Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 02.09.2003; Aktenzeichen 2 Ws 182/03)

LG Heidelberg (Beschluss vom 14.07.2003; Aktenzeichen 7 StVK 62/03)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht vorliegt (§§ 93a Abs. 1, 93b BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, und die Annahme ist zur Durchsetzung der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte des Beschwerdeführers nicht angezeigt. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG an die richterliche Überprüfung der Fortdauer einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus stellen, ergeben sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschlüsse werden diesen Anforderungen gerecht.

Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden darf. Zu diesen gewichtigen Gründen gehören in erster Linie die des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts und auch die Anstaltsunterbringung gefährlicher Verurteilter zum Schutze der Allgemeinheit (BVerfGE 22, 180 ≪219≫; 58, 208 ≪224 f.≫; 66, 191 ≪195≫; 70, 297 ≪307≫; 90, 145 ≪172≫). Ebenso wie für die Anordnung gilt auch für jede Überprüfung und Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung, dass aus dem Freiheitsrecht sowohl Anforderungen an das Verfahren und dabei insbesondere an eine zuverlässige Wahrheitserforschung folgen als auch eine strenge Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen hat (BVerfGE 57, 250 ≪275≫; 66, 191 ≪195≫; 70, 297 ≪308 f., 311 f.≫; 86, 288 ≪317, 326≫). Je länger eine Unterbringung im Maßregelvollzug bereits dauert, desto strenger sind diese Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung, um der Gefahr von Routinebeurteilungen vorzubeugen und sicherzustellen, dass der Richter eine das Gewicht des Freiheitsanspruchs berücksichtigende eigene Entscheidung auf gesicherter Tatsachengrundlage trifft. Der Richter hat allgemeine Wendungen zu vermeiden und seine Würdigung eingehend abzufassen, um seine Bewertung substantiiert offen zu legen, nach der die vom Verurteilten ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch aufwiegt (BVerfGE 70, 297 ≪310 f., 316≫).

Landgericht und Oberlandesgericht haben nach zureichender Sachverhaltsaufklärung eine der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ausreichend Rechnung tragende Bewertung und Abwägung vorgenommen. Verstöße gegen Verfassungsrecht sind nicht zu erkennen.

Das Landgericht hat die von den Sachverständigen und den Anstaltsärzten vermittelten Bewertungen in der mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers bestätigt gefunden. Dass die befassten Gerichte die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit nach einer Betrachtung der abgeurteilten Tat und der sachverständigen Begutachtung des Persönlichkeitszustandes als so erheblich bewertet haben, dass eine Freilassung nicht verantwortet werden könne, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, diese Bewertungen zu erschüttern. Die während des Vollzuges geschehenen Entweichungen und Übergriffe auf Patienten und Pflegepersonal weist er selbst ausführlich nach, ohne sie substantiiert zu bestreiten.

Er bemängelt, dass es nicht zu Ermittlungsverfahren gekommen sei. Dabei verkennt er, dass die Überprüfung der Fortdauer einer Unterbringung im Freibeweisverfahren geschieht (§§ 463, 454 StPO) und ein Gebot, nach dem nur rechtskräftig festgestellte Taten des Betroffenen während des Vollzuges berücksichtigt werden könnten, nicht gilt. Der Beschwerdeführer hat den Vollstreckungsgerichten keinen Anlass gegeben, die zu den Akten gelangten Feststellungen der Anstalt über sein Vollzugsverhalten zu bezweifeln. Gezielte Angriffe gegen einzelne Feststellungen hat der Beschwerdeführer weder im fachgerichtlichen Verfahren noch mit seiner Verfassungsbeschwerde unternommen. Widersprüche oder Lücken in den aktenkundigen Feststellungen hat er nicht aufgezeigt. Er hat nicht einmal selbst versichert, die von ihm selbst aufgezählten Taten nicht begangen zu haben, sondern nur pauschal darauf verwiesen, es seien keine Ermittlungsverfahren durchgeführt worden.

Diesen Einwendungen des Beschwerdeführers fehlt es auch deshalb an Substanz, weil sich die angegriffenen Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte nicht darauf beschränken, auf Verfehlungen des Beschwerdeführers während des Vollzuges zu verweisen. Sie stützen sich vielmehr auf eine sachverständig dargelegte Prognose über die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers. Sie sind nicht vergangenheits-, sondern zukunftsbezogen. Die sachverständige Begutachtung hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert angegriffen.

Das besondere Gewicht, das bei einer langdauernden Unterbringung der zuverlässigen Sachverhaltsaufklärung und der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zukommt, haben die angegriffenen Entscheidungen beachtet. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass zukünftig durch verantwortbare Vollzugslockerungen eine Erprobung des Beschwerdeführers vorzunehmen sein wird. Das Freiheitsgrundrecht, das mit der weiteren Fortdauer der Unterbringung immer stärkeres Gewicht gewinnt (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪315≫), fordert, dem Beschwerdeführer auf diese Weise eine Entlassungsperspektive aufzuzeigen. Es wird außerdem geboten sein, vor einer weiteren Entscheidung über die Aussetzung des Maßregelvollzuges einen neuen externen Sachverständigen mit der Begutachtung des Beschwerdeführers zu beauftragen, um eine gesicherte Beurteilungsgrundlage zu erhalten (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪310 f.≫).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Osterloh, Mellinghoff

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1262407

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