Haufe-Lexware GmbH & Co. KG Redaktion
1 Leitsatz
- Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) ist mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG unvereinbar und deshalb nichtig.
- Das Grundgesetz enthält – von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen – eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Das Grundgesetz grenzt die Gesetzgebungskompetenzen insbesondere mit Hilfe der in den Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge durchweg alternativ voneinander ab.
- Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.
- Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht.
2 Normenkette
Art. 72, 74 GG; §§ 556 – 561 BGB
3 Das Problem
Mit dem Mietendeckel wollte der rot-rot-grüne Berliner Senat den zuletzt starken Anstieg der Mieten in der Hauptstadt bremsen.
Durch das Gesetz sind die Mieten seit dem 23.2.2020 auf dem Stand vom 19.6.2019 eingefroren. Davon betroffen sind ca. 1,5 Mio. Wohnungen. Mit Inkrafttreten der 2. Stufe des Gesetzes am 23.11.2020 sind Mieten, die mehr als 20 % über den gesetzlich festgelegten Obergrenzen liegen, verboten und müssen gegebenenfalls reduziert werden. Vom Mietendeckel ausgenommen sind unter anderem Neubauwohnungen, die ab 2014 bezugsfertig wurden.
Nicht einverstanden mit dem Berliner Mietendeckel waren 284 Abgeordnete der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP und stellten einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG beim Bundesverfassungsgericht. Auch vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin ist ein Verfahren anhängig. Dies hatten die dortigen Richter ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten.
4 Die Entscheidung
Nach Monaten der Unsicherheit herrscht nun Klarheit: Der umstrittene Berliner Mietendeckel verstößt gegen das Grundgesetz und ist daher nichtig. Das hat das BVerfG mit dem am 15.4.2021 veröffentlichten Beschluss entschieden.
Nach Auffassung der Verfassungsrichter hatte das Land Berlin keine Gesetzgebungskompetenz für eigene Regelungen zur Miethöhe, weil der Bund insoweit abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe. Für eigene Regelungen der Länder ist daher kein Raum, so die Verfassungsrichter.
Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Das bedeutet, dass die Länder nur zur Gesetzgebung befugt sind, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat. Da der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht in den §§ 556 bis 561 BGB abschließend geregelt hat, ist für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder kein Raum. Da das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin im Kern ebenfalls die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum regelt, ist es insgesamt nichtig.
5 Meinungen zum Beschluss des BVerfG
Berliner Senat
In einer 1. Stellungnahme erklärte Sebastian Scheel, Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, der Senat werde am Dienstag über die Konsequenzen aus der Entscheidung beraten. Dabei sehe sich der Senat auch in der Verpflichtung, sozial verträgliche Lösungen für Mieterinnen und Mieter zu entwickeln.
Das Land Berlin habe mit dem Mietendeckel Neuland betreten und mit einer anderen Entscheidung aus Karlsruhe gerechnet. Nun sei es die Aufgabe des Bundes, entweder ein wirkungsvolles Mietpreisrecht zu schaffen, das die soziale Mischung in den Städten sichert, oder aber den Ländern die Kompetenz dafür zu übertragen.
Immobilienverbände
Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) begrüßt den Beschluss des BVerfG. "Das ist ein guter Tag für den Erhalt der Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates", so GdW-Präsident Axel Gedaschko. Anstelle eines Gegeneinanders brauche es nunmehr Zusammenarbeit in einem effektiven Bündnis für den Bau und Erhalt von bezahlbarem Wohnraum.
Auch der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) begrüßt die Entscheidung. Gleichzeitig betont BFW-Präsident Andreas Ibel die soziale Verantwortung der Vermieter und appelliert an alle Marktteilnehmer, bei jetzt fällig werdenden Mietnachzahlungen sozial verantwortlich zu handeln.
Auf Zustimmung stößt die Entscheidung der Verfassungsrichter auch beim Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV). Angespannte Wohnungsmärkte würden nicht durch Regulierung entlastet, sondern einzig durch mehr Angebot, so VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler. Erforderlich sei ein Dreiklang aus der Ausweisung von mehr Bauland, der Senkung der Erwerbs- und Baunebenkosten und den der Förderung des ...