlich möglich wäre, wäre der schwere Eingriff der Wohnungsdurchsuchung nicht gerechtfertigt. Hierbei haben die Ermittlungsbehörden auch zu erwägen, ob auf Grund der von Verfassungs wegen gebotenen großzügigen Auslegung und Anwendung der Ausnahmeregelung von § 8 HwO a.F. (vgl. dazu oben) eine Eintragung ohne Ablegung der Meisterprüfung in Frage kommt.
Wenn auch zwischen den in Betracht kommenden Normen – § 117 Abs. 1 HwO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998) und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) – ein Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz in Form eines Qualifikationstatbestandes besteht, so reicht es nicht aus, beide Normen zugleich oder alternativ zu nennen. Angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Bußgeldhöhen handelt es sich um unterschiedliche Regelungen zu Taten mit einem ebenfalls unterschiedlichen Unrechtsgehalt. Zur Begründung des Tatverdachts gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG die Darlegung der Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang. Um diesen Anfangsverdacht verfassungsgemäß begründen zu können, ist erforderlich, dass Feststellungen getroffen werden, die nach einfachem Recht die Anwendung des Qualifikationstatbestands nachvollziehbar machen. Kann ein Anfangsverdacht auch nicht im Ansatz im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG begründet werden, so kommt eine Durchsuchung allein wegen eines Verstoßes gegen § 117 Abs. 1 HwO in Betracht.
b) Die einmalige Fertigung eines Drehflügeltores sowie die Existenz einer voll eingerichteten Werkstatt vermögen einen hinreichenden Anfangsverdacht für die Ausübung von Dienst- oder Werkleistungen “in erheblichem Umfange” im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG nicht zu begründen. Aus dem Ermittlungsergebnis und den Ausführungen der Fachgerichte ergibt sich nicht, warum die Ausstattung der Werkstatt des Beschwerdeführers gerade einen Hinweis auf die unerlaubte Ausübung eines Handwerks darstellte und nicht vor allem oder ausschließlich der Ausübung seines angemeldeten Gewerbes diente. Ein “Betriebsverdacht” reicht gerade nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 ≪380≫). Ferner lassen auch die Angaben der vernommenen Zeugen keinen Rückschluss darauf zu, dass handwerkliche Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang durchgeführt worden waren. Im Gegenteil hatten beide Zeugen angegeben, selbst vor allem mit der Montage von Standardtoren und Zäunen beschäftigt gewesen zu sein. Zwar mögen die vorgenannten Indizien die Vermutung nahe gelegt haben, der Beschwerdeführer habe auch in weiteren Fällen unerlaubt handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt. Der Schluss auf den Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit, der einen derart schweren Grundrechtseingriff wie die Durchsuchung rechtfertigen könnte, ist aber verfassungsrechtlich nicht haltbar.
Ferner bedurfte die Verhältnismäßigkeit der Eingriffsmaßnahme mit Blick darauf, dass sich der Verdacht lediglich auf eine mit einer Geldbuße zu ahndende Ordnungswidrigkeit und nicht auf eine Straftat richtete, besonderer Berücksichtigung. Das Amtsgericht hat hierzu keinerlei Erwägungen angestellt und auch das Landgericht hat lediglich die Erforderlichkeit der Durchsuchung zur Beschaffung von Beweisen zur Ermittlung des tatsächlichen Umfangs der mutmaßlichen handwerklichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers festgestellt. Eine Auseinandersetzung mit der Angemessenheit der Durchsuchung zur Aufklärung der Ordnungswidrigkeit ist nicht ersichtlich.
3. Auf die Vereinbarkeit des für die Eintragung in die Handwerksrolle in der Regel erforderlichen Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz kommt es nach alledem nicht an. Die Frage kann hier offen bleiben, da jedenfalls eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz festzustellen ist, die der Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhilft.
V.
Die angegriffenen Beschlüsse sind aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das Landgericht Kiel zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.
VI.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen