Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 07.02.2007; Aktenzeichen 3 ZB 06.204) |
VG Regensburg (Urteil vom 14.12.2005; Aktenzeichen RN 1 K 05.1329) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit von Beamten des Freistaats Bayern auf 42 Wochenstunden ab dem 1. September 2004.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist Beamter. Er stand bis Ende 2006 als Regierungsoberinspektor im Dienst des Freistaats Bayern. Seit dem 1. Januar 2007 ist er Körperschaftsbeamter der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd. Durch Änderungsverordnung vom 27. Juli 2004 (≪Bay≫ GVBl S. 347) wurde die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst vom 25. Juli 1995 – AzV – (≪Bay≫ GVBl S. 409) geändert und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Beamte des Freistaats Bayern, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, mit Wirkung vom 1. September 2004 von 40 auf 42 Stunden angehoben. Im März 2005 wandte sich der Beschwerdeführer an seinen Dienstherrn und beantragte – im Hinblick auf die Arbeitszeitverlängerung – ausgleichende Dienstbefreiung, hilfsweise eine entsprechende Gutschrift der Mehrarbeit auf seinem Arbeitszeitkonto. Nachdem diese Anträge im Verwaltungs- und im Widerspruchsverfahren abschlägig beschieden worden waren, erhob der Beschwerdeführer Klage, die das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 14. Dezember 2005 abwies. Den hiergegen gerichteten Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Februar 2007 ab.
2. Mit der am 22. Februar 2007 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Verstöße gegen Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 12, Art. 19 Abs. 2 und Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 GG. Er trägt unter anderem vor, er werde durch die Arbeitszeitverlängerung gegenüber seinen angestellten Kollegen, für die eine andere (günstigere) Arbeitszeitregelung gelte, gleichheitswidrig benachteiligt. Außerdem werde hierdurch in rechtswidriger Weise in den Kernbereich seines Selbstbestimmungsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen. Durch die Arbeitszeitverlängerung werde ihm ein Teil seiner Freizeit genommen. Dabei sei dies der Teil seines Lebens, der seine Persönlichkeit im Wesentlichen ausmache.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248≫).
Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Regensburg und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten. Die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit von Beamten des Freistaats Bayern, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, auf 42 Wochenstunden ab dem 1. September 2004 begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Die Arbeitszeitverlängerung verstößt nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG.
a) Es existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, der besagt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Beamten 40 Stunden nicht überschreiten darf (vgl. BVerfGE 44, 249 ≪263≫; BVerfGK 7, 401 ≪403≫; BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 – BVerwG 2 CN 1/01 – NVwZ 2003, S. 617 ≪618≫). Vielmehr entspricht es den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, dass ein Beamter seine ganze Persönlichkeit für den Dienstherrn einzusetzen und diesem – grundsätzlich auf Lebenszeit – seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat (BVerfGE 21, 329 ≪345≫; 55, 207 ≪240≫; 99, 300 ≪317≫). Einheitliche gesetzliche Bestimmungen, die die Arbeitszeit der Beamten festlegten, bestanden daher bis in die Weimarer Zeit hinein nicht. Noch im Jahre 1938 belief sich die regelmäßige Arbeitszeit der Beamten auf 51 Stunden in der Woche (vgl. BVerfGE 55, 207 ≪240≫). Die Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten in ihrer ursprünglichen Fassung vom 15. Juni 1954 (BGBl I S. 149) sah eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden vor.
b) Es steht demnach grundsätzlich im Organisationsermessen des Dienstherrn, die Arbeitszeit der Beamten festzulegen. Dieses Organisationsermessen findet seine Grenze namentlich in dem hergebrachten Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten (vgl. BVerfGE 8, 332 ≪356 f.≫; 43, 154 ≪165≫). Danach muss der Dienstherr bei der Festlegung der Wochenarbeitszeit die wohlverstandenen Interessen der Beamten berücksichtigen. Er darf die Wochenarbeitszeit insbesondere nicht auf ein Maß festlegen, das die Beamten übermäßig belastet oder gar geeignet ist, ihre Gesundheit zu gefährden (vgl. BVerfGK 7, 401 ≪402 f.≫). Er hat grundsätzlich auch eine gewisse Parallelität zu den Dienstzeiten im öffentlichen Dienst im Übrigen zu wahren.
c) Die Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für Beamte des Freistaats Bayern ab dem 1. September 2004 ist danach im Hinblick auf Art. 33 Abs. 5 GG nicht zu beanstanden. Der Dienstherr hat den Interessen seiner Beamten an der Vermeidung einer übermäßigen Belastung und damit dem Fürsorgegedanken Rechnung getragen, indem er – im Rahmen eines Stufenmodells – für ältere Beamte eine kürzere regelmäßige Arbeitszeit von 41 oder 40 Stunden in der Woche festgeschrieben und auch jugendliche und schwerbehinderte Beamte von der 42-Stunden-Woche ausgenommen hat, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Abs. 1 Satz 1 AzV. Eine Gesundheitsgefahr geht von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden nicht aus.
d) Die Arbeitszeitverlängerung verstößt auch nicht gegen das durch Art. 33 Abs. 5 GG abgesicherte Alimentationsprinzip. Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit, mit der eine Anpassung der Besoldungsbezüge nicht verbunden war, kann auf der Grundlage der hergebrachten Grundsätze des Berufbeamtentums schon nicht als (mittelbare) Besoldungsverkürzung und damit als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die Alimentation angesehen werden. Die Alimentation des Beamten stellt nämlich – anders als der Lohn aus einem privatrechtlichen Dienstvertrag – kein Entgelt für eine konkrete Dienstleistung dar. Dienstbezüge, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung sind vielmehr die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich ihm der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflicht nach Kräften erfüllt (BVerfGE 21, 329 ≪345≫; 99, 300 ≪317≫; 114, 258 ≪288≫). Dieses besondere, herausgehobene Verhältnis zwischen Dienstpflicht und Alimentation schließt es aus, die gewährte Alimentation auf die geleisteten Arbeitsstunden umzulegen und eine Arbeitszeitverlängerung gleichzeitig als Besoldungskürzung zu begreifen (vgl. BVerfGE 55, 207 ≪240 f.≫; anders Leisner-Egensperger, ZBR 2004, S. 333 ff.). Ebenso wie nicht jede Herabsetzung der Arbeitszeit in der Vergangenheit eine Verminderung der Besoldung nach sich gezogen hat, ist der Dienstherr auch bei einer Erhöhung der Arbeitszeit grundsätzlich nicht verpflichtet, einen zusätzlichen Vergütungsanspruch zu gewähren, solange die Besoldung sich im Rahmen des Angemessenen hält (vgl. BVerfGE 55, 207 ≪241≫; BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 1994 – BVerwG 2 NB 2/94 – juris).
2. Die Arbeitszeitverlängerung verletzt den Beschwerdeführer auch nicht in seinem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Es kann offen bleiben, ob Art. 12 Abs. 1 GG hier neben Art. 33 Abs. 5 GG überhaupt Anwendung findet. Denn auch wenn man dies bejaht, so ist die in Rede stehende Arbeitszeitverlängerung als Berufsausübungsregelung im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG doch jedenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪369≫).
3. Die Arbeitszeitverlängerung verstößt auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Art. 2 Abs. 1 GG tritt im vorliegenden Zusammenhang im Wege der Spezialität hinter die Gewährleistungen der Art. 33 Abs. 5 und gegebenenfalls Art. 12 Abs. 1 GG zurück (vgl. BVerfGE 70, 1 ≪32≫; 89, 1 ≪13≫; 105, 252 ≪279≫).
4. Die Arbeitszeitverlängerung verletzt den Beschwerdeführer auch nicht in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer wird gegenüber Angestellten im öffentlichen Dienst des Freistaats Bayern, für die eine andere (günstigere) Arbeitszeitregelung gilt, nicht gleichheitswidrig benachteiligt. Das Recht der Beamten und das der Arbeitnehmer – auch derjenigen im öffentlichen Dienst – unterscheiden sich auch im hier betroffenen Bereich der Arbeitszeitregelung grundlegend voneinander (vgl. BVerfGE 52, 303 ≪345 f.≫; 63, 152 ≪166 ff.≫). Die Arbeitszeit der Beamten wird seit jeher einseitig durch den Dienstherrn festgesetzt, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst wird durch die Tarifparteien ausgehandelt und vereinbart. Diese Unterschiede zwischen den beiden Ordnungssystemen sind grundsätzlich geeignet, die Ungleichbehandlung im Hinblick auf die wöchentliche Arbeitszeit zu rechtfertigen.
5. Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1938658 |
BB 2008, 441 |