Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die neue Aspekte für die Auslegung des Grundgesetzes enthalten, stehen rechtserheblichen Änderungen gleich, die zu einer Überwindung der Rechtskraft einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führen können.
2. a) Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang unter dem Grundgesetz. Die Bestimmungen des Grundgesetzes sind jedoch völkerrechtsfreundlich auszulegen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes (BVerfGE 74, 358 ≪370≫; stRspr).
b) Die völkerrechtsfreundliche Auslegung erfordert keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪323 ff.≫).
c) Grenzen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz. Die Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention darf nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention selbst aus (vgl. Art. 53 EMRK). Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant werden, in denen das „Mehr” an Freiheit für den einen Grundrechtsträger zugleich ein „Weniger” für den anderen bedeutet. Die Möglichkeiten einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint.
3. a) Der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ist nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen. Dabei sind auch die Wertungen des Art. 7 Abs. 1 EMRK zu berücksichtigen.
b) Die Sicherungsverwahrung ist nur zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Konzeption dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der „äußeren” Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht. Die Freiheitsentziehung ist – in deutlichem Abstand zum Strafvollzug („Abstandsgebot”, vgl. BVerfGE 109, 133 ≪166≫) – so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt.
c) Das verfassungsrechtliche Abstandsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich und richtet sich zunächst an den Gesetzgeber, dem aufgegeben ist, ein entsprechendes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben. Die zentrale Bedeutung, die diesem Konzept für die Verwirklichung des Freiheitsgrundrechts des Untergebrachten zukommt, gebietet eine gesetzliche Regelungsdichte, die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht von Exekutive oder Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen determiniert.
d) Die Ausgestaltung des Abstandsgebots muss bestimmten verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügen (näher unter C. I. 2. a) ee).
4. Der in der nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus und in der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Vertrauen des betroffenen Personenkreises ist angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig. Das Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange wird durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK verstärkt.
Verfahrensgang
BGH (Urteil vom 09.03.2010; Aktenzeichen 1 StR 554/09) |
OLG Köln (Beschluss vom 01.03.2010; Aktenzeichen 2 Ws 120/10) |
BGH (Beschluss vom 14.01.2010; Aktenzeichen 1 StR 595/09) |
LG Aachen (Beschluss vom 23.11.2009; Aktenzeichen 33 StVK 269/09 K) |
LG Baden-Baden (Urteil vom 18.08.2009; Aktenzeichen 1 Ks 401 VRs 400/09) |
OLG Nürnberg (Beschluss vom 13.07.2009; Aktenzeichen 1 Ws 304/09) |
LG Regensburg (Urteil vom 22.06.2009; Aktenzeichen NSV 121 Js 17270/1998 jug) |
LG Regensburg (Beschluss vom 22.05.2009; Aktenzeichen StVK 17/1998) |
LG Regensburg (Beschluss vom 18.03.2009; Aktenzeichen KLs 121 Js 17270/1998 jug) |
OLG Nürnberg (Beschluss vom 22.10.2008; Aktenzeichen 2 Ws 499/08) |
LG Regensburg (Beschluss vom 14.07.2008; Aktenzeichen KLs 121 Js 17270/1998 jug.) |
Tenor
I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
1.
- § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) – soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) begangen wurden –, § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 513), § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1212) sowie
- § 66 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 66 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 3007), § 66a des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 66a Absatz 1 und Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (Bundesgesetzblatt I Seite 3344), § 66b des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 66b Absatz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 513), § 66b Absatz 3 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt I Seite 1838), § 67d Absatz 2 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) – soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung bis zu zehn Jahren ermächtigt –, § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160), § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1212), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3, Absatz 5 und Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 3007), § 106 Absatz 5 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 513) und § 106 Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt I Seite 1838)
sind mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
2. § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) in Verbindung mit § 2 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs – soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) begangen wurden –, § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt I S. 513) und § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1212) sind darüber hinaus mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar.
III. Gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht wird angeordnet:
1. Die unter Nummer II.1. angeführten Vorschriften bleiben bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.
2. Die unter Nummer II.2. angeführten Vorschriften bleiben ebenfalls bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, weiter anwendbar, jedoch nach folgender Maßgabe:
- In den von § 67d Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs erfassten Fällen, in denen die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus Sicherungsverwahrte betrifft, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) begangen wurden, sowie in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs und des § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes dürfen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beziehungsweise ihre Fortdauer nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz – ThUG) – Artikel 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300) – leidet.
- Die zuständigen Vollstreckungsgerichte haben unverzüglich nach Verkündung dieses Urteils zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Fortdauer einer Sicherungsverwahrung nach Buchstabe a) gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ordnen die Vollstreckungsgerichte die Freilassung der betroffenen Sicherungsverwahrten spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 an.
- Die Überprüfungsfrist für die Aussetzung oder Erledigung der Sicherungsverwahrung beträgt in den Fällen des § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes abweichend von § 7 Absatz 4 des Jugendgerichtsgesetzes sechs Monate, in den übrigen Fällen des Buchstaben a) abweichend von § 67e Absatz 2 des Strafgesetzbuchs ein Jahr.
IV. 1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 13. Juli 2009 – 1 Ws 304/09 – und der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing vom 22. Mai 2009 – StVK 17/1998 – verletzen den Beschwerdeführer zu I. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 1. März 2010 – 2 Ws 120/10 – und der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen vom 23. November 2009 – 33 StVK 269/09 K – verletzen den Beschwerdeführer zu II. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.
3. a) Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. Oktober 2008 – 2 Ws 499/08 – und der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 14. Juli 2008 – KLs 121 Js 17270/1998 jug. – verletzen den Beschwerdeführer zu III. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Sache wird zur Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu III. an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückverwiesen.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 18. März 2009 – KLs 121 Js 17270/1998 jug. – richtet, wird sie verworfen.
b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. März 2010 – 1 StR 554/09 – und das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 22. Juni 2009 – NSV 121 Js 17270/1998 jug. – verletzen den Beschwerdeführer zu III. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.
4. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2010 – 1 StR 595/09 – und das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 18. August 2009 – 1 Ks 401 VRs 400/09 – verletzen den Beschwerdeführer zu IV. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Baden-Baden zurückverwiesen.
V. 1. Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern haben dem Beschwerdeführer zu I. seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
2. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen haben dem Beschwerdeführer zu II. seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
3. Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern haben dem Beschwerdeführer zu III. seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
4. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Baden-Württemberg haben dem Beschwerdeführer zu IV. seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Fortdauer beziehungsweise die nachträgliche Anordnung ihrer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Mittelbar sind die Verfassungsbeschwerden gegen die Vorschriften gerichtet, die den angefochtenen Entscheidungen jeweils zugrunde liegen, und die die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus (§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB), die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht (§ 66b Abs. 2 StGB, § 7 Abs. 2 JGG) sowie die Erstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Vorschriften auf Fälle betreffen, in denen die Anlasstaten bereits vor deren Inkrafttreten begangen wurden (§ 2 Abs. 6 StGB).
I.
1. a) Die Sicherungsverwahrung wurde mit dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl I S. 995) eingeführt. In § 20a des Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB) wurde eine Strafschärfung für „gefährliche Gewohnheitsverbrecher” vorgesehen, die schon zweimal wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens jeweils zu mindestens sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden waren und durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe verwirkt oder aber – unabhängig von entsprechenden Vorstrafen – mindestens drei vorsätzliche Taten begangen hatten. Wurde jemand „als ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt”, musste nach § 42e RStGB neben der Strafe obligatorisch die Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn die öffentliche Sicherheit es erforderte. Die zeitliche Geltung des neu eingeführten Maßregelrechts wurde in § 2a RStGB dahingehend geregelt, dass über Maßregeln der Sicherung und Besserung nach dem Gesetz zu entscheiden war, das bei der Entscheidung galt. Für bereits rechtskräftig verurteilte und bei Inkrafttreten des Gesetzes in Strafhaft befindliche Täter wurde übergangsweise die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zugelassen (Art. 5 des Gewohnheitsverbrechergesetzes). Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht konnte zunächst nicht auf Sicherungsverwahrung erkannt werden (Art. 3 des Ausführungsgesetzes zum Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933, RGBl I S. 1000).
b) Mit der Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher vom 4. Oktober 1939 (RGBl I S. 2000) und der Verordnung über die Vereinfachung und Vereinheitlichung des Jugendstrafrechts vom 6. November 1943 (RGBl I S. 635) wurde in weitem Umfang die Möglichkeit eröffnet, gegen jugendliche Straftäter das allgemeine Strafrecht anzuwenden und damit auch die Sicherungsverwahrung anzuordnen (§ 20 des Reichsjugendgerichtsgesetzes).
2. a) Unter dem Grundgesetz wurde mit dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) vom 4. August 1953 die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Jugendliche (§ 7 JGG) sowie gegen Heranwachsende bei Anwendung von Jugendstrafrecht wieder ausgeschlossen (§ 105 Abs. 1 JGG) und nur noch – fakultativ – bei Verurteilungen von Heranwachsenden nach allgemeinem Strafrecht zugelassen (§ 106 Abs. 2 JGG).
b) Im Übrigen blieben die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung im Wesentlichen unverändert, bis sie durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 (BGBl I S. 645) grundlegend umgestaltet wurden. Die in § 20a des Strafgesetzbuchs (StGB) enthaltene Strafschärfung für „gefährliche Gewohnheitsverbrecher” entfiel. Stattdessen wurde in § 42e StGB für die Anordnung der Sicherungsverwahrung die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit „infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten” vorausgesetzt. Zugleich wurden die formellen Anforderungen an Anlassverurteilung und Vorstrafen verschärft, für die obligatorische Anordnung der Sicherungsverwahrung das Erfordernis einer Vorverbüßung eingeführt, die Frist für die Überprüfung der Unterbringung verkürzt und deren Aussetzung zur Bewährung ermöglicht. Ferner wurde die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende auch bei deren Verurteilung nach allgemeinem Strafrecht ausgeschlossen.
3. Durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4. Juli 1969 (BGBl I S. 717) wurden die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung in die §§ 66 ff. StGB verlagert und die Dauer der Sicherungsverwahrung im Falle ihrer erstmaligen Anordnung in § 67d Abs. 1 StGB auf höchstens zehn Jahre begrenzt. Der Grundsatz, wonach über Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht zu entscheiden ist, wurde mit dem Zusatz „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist” zum heutigen § 2 Abs. 6 StGB. Die seitdem unverändert geltende Vorschrift lautet:
„(6) Über Maßregeln der Sicherung und Besserung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.”
4. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) wurde in § 66 Abs. 3 StGB die Möglichkeit geschaffen, bei bestimmten Delikten bereits nach einer einschlägigen Wiederholungstat die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Ferner wurde die Zehnjahreshöchstfrist für die erstmalig angeordnete Sicherungsverwahrung aufgehoben. Zugleich wurde in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB eine Pflicht zur Überprüfung nach zehnjähriger Vollzugsdauer eingeführt. Die mit den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. mittelbar angegriffene Vorschrift lautete seitdem bis zur Streichung der Worte „infolge seines Hanges”, die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 erfolgte:
„(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.”
Gemäß Art. 1a Abs. 2 EGStGB war die Neuregelung des § 66 Abs. 3 StGB nur anzuwenden, wenn eine der dort bezeichneten Straftaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 31. Januar 1998 begangen wurde, wohingegen die neue Fassung von § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB gemäß Art. 1a Abs. 3 EGStGB in zeitlicher Hinsicht ausdrücklich uneingeschränkt – auch in Altfällen – Anwendung finden sollte.
5. Durch das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3344) wurde § 66 StGB dahingehend geändert, dass die Sicherungsverwahrung nunmehr nicht nur neben einer zeitigen, sondern auch neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe angeordnet werden konnte. Außerdem wurde ein neuer § 66a StGB hinzugefügt, demzufolge in den Fällen des § 66 Abs. 3 StGB die Sicherungsverwahrung im Urteil zunächst vorbehalten bleiben und über ihre Anordnung erst in einem Nachverfahren am Ende der Strafvollstreckung entschieden werden konnte. Dadurch sollte die Gefährlichkeitsprognose zeitlich nach hinten verlagert und durch Einbeziehung von Erkenntnissen aus dem Strafvollzug auf eine breitere Grundlage gestellt werden (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 5). Flankiert wurde die Regelung durch eine Verfahrensvorschrift in § 275a StPO, die vorsah, dass das Gericht des ersten Rechtszuges nach Durchführung einer Hauptverhandlung über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung entscheidet.
6. Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007) dehnte mit einer Änderung von § 106 JGG den Anwendungsbereich der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung auf Heranwachsende aus, die nach allgemeinem Strafrecht abgeurteilt werden. Die Anwendbarkeit dieser Neuregelung wurde in Art. 1a EGStGB in zeitlicher Hinsicht dahingehend eingeschränkt, dass eine der Anlasstaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 2004 begangen worden sein musste.
7. Mit Urteil vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 – (BVerfGE 109, 133) erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts § 67d Abs. 3 StGB und Art. 1a Abs. 3 EGStGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 für mit dem Grundgesetz vereinbar und wies die Verfassungsbeschwerde eines Untergebrachten – Herrn M. – zurück, gegen den vor Inkrafttreten des genannten Gesetzes erstmalig die Sicherungsverwahrung angeordnet und aufgrund der Neuregelungen über eine Dauer von zehn Jahren hinaus vollzogen worden war. Der Wegfall der zehnjährigen Höchstfrist verletze weder die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), das strafrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) oder das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. mit Art. 20 Abs. 3 GG).
8. Seit 2001 waren in einigen Bundesländern Straftäterunterbringungsgesetze erlassen worden, nach denen gegen rechtskräftig verurteilte Straftäter, deren Gefährlichkeit sich erst während des Strafvollzugs herausstellte, nachträglich die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet werden konnte. Zwei dieser Landesgesetze, das Bayerische Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern vom 24. Dezember 2001 (GVBl S. 978) und das Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 6. März 2002 (GVBl S. 80), wurden durch Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Februar 2004 – 2 BvR 834/02, 1588/02 – (BVerfGE 109, 190) für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, weil es sich bei der geregelten Materie um Strafrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG handele und der Bund mit der Regelung der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch von seiner Gesetzgebungszuständigkeit zulässigerweise abschließend Gebrauch gemacht habe.
9. Mit dem Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1838) machte der Bundesgesetzgeber von seiner in der Entscheidung des Zweiten Senats klargestellten Gesetzgebungskompetenz Gebrauch. In dem neu eingefügten § 66b StGB wurden drei Grundkonstellationen der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung geregelt. § 66b Abs. 1 StGB erfasste – wie durch einen Verweis auf die Voraussetzungen des § 66 StGB klargestellt wurde – ausschließlich Mehrfachtäter, während § 66b Abs. 2 StGB auch für Ersttäter galt, allerdings eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verlangte. Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung waren jeweils neue, vor Ende des Strafvollzugs erkennbar gewordene Tatsachen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinwiesen. § 66b Abs. 3 StGB regelte schließlich den Fall der Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, nicht (mehr) bestand. Der Katalog der möglichen Anlasstaten wurde für jede der drei Konstellationen unterschiedlich gefasst. § 66b Abs. 3 StGB verwies auf die in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Taten, zu denen neben den dort aufgeführten Vergehen sämtliche Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) zählen. In § 66b Abs. 1 StGB wurde der Anlasstatenkatalog auf die in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Vergehen sowie bestimmte Verbrechen beschränkt. Eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB war ausschließlich als Folge bestimmter Verbrechen, nicht aber bei Vergehen möglich. In allen drei Konstellationen war eine hohe Wahrscheinlichkeit erheblicher Straftaten vorausgesetzt, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit diesen gegenüber der primären und der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung erhöhten Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose wollte der Gesetzgeber den Ausnahmecharakter der Vorschrift unterstreichen (vgl. BTDrucks 15/2887, S. 13).
§ 106 JGG wurde ebenfalls um die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Verurteilung von Heranwachsenden nach allgemeinem Strafrecht und bei Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erweitert.
10. Mit dem Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 513) reagierte der Gesetzgeber auf eine restriktive Auslegung des § 66b Abs. 1 StGB durch die Rechtsprechung (vgl. BTDrucks 16/4740, S. 22). Der Bundesgerichtshof hatte es nicht als „neue” – das heißt nach der Verurteilung erkennbar gewordene – Tatsache angesehen, wenn die Gefährlichkeit des Täters bereits bei Aburteilung der letzten Anlasstat bekannt war oder hätte erkannt werden können, das Tatgericht aber aus rechtlichen Gründen die Sicherungsverwahrung nicht verhängen konnte, weil es seinerzeit an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehlte (vgl. BGHSt 50, 284 ≪293 ff.≫; BGH, Beschluss vom 25. Juli 2006 – 1 StR 274/06 –, NJW 2006, S. 3154 f.). § 66b Abs. 1 StGB wurde daher ein Satz 2 hinzugefügt, mit dem Fälle, in denen im Zeitpunkt der Verurteilung die Sicherungsverwahrung aufgrund der alten Fassung des Art. 1a EGStGB nicht angeordnet werden konnte oder in denen die Möglichkeit der Anordnung unter den Voraussetzungen des im Jahre 1998 geschaffenen § 66 Abs. 3 StGB noch nicht gegeben war, in den Anwendungsbereich des § 66b StGB einbezogen wurden (vgl. BTDrucks 16/4740, S. 1). § 106 JGG und § 66b Abs. 2 StGB wurden entsprechend angeglichen. Die mittelbar mit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu IV. angegriffene Vorschrift des § 66b Abs. 2 StGB lautete seitdem bis zu ihrer jüngsten, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Änderung:
„(2) Werden Tatsachen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, erkennbar, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.”
11. Mit dem am 12. Juli 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (BGBl I S. 1212) wurde der Anwendungsbereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf das Jugendstrafrecht ausgedehnt. Die mit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. mittelbar angegriffene Vorschrift des § 7 Abs. 2 JGG lautet:
„(2) Sind nach einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren wegen oder auch wegen eines Verbrechens
- gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
- nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, vor Ende des Vollzugs dieser Jugendstrafe Tatsachen erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Jugendstrafe ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der vorbezeichneten Art begehen wird.”
In § 7 Abs. 4 JGG (in der bis 31. Dezember 2010 gültigen Fassung) wurde darüber hinaus die sinngemäße Geltung verschiedener verfahrensrechtlicher Vorschriften, unter anderem von § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO, angeordnet. Danach konnte das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden waren, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden würde.
12. a) Mit Urteil vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr.19359/04, M. ./. Deutschland) gab eine Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte der Individualbeschwerde von Herrn M. – dem Beschwerdeführer des Verfahrens, in welchem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 – (BVerfGE 109, 133) ergangen war – statt und stellte fest, Art. 5 Abs. 1 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und Art. 7 Abs. 1 EMRK (Keine Strafe ohne Gesetz) seien verletzt. Gleichzeitig verurteilte sie die Bundesrepublik zur Zahlung von 50.000 Euro an den Individualbeschwerdeführer. Mit der Ablehnung des Antrags der Bundesregierung auf Verweisung an die Große Kammer gemäß Art. 43 EMRK am 10. Mai 2010 wurde das Urteil rechtskräftig. Der Individualbeschwerdeführer M. wurde entlassen.
b) In der Folgezeit stellte die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention fest (EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland; Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 20008/07, Mautes ./. Deutschland; Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nrn. 27360/04 und 42225/07, Schummer ./. Deutschland).
c) Unter Berufung auf die Kammerentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 wurde von einigen Vollstreckungsgerichten in Fällen, in denen die Anlasstaten ebenfalls vor dem Wegfall der früheren Höchstfrist im Jahr 1998 begangen worden waren, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach mehr als zehnjähriger Vollzugsdauer für erledigt oder ihre weitere Vollstreckung für unzulässig erklärt. Andere Vollstreckungsgerichte lehnten eine Freilassung der Betroffenen ab. Die Rechtsprechung der zuständigen Oberlandesgerichte war ebenfalls uneinheitlich (vgl. einerseits OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24. Juni 2010 – 3 Ws 485/10 –, NStZ 2010, S. 573; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 Ws 157/10 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 Ws 227/10 –, NStZ-RR 2010, S. 322; andererseits OLG Celle, Beschluss vom 25. Mai 2010 – 2 Ws 169/10, 170/10 –, NStZ-RR 2010, S. 322; OLG Stuttgart, Beschluss vom 1. Juni 2010 – 1 Ws 57/10 –, RuP 2010, S. 157; OLG Koblenz, Beschluss vom 7. Juni 2010 – 1 Ws 108/10 –, RuP 2010, S. 154; OLG Nürnberg, Beschluss vom 24. Juni 2010 – 1 Ws 315/10 –, juris; OLG Köln, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 Ws 431/10 –, juris).
Deshalb wurde im Rahmen des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 24. Juli 2010 (BGBl I S. 976) mit einer Ergänzung von § 121 Abs. 2 GVG eine Divergenzvorlagepflicht der Oberlandesgerichte bei Entscheidung über die Erledigung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung eingeführt. Auch die Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs entwickelte sich allerdings uneinheitlich (vgl. einerseits BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09 –, NStZ 2010, S. 567; Beschluss vom 18. Januar 2011 – 4 ARs 27/10 –, juris, Rn. 4 ff.; Beschluss vom 17. Februar 2011 – 3 ARs 35/10 –, juris, Rn. 4 ff.; andererseits BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 5 StR 394/10, 440/10, 474/10 –, NJW 2011, S. 240; Beschluss vom 15. Dezember 2010 – 1 ARs 22/10 –, juris, Rn. 4 f.; Beschluss vom 22. Dezember 2010 – 2 ARs 456/10 –, juris, Rn. 3 ff.; Beschluss vom 21. Juli 2010 – 5 StR 60/10 –, NStZ 2010, S. 565). Eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen, der vom 5. Strafsenat angerufen worden ist, weil er von der Rechtsprechung des 4. Strafsenats abweichen möchte, steht noch aus.
13. Durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I S. 2300), das am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, wurde die Sicherungsverwahrung weitreichend umgestaltet. Der Anwendungsbereich der primären Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB wurde wesentlich enger gefasst, die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in § 66a StGB erweitert und die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB und § 106 JGG – abgesehen von den Fällen der Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – gestrichen. Auch § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB wurde neu gefasst. Die neuen Vorschriften sind allerdings gemäß Art. 316e Abs. 1 EGStGB nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2011 begangen werden; für zuvor begangene Taten gilt das bisherige Recht weiter.
Darüber hinaus trat am 1. Januar 2011 – als Art. 5 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 – das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter in Kraft (Therapieunterbringungsgesetz – ThUG). Gemäß § 1 ThUG kann die Unterbringung einer Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung angeordnet werden, wenn diese nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist. Weitere Voraussetzung der Unterbringung ist, dass die Person an einer psychischen Störung leidet, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird und die Unterbringung aus diesem Grund zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist. Die Unterbringung soll nach § 2 ThUG in einer räumlich und organisatorisch vom Strafvollzug getrennten Einrichtung vollzogen werden, die medizinisch-therapeutisch ausgerichtet sein und eine angemessene Behandlung der psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans und mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten soll.
II.
Den Ausgangsverfahren liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
1. Der 1955 geborene Beschwerdeführer zu I. hat sich seit seinem 20. Lebensjahr nur für jeweils kurze Zeitspannen in Freiheit befunden. Den wiederholten Haftstrafen lagen unter anderem Verurteilungen wegen Diebstählen zugrunde, zu deren Durchführung er in Wohnungen alleinstehender Frauen eingedrungen war.
a) Im Jahr 1978 wurde er wegen Diebstahls in Tateinheit mit Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Auch dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er in die Wohnung einer alleinstehenden Frau eingedrungen war; im betreffenden Fall hatte er die Frau zuhause angetroffen und – nachdem er sie mit einem Messer bedroht und verschiedene sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen hatte – vergewaltigt. 1985 entwich er aus dem Maßregelvollzug und verübte erneut einen Wohnungseinbruchsdiebstahl. Nachdem seine Unterbringung im Juni 1986 zur Bewährung ausgesetzt worden war, wurde er deshalb im November 1986 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die bis Januar 1988 vollstreckt wurde. Im April 1988 verübte er drei weitere Wohnungseinbruchsdiebstähle, deretwegen er im Juli 1988 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde, die er bis Juli 1989 verbüßte. Anfang August 1989 beging er erneut einen versuchten Diebstahl und wurde deshalb zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die bis zum Frühsommer 1991 vollstreckt wurde. Im Juni 1991 wurde er zudem wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde bis Ende Dezember 1993 vollstreckt.
b) In der Zeit von März bis August 1994 verübte er vier weitere Wohnungseinbruchsdiebstähle, ohne dass es dabei zu Übergriffen auf die Geschädigten kam. Im August 1994 wurde er zunächst wegen einer dieser Taten zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe verurteilte ihn sodann das Landgericht Augsburg am 9. November 1995 wegen der anderen drei Diebstähle zu einer dreijährigen Gesamtfreiheitsstrafe sowie zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und ordnete gemäß § 66 StGB seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Hang des Beschwerdeführers richte sich auf die Begehung erheblicher Straftaten, durch die schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet werde. Dabei sei nicht allein auf die Schadenshöhe abzustellen. Erhebliche Taten seien namentlich solche, die bei der Bevölkerung das Gefühl der Rechtssicherheit zu stören geeignet seien. Dazu gehörten nächtliche Einbrüche in Wohnungen von Frauen, bei denen die Konfrontation mit den Opfern nicht gescheut werde.
c) Die Unterbringung des Beschwerdeführers zu I. in der Sicherungsverwahrung wird – mit kürzeren Unterbrechungen zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen aus Verurteilungen wegen Betäubungsmitteldelikten – seit Dezember 1998 vollzogen. Im März 2001 wurde er in ein psychiatrisches Krankenhaus überwiesen. Ende Juni 2005 wurde diese Überweisung mit der Begründung aufgehoben, dass die Therapie gescheitert sei. Nach der Rückverlegung des Beschwerdeführers wurde wiederholt die Fortdauer seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Am 23. Mai 2009 war er seit zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung untergebracht.
d) Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 22. Mai 2009 ordnete die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing die Fortdauer der Sicherungsverwahrung an.
aa) Zur Vorbereitung dieses Beschlusses hatte die Strafvollstreckungskammer ein Gutachten eines externen Sachverständigen eingeholt. Dieser hatte im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Beschwerdeführer stelle sich in Bezug auf das Rückfallrisiko „eine zwar in Ansätzen positive, jedoch noch unzureichende Entwicklung” dar. Prognostisch ungünstige Faktoren überwögen gegenüber den protektiven Faktoren.
bb) Gestützt auf dieses Gutachten führte die Strafvollstreckungskammer aus, von dem Beschwerdeführer seien auch künftig Straftaten zu besorgen, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt würden. Es sei von einer hohen Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass er außerhalb des Maßregelvollzugs erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 67d Abs. 3 StGB, insbesondere Sexual- und Gewaltdelikte, begehen würde. Im Rahmen der vorzunehmenden Prüfung seien auch Sexual- und Gewaltdelikte mit einzubeziehen.
e) Der Beschwerdeführer legte sofortige Beschwerde ein, mit der er im Wesentlichen geltend machte, eine weitere Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus sei bereits deshalb unzulässig, weil sich der im Urteil festgestellte Hang nicht auf Gewalt- oder Sexualstraftaten bezogen habe. Im Übrigen sei eine hohe Gefährlichkeit für Gewalt- und Sexualdelikte nicht belegt.
f) Das Oberlandesgericht Nürnberg verwarf die sofortige Beschwerde mit – hier ebenfalls angefochtenem – Beschluss vom 13. Juli 2009 als unbegründet und führte zur Begründung aus, es bestehe weiterhin die Gefahr, dass der Beschwerdeführer infolge seines Hanges erhebliche Straftaten mit der Folge schwerer körperlicher oder seelischer Schäden bei den Opfern begehe. Die Sicherungsverwahrung sei nicht schon deswegen erledigt, weil das Landgericht im Urteil als Grund für ihre Anordnung nur einen Hang zu Straftaten mit der Gefahr von schweren wirtschaftlichen Schäden angenommen habe. Die aktuelle Gefährlichkeitsprognose sei das allein maßgebliche Kriterium. Im Rahmen einer Gesamtschau sei auch zu bewerten, dass die Begehungsmuster der Taten, die zur Anlassverurteilung geführt hätten, einigen derjenigen Gewaltdelikte entsprächen, die er früher begangen habe. In allen Fällen sei er in Wohnungen von alleinstehenden Frauen eingebrochen. Diese Vorgehensweise sei die gleiche wie bei den Taten, die in den Jahren 1978 und 1986 zur Verurteilung geführt hätten. Die weitere Fortdauer der Sicherungsverwahrung sei auch verhältnismäßig. Den Maßstab stellten insoweit nicht allein die Anlasstaten dar, die zur Verurteilung geführt hätten. Es müsse vielmehr die aktuell von ihm ausgehende Gefährdung in Relation zu dem Vollzug der Maßregel gesetzt werden.
g) Die daraufhin erhobene Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zu I. wurde im September 2009 zurückgewiesen.
h) Mit Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing – rechtskräftig seit 1. April 2011 – wurde die Unterbringung ab 17. Mai 2011 für erledigt erklärt.
2. a) Der 1957 geborene Beschwerdeführer zu II. – der sich seit Oktober 1990 nicht mehr in Freiheit befunden hat – wurde, nachdem er Anfang der 1970er Jahre zunächst wegen Vermögensstraftaten in Erscheinung getreten war, erstmals im Jahr 1984 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexueller Nötigung und Körperverletzung, in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit Entführung gegen den Willen der Entführten und Freiheitsberaubung, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Im August 1989 wurde er nach voller Verbüßung der Freiheitsstrafe von sechs Jahren entlassen.
b) Ein knappes Jahr nach seiner Entlassung, im Spätsommer 1990, verübte er drei weitere Vergewaltigungen, bei denen er sich gegenüber Prostituierten zum Schein als Freier ausgab, um sie sodann mit seinem Auto an eine entlegene Stelle zu verbringen und dort stundenlang mithilfe von Handschellen zu fesseln, mit einer Pistole zu bedrohen und zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Wegen dieser Taten wurde er am 6. März 1991 durch Urteil des Landgerichts Köln wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem Raub und sexueller Nötigung, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung sowie wegen sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Zugleich wurde gemäß § 66 Abs. 2 StGB seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Beschwerdeführer habe einen Hang zu schweren Sexualstraftaten und sei deshalb für die Allgemeinheit gefährlich. Er habe bisher insgesamt fünf weitgehend gleichgelagerte Sexualstraftaten begangen. In allen Fällen habe er zu Frauen, die ihm entweder unbekannt gewesen seien oder zu denen er jedenfalls keine nähere Beziehung gehabt habe, unter einem Vorwand Kontakt aufgenommen und sie sodann in seine Gewalt gebracht. Stets habe er eine Waffe als Drohmittel benutzt, zumeist eine Pistole, einmal ein Messer. Auffallend sei besonders, dass er in allen Fällen seine Opfer für kürzere oder längere Zeit gefesselt habe. Begleitend dazu habe er die Geschädigten in sadistisch anmutender und brutaler Weise bedroht. Es sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft Taten der abgeurteilten Art begehen werde. Er habe vermutlich spätestens im frühen Erwachsenenalter eine seelische Abartigkeit entwickelt, die ihn Lust an der Fesselung, der Angst und der Ohnmacht seiner Opfer empfinden lasse. Die Wiederholungsgefahr steigere sich zusätzlich dadurch, dass er abgesehen von seinen Taten ein sozial völlig integriertes Leben führe. Es sei zu erwarten, dass selbst engste Familienangehörige, mit denen er zusammenlebe, an ihm nichts Auffälliges bemerken würden; der Beschwerdeführer lebe sein abnormes Verhalten an einem anderen Ort aus. Falls er an ein Opfer gerate, das seinen Wünschen Widerstand entgegensetze, seien von ihm schwerste Aggressionen zu erwarten.
c) Nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung seit 16. Oktober 1999 vollzogen. Seitdem wurde stets deren Fortdauer beschlossen und zur Begründung im Wesentlichen auf die fehlende therapeutische Aufarbeitung der Straftaten abgestellt. Am 15. Oktober 2009 waren zehn Jahre Sicherungsverwahrung vollzogen.
d) Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 23. November 2009 lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen es ab, die weitere Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts vom März 1991 zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären.
aa) In Vorbereitung dieses Beschlusses hatte die Strafvollstreckungskammer ein psychiatrisches Prognosegutachten eingeholt, in welchem zusammenfassend festgehalten wurde, es handle sich beim Beschwerdeführer um einen sexuell sadistischen Straftäter; eine irgendwie geartete Aufarbeitung der Straftaten mit Zugang zu deren Dynamik und seiner sexuell sadistischen Ausrichtung habe nicht stattgefunden. Das positive Vollzugsverhalten und die nach außen hin „unauffällige” Persönlichkeit relativierten die bei ihm bestehende Gefährlichkeit in keiner Weise.
bb) Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Strafvollstreckungskammer aus, auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Der Sicherungszweck der Maßregel erfordere weiterhin und wohl noch auf längere Zeit deren Fortdauer. Aus derzeitiger Sicht könne eine zukünftige Aussetzung der Maßregel erst nach einer erfolgreichen therapeutischen Aufarbeitung in Betracht kommen.
e) Der Beschwerdeführer legte sofortige Beschwerde ein, zu deren Begründung er sich auf das Urteil der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr.19359/04, M. ./. Deutschland) berief und ausführte, die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über die Höchstdauer von zehn Jahren – über den 15. Oktober 2009 hinaus – sei rechtswidrig, weil sie nicht mehr nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gerechtfertigt sei. Die Europäische Menschenrechtskonvention liefere einen gesamteuropäischen Mindeststandard an Garantien. Das nationale Recht dürfe dahinter nicht zurückbleiben. Es sei konventionskonform auszulegen. Die Sicherungsverwahrung werde in der Bundesrepublik nicht als Strafe angesehen, sei aber so ausgestaltet. Dies belege auch die Ausgestaltung seiner Sicherungsverwahrung.
f) Das Oberlandesgericht Köln verwarf die sofortige Beschwerde mit – hier ebenfalls angefochtenem – Beschluss vom 1. März 2010: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133) stehe das Verbot rückwirkender Strafgesetze der Neufassung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB nicht entgegen, da es sich bei der Sicherungsverwahrung nicht um eine Strafe handle. Auch sei das Vertrauensschutzgebot nicht verletzt. Soweit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine abweichende Auffassung vertreten und einen Verstoß gegen Art. 5 und Art. 7 EMRK angenommen habe, sei diese Entscheidung nicht rechtskräftig. Der Senat verkenne nicht, dass der Beschwerdeführer sich inzwischen seit nahezu 20 Jahren in Unfreiheit befinde und sein Freiheitsrecht mit zunehmender Dauer an Gewicht gewinne. Im Hinblick auf die zu schützenden Güter der Allgemeinheit – der Beschwerdeführer habe Vergewaltigungen unter sadistischen, die Opfer in hohem Maße erniedrigenden und gleichzeitig in Todesangst versetzenden Umständen begangen – sei die Fortdauer der Sicherungsverwahrung jedoch nicht unverhältnismäßig.
3. a) Der 1978 geborene Beschwerdeführer zu III. wurde am 29. Oktober 1999 durch das Landgericht Regensburg wegen Mordes zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt. Er hatte im Juni 1997 – als Heranwachsender im Alter von 19 Jahren – in einem Waldgebiet eine Joggerin angegriffen und erwürgt. Sodann hatte er den Genitalbereich der bereits toten oder im Sterben liegenden Frau freigelegt und bis zum Samenerguss onaniert. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer anfangs dazu entschlossen gewesen sei, sein Opfer zu vergewaltigen und anschließend zu töten, dann aber den Geschlechtsverkehr mit der reglos daliegenden Frau nicht mehr gewollt habe. Weiterhin ging das Landgericht nach sachverständiger Beratung davon aus, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt weder schuldunfähig noch vermindert schuldfähig im Sinne der §§ 20, 21 StGB gewesen sei, wenngleich gewisse Anhaltspunkte für den Beginn einer sexuellen Deviation bestünden. Am 17. Juli 2008 war die verhängte Jugendstrafe vollständig verbüßt.
b) Drei Tage vor Strafende ordnete das Landgericht Regensburg mit – im Rahmen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens angefochtenem – Beschluss vom 14. Juli 2008 gemäß § 275a Abs. 5 StPO die einstweilige Unterbringung des Beschwerdeführers zu III. in der Sicherungsverwahrung an. Die vorläufige Einschätzung, von dem Beschwerdeführer seien mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Straftaten gegen Leib und Leben und die sexuelle Selbstbestimmung zu befürchten, stützte das Landgericht in erster Linie auf die Prognosegutachten zweier Sachverständiger aus dem Jahr 2006. Die Sachverständigen hatten bei dem Beschwerdeführer eine multiple Störung der Sexualpräferenz mit sadistischen und fetischistischen Elementen sowie eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ diagnostiziert. In prognostischer Hinsicht sei davon auszugehen, dass die sexualdeviante Entwicklung beim Beschwerdeführer noch nicht ihren Höhepunkt gefunden habe. Es bestehe ein erhebliches Risiko für die Begehung weiterer Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung. Es sei nicht zu erkennen, dass durch die bisherigen therapeutischen Angebote substantielle Therapieerfolge erzielt worden wären. Auch bei veränderten therapeutischen Bedingungen werde es nicht möglich sein, den Beschwerdeführer bis zum Strafende soweit zu stabilisieren, dass er keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr darstelle.
Der Beschwerdeführer legte Beschwerde ein, die mit – ebenfalls angefochtenem – Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. Oktober 2008 als unbegründet verworfen wurde.
c) In der Hauptverhandlung im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung wurde ein Antrag des Beschwerdeführers, das Verfahren zur Einholung weiterer Prognosegutachten auszusetzen und den Unterbringungsbefehl aufzuheben, durch – mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls angefochtenen – Beschluss vom 18. März 2009 zurückgewiesen.
d) Mit Urteil vom 22. Juni 2009 – das der Beschwerdeführer zu III. ebenfalls mit seiner Verfassungsbeschwerde angreift – ordnete das Landgericht Regensburg gemäß § 7 Abs. 2 JGG nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Es stellte nach sachverständiger Beratung fest, bei dem Beschwerdeführer bestehe weiterhin eine multiple Störung der Sexualpräferenz (ICD-10 F65.6) und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10 F60.30). Diese psychischen Erkrankungen seien Auslöser für die Begehung der Anlasstat gewesen. Bei ihm seien schon Jahre zuvor sexuelle Gewaltphantasien aufgetreten, die sich darauf gerichtet hätten, Frauen durch Würgen am Hals wehr- beziehungsweise leblos zu machen. Diese Phantasien – die bis heute nicht überwunden seien – hätten sich in den Wochen vor der Anlasstat intensiv gesteigert, bis er sie schließlich umgesetzt habe. Er werde – so das Landgericht, das sich dabei auf ein kriminologisches und ein psychiatrisches Sachverständigengutachten stützte – mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG bezeichneten Art begehen. Seine psychischen Erkrankungen seien noch nicht ausreichend therapiert. Der im Falle einer Entlassung erforderliche gesicherte soziale Empfangsraum sei nicht gegeben. Bei einer Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt sei mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen, dass es bei der Bewältigung des alltäglichen Lebens in absehbarer Zeit zu einer Kumulation von Stressfaktoren kommen werde. Er habe gerade in Bereichen des sozialen Umfeldes mit negativen, frustrierenden und demütigenden Erlebnissen zu rechnen. Ebenso wie bei der Anlasstat bestehe dann die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es erneut zu einer intensiven Steigerung der Gewaltphantasien und zu deren tatsächlichem Abladen in Form der Begehung schwerster Sexualdelikte komme, bis hin zum Sexualmord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs.
e) Die Revision des Beschwerdeführers wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. März 2010 als unbegründet verworfen. § 7 Abs. 2 JGG, so der Bundesgerichtshof, setze dem Wortlaut nach weder „neue” Tatsachen noch einen Hang zu erheblichen Straftaten voraus; dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Gleichwohl müsse die spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten im Hinblick auf die Begehung von Anlasstaten im Sinne von § 7 Abs. 2 JGG in seiner Persönlichkeit angelegt sein. Hieran gemessen habe das Landgericht die erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten rechtsfehlerfrei festgestellt.
§ 7 Abs. 2 JGG stehe im Einklang mit der Verfassung. Die Vorschrift verstoße weder gegen das strafrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) noch das Doppelbestrafungsverbot (Art. 103 Abs. 3 GG) oder das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG). Auch ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention liege nicht vor. Abgesehen davon, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 noch nicht endgültig sei, lägen hier eine abweichende Fallgestaltung und Rechtslage vor. Während es bei dem vom Gerichtshof entschiedenen Sachverhalt um den Wegfall der nach § 67d Abs. 1 StGB alter Fassung geltenden zehnjährigen Höchstfrist gehe, betreffe der vorliegende Fall die erstmalige nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten. Die jeweiligen Verfahren seien grundsätzlich verschieden. Da der Beschwerdeführer psychisch krank sei, ergebe sich – im Gegensatz zu dem Fall, den der Gerichtshof zu entscheiden gehabt habe – eine Eingriffsermächtigung in das Freiheitsrecht jedenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK. Im Hinblick auf die vom Gerichtshof festgestellte Verletzung von Art. 7 Abs. 1 EMRK sei zu berücksichtigen, dass das System des Jugendstrafrechts vom allgemeinen Strafrecht abweiche und vom Erziehungsgedanken geprägt sei, an dem sich auch der Vollzug der Jugendstrafe orientiere. Abgesehen davon sei die Konvention nicht nur in Bezug auf die Grundrechte des Verurteilten und die ihn betreffenden rechtsstaatlichen Grundsätze als Auslegungshilfe heranzuziehen, sondern auch bei der Auslegung der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG resultierenden Pflicht des Staates, sich schützend vor das Leben potentieller Opfer zu stellen und dieses vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren. Daran gemessen habe das Freiheitsrecht des Beschwerdeführers hinter dem Opferschutz zurückzutreten.
4. Der 1947 geborene Beschwerdeführer zu IV. ist vielfach vorbestraft und befindet sich seit Juni 1973 – abgesehen von wenigen Monaten in Freiheit – fortlaufend in Haft oder im Maßregelvollzug.
a) Er wurde erstmals im Jahr 1968 wegen Diebstahls zu einer Geldauflage und im Jahr 1970 wegen Beihilfe zur Verkehrsunfallflucht zu einer Geldstrafe sowie wegen mehrerer, teils qualifizierter Diebstähle zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
b) In der Zeit von Oktober 1970 bis Juni 1973 brachte er in insgesamt zwölf Fällen Mädchen an einsam gelegenen Orten überfallartig in seine Gewalt, versetzte sie durch Drohung mit einem Messer in Todesangst und nötigte sie zu vaginalem oder oralem Geschlechtsverkehr oder anderen sexuellen Handlungen. Er wurde deshalb am 14. Dezember 1973 durch das Landgericht Berlin wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung in sieben weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die Strafaussetzung zur Bewährung aus der vorangegangenen Verurteilung wurde widerrufen. Die verhängten Freiheitsstrafen verbüßte er vollständig bis Dezember 1986.
c) Im März 1987 wurde er erneut festgenommen und am 8. März 1988 vom Landgericht Hannover wegen einer – drei Monate nach seiner Haftentlassung an einem achtjährigen Mädchen begangenen – Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und Entführung gegen den Willen der Entführten zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.
d) Im Juni 1988 entwich er aus dem Maßregelvollzug und überfiel eine junge Frau, bedrohte sie mit einem Messer oder einem anderen gefährlichen Gegenstand, versuchte, sie zu vergewaltigen, und erwürgte sie anschließend. Ende Juni 1988 wurde er wieder festgenommen und am 2. Februar 1990 durch das Landgericht Baden-Baden wegen versuchter Vergewaltigung und Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt, wobei erneut seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet wurde.
Das Landgericht ging nach sachverständiger Beratung davon aus, der Beschwerdeführer leide an einer schweren seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB, nämlich einer sadomasochistischen sexuellen Perversion von tiefgreifendem Ausmaß und mit progredienter Verlaufsform, aufgrund derer seine Steuerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt erheblich vermindert gewesen sei. Infolge seines psychischen Zustandes sei er für die Allgemeinheit gefährlich. Sobald er auf freien Fuß gelange, seien weitere schwerwiegende Sexualstraftaten und Tötungsdelikte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorauszusehen. Zwar lägen auch die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB vor; insbesondere habe er einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten. Gemäß § 72 Abs. 1 StGB sei jedoch lediglich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, weil dadurch zugleich der Zweck der Sicherungsverwahrung erreicht werden könne und er therapiefähig sei. Seine Persönlichkeitsstörung sei im Rahmen einer langdauernden psychotherapeutischen Behandlung grundsätzlich beeinflussbar und könne in einem Zeitraum von voraussichtlich erheblich mehr als zehn Jahren bei intensiver fachärztlicher Betreuung erfolgreich behandelt werden.
e) In der Folgezeit war der Beschwerdeführer im Maßregelvollzug in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht. Im April 1993 erklärte die zuständige Strafvollstreckungskammer die Unterbringung für erledigt und ordnete die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafen an, weil der Beschwerdeführer therapieunfähig sei. Daraufhin wurden ab Juni 1993 die bestehenden Restfreiheitsstrafen vollstreckt. Der Beschwerdeführer nahm von 2002 bis 2003 und ab November 2005 an dem Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter in der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt teil. Hinreichende Behandlungserfolge konnten dabei nicht erzielt werden. Die Strafvollstreckung war am 5. August 2009 vollständig erledigt. Anschließend wurde der Beschwerdeführer vorläufig in der Sicherungsverwahrung untergebracht.
f) Aufgrund der Verurteilung vom 2. Februar 1990 wegen versuchter Vergewaltigung und wegen Mordes ordnete das Landgericht Baden-Baden mit – hier angefochtenem – Urteil vom 18. August 2009 gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung an. Dabei stellte es im Wesentlichen auf die erst nachträglich erkennbar gewordene Behandlungsunfähigkeit ab, die den Abbruch der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Folge gehabt habe. Diese belege die fortdauernde Gefährlichkeit des Beschwerdeführers auf einer von der Anlassverurteilung abweichenden Beurteilungsgrundlage. Darüber hinaus habe er erstmals im August 2001 gegenüber dem Psychologischen Dienst der Justizvollzugsanstalt eingeräumt, bei früheren Begutachtungen und vor Gericht bewusst gelogen und insbesondere falsche Angaben zur Biographie und zur Sexualanamnese gemacht zu haben, um der Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entgehen und später die Erledigung der Maßregel zu erreichen. Das nachträglich zum Vorschein getretene, manipulative Einlassungsverhalten des Beschwerdeführers sei ebenfalls eine neue Tatsache. Bei der Anlassverurteilung sei weder bekannt noch erkennbar gewesen, dass seine Angaben auf einem strategischen, nicht auf authentischem Verhalten beruht hätten.
Der Beschwerdeführer, so das Landgericht weiter, habe einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten, sei noch immer als hoch gefährlich einzustufen und werde sich im Falle seiner Freilassung in Kürze zu schweren Sexualstraftaten wie sexuellem Missbrauch von Kindern oder Vergewaltigung hinreißen lassen. Dabei stützte sich das Landgericht auf die Gutachten von zwei psychiatrischen Sachverständigen, die bei dem Beschwerdeführer eine „dissoziale Persönlichkeitsstruktur” und „ausgeprägte pädophile Tendenzen” beziehungsweise eine „pädophile Nebenströmung”, aber „keine Hinweise auf eine sadistische Ausprägung” und „keine chronische psychische Erkrankung” festgestellt hatten, sowie auf die Aussage der Anstaltspsychologin, die den Beschwerdeführer zuletzt (erfolglos) behandelt hatte. Wesentliche Risikofaktoren sah das Landgericht in der Vielzahl und der hohen Brutalität der über einen Zeitraum von 18 Jahren hinweg begangenen Sexualstraftaten, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der zufälligen Auswahl der Tatopfer und der Wiederholbarkeit der Tatsituationen, dem Auftreten einer Deliktsserie sowie dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keinerlei Strategien entwickelt und Kontrollmechanismen erarbeitet habe, um mit seiner „dissozialen Persönlichkeitsstörung” und seiner Rückfallgefährdung umzugehen.
g) Die Revision des Beschwerdeführers wurde auf Antrag des Generalbundesanwalts mit – hier ebenfalls angefochtenem – Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2010 als unbegründet verworfen: Die Bewertung der im Verlauf des Straf- und Maßregelvollzugs zu Tage getretenen Therapieunfähigkeit des Beschwerdeführers als „neue” Tatsache begegne keinen Bedenken. Das für die Aburteilung der Anlasstat zuständige Gericht sei aufgrund der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen von einer Therapierbarkeit des Beschwerdeführers ausgegangen. Es habe daraufhin von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen und den Beschwerdeführer in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Auch bei der gebotenen Sorgfalt sei damals nicht erkennbar gewesen, dass das Sachverständigengutachten auf einer unwahren Tatsachengrundlage beruhe, weil der Beschwerdeführer gegenüber dem Sachverständigen gelogen habe, um eine Anwendung von § 21 StGB zu erreichen. Das Landgericht sei auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Freiheit weitere erhebliche Straftaten der in § 66b Abs. 2 StGB genannten Art begehen werde. Ob der Beschwerdeführer von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland) betroffen sei, brauche nicht entschieden zu werden, weil diese Entscheidung noch nicht endgültig sei.
III.
Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG (persönliche Freiheit), Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Vertrauensschutz) geltend. Hierzu berufen sie sich unter anderem auf das Kammerurteil der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland). Danach seien die deutschen Gerichte einschließlich des Bundesverfassungsgerichts dazu verpflichtet, bei der Anwendung der deutschen Grundrechte der konventionsgemäßen Auslegung den Vorrang zu geben, soweit Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet seien. Die genannten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte seien daher konventionsgemäß zu interpretieren. Art. 103 Abs. 2 GG sei im Sinne der Vorgaben des Gerichtshofs dahingehend auszulegen, dass die Sicherungsverwahrung eine „Strafe” sei.
Ergänzend trägt der Beschwerdeführer zu I. vor, er sei trotz seiner Therapiemotivation aus dem Bezirkskrankenhaus gegen seinen Willen abgelöst worden. Neben der Arbeitsbeschäftigung, der er nachgehe, würden keine weiteren spezifischen Behandlungsangebote gemacht, obgleich er weiterhin gewillt sei, an sich und seiner Zukunft zu arbeiten.
Der Beschwerdeführer zu II. führt darüber hinaus aus, in der Justizvollzugsanstalt, in der er untergebracht sei, werde dem vom Bundesverfassungsgericht in seiner am 5. Februar 2004 ergangenen Entscheidung verlangten Abstandsgebot nicht Genüge getan und die Maßregel wie eine Strafe vollzogen. Beantragte Ausführungen würden durch die Leiterin der Justizvollzugsanstalt unter Verweis auf die eingeschränkten personellen Möglichkeiten abgelehnt, was als sachgerechtes Kriterium für die Ermessensausübung durch das zuständige Gericht gebilligt werde. Telefonate seien für Sicherungsverwahrte ebenso wie für Strafgefangene auf höchstens zweimal wöchentlich beschränkt. Für die Verwahrten seien keine besonderen Maßnahmen vorgesehen, um ihnen überhaupt eine Perspektive zu eröffnen, sich auf ein verantwortliches Leben in Freiheit vorzubereiten. Die Justizvollzugsanstalt mit derzeit 850 Insassen (Verwahrte und Untersuchungshäftlinge mitgerechnet) verfüge über fünf Anstaltspsychologen. Es bestehe eine Liste von externen Therapeuten, für die ein Antrag gestellt werden könne, um sich auf eine langjährige Warteliste setzen zu lassen. Andere Maßnahmen fänden nicht statt.
IV.
1. Die Bayerische Staatsregierung – die sich insbesondere zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu III. geäußert hat – hält das Rückwirkungs- und das Doppelbestrafungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 und Abs. 3 GG für nicht einschlägig: Diese Bestimmungen bezögen sich allein auf repressive staatliche Maßnahmen. Ein Grundrechtsverstoß ergebe sich auch nicht etwa aus der Europäischen Menschenrechtskonvention im Hinblick auf deren Auslegung im Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009. Mit dieser Entscheidung hätten sich die nationalen Gerichte zwar auseinanderzusetzen. Dies führe aber nicht dazu, dass sie von Verfassungs wegen zwangsläufig verpflichtet wären, in sämtlichen „Altfällen” die Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären. Auch könne angesichts der Entscheidung des Gerichtshofs nicht schematisch argumentiert werden, dass in einschlägigen Fällen in der Fortdauer der Unterbringung eine Verletzung der grundgesetzlich verbürgten Grundrechte der Untergebrachten zu sehen sei. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention könne zwar als Verstoß gegen das in seinem Schutzbereich berührte Grundrecht in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gerügt werden. Die materielle Rechtskraft im Individualbeschwerdeverfahren sei jedoch durch die personellen, sachlichen und zeitlichen Grenzen des Streitgegenstandes begrenzt. Ferner hätten in den einschlägigen mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen die Gerichte das Freiheitsrecht eines Untergebrachten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG mit den ebenfalls grundgesetzlich geschützten Rechten potentieller Opfer abzuwägen. Soweit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK annehme, sei ferner zu beachten, dass Art. 103 Abs. 2 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Maßregel der Sicherungsverwahrung ungeachtet ihrer Strafähnlichkeit nicht gelte.
2. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vertritt die Auffassung, die maßgeblichen Fragestellungen nach dem Grundgesetz habe der Senat in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2004 aufgeworfen und beantwortet. Die Kammerentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte biete keinen Grund für eine Neubeurteilung. Sie unterscheide sich zwar in dem entscheidungserheblichen Punkt der Rubrizierung des Begriffs „Strafe” von der des Bundesverfassungsgerichts. Es bestehe aber kein Anlass, von dessen Auslegung des Grundgesetzes abzuweichen. Die Konsequenzen aus der Entscheidung des Gerichtshofs zu ziehen, sei vor allem Aufgabe der strafgerichtlichen Rechtsprechung und des Gesetzgebers. Für die Rechtsprechung werde sich die Frage stellen, wie sie ihrer Verpflichtung, im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen, nachkommen könne. Insoweit zeichne sich in der Instanzrechtsprechung der Strafgerichte ein breites Spektrum von Lösungsmöglichkeiten ab.
3. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. wurden ergänzend allen Oberlandesgerichten sowie dem Kammergericht zugeleitet. Die Gerichte haben dem Senat daraufhin größtenteils ihre nach Bekanntwerden des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 im Verfahren des § 67d Abs. 3 StGB ergangenen Entscheidungen übersandt, soweit diese die Fortdauer der Sicherungsverwahrung bei Verurteilten betrafen, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) begangen wurden.
4. Zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu III. und zu IV. hat der Senat Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins, des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands, der Deutschen Bewährungshilfe, der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen sowie des Weißen Rings eingeholt.
V.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts den – zusammen mit der Verfassungsbeschwerde gestellten – Antrag des Beschwerdeführers zu I. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers zu IV. hat die 2. Kammer des Zweiten Senats mit Beschluss vom 30. Juni 2010 abgelehnt.
VI.
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Sachverständigen Prof. Dr. Dittmann, Chefarzt der Forensisch-Psychiatrischen Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, zu den Möglichkeiten und Grenzen forensisch-psychiatrischer Kriminalprognosen und der Behandlung von Gewalt- und Sexualstraftätern gehört. Die zahlenmäßige Entwicklung und praktische Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung wurden von den Sachverständigen Prof. Dr. Dessecker, Stellvertretender Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, und Leitender Regierungsdirektor Rösch, Leiter der Justizvollzugsanstalt Freiburg, dargestellt. Der Sachverständige Prof. Dr. Radtke, Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Universität Hannover, hat sich zum Schuldprinzip und zum zweispurigen Sanktionensystem des deutschen Strafrechts geäußert, der Sachverständige Prof. Dr. Tak, emeritierter Professor für Recht an der Universität Nimwegen, hat den Umgang mit gefährlichen Straftätern in den Niederlanden erläutert. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer sowie Vertreter des Bundes und der beteiligten Länder haben zur Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung, zur Vereinbarkeit dieser Maßregel mit der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie zur jüngsten Gesetzesreform Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind überwiegend zulässig.
I.
Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 2333/08 ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer sie durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 8. Mai 2009 auf den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 18. März 2009 erstreckt hat, durch den der Unterbringungsbefehl vom 14. Juli 2008 aufrechterhalten worden ist. Insoweit fehlt es an der Erschöpfung des Rechtsweges (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), und auch die Einlegungsfrist für die Verfassungsbeschwerde (§ 93 Abs. 1 BVerfGG) ist nicht gewahrt.
II.
Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden zulässig.
1. Bei sachgerechter Auslegung der jeweiligen Begehren der Beschwerdeführer sind die Verfassungsbeschwerden nicht nur gegen die unmittelbar angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen, sondern mittelbar auch gegen die den Entscheidungen zugrundeliegenden Vorschriften gerichtet. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. sind daher mittelbar gegen § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) gerichtet, die Verfassungsbeschwerden des Beschwerdeführers zu III. gegen § 7 Abs. 2 JGG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (BGBl I S. 1212). Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu IV. richtet sich mittelbar gegen § 66b Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 513). Anders als § 7 Abs. 2 JGG wurden § 67d Abs. 3 Satz 1 und § 66b Abs. 2 StGB zwar mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I S. 2300) geändert beziehungsweise aufgehoben; nach Maßgabe des zugleich in Kraft getretenen Art. 316e Abs. 1 Satz 2 EGStGB sind die betreffenden Vorschriften jedoch weiterhin in ihren bisherigen Fassungen auf die Beschwerdeführer anwendbar. Der Beschwerdeführer zu I. ist dabei jedenfalls noch im Rahmen der Modifikation des Art. 316e Abs. 3 EGStGB durch die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung beschwert.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerden in den Verfahren 2 BvR 2365/09 und 2 BvR 740/10 mittelbar gegen § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB gerichtet sind, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen, dass die Verfassungsmäßigkeit von § 67d Abs. 3 StGB und Art. 1a Abs. 3 EGStGB – dem § 2 Abs. 6 StGB insoweit inhaltlich entspricht – bereits im Tenor des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133) bestätigt wurde.
Zwar stellt die Rechtskraft einer Vereinbarkeitserklärung im Tenor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf eine erneute Normenkontrolle grundsätzlich ein Prozesshindernis dar (vgl. speziell für die Unzulässigkeit auch einer erneuten inzidenten Normenkontrollentscheidung BVerfGE 69, 92 ≪102 f.≫; 109, 64 ≪84≫). Das Prozesshindernis entgegenstehender Rechts- und Gesetzeskraft entfällt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn später rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage eintreten (vgl. BVerfGE 82, 198 ≪207 f.≫; 87, 341 ≪346≫; 109, 64 ≪84≫). Auch wenn Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als feststellende Judikate keine unmittelbare Änderung der Rechtslage, zumal auf der Ebene des Verfassungsrechts, herbeiführen, können sie gleichwohl für die Auslegung des Grundgesetzes rechtserhebliche Bedeutung erlangen. Soweit verfassungsrechtlich entsprechende Auslegungsspielräume eröffnet sind, versucht das Bundesverfassungsgericht wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, Konventionsverstöße zu vermeiden (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 83, 119 ≪128≫; 111, 307 ≪317≫; 120, 180 ≪200 f.≫; BVerfGK 3, 4 ≪7 f.≫; 9, 174 ≪190≫; 10, 66 ≪77 f.≫; 10, 234 ≪239≫; 11, 153 ≪159 ff.≫). Vor diesem Hintergrund können Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einer rechtserheblichen Änderung gleichstehen.
C.
Soweit sie zulässig sind, sind die Verfassungsbeschwerden begründet.
Die den angefochtenen Entscheidungen zugrundeliegenden Vorschriften sind mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar (I.). Die Unvereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 Satz 1 GG wird gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG auf sämtliche gesetzlichen Vorschriften über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung sowie entsprechende Nachfolgeregelungen erstreckt, die unter Nummer II.1. Buchstabe b) des Urteilstenors aufgeführt sind (II.). Die von der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz betroffenen Vorschriften gelten bis zu einer Neuregelung des Gesetzgebers, längstens bis zum 31. Mai 2013 weiter fort. Bis dahin sind sie jedoch nur nach Maßgabe von Nummer III. des Urteilstenors anzuwenden (III.). Die zulässig angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer zu I. bis IV. in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Sie sind daher aufzuheben und die Rechtssachen zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG); soweit sich der Beschwerdeführer zu III. auch gegen die einstweilige Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wendet, die mit Eintritt der Rechtskraft der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung erledigt war, verbleibt es bei der Feststellung der Grundrechtsverletzungen und der Zurückverweisung zur Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers (IV.).
I.
Die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegenden, mittelbar angegriffenen Vorschriften sind mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar.
1. Die hier einschlägigen Grundrechte des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sind völkerrechtsfreundlich auszulegen. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem Grundgesetz (a). Sie ist jedoch als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen (b). Dies gilt auch für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (c). Diese verfassungsrechtliche Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beruht auf der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und seiner inhaltlichen Ausrichtung auf die Menschenrechte (d). Ihre Heranziehung als Auslegungshilfe verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern ein Aufnehmen der Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (e), soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (f).
a) Der innerstaatliche Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht dem eines Bundesgesetzes. Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle sind völkerrechtliche Verträge. Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften genügen (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪316≫ m.w.N.). Der Bundesgesetzgeber hat den genannten Übereinkommen jeweils mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt (Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952, BGBl II S. 685; die Konvention ist gemäß der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1953, BGBl II 1954 S. 14 am 3. September 1953 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten; Neubekanntmachung der Konvention in der Fassung des 11. Zusatzprotokolls in BGBl II 2002 S. 1054). Damit hat er einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle – soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind – im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 82, 106 ≪120≫; 111, 307 ≪316 f.≫). Ein Beschwerdeführer kann daher vor dem Bundesverfassungsgericht nicht unmittelbar die Verletzung eines in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltenen Menschenrechts mit einer Verfassungsbeschwerde rügen (vgl. BVerfGE 74, 102 ≪128≫ m.w.N.; 111, 307 ≪317≫; BVerfGK 3, 4 ≪8≫).
b) Gleichwohl besitzen die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verfassungsrechtliche Bedeutung, indem sie die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes beeinflussen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, sofern dies nicht zu einer – von der Konvention selbst nicht gewollten (vgl. Art. 53 EMRK) – Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 83, 119 ≪128≫; 111, 307 ≪317≫; 120, 180 ≪200 f.≫; BVerfGK 3, 4 ≪7 f.≫; 9, 174 ≪190 f.≫; 10, 66 ≪77 f.≫; 10, 234 ≪239≫; 11, 153 ≪159 ff.≫; 12, 37 ≪40≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2000 – 2 BvR 591/00 –, NJW 2001, S. 2245 ff.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. November 2002 – 1 BvR 1965/02 –, NJW 2003, S. 344 ≪345≫; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2008 – 1 BvR 3006/07 –, NJW 2008, S. 2978 ≪2981≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2008 – 1 BvR 2604/06 –, NJW 2009, S. 1133 f.; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Februar 2010 – 2 BvR 2307/06 –, EuGRZ 2010, S. 145 ≪147≫).
c) Im Rahmen der Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention als Auslegungshilfe berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der jedenfalls faktischen Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (vgl. zur Orientierungswirkung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits BVerfGE 111, 307 ≪320≫; BVerfGK 10, 66 ≪77 f.≫; 10, 234 ≪239≫; jeweils m.w.N.). Die innerstaatlichen Wirkungen der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erschöpfen sich insoweit nicht in einer aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG abzuleitenden und auf die den konkreten Entscheidungen zugrundeliegenden Lebenssachverhalte begrenzten Berücksichtigungspflicht, denn das Grundgesetz will vor dem Hintergrund der zumindest faktischen Präzedenzwirkung der Entscheidungen internationaler Gerichte Konflikte zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und dem nationalen Recht nach Möglichkeit vermeiden (vgl. BVerfGE 109, 13 ≪23 f.≫; 109, 38 ≪50≫; 111, 307 ≪318; 328≫; 112, 1 ≪25≫; 123, 267 ≪344 ff., 347≫; BVerfGK 9, 174 ≪193≫). Die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist damit Ausdruck eines Souveränitätsverständnisses, das einer Einbindung in inter- und supranationale Zusammenhänge sowie deren Weiterentwicklung nicht nur nicht entgegensteht, sondern diese voraussetzt und erwartet. Vor diesem Hintergrund steht auch das „letzte Wort” der deutschen Verfassung einem internationalen und europäischen Dialog der Gerichte nicht entgegen, sondern ist dessen normative Grundlage.
d) Die Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Auslegungshilfe auf der Ebene des Verfassungsrechts über den Einzelfall hinaus dient dazu, den Garantien der Menschenrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland möglichst umfassend Geltung zu verschaffen, und kann darüber hinaus Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland vermeiden helfen. Die inhaltliche Ausrichtung des Grundgesetzes auf die Menschenrechte kommt insbesondere in dem Bekenntnis des deutschen Volkes zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten in Art. 1 Abs. 2 GG zum Ausdruck. Das Grundgesetz weist mit Art. 1 Abs. 2 GG dem Kernbestand an Menschenrechten einen besonderen Schutz zu. Dieser ist in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG die Grundlage für die verfassungsrechtliche Pflicht, auch bei der Anwendung der deutschen Grundrechte die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrer konkreten Ausgestaltung als Auslegungshilfe heranzuziehen. Art. 1 Abs. 2 GG ist daher zwar kein Einfallstor für einen unmittelbaren Verfassungsrang der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Vorschrift ist aber mehr als ein unverbindlicher Programmsatz, indem sie eine Maxime für die Auslegung des Grundgesetzes vorgibt und verdeutlicht, dass die Grundrechte auch als Ausprägung der Menschenrechte zu verstehen sind und diese als Mindeststandard in sich aufgenommen haben (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 111, 307 ≪329≫; Sommermann, AöR 114 ≪1989≫, S. 391 ≪406 f.≫; Häberle, Europäische Verfassungslehre, 7. Aufl. 2011, S. 259; Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 2, Rn. 20; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 2, Rn. 47 m.w.N. (2004); Giegerich, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 2 Rn. 67 ff.; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, § 3 Rn. 6).
e) Die Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention als Auslegungshilfe für die Bestimmungen des Grundgesetzes ist – wie die Europäische Menschenrechtskonvention selbst im Hinblick auf ihre innerstaatliche Durchsetzung – ergebnisorientiert: Sie zielt nicht auf eine schematische Parallelisierung einzelner verfassungsrechtlicher Begriffe, sondern dient der Vermeidung von Völkerrechtsverletzungen. Die Beseitigung oder Vermeidung einer Völkerrechtsverletzung wird zwar vielfach leichter zu erreichen sein, wenn das innerstaatliche Recht mit der Konvention harmonisiert wird. Völkerrechtlich betrachtet ist das jedoch nicht zwingend: Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften genügen (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪316≫ m.w.N. und ≪322≫; s. auch zum Grundsatz, dass ein verurteilter Mitgliedstaat in der Wahl der Mittel frei bleibt, wie er seine Verpflichtungen nach Art. 46 EMRK erfüllen will: EGMR, Urteil vom 13. Juli 2000, Beschwerde-Nr. 39221/98 u. Nr. 41963/98, Scozzari u. Giunta ./. Italien, Rn. 249; Tomuschat, German Law Journal, Volume 5 (2011), S. 513 ≪517 f.≫).
Vor diesem Hintergrund gilt auch für die völkerrechtsfreundliche Auslegung der Begriffe des Grundgesetzes ähnlich wie für eine verfassungsvergleichende Auslegung, dass Ähnlichkeiten im Normtext nicht über Unterschiede, die sich aus dem Kontext der Rechtsordnungen ergeben, hinwegtäuschen dürfen: Die menschenrechtlichen Gehalte des jeweils in Rede stehenden völkerrechtlichen Vertrags müssen im Rahmen eines aktiven (Rezeptions-)Vorgangs in den Kontext der aufnehmenden Verfassungsordnung „umgedacht” werden (vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, 7. Aufl. 2011, S. 255 f.; vgl. auch Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 2, Rn. 20).
f) Grenzen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz. Sie darf zunächst nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention selbst aus (vgl. Art. 53 EMRK, siehe BVerfGE 111, 307 ≪317≫ m.w.N.). Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant werden, in denen das „Mehr” an Freiheit für den einen Grundrechtsträger zugleich ein „Weniger” für einen anderen bedeutet (vgl. Wahl/Masing, JZ 1990, S. 553 ff.; Hoffmann-Riem, EuGRZ 2006, S. 492; Calliess, in: Merten/Papier, HGR, Bd. II, 2006, § 44 Rn. 18 ff. m.w.N.). Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪329≫; s. auch Bernhardt, in: Festschrift für Helmut Steinberger, 2002, S. 391 ≪397≫; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. II, 2. Aufl. 2007, S. 148, Rn. 184; zur absoluten Grenze des Kerngehalts der Verfassungsidentität des Grundgesetzes gemäß Art. 79 Abs. 3 GG, vgl. BVerfGE 123, 267 ≪344≫; s. auch A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3 ≪59 ff.≫).
Im Übrigen ist auch im Rahmen der konventionsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes – ebenso wie bei der Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf der Ebene des einfachen Rechts – die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪327≫), weshalb sich eine unreflektierte Adaption völkerrechtlicher Begriffe verbietet. In der Perspektive des Grundgesetzes kommt insbesondere – gerade wenn ein autonom gebildeter Begriff des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei textlich ähnlichen Garantien anders ausfällt als der entsprechende Begriff des Grundgesetzes – das Verhältnismäßigkeitsprinzip als verfassungsimmanenter Grundsatz in Betracht, um Wertungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen: „Heranziehung als Auslegungshilfe” kann vor diesem Hintergrund bedeuten, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪324≫; BVerfGK 3, 4 ≪8 ff.≫).
2. § 66b Abs. 2, § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und § 7 Abs. 2 JGG sind – unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe – mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs.1 Satz 1 GG unvereinbar.
Die Vorschriften tasten dieses Grundrecht zwar nicht in seinem Wesensgehalt an (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪156≫). Sie genügen jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht. Der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen (a). Die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung gewährleisten strukturell die Wahrung der verfassungsrechtlichen (Mindest-)Anforderungen an die Ausgestaltung des Vollzugs nicht (b).
a) Der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen.
aa) Die Freiheit der Person nimmt – als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers – einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sie als „unverletzlich” bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 ≪190≫; 109, 133 ≪157≫). Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht, die – wie die Sicherungsverwahrung – nicht dem Schuldausgleich dienen, sind nur zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert. Dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten ist das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit entgegenzuhalten; beide sind im Einzelfall abzuwägen (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪157≫). Dabei müssen die Grenzen der Zumutbarkeit gewahrt bleiben; das Freiheitsgrundrecht der Betroffenen ist sowohl auf der Ebene des Verfahrensrechts als auch materiellrechtlich abzusichern (BVerfGE 70, 297 ≪311≫; 109, 133 ≪159≫). Der Senat hält insoweit an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sicherungsverwahrung im Sinne der §§ 66 ff. StGB, wie sie bereits in dem Urteil vom 5. Februar 2004 dargelegt wurden (BVerfGE 109, 133 ≪157 ff.≫), fest.
bb) Die prozeduralen und materiellrechtlichen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪157 ff.≫) gelten in gleicher Weise für die Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht gemäß § 7 Abs. 2 JGG. Auch in diesem Zusammenhang beseitigen die bestehenden Unsicherheiten der Prognose, die Grundlage der Unterbringung ist, weder die Eignung noch die Erforderlichkeit des Freiheitseingriffs, sie haben aber Auswirkungen auf die Mindestanforderungen an Prognosegutachten und deren Bewertung im Zusammenhang mit dem Übermaßverbot (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪158 ff.; 164 ff.≫). Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, lässt sich für die Tauglichkeit von Gefährlichkeitsprognosen für Jugendliche und Heranwachsende keine klare Altersgrenze benennen, unterhalb derer eine Prognoseentscheidung bei dieser Personengruppe von vornherein ausgeschlossen wäre. Die Tauglichkeit einer Prognose – die das Gericht auf der Grundlage eines mit Blick auf das junge Alter des Betreffenden besonders qualifizierten ärztlichen Gutachtens eigenständig zu treffen hat (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪164≫) – hängt vielmehr von dem individuellen Entwicklungsverlauf des Betreffenden ab, auf den jeweils besonderes Augenmerk zu legen ist. Trotz der damit verbundenen besonderen Schwierigkeiten können daher grundsätzlich auch für jugendliche und heranwachsende Straftäter unter Berücksichtigung ihres Entwicklungspotentials Gefährlichkeitsprognosen erstellt werden, die eine taugliche Grundlage für die Entscheidung über die (nachträgliche) Anordnung der Sicherungsverwahrung bilden; insbesondere können bestimmte psychische Störungen bereits in relativ jungem Alter diagnostizierbar sein. So hat der in der mündlichen Verhandlung angehörte Sachverständige Prof. Dr. Dittmann dargelegt, dass namentlich schwere sexuelle Devianzen schon in vergleichsweise jungem Alter diagnostizierbar sind.
cc) Darüber hinaus veranlassen die Wertungen des Art. 7 Abs. 1 EMRK, die ohnehin geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung eines schuldunabhängigen präventiven Freiheitsentzugs, der sich von einer „Strafe” qualitativ unterscheidet, zu präzisieren (sog. Abstandsgebot).
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 5. Februar 2004 ausgeführt, dass nicht die Schuld, sondern die in der Tat zutage getretene Gefährlichkeit bestimmend ist für Anordnung, zeitliche Dauer und vor allem die Ausgestaltung der Maßregel der Sicherungsverwahrung (BVerfGE 109, 133 ≪174≫). Die Anlasstat ist bloßer Anknüpfungspunkt für das Merkmal der „Gefährlichkeit” im Sinne der Anordnungsvoraussetzungen der Sicherungsverwahrung, nicht deren Grund. Nach der Konzeption, die dem zweispurigen Sanktionensystem des Strafgesetzbuchs zugrunde liegt, dient der Freiheitsentzug des Sicherungsverwahrten nicht der Vergeltung zurückliegender Rechtsgutsverletzungen, sondern der Verhinderung zukünftiger Straftaten, deren Eintritt sich zwar sorgfältig, aber regelmäßig nicht sicher prognostizieren lässt. Der in der Sicherungsverwahrung liegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist daher auch deshalb äußerst schwerwiegend, weil er ausschließlich präventiven Zwecken dient und dem Betroffenen – da der Freiheitsentzug stets nur auf einer Gefährlichkeitsprognose, nicht aber auf dem Beweis begangener Straftaten beruht – im Interesse der Allgemeinheit gleichsam ein Sonderopfer auferlegt. Die Sicherungsverwahrung ist daher überhaupt nur dann zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der „äußeren” Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht. Die Freiheitsentziehung ist – in deutlichem Abstand zum Strafvollzug („Abstandsgebot”, vgl. BVerfGE 109, 133 ≪166≫) – so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt. Hierzu bedarf es eines freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren.
Gemäß Art. 7 Abs. 1 EMRK darf niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war; es darf auch keine „schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe” verhängt werden. Ausweislich des Urteils der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland) verletzt die nachträgliche Verlängerung der früheren Zehnjahreshöchstfrist des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB Art. 7 Abs. 1 EMRK, weil es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine Strafe im Sinne von Art. 7 EMRK handelt (EGMR, a.a.O., Rn. 133), so dass auch die nachträgliche Verlängerung die Auferlegung einer zusätzlichen „Strafe” darstellt, die gegen den Untergebrachten nachträglich nach einem Gesetz verhängt wurde, das erst in Kraft getreten war, nachdem er seine Straftat begangen hatte (EGMR, a.a.O., Rn. 135). Zur Begründung des Strafcharakters der Sicherungsverwahrung verweist die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unter anderem darauf, dass diese wie eine Freiheitsstrafe eine Freiheitsentziehung zur Folge habe und in regulären Justizvollzugsanstalten vollzogen werde. Auch sei mit Blick auf die tatsächliche Situation der Sicherungsverwahrten nicht nachvollziehbar, dass der Sicherungsverwahrung lediglich eine präventive Funktion zukomme und sie keinem Strafzweck diene. Insbesondere sei festzustellen, dass es anscheinend keine besonderen, auf Sicherungsverwahrte gerichteten Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen gebe, die zum Ziel hätten, ihre Gefährlichkeit zu verringern und damit ihre Haft auf die Dauer zu beschränken, die unbedingt erforderlich sei, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Ferner verweist die Kammer auf weitere Kriterien, etwa das Verfahren zur Anordnung der Unterbringung und die Schwere der Maßnahme, die aber nicht allein entscheidend sei (EGMR, a.a.O., Rn. 127 ff.). Diese Wertung hat Einfluss nicht nur auf die Auslegung des Vertrauensschutzgebots (s. dazu unten (3), sondern auch auf die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung.
dd) Das Abstandsgebot beruht auf den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung:
(1) Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung unterscheiden sich grundlegend in ihrer verfassungsrechtlichen Legitimation. Die Berechtigung des Staates, Freiheitsstrafen zu verhängen und zu vollziehen, beruht wesentlich auf der schuldhaften Begehung der Straftat. Nur weil der Täter in vorwerfbarer Weise Unrecht begangen hat, darf er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und deren Vollzug unterworfen werden. Dem liegt das Menschenbild des Grundgesetzes von einem zu freier Selbstbestimmung befähigten Menschen zugrunde, dem mit dem in der Menschenwürde wurzelnden Schuldprinzip Rechnung zu tragen ist (vgl. BVerfGE 123, 267 ≪413≫). Das Schuldprinzip begrenzt in seiner strafzumessungsleitenden Funktion die Dauer der Freiheitsstrafe auf das der Tatschuld Angemessene. Die Schuld ist einer der legitimierenden Gründe und äußerste Grenze der Anordnung und des Vollzugs der Freiheitsstrafe. Die Berechtigung zur Anordnung und zum Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln wie der Sicherungsverwahrung folgt demgegenüber aus dem Prinzip des überwiegenden Interesses (vgl. Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, Bd. 1, 1. Aufl. 2003, Vor §§ 38 ff. Rn. 68). Anordnung und Vollzug sind nur dann legitim, wenn das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Freiheitsrecht des Betroffenen im Einzelfall überwiegt (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪159≫).
(2) Der Zweck der Freiheitsstrafe besteht dementsprechend vornehmlich in einer repressiven Übelszufügung als Reaktion auf schuldhaftes Verhalten, welche – jenseits anderer denkbarer zusätzlicher Strafzwecke, die die Verfassung nicht ausschließt – dem Schuldausgleich dient (BVerfGE 109, 133 ≪173≫). Dagegen liegt der Zweck der Maßregel allein in der zukünftigen Sicherung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder vor einzelnen, aufgrund ihres bisherigen Verhaltens als hochgefährlich eingeschätzten Tätern.
(3) Die kategorial unterschiedlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen des Vollzugs der Freiheitsstrafe und des Vollzugs der Sicherungsverwahrung führen insbesondere zu Differenzierungen auf zwei Ebenen:
Da sich der Maßregelvollzug allein aus dem Prinzip des überwiegenden Interesses rechtfertigt, muss er umgehend beendet werden, wenn die Schutzinteressen der Allgemeinheit das Freiheitsrecht des Untergebrachten nicht länger überwiegen. Dabei trifft den Staat die Verpflichtung, im Vollzug von Anfang an geeignete Konzepte bereitzustellen, um die Gefährlichkeit des Verwahrten nach Möglichkeit zu beseitigen.
Die Vollzugsmodalitäten sind außerdem an der Leitlinie zu orientieren, dass das Leben im Vollzug allein solchen Beschränkungen unterworfen werden darf, die zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind. Das Resozialisierungsgebot, dem das Bild des Grundgesetzes von einem zu freier Selbstbestimmung befähigten Menschen zugrunde liegt (BVerfGE 98, 169 ≪200≫), gilt gleichermaßen für den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung (BVerfGE 109, 133 ≪151≫). Dies mag der Ausfüllung des Abstandsgebots gewisse faktische Grenzen setzen, ändert aber nichts an der Verschiedenartigkeit der Zielsetzungen von Strafhaft und Sicherungsverwahrung. Das gesamte System der Sicherungsverwahrung ist so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt.
(4) Eine freiheitsorientierte Wahrung des Abstandsgebots trägt auch den Wertungen Rechnung, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 7 Abs. 1 EMRK zugrunde liegen. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass angesichts der unbestimmten Dauer der Sicherungsverwahrung besondere Anstrengungen zur Unterstützung der Untergebrachten erforderlich seien, die in der Regel nicht in der Lage seien, durch eigene Bemühungen Fortschritte in Richtung Entlassung zu erzielen. Notwendig seien ein hohes Maß an Betreuung durch ein multidisziplinäres Team sowie intensive und individuelle Arbeit mit den Untergebrachten anhand unverzüglich zu erstellender, individueller Pläne. Dies müsse in einem kohärenten Rahmen stattfinden, der Fortschritte in Richtung Entlassung ermögliche, wobei die Entlassung eine realistische Möglichkeit sein solle (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 129).
(5) Das verfassungsrechtliche Abstandsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich und richtet sich zunächst an den Gesetzgeber, dem aufgegeben ist, ein entsprechendes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben (vgl. zum Erfordernis eines gesetzlichen Resozialisierungskonzepts für den Strafvollzug BVerfGE 98, 169 ≪201≫; 116, 69 ≪89≫). Der Gesetzgeber ist dabei von Verfassungs wegen nicht auf ein bestimmtes Regelungskonzept festgelegt, sondern er verfügt über einen Gestaltungsspielraum, den er unter Verwertung aller ihm zu Gebote stehenden Erkenntnisse auszufüllen hat (vgl. BVerfG, a.a.O.). Die zentrale Bedeutung, die diesem Konzept für die Verwirklichung des Freiheitsrechts des Untergebrachten zukommt, gebietet jedoch eine gesetzliche Regelungsdichte, die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht von Exekutive oder Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen wirksam determiniert (vgl. BVerfGE 83, 130 ≪142≫).
ee) Das durch den Gesetzgeber auszugestaltende Regelungskonzept für die Sicherungsverwahrung muss daher umfassend als Gesamtkonzept ausgestaltet sein und zumindest folgende Aspekte umfassen:
(1) Die Sicherungsverwahrung darf nur als letztes Mittel angeordnet werden, wenn andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung zu tragen. Diesem ultima-ratio-Prinzip bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung folgt der Gedanke, dass auch der Vollzug diesem Prinzip entsprechen muss. Kommt Sicherungsverwahrung in Betracht, müssen schon während des Strafvollzugs alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gefährlichkeit des Verurteilten zu reduzieren. Insbesondere muss gewährleistet sein, dass etwa erforderliche psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen, die oftmals auch bei günstigem Verlauf mehrere Jahre in Anspruch nehmen, zeitig beginnen, mit der gebotenen hohen Intensität durchgeführt und möglichst vor dem Strafende abgeschlossen werden (ultima-ratio-Prinzip).
(2) Spätestens zu Beginn des Vollzugs der Sicherungsverwahrung hat unverzüglich eine umfassende, modernen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Behandlungsuntersuchung stattzufinden. Dabei sind die individuellen Faktoren, die für die Gefährlichkeit des Untergebrachten maßgeblich sind, eingehend zu analysieren. Auf dieser Grundlage ist ein Vollzugsplan zu erstellen, aus dem sich detailliert ergibt, ob und gegebenenfalls mit welchen Maßnahmen vorhandene Risikofaktoren minimiert oder durch Stärkung schützender Faktoren kompensiert werden können, um die Gefährlichkeit des Untergebrachten zu mindern, dadurch Fortschritte in Richtung einer Entlassung zu ermöglichen und dem Untergebrachten eine realistische Perspektive auf Wiedererlangung der Freiheit zu eröffnen. In Betracht zu ziehen sind etwa berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen sowie Maßnahmen zur Ordnung der finanziellen und familiären Verhältnisse und zur Vorbereitung eines geeigneten sozialen Empfangsraums. Der Vollzugsplan ist fortlaufend zu aktualisieren und der Entwicklung des Untergebrachten anzupassen. Die plangemäß gebotenen Maßnahmen sind zügig und konsequent umzusetzen. Hierzu bedarf es einer individuellen und intensiven Betreuung des Untergebrachten durch ein multidisziplinäres Team qualifizierter Fachkräfte (so auch EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 129). Insbesondere im therapeutischen Bereich müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Erweisen sich standardisierte Therapiemethoden als nicht erfolgversprechend, muss ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden. Dabei muss – insbesondere mit zunehmender Vollzugsdauer – sichergestellt sein, dass mögliche Therapien nicht nur deshalb unterbleiben, weil sie im Hinblick auf Aufwand und Kosten über das standardisierte Angebot der Anstalten hinausgehen (Individualisierungs- und Intensivierungsgebot).
(3) Die unbestimmte Dauer der Sicherungsverwahrung kann schwerwiegende psychische Auswirkungen haben, den Untergebrachten demotivieren und ihn in Lethargie und Passivität führen. Dem ist zunächst durch ein Behandlungs- und Betreuungsangebot zu begegnen, das nach Möglichkeit eine realistische Entlassungsperspektive eröffnet (so auch EGMR, a.a.O., Rn. 77 und Rn. 129). Darüber hinaus ist die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an seiner Behandlung durch gezielte Motivationsarbeit zu wecken und zu fördern. Unterstützend könnte insofern ein Anreizsystem wirken, das aktive Mitarbeit mit besonderen Vergünstigungen oder Freiheiten honoriert oder auch solche entzieht, um Motivation und Mitarbeit zu erreichen (Motivierungsgebot).
(4) Die Gestaltung des äußeren Vollzugsrahmens hat dem spezialpräventiven Charakter der Sicherungsverwahrung Rechnung zu tragen und muss einen deutlichen Abstand zum regulären Strafvollzug erkennen lassen. Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen. Dies erfordert zwar eine vom Strafvollzug getrennte Unterbringung in besonderen Gebäuden oder Abteilungen, aber keine vollständige räumliche Ablösung vom Strafvollzug (Trennungsgebot). Wie der Sachverständige Rösch in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, kann eine Anbindung an große Einrichtungen sinnvoll sein, um deren Infrastruktur und Sicherheitsmanagement nutzbar machen und ein differenziertes Arbeits- und Freizeitangebot gewährleisten zu können, das den individuellen Fähigkeiten und Neigungen der Untergebrachten hinreichend Rechnung trägt. Die Gegebenheiten innerhalb der Einrichtung müssen den therapeutischen Erfordernissen entsprechen und ausreichende Besuchsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung familiärer und sozialer Außenkontakte bereithalten. Ferner muss sichergestellt sein, dass ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen.
(5) Vollzugslockerungen zum Zwecke der Erprobung sind von besonderer Bedeutung für die Prognose, weil sie deren Basis erweitern und stabilisieren; sie können eine Erledigung der Sicherungsverwahrung vorbereiten. Die Konzeption der Sicherungsverwahrung muss Vollzugslockerungen vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist. So muss sichergestellt werden, dass Vollzugslockerungen nicht ohne zwingenden Grund – etwa auf der Grundlage pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine nur abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr – versagt werden können (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪166≫; 117, 71 ≪108≫). Sind unbeaufsichtigte Lockerungen wie Freigang, Ausgang oder Urlaub gleichwohl nicht möglich, müssen begleitete Ausführungen gewährt werden; diese können nur dann unterbleiben, wenn sie trotz der Beaufsichtigung des Untergebrachten zu schlechthin unverantwortbaren Gefahren führen. Um sicherzustellen, dass Lockerungsentscheidungen auf der Grundlage objektiver, realistischer Risikobewertungen getroffen werden, und der Gefahr übervorsichtiger oder voreingenommener Beurteilungen vorzubeugen, kann sich zum Beispiel die Einrichtung unabhängiger Gremien aus vollzugserfahrenen Fachleuten anbieten, die – etwa nach dem Vorbild der Schweizer Fachkommissionen zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern (vgl. Art. 62d Abs. 2, Art. 64b Abs. 2, Art. 75a des Schweizerischen Strafgesetzbuchs) – beratend tätig werden und entsprechende Empfehlungen aussprechen können. Die Entlassungsvorbereitung ist mit planmäßigen Hilfen für die Phase nach der Entlassung zu verzahnen. Insbesondere muss ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen (forensische Ambulanzen, Einrichtungen des betreuten Wohnens u.ä.) gewährleistet sein, die entlassene Untergebrachte aufnehmen, die erforderliche Betreuung sicherstellen und damit einen geeigneten sozialen Empfangsraum bieten können (Minimierungsgebot).
(6) Dem Untergebrachten muss ein effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Durchführung der Maßnahmen eingeräumt werden, die zur Reduktion seiner Gefährlichkeit geboten sind. Ihm sind ein geeigneter Beistand beizuordnen oder andere Hilfestellungen anzubieten, die ihn in der Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen unterstützen (Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot).
(7) Verfahrensrechtlich muss gewährleistet sein, dass die Fortdauer der Sicherungsverwahrung in mindestens jährlichen Abständen gerichtlich überprüft wird. Die Vollzugsbehörde hat der zuständigen Strafvollstreckungskammer regelmäßig Sachstandsbericht zu erstatten. Ergeben sich Anhaltspunkte für die Aussetzungsreife der Maßregel, ist von Amts wegen unverzüglich eine gesonderte Überprüfung durchzuführen (Kontrollgebot). Die strengere Kontrolle durch die Gerichte trägt dem allein präventiven Charakter der Maßregel Rechnung. Sie ist mit zunehmender Dauer des Vollzugs weiter zu intensivieren. Das gilt sowohl für die Zeitdauer der Intervalle zwischen den gerichtlichen Überprüfungen als auch für die von Amts wegen erforderliche Kontrolle der Vollzugsbehörden und die qualitativen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf deren inhaltliche Substantiierung (vgl. schon BVerfGE 109, 133 ≪162≫).
b) Diesen Anforderungen genügen die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung nicht.
Seit 1998 hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3344), das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007), das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1838), das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 513) und das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (BGBl I S. 1212) die Sicherungsverwahrung immer mehr ausgeweitet, ohne jedoch – entgegen den Vorgaben des Senats in seinem Urteil vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 ≪166 f.≫) – ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept für die Unterbringung zu entwickeln, das dem Abstandsgebot gerecht geworden wäre. Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I S. 2300) revidiert diese Entwicklung ansatzweise in § 2 ThUG. Weiterhin gilt aber die alte Rechtslage, wenn die jeweilige Anlasstat vor dem 1. Januar 2011 begangen worden ist (Art. 316e Abs. 1 EGStGB).
aa) Das Strafvollzugsgesetz des Bundes, das nach dem Wegfall der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Bereich des Strafvollzugs im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 (Art. 1 Nr. 7 Buchstabe a des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034) in den meisten Bundesländern noch gemäß Art. 125a Abs. 1 GG fortgilt, enthält ebenso wie die Strafvollzugsgesetze der Länder Bayern, Hamburg und Hessen, das baden-württembergische Justizvollzugsgesetzbuch und das niedersächsische Justizvollzugsgesetz nur rudimentäre Regelungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung, die Randbereiche wie Ausstattung der Hafträume, Kleidung und Taschengeld betreffen, und erklärt im Übrigen die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe für entsprechend anwendbar (§§ 129 ff. StVollzG). Diese Vorschriften sind ungeeignet, die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots zu erfüllen. Sie eröffnen in wesentlichen Kernbereichen – hinsichtlich Behandlung, Betreuung und Motivation des Untergebrachten und der Gewährung von Vollzugslockerungen – zu weite Beurteilungs- und Ermessensspielräume, ohne das Handeln der Vollzugsanstalten durch klare normative Vorgaben wirksam auf einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug der Sicherungsverwahrung zu verpflichten. Hinsichtlich des vorangehenden Strafvollzugs fehlt es an Regelungen zur Vermeidung der Sicherungsverwahrung. Vor allem ist die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt nur bei bestimmten Sexualdelikten zwingend vorgeschrieben (§ 9 Abs. 1 StVollzG), im Übrigen steht sie – auch bei angeordneter Sicherungsverwahrung – im Ermessen der Vollzugsanstalt und bedarf zudem der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt (§ 9 Abs. 2 StVollzG). Eine räumliche Trennung der Unterbringung vom Strafvollzug ist ebenso wenig vorgeschrieben wie die Beiordnung eines Beistands. Hinzu treten weitere normative Defizite. Das normative Gesamtkonzept muss zum Vollzug der Maßregel qualitative Anforderungen an die personelle und sachliche Ausstattung enthalten, die vom Landeshaushaltsgesetzgeber Beachtung verlangen und der Exekutive keine wesentlichen Gestaltungsspielräume überlassen. Ferner ist die gesetzliche Höchstfrist für die Überprüfung der Sicherungsverwahrung – abgesehen von der Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht, für die jährliche Regelüberprüfungen vorgesehen sind (§ 7 Abs. 4 JGG) – in § 67e Abs. 2 StGB mit zwei Jahren zu lang bemessen.
bb) Auch wegen des normativen Defizits trägt der tatsächliche Vollzug der Sicherungsverwahrung den aus dem Abstandsgebot folgenden Anforderungen nicht hinreichend Rechnung, wie neuere wissenschaftliche Erkenntnisse belegen und die Anhörung der Sachverständigen Rösch und Prof. Dr. Dessecker in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Dabei bestehen Defizite nicht nur während der Sicherungsverwahrung als solcher. Bereits in dem der Sicherungsverwahrung vorangehenden Strafvollzug zeigen sich erhebliche Mängel, die Auswirkungen auf Vollzug und Dauer der Sicherungsverwahrung und damit auf die Chance zur Wiedererlangung der Freiheit haben. Hinzu kommt, dass es vielerorts an einer ausreichenden Entlassungsvorbereitung und Schaffung eines geeigneten sozialen Empfangsraums fehlt, der den Untergebrachten nach seiner Entlassung aufnehmen kann.
Die psychologische oder psychiatrische Betreuung der Sicherungsverwahrten ist in der Praxis unzureichend. Studien zufolge befinden sich durchschnittlich nur etwa 30 % der Sicherungsverwahrten in einer Therapie, obwohl der Anteil der Untergebrachten mit einer behandlungsbedürftigen Auffälligkeit mit 79,3 % deutlich höher liegt (vgl. Bartsch, Sicherungsverwahrung, 2010, S. 228; Habermeyer, Die Maßregel der Sicherungsverwahrung, 2008, S. 54). Die Ursache hierfür kann nur begrenzt der Sphäre der Betroffenen zugerechnet werden. Zurückzuführen ist die geringe Anzahl der in therapeutischer Behandlung befindlichen Sicherungsverwahrten gerade auch auf eine unzureichende personelle und sachliche Ausstattung der Einrichtungen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass eine erfolgreiche freiheitsorientierte therapeutische Behandlung regelmäßig einen erhöhten personellen Aufwand, etwa auch für die Motivation Therapieunwilliger, erfordern wird (Bartsch, a.a.O., S. 228 ff.).
Obwohl Vollzugspraktiker in den Therapiemöglichkeiten der sozialtherapeutischen Anstalten ein großes Potential sehen, den Sicherungsverwahrten die Chance auf eine Wiedererlangung der Freiheit zu geben und eine lebenslange Verwahrung zu verhindern, bestehen erhebliche Probleme bei der Unterbringung von Sicherungsverwahrten in sozialtherapeutischen Einrichtungen. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass häufig nicht genügend Plätze für Sicherungsverwahrte in den sozialtherapeutischen Anstalten vorhanden sind. Zum anderen besteht mancherorts eine äußerst geringe Bereitschaft der sozialtherapeutischen Einrichtungen, Sicherungsverwahrte aufzunehmen (Bartsch, a.a.O., S. 232 ff.). Besonders anschaulich wird dies an der geringen Zahl der in einer sozialtherapeutischen Einrichtung befindlichen Betroffenen: Im März 2010 befanden sich von insgesamt 536 Personen, bei denen eine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, nur 83 Personen in der Sozialtherapie (Niemz, Kriminologische Zentralstelle e.V., Sozialtherapie im Strafvollzug, 2010, S. 13). Hinzu kommt, dass eine gemeinsame sozialtherapeutische Behandlung von Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen oftmals nicht auf die besonderen Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten zugeschnitten ist und daher nicht selten Fehlentwicklungen auslöst (Bartsch, a.a.O., S. 232 ff.).
Überdies wird während der Strafhaft solcher Strafgefangener, bei denen bereits im Urteil die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, nicht in ausreichendem Umfang auf eine Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung hingearbeitet. Obwohl § 67c Abs. 1 StGB für den Fall des nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe liegenden Beginns einer Maßregel eine erneute Prüfung vorschreibt, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, verstreicht die Zeit des Strafvollzugs für die Strafgefangenen mit anschließender Sicherungsverwahrung häufig ungenutzt. So werden den Betroffenen zum einen Vollzugslockerungen wie Ausgang und Urlaub oder die Unterbringung im offenen Vollzug regelmäßig nicht gewährt. Zum anderen werden die Strafgefangenen mit anschließender Sicherungsverwahrung von den Anstalten häufig nicht oder nur zweitrangig zu den notwendigen Therapien zugelassen (Bartsch, a.a.O., S. 245 ff.). Gerade der frühzeitige Beginn einer Therapie – bereits in der Strafhaft – ist jedoch entscheidend, um die anschließende Sicherungsverwahrung zu vermeiden oder zumindest so kurz wie möglich zu halten.
Darüber hinaus wird von der Möglichkeit der Gewährung von Vollzugslockerungen, die gerade auch der Vorbereitung der Entlassung dienen und zudem von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Prognose hinsichtlich der Gefährlichkeit des Betroffenen sind (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪165 f.≫, m.w.N.), nur äußerst restriktiv Gebrauch gemacht. Vor allem unbegleitet durchgeführte Maßnahmen wie Ausgang, Freigang und Urlaub werden nur in den seltensten Fällen gewährt (Bartsch, a.a.O., S. 220 ff.).
Eine weitere Hürde, die der Entlassung des Sicherungsverwahrten entgegensteht, ist schließlich, dass es häufig an strukturierten Kooperationen der Anstalten mit Nachsorgeeinrichtungen sowie der Schaffung eines gesicherten sozialen Empfangsraums nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlt. So besteht insbesondere ein deutlicher Mangel an Plätzen in betreuten Wohneinrichtungen, in die der Sicherungsverwahrte nach der Entlassung aufgenommen werden kann (Bartsch, a.a.O., S. 242 ff.). Ferner bestehen Probleme beim Übergang der Behandlung vom Vollzug in spätere ambulante Therapien. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, ist daher insbesondere der Aufbau von Netzwerken und geeigneten Organisationsstrukturen vonnöten, um eine durchgängige nachsorgende Betreuung des entlassenen Sicherungsverwahrten gewährleisten zu können.
cc) Das Fehlen eines dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot entsprechenden gesetzlichen Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung führt zur Verfassungswidrigkeit der mittelbar angegriffenen Vorschriften. Der Gesetzgeber darf Regelungen über die Anordnung und Dauer dieser Maßregel von Verfassungs wegen nur als integrale Bestandteile eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts treffen. Insbesondere entspricht es nicht dem hohen Rang des Freiheitsrechts, wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung isoliert gestattet wird, obwohl die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung dieser Maßregel aufgrund eines normativen Regelungsdefizits strukturell nicht gewahrt sind. Die Betroffenen werden gleichsam „sehenden Auges” einer verfassungswidrigen Freiheitsentziehung unterworfen.
Aus Sicht des Freiheitsschutzes spielt es insoweit keine Rolle, dass der Bundesgesetzgeber seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 nicht mehr über die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug verfügt. Wenn er sich im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für ein zweispuriges Sanktionensystem und den Einsatz einer so einschneidenden freiheitsentziehenden Maßnahme wie der Sicherungsverwahrung entscheidet, muss er die wesentlichen Leitlinien des freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts, das der Sicherungsverwahrung von Verfassungs wegen zugrundezulegen ist, selbst regeln und sicherstellen, dass diese konzeptionelle Ausrichtung der Sicherungsverwahrung nicht durch landesrechtliche Regelungen unterlaufen werden kann.
Bundes- und Landesgesetzgeber stehen gemeinsam in der Pflicht, ein normatives Regelungskonzept zu schaffen, welches den dargelegten Anforderungen genügt. Ihre Aufgabe ist es, unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Kompetenzgefüges ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln. Dabei ist der Bundesgesetzgeber angesichts seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für den Bereich des Strafrechts nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG darauf beschränkt – aber, wenn er am Institut der Sicherungsverwahrung grundsätzlich festhalten will, auch gehalten – die wesentlichen Leitlinien vorzugeben. Vorgaben in diesem Sinn finden sich etwa in § 2 ThUG. Darüber hinaus ist er zuständig für die Regelungen zur gerichtlichen Überprüfung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung und für Verfahrensvorschriften. Die Landesgesetzgeber wiederum haben im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit das Abstandsgebot sichernde, effektive Regelungen für den Vollzug der Maßregel zu treffen, die einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug gewährleisten. Dabei ist vor allem sicherzustellen, dass die genannten Anforderungen nicht durch Gewährung zu weiter Spielräume in der Praxis umgangen werden können und damit das Abstandsgebot faktisch leerläuft. Ohne Wahrung des Abstandsgebots ist das Institut der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten nicht vereinbar.
3. § 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB – soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) begangen wurden – sowie § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG sind darüber hinaus auch mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar.
Der mit den zur Überprüfung gestellten Vorschriften verbundene Eingriff in das Vertrauen des betroffenen Personenkreises auf ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren (§ 67d Abs. 3 StGB) beziehungsweise in das Vertrauen auf ein Unterbleiben der Anordnung einer Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB; § 7 Abs. 2 JGG) ist angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrecht dieses Personenkreises (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig (a). Das Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange wird überdies durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstärkt (b) mit der Folge, dass eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung nur noch als zulässig angesehen werden kann, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EMRK erfüllt sind (c).
a) Der in den Vorschriften enthaltene Eingriff in das Vertrauen der Betroffenen ist angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchstwertiger Rechtsgüter zulässig.
Die Vorschriften enthalten jeweils einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, der für einen bestimmten Personenkreis – dem auch die Beschwerdeführer zu I. bis IV. angehören – eine zusätzliche Verschärfung erfährt, indem die Sicherungsverwahrung nachträglich entgegen der früheren, im Zeitpunkt der Anlasstaten geltenden Rechtslage über zehn Jahre hinaus unbefristet verlängert werden kann (so in der Konstellation von § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB), oder indem gegen sie nachträglich eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, obwohl im Urteil des erkennenden Gerichts davon abgesehen und dies auch nicht vorbehalten wurde (so in der Konstellation von § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG). Hierin liegt ein Eingriff in das Vertrauen der in ihrem Freiheitsgrundrecht betroffenen Grundrechtsträger, unabhängig davon, ob man insoweit von einer „echten” oder einer „unechten” Rückwirkung beziehungsweise von einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen oder einer tatbestandlichen Rückanknüpfung ausgeht (vgl. dazu bereits mit Blick auf § 67d Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 1a Abs. 3 EGStGB a.F., BVerfGE 109, 133 ≪182 f.≫).
Nach Maßgabe des Vertrauensschutzgebots – das im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsgehalt des in seinem Schutzbereich berührten Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG Wirkung entfaltet (vgl. BVerfGE 72, 200 ≪242≫) – ergeben sich die Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl (vgl. BVerfGE 14, 288 ≪300≫; 25, 142 ≪154≫; 43, 242 ≪286≫; 43, 291 ≪391≫; 75, 246 ≪280≫; 109, 133 ≪182≫). Dabei erhöht sich die Bedeutung der berührten Vertrauensschutzbelange in Abhängigkeit von der Schwere des Eingriffs in das sachlich berührte Grundrecht (vgl. bereits BVerfGE 109, 133 ≪186 f.≫).
Dies zugrundegelegt ist hier von einem besonders hohen Gewicht der betroffenen Vertrauensschutzbelange auszugehen, denn die in Rede stehenden Vorschriften enthalten, indem sie zur Anordnung beziehungsweise Verlängerung einer unbefristeten Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung ermächtigen, einen schweren – wenn nicht gar den schwersten vorstellbaren – Eingriff in das sachlich berührte Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und damit in ein Recht, dem unter den grundrechtlich verbürgten Rechten bereits für sich genommen besonderes Gewicht zukommt (vgl. BVerfGE 65, 317 ≪322≫). Der mit der Sicherungsverwahrung angeordnete Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ist selbst bei Wahrung des Abstandsgebots im Hinblick auf die mit der Sicherungsverwahrung unvermeidlich verbundene, dauerhafte Entziehung der äußeren Freiheit mit der Freiheitsstrafe vergleichbar. Damit gewinnt die Erwartung des Untergebrachten, die Freiheit zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zu erlangen, besondere Bedeutung (vgl. bereits BVerfGE 109, 133 ≪185≫).
b) Das Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange wird überdies durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstärkt.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung des Abstandsgebots (vgl. oben 2.) gemäß der Wertung von Art. 7 Abs. 1 EMRK zur Folge hat, dass sich das Gewicht des Vertrauens der Betroffenen einem absoluten Vertrauensschutz annähert (aa). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 EMRK in den hier in Rede stehenden Fällen des § 67d Abs. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB und des § 66b Abs. 2 StGB sowie des § 7 Abs. 2 JGG ausschließlich unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht kommt (bb).
aa) Nach der Wertung von Art. 7 Abs. 1 EMRK hat der unzureichende Abstand des Vollzugs der Sicherungsverwahrung von dem der Freiheitsstrafe zur Folge, dass sich das Gewicht des Vertrauens der Betroffenen einem absoluten Vertrauensschutz annähert.
(1) Ausweislich des Urteils der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland) verletzt die nachträgliche Verlängerung der früheren Zehnjahreshöchstfrist des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB Art. 7 Abs. 1 EMRK, weil es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine Strafe im Sinne von Art. 7 EMRK handelt (EGMR, a.a.O., Rn. 133; vgl. bereits oben 2. a) cc). Die konventionsrechtliche Einordnung der Sicherungsverwahrung stützt sich unter anderem darauf, dass diese wie eine Freiheitsstrafe eine Freiheitsentziehung zur Folge hat und in regulären Strafvollzugsanstalten vollzogen wird. Auch sei, so die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs, mit Blick auf die tatsächliche Situation der Sicherungsverwahrten nicht nachvollziehbar, dass der Sicherungsverwahrung lediglich eine präventive Funktion zukomme und sie keinem Strafzweck diene. Die Kammer verweist insoweit darauf, dass es keine besonderen, auf Sicherungsverwahrte gerichteten Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen gebe, die zum Ziel hätten, ihre Gefährlichkeit zu verringern und damit ihre Haft auf die Dauer zu beschränken, die unbedingt erforderlich sei, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Ferner verweist die Kammer auf weitere Kriterien, etwa das Verfahren zur Anordnung der Unterbringung und die Schwere der Maßnahme, die aber nicht allein entscheidend sei (EGMR, a.a.O., Rn. 127 ff.).
(2) Diese Interpretation des Art. 7 Abs. 1 EMRK spricht dafür, das Abstandsgebot noch deutlicher zu konturieren, sie verpflichtet aber nicht dazu, die Auslegung des Art. 103 Abs. 2 GG der des Art. 7 Abs. 1 EMRK vollständig anzugleichen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2004 den Aspekt der faktischen Wirkung einer Maßnahme zwar nicht als begrifflich relevant für das Tatbestandsmerkmal der Strafe in Art. 103 Abs. 2 GG angesehen, aber eine Berücksichtigungsmöglichkeit im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG aufgezeigt (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪185≫). Das gilt auch für den Aspekt der Schwere der Maßnahme – hier: eine unbefristete Freiheitsentziehung –, die zwar kein geeignetes Definitionsmerkmal für den Begriff der Strafe im Sinne von Art. 103 GG (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪175≫), im Rahmen der Prüfung des Freiheitsgrundrechts jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein zu berücksichtigendes Element darstellt (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪160 f.≫; 70, 297 ≪314 f.≫). Zwar rechtfertigen diesbezügliche Ähnlichkeiten keine Einbeziehung der Sicherungsverwahrung in den Begriff der Strafe im Sinne des Art. 103 GG (BVerfGE 109, 133 ≪176≫). Bereits das Grundgesetz selbst enthält nach der Rechtsprechung des Senats jedoch auch im Rahmen der Prüfung einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG bei langjährigen, mit Freiheitsentzug verbundenen Maßregeln das Gebot zu berücksichtigen, ob beziehungsweise dass „der Untergebrachte die Sicherungsverwahrung […] auch im Hinblick auf ihren tatsächlichen Vollzug als der Strafe vergleichbar empfinden dürfte” (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪185≫). Das Vertrauensschutzgebot besitzt insoweit eine enge Verwandtschaft und Strukturähnlichkeit mit dem „nulla-poena-Prinzip” (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪171 f.≫).
Zur Anpassung des grundgesetzlichen Begriffs der Strafe in Art. 103 Abs. 2 GG – und damit zugleich des Art. 103 Abs. 3 GG – an den Strafbegriff des Art. 7 Abs. 1 EMRK besteht demzufolge kein Anlass. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte selbst führt insoweit aus, der Begriff der „Strafe” im Sinne von Art. 7 EMRK sei „autonom” auszulegen; er – der Gerichtshof – sei an die Einordnung einer Maßnahme nach nationalem Recht nicht gebunden (EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 126). Diese Art der Begriffsbildung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat für die Zwecke der Europäischen Menschenrechtskonvention ihre Berechtigung. Die Unabhängigkeit der Begriffsbildung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die damit notwendig verbundene Flexibilität und Unschärfe tragen der rechtlichen, sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Mitgliedstaaten des Europarates Rechnung (vgl. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, § 5 Rn. 9 ff.). Für die gewachsene Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist dagegen an dem Begriff der Strafe in Art. 103 GG, wie er in der Entscheidung vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 ≪167 ff.≫) zum Ausdruck gekommen ist, festzuhalten.
bb) Des Weiteren sind auf Seiten der betroffenen Sicherungsverwahrten die Wertungen von Art. 5 EMRK zu berücksichtigen. Danach kommt eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in den von den mittelbar angegriffenen Vorschriften des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB und des § 66b Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 513) sowie des § 7 Abs. 2 JGG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (BGBl I S. 1212) umfassten Fällen praktisch nur unter den Voraussetzungen einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht.
Art. 5 EMRK enthält in Abs. 1 eine abschließende Auflistung zulässiger Gründe für eine Freiheitsentziehung (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 86). Für die Rechtfertigung der hier in Rede stehenden Konstellationen scheidet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK als Haftgrund aus (1). Auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK kommt regelmäßig nicht in Betracht (2), so dass die Sicherungsverwahrung in den hier in Rede stehenden Konstellationen allenfalls unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Einklang mit Art. 5 EMRK gebracht werden kann (3).
(1) Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach dieser Bestimmung in den hier in Rede stehenden Konstellationen angesichts der jüngeren Rechtsprechung der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr in Betracht kommt (vgl. insbesondere das Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland sowie die Urteile vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland und Beschwerde-Nrn. 27360/04, 42225/07, Schummer ./. Deutschland).
Im Fall der betroffenen Individualbeschwerdeführer war die nachträglich verlängerte Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus nicht mehr nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK als „rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht” gerechtfertigt, weil – so die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte in ihren Urteilen – kein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung und der fortgesetzten Freiheitsentziehung über zehn Jahre hinaus bestanden habe, da diese ausschließlich aufgrund der Gesetzesänderung 1998 möglich geworden sei (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 97 ff., Rn. 100).
Darüber hinaus hat die Kammer der 5. Sektion in einem weiteren Urteil vom 13. Januar 2011 (Beschwerde-Nr. 6587/04, Haidn ./. Deutschland) eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK im Fall eines Individualbeschwerdeführers abgelehnt, der nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe auf der Grundlage des Bayerischen Straftäterunterbringungsgesetzes (BayStrUGB) wegen seiner Gefährlichkeit nachträglich in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht worden war. Bei dieser Gelegenheit hat die Kammer nochmals darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung eines Strafvollstreckungsgerichts, der betreffenden Person weiter die Freiheit zu entziehen, nicht das Erfordernis der „Verurteilung” im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a erfülle, weil sie „keine Schuldfeststellung” mehr enthalte (EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 6587/04, Haidn ./. Deutschland, Rn. 84).
Der Senat geht daher davon aus, dass in sämtlichen sogenannten Altfällen, in denen die Betroffenen wegen ihrer Anlasstaten bereits vor Inkrafttreten der jeweils einschlägigen Neuregelungen verurteilt waren – also in allen von der rückwirkenden Anwendung der Verlängerung der Zehnjahresfrist gemäß § 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB erfassten Fällen ebenso wie in sämtlichen Fällen der rückwirkenden nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG – eine Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK generell ausgeschlossen sein wird.
Dies gilt für die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG überdies unabhängig von dem rückwirkenden zeitlichen Anwendungsbereich der Vorschriften, also auch in sogenannten Neufällen, denn diese Vorschriften ermöglichen bereits tatbestandlich eine nachträgliche Anordnung einer Freiheitsentziehung. Diese erfolgt zwar – anders als in den bislang vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen „Altfällen” – durch ein eigenständiges (zweites) Urteil und nicht lediglich durch einen Beschluss einer Strafvollstreckungskammer. Das (zweite) Urteil enthält jedoch keine neuerliche Schuldfeststellung, sondern setzt eine solche voraus.
(2) Auch die Wertung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift ist eine Freiheitsentziehung zur Vorführung „vor die zuständige Gerichtsbehörde” zu rechtfertigen, „wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, die Person an der Begehung einer Straftat zu hindern”. Zwar bietet dieser Haftgrund in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte lediglich ein Mittel zur Verhütung einer konkreten und spezifischen Straftat („a means of preventing a concrete and specific offence”, vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 89) und steht unter formellen Voraussetzungen („zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde”), die im Rahmen der Sicherungsverwahrung – jedenfalls unter normalen Umständen – regelmäßig nicht vorliegen werden. Gleichwohl bestätigt die Existenz von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK auf der Wertungsebene, dass die Europäische Menschenrechtskonvention eine präventive Freiheitsentziehung zulässt, wenn eine Gefahr konkret und spezifisch genug ist. Eine solche Gefahr dürfte in den hier zu betrachtenden Fällen indes nur ganz ausnahmsweise festzustellen sein.
(3) Nach alledem kommt eine konventionsrechtliche Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in den hier in Rede stehenden Fällen praktisch nur unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht (vgl. zum Verhältnis von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a zu Buchstabe e EMRK unter anderem EGMR, Urteil vom 5. November 1981, Beschwerde-Nr. 7215/75, X. ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 39 und Rn. 46 f.; Urteil vom 22. Oktober 2009, Beschwerde-Nr. 1431/03, Stojanovski ./. Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, Rn. 30; Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 103).
Das für diese Gewährleistung, soweit hier von Belang, zentrale Tatbestandsmerkmal des „unsound mind” setzt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte voraus, dass es sich um eine zuverlässig nachgewiesene psychische Störung („true mental disorder”) handelt, die eine zwangsweise Unterbringung erfordert („warranting compulsory confinement”), und die fortdauert („the validity of continued confinement must depend upon the persistence of such a disorder”) (vgl. grundlegend EGMR, Urteil vom 24. Oktober 1979, Beschwerde-Nr. 6301/73, Winterwerp ./. Niederlande, Rn. 39; s. zuletzt EGMR, Urteil vom 21. Juni 2005, Beschwerde-Nr. 517/02, Kolanis ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 67). Eine abschließende Definition des Begriffs „true mental disorder” existiert nicht (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Oktober 1979, Beschwerde-Nr. 6301/73, Winterwerp ./. Niederlande, Rn. 37). Lediglich sozial abweichendes Verhalten stellt allerdings keine Störung im Sinne dieser Vorschrift dar (vgl. EGMR, a.a.O., Rn. 37). Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung oder eine Psychopathie („anti-social personality” oder „psychopathic disorder”) können jedoch darunter fallen (vgl. EGMR, Urteil vom 20. Februar 2003, Beschwerde-Nr. 50272/99, Hutchison Reid ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 19; s. auch Prior, Mentally disordered offenders and the European Court of Human Rights, International Journal of Law and Psychiatry 30 (2007), S. 546 ≪548≫; Bartlett/Lewis/Thorold, Mental Disability and the European Convention on Human Rights, 2007, S. 43). Bei der Beurteilung der Frage, ob das Erfordernis der psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK und ihrer Fortdauer erfüllt ist, besitzen die Mitgliedstaaten zudem einen Beurteilungsspielraum („margin of appreciation”) (vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 22. Oktober 2009, Beschwerde-Nr. 1431/03, Stojanovski ./. Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, Rn. 34 m.w.N.). Die Vorschrift verweist auf das nationale Recht (vgl. Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 76).
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK verlangt darüber hinaus, dass die gesetzlichen Regelungen des betreffenden Anordnungs- oder Überprüfungsverfahrens die Feststellung einer psychischen Störung im Sinne einer ausdrücklichen Tatbestandsvoraussetzung vorsehen (vgl. EGMR, Urteil der 5. Sektion vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland, Rn. 56).
Weiterhin ist das in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK enthaltene zusätzliche Erfordernis der sonstigen Rechtmäßigkeit („lawfulness”) der Freiheitsentziehung (vgl. dazu zuletzt ausführlich das Urteil der Großen Kammer des EGMR vom 9. Juli 2009, Beschwerde-Nr. 11364/03, Mooren ./. Deutschland, Rn. 72 m.w.N.) zu berücksichtigen, das der Vermeidung von Willkür dient und daher insbesondere die Vorhersehbarkeit der Freiheitsentziehung verlangt. Die Anforderungen des Willkürverbots hängen von der Art der Freiheitsentziehung beziehungsweise dem einschlägigen Rechtfertigungsgrund innerhalb der Systematik des Art. 5 Abs. 1 EMRK ab (vgl. EGMR, a.a.O., Rn. 76 f.; Urteil der Großen Kammer vom 29. Januar 2008, Beschwerde-Nr. 13229/03, Saadi ./. Vereinigtes Königreich, NVwZ 2009, S. 375 ≪377≫, Rn. 67 ff.). Danach wird als maßgeblicher Zeitpunkt für die Vorhersehbarkeit der Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK insbesondere der Zeitpunkt der Begehung der Straftat als derjenigen Handlung in Betracht zu ziehen sein, an die die Freiheitsentziehung anknüpft. Dagegen geht es im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK im Kern nicht – wie etwa bei Art. 7 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK – um die Freiheitsentziehung wegen einer in der Vergangenheit liegenden Handlung sowie einer daran anknüpfenden Verurteilung, sondern um die Freiheitsentziehung wegen eines gegenwärtigen Zustandes (hier: einer psychischen Störung und der darauf beruhenden Gefährlichkeit für die Allgemeinheit) (vgl. auch Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 76).
Dem Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entspringt darüber hinaus die Notwendigkeit eines Zusammenhangs zwischen dem Zweck der Freiheitsentziehung und der Einrichtung, in der der Betreffende untergebracht ist (vgl. zuletzt EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 29. Januar 2008, Beschwerde-Nr. 13229/03, Saadi ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 69 a.E.; EGMR, Urteil vom 30. Juli 1998, Beschwerde-Nr. 61/1997/845/1051, Aerts ./. Belgien, Rn. 46). Die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK setzt daher nicht zuletzt voraus, dass der Betroffene an einem Ort und unter Umständen untergebracht ist, die der Tatsache Rechnung tragen, dass er (auch) aufgrund einer psychischen Störung untergebracht ist (vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland, Rn. 46: „einem Krankenhaus, einer Klinik oder einer anderen geeigneten Einrichtung”).
c) Unter Berücksichtigung dieser Wertungen und in Anbetracht des erheblichen Eingriffs in das Vertrauen der in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG betroffenen Sicherungsverwahrten tritt der legitime gesetzgeberische Zweck der angegriffenen Vorschriften, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, weitgehend hinter das grundrechtlich geschützte Vertrauen in ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren (so in den „Altfällen” im Anwendungsbereich des § 67d Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB) beziehungsweise in das Unterbleiben einer Anordnung der Sicherungsverwahrung (so in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG) zurück. Eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung kann daher nur noch als verhältnismäßig angesehen werden, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist (vgl. auch bereits BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 5 StR 394/10, 440/10, 474/10 –, NJW 2011, S. 240 ≪243≫) und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in der hier zugrundegelegten Auslegung erfüllt sind. Lediglich in solchen Ausnahmefällen kann noch von einem Überwiegen der öffentlichen Sicherheitsinteressen ausgegangen werden.
d) Hieran gemessen sind § 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB sowie § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot unvereinbar (aa). Die Vorschriften können nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass ihre Verfassungsmäßigkeit noch gewahrt ist (bb).
aa) Die Vorschriften sind mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot unvereinbar, weil der Abstand zur Strafe generell nicht gewahrt ist (vgl. zur Verletzung des Abstandsgebots bereits oben unter C. I. 2.) und der Einfluss von Art. 7 EMRK deshalb ein Ausmaß erreicht, das jede rückwirkende Anwendung der Vorschriften verbietet. Hinzu kommt, dass die Vorschriften in ihren gegenwärtigen Fassungen nicht sicherstellen, dass nur hochgefährliche Straftäter, deren Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK gerechtfertigt ist, erfasst sind.
bb) Die Vorschriften können nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass ihre Verfassungsmäßigkeit noch gewahrt ist.
(1) Im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfGE 8, 71 ≪78 f.≫). Die zur Vermeidung eines Nichtigkeitsausspruchs gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfGE 69, 1 ≪55≫). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert mithin eine Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfGE 86, 288 ≪320≫). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfGE 8, 28 ≪34≫; 54, 277 ≪299 f.≫ m.w.N.; 78, 20 ≪24≫ m.w.N.; 119, 247 ≪274≫).
(2) Vor diesem Hintergrund lässt keine der zur Überprüfung gestellten Vorschriften eine verfassungskonforme Auslegung zu.
Dies gilt nicht nur für § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB, der schon nach seinem Wortlaut keine Ansatzpunkte für eine entsprechende Auslegung erkennen lässt, sondern auch für § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG. Die letztgenannten Vorschriften räumen zwar den Fachgerichten einen Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite ein, der in der Formulierung „kann” zum Ausdruck kommt. Dieses Ermessen besteht jedoch nur innerhalb des Zwecks der Ermächtigung. Die Fachgerichte dürfen danach zwar trotz Vorliegens der Voraussetzungen im Einzelfall mit guten Gründen von einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung absehen, es ist ihnen jedoch verwehrt, die vom Gesetzgeber vorgesehene Rechtsfolge generell unangewendet zu lassen, die Vorschriften also gänzlich leerlaufen zu lassen und damit an Stelle des Gesetzgebers die grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung vollständig abgeschafft werden soll. Es obliegt allein dem Gesetzgeber festzulegen, ob sämtliche von der Rückwirkungsproblematik betroffenen Sicherungsverwahrten freizulassen sind oder lediglich diejenigen, in deren Fall dies verfassungsrechtlich zwingend ist.
Ebenso wenig ist es möglich, im Wege verfassungskonformer Auslegung der Ermessensermächtigung die vorhandenen gesetzlichen Regelungen auf ihren noch verfassungskonformen Teil zu reduzieren. Denn das zur Herstellung verfassungskonformer Verhältnisse im Recht der Sicherungsverwahrung erforderliche normative Instrumentarium steht den Fachgerichten derzeit nicht zur Verfügung. Die Verfassungsmäßigkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG) sowie der nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus (§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB) setzt den Erlass zusätzlicher, umfangreicher Vorschriften – insbesondere die Normierung der Anforderungen zur Wahrung des Abstandsgebots sowie der Voraussetzungen zur Feststellung der psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK – voraus, die bislang im Recht der Sicherungsverwahrung nicht vorhanden sind. Allein der Gesetzgeber ist in der Lage, unter Ausschöpfung seiner Gestaltungsmöglichkeiten und mit der notwendigen Detailliertheit die Voraussetzungen dafür zu normieren, unter denen eine weitere Sicherungsverwahrung verfassungsrechtlich zulässig ist. Ihm steht es dabei insbesondere auch frei, die Sicherungsverwahrung ganz oder teilweise durch eine Therapieunterbringung zu ersetzen, jedoch muss er deren Anwendungsbereich mit dem Recht der Sicherungsverwahrung in einer Weise verzahnen, die keinen Zweifel darüber lässt, ob ein Anwendungsbereich der hier in Rede stehenden Vorschriften verbleiben soll oder diese aufgehoben werden.
Aus den entsprechenden Gründen scheidet auch eine Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB aus, nach der Art. 5 und Art. 7 EMRK eine „andere gesetzliche Bestimmung” im Sinne dieser Vorschrift darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09 –, NStZ 2010, S. 567; Beschluss vom 18. Januar 2011 – 4 ARs 27/10 –, juris; Beschluss vom 17. Februar 2011 – 3 ARs 35/10 –; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24. Juni 2010 – 3 Ws 485/10 –, NStZ 2010, S. 573; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 Ws 157/10 –, juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 15. Juli 2010 – 1 OJs 3/10 u.a. –, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Juli 2010 – 2 Ws 458/09 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 4 Ws 180/10 –, juris; a.A. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 5 StR 394/10, 440/10, 474/10 –, NJW 2011, S. 240). Es liefe bereits dem gesetzgeberischen Regelungskonzept grundlegend zuwider, bei der Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB den allgemeinen Bestimmungen der Art. 5 und Art. 7 EMRK den Vorrang vor den speziellen und hinsichtlich der Frage der Rückwirkung eindeutigen Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Sicherungsverwahrung einzuräumen. Genau diese hatte der Gesetzgeber beim Erlass der Normen im Blick. Aus den Materialien zu § 2 Abs. 6 StGB ergibt sich, dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 6 StGB von vornherein gerade keinen Verstoß gegen Art. 7 EMRK sah (BTDrucks IV/650, S. 108; ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 1. Juni 2010 – 1 Ws 57/10 –, RuP 2010, S. 157). Die mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) eingeführten Neuerungen des § 67d StGB beabsichtigte der Gesetzgeber ausweislich des zugleich erlassenen Art. 1a Abs. 3 EGStGB „uneingeschränkt rückwirkend in Kraft zu setzen” (vgl. auch BTDrucks 13/9062, S. 12). Zudem verstößt die Fiktion, eine Einzelfallentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stelle ein innerstaatliches (Parlaments-)
Gesetz dar, gegen die grundgesetzlich vorgegebene Art und Weise der innerstaatlichen Wirkung der Europäischen Menschenrechtskonvention ebenso wie gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist kein Gesetz, sondern ein völkerrechtlicher Vertrag, der als solcher nicht unmittelbar in die staatliche Rechtsordnung eingreifen kann (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪322≫). Auch nach Erlass des Zustimmungsgesetzes handelt es sich weiterhin der Rechtsnatur nach um einen völkerrechtlichen Vertrag, dessen innerstaatliche Geltung lediglich durch den Vollzugsbefehl bewirkt wird (vgl. BVerfGE 90, 286 ≪364≫ und BVerfGE 104, 151 ≪209≫; s. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juni 2010 – 2 BvR 432/07, 2 BvR 507/08 –, juris, Rn. 27). Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besitzen ihrerseits ebenfalls keine Gesetzesqualität, vielmehr spricht Art. 46 Abs. 1 EMRK nur eine Bindung der beteiligten Vertragspartei an das endgültige Urteil in Bezug auf einen bestimmten Streitgegenstand aus („res iudicata”, vgl. BVerfGE 111, 307 ≪320≫).
Auch aus sonstigen Konventionsbestimmungen kann keine über den Einzelfall hinausgehende, strenge Präjudizienbindung der mitgliedstaatlichen Gerichte hergeleitet werden. In der kontinentalen Rechtstradition steht es – solange nicht eine ausdrückliche Regelung wie § 31 BVerfGG etwas anderes anordnet – innerhalb der Willkürgrenzen jedem Gericht jederzeit frei, eine Vorschrift anders auszulegen, als andere Gerichte dies zuvor getan haben (vgl. nur BVerfGE 78, 123 ≪126≫; 84, 212 ≪227≫; 87, 273 ≪278≫; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, 10. Aufl. 2009, Rn. 539 f.; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1991, S. 334; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 565 ff.; s. auch Ress, ZaöRV 2009, S. 289 ≪293≫). Nichts anderes gilt für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention, auch wenn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insoweit eine besondere Bedeutung zukommt, weil sich in ihr der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention und ihrer Protokolle widerspiegelt (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪319≫; vgl. auch Cremer, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 32 Rn. 90).
II.
Sind nach alledem die angefochtenen Vorschriften wegen der Verletzung des Abstandsgebots mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar, gilt dies auch für sämtliche Regelungen über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung sowie entsprechende Nachfolgeregelungen, die unter Nummer II.1. Buchstabe b) des Urteilstenors aufgeführt sind. Insoweit liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG seinen Ausspruch auf weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes ausdehnen kann. Die genannte Vorschrift ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden (BVerfGE 18, 288 ≪300≫; 40, 296 ≪328 f.≫; 91, 1 ≪25≫; 92, 53 ≪73≫; 94, 241 ≪265 f.≫; 98, 365 ≪401≫; 104, 126 ≪150≫; 110, 94 ≪140≫).
III.
Sämtliche von der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz betroffenen Vorschriften gelten trotz ihrer Verfassungswidrigkeit bis zu einer Neuregelung des Gesetzgebers, längstens bis zum 31. Mai 2013 weiter fort (1.). Bis dahin sind sie jedoch nur nach Maßgabe von Nummer III. des Urteilstenors anzuwenden (2.).
1. Steht eine Norm mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, so ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 1, § 78 Satz 1 BVerfGG). Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen die Nichtigerklärung einer Norm zu einem Zustand führt, „welcher der verfassungsmäßigen Ordnung noch weniger entsprechen würde” (BVerfGE 116, 69 ≪93≫), weil ein „rechtliches Vakuum” entstünde (BVerfGE 37, 217 ≪260 f.≫) beziehungsweise Regelungslücken zu einem „Chaos” führen würden (BVerfGE 73, 40 ≪42, 101 f.≫). Das Bundesverfassungsgericht belässt es hier in aller Regel bei einer Unvereinbarkeitserklärung und ordnet gleichzeitig die Weitergeltung der entsprechenden Normen für einen bestimmten Zeitraum an.
Vorliegend hätte die Nichtigerklärung der einschlägigen Normen zur Folge, dass es für die weitere Sicherungsverwahrung an einer Rechtsgrundlage fehlte und die Funktionsfähigkeit des bestehenden zweispurigen deutschen Maßregel- und Strafrechtssystems nachhaltig gestört wäre. Alle in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen müssten sofort freigelassen werden, was Gerichte, Verwaltung und Polizei vor kaum lösbare Probleme stellen würde. Mit einzubeziehen in die Folgeerwägungen sind sämtliche potentiellen Sicherungsverwahrten, in deren Fall die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zwar angeordnet wurde, die sich aber noch im Vollzug der Freiheitsstrafe befinden, und deren Antritt in die Sicherungsverwahrung trotz ihrer etwaigen hochgradigen Gefährlichkeit nicht möglich wäre.
Im Hinblick auf den Umfang der Maßnahmen, die zur praktischen Umsetzung des Abstandsgebots erforderlich sind (vgl. oben unter C.I.2.), muss sich die Weitergeltungsanordnung auf zwei Jahre erstrecken, damit das erforderliche Gesamtkonzept erarbeitet, die notwendigen zusätzlichen Personalkapazitäten geschaffen und die für eine räumliche Trennung von Maßregel- und Strafvollzug erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden können.
2. Angesichts des mit der Sicherungsverwahrung verbundenen – verfassungswidrigen – Grundrechtseingriffs ist es geboten, für die Zeit bis zu einer detaillierten gesetzlichen Neuregelung eine Übergangsregelung zu treffen, die zwar zur Vermeidung eines rechtlichen Vakuums eine weitere Anwendung der bisherigen Vorschriften und eine Fortsetzung der anhängigen Überprüfungsverfahren erlaubt (vgl. BVerfGE 73, 40 ≪101 f.≫ m.w.N.), jedoch die Wahrung verfassungsrechtlicher Mindestanforderungen sicherstellt. Die bestehenden Regelungen sind daher während der Weitergeltung mit den aus Nummer III. des Urteilstenors ersichtlichen Maßgaben anzuwenden (§ 35 BVerfGG).
a) Was die Vorschriften betrifft, die allein aufgrund einer Verletzung des Abstandsgebots mit dem Grundgesetz unvereinbar sind (vgl. Nummer II.1. und Nummer III.1. des Tenors), muss während der Dauer ihrer Weitergeltung bei der Rechtsanwendung der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG handelt. Der hohe Wert des Freiheitsgrundrechts beschränkt das übergangsweise zulässige Eingriffsspektrum. Während der Übergangszeit dürfen Eingriffe nur soweit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten. Dabei ist gegebenenfalls eine verfassungskonforme Auslegung des Normgehalts zu beachten (vgl. BVerfGE 109, 190 ≪239≫ m.w.N.). Die Regelungen dürfen nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden (vgl. BVerfGE 109, 190 ≪240≫). Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur unter der Voraussetzung gewahrt sein, dass eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstrafen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist.
b) Im Hinblick auf die Vorschriften, die mit dem Vertrauensschutzgebot unvereinbar sind (Nr. II.2. des Tenors), ist eine nach Maßgabe von Nummer III.2. des Tenors modifizierte Anwendung der vorübergehend weiter geltenden Vorschriften geboten. Angesichts dessen, dass die Bestimmung der Voraussetzungen einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in erster Linie dem Gesetzgeber obliegt (vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland, Rn. 55), ist insoweit auf das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz – ThUG) zurückzugreifen. Mit diesem hat der Gesetzgeber in Abweichung von der bisherigen Rechtslage, in der lediglich zwischen der Unterbringung gefährlicher Straftäter in einer Justizvollzugsanstalt zu Präventionszwecken auf der einen und der Unterbringung psychisch Kranker, die im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit Straftaten begangen hatten (§§ 20, 21, 63 StGB), auf der anderen Seite unterschieden wurde, erstmals die besonderen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK konkretisiert und eine weitere Unterbringungsart für psychisch gestörte, für die Allgemeinheit gefährliche Personen geschaffen, bei der im Rahmen des Verfahrens eine psychische Störung festgestellt und die Unterbringung sodann nicht in einer Justizvollzugsanstalt, sondern in einer therapeutischen Anstalt vollzogen wird. Das Therapieunterbringungsgesetz ist im vorliegenden Zusammenhang keiner verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Angesichts der dort entwickelten Konzeption ist jedoch davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber mit diesem Gesetz eine weitere Kategorie für die Unterbringung psychisch gestörter Personen mit durch ihre Straftaten indiziertem Gefährdungspotential schaffen wollte, die nicht an die Schuldfähigkeit im vergangenen Zeitpunkt der Begehung der Straftaten geknüpft ist, sondern auf den aktuellen psychischen (Dauer-)Zustand der Betreffenden und ihre daraus resultierende künftige Gefährlichkeit abstellt (vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, BTDrucks 17/3403, S. 53 f.). Diesem Anliegen des Gesetzgebers trägt die Übergangsregelung in Nr. III. des Urteilstenors, soweit möglich und geboten, Rechnung.
IV.
Die jeweils angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 und Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Sie sind daher aufzuheben und die Rechtssachen zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG); soweit sich der Beschwerdeführer zu III. auch gegen die einstweilige Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wendet, die mit Eintritt der Rechtskraft der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung erledigt war, verbleibt es bei der Feststellung der Grundrechtsverletzungen und der Zurückverweisung zur Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers.
1. Die angefochtenen Entscheidungen beruhen auf den verfassungswidrigen Vorschriften. Die Gründe der Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Gesetze führen daher auch zur Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen. Diese genügen den Anforderungen nicht, die sich für eine verfassungsgemäße Entscheidung auf der Grundlage der weiter geltenden Vorschriften aus den Maßgaben unter Nummer III. des Urteilstenors ergeben. Für die Feststellung einer Grundrechtsverletzung durch das Bundesverfassungsgericht ist insoweit allein die objektive Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich; es kommt nicht darauf an, ob die Grundrechtsverletzung den Fachgerichten vorwerfbar ist oder nicht. Es ist daher unerheblich, dass die Fachgerichte teilweise im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entscheidung das Kammerurteil der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland) noch nicht berücksichtigen konnten, weil dieses noch gar nicht ergangen war.
2. Bei ihrer erneuten Entscheidung werden die zuständigen Gerichte insbesondere den jeweiligen Grad der Gefährlichkeit der Beschwerdeführer zu würdigen und zu entscheiden haben, ob vor diesem Hintergrund die Prüfung einer relevanten psychischen Störung überhaupt notwendig erscheint. Erst im letzten Schritt wird zu fragen sein, ob eine solche vorliegt. Am Vorhandensein einer relevanten psychischen Störung bestehen insbesondere im Fall des Beschwerdeführers zu I. angesichts der im Sachverständigengutachten von Prof. N. angegebenen Rückfallwahrscheinlichkeiten, der Geringfügigkeit der Anlasstaten (Diebstähle) und des seit der Symptomtat der Vergewaltigung im Jahr 1978 vergangenen, langen Zeitraums von vornherein erhebliche Zweifel. Die inzwischen zum 17. Mai 2011 wirksam werdende Erledigungserklärung auf der Grundlage von Art. 316e Abs. 3 EGStGB weist aus anderen Gründen in die gleiche Richtung, erledigt aber das Beschwerdebegehren derzeit nicht. Im Übrigen werden die Fachgerichte auch die Möglichkeiten einer Führungsaufsicht auszuloten und sich damit auseinanderzusetzen haben, ob und inwieweit der Gefährlichkeitsgrad des jeweiligen Beschwerdeführers hierüber reduziert werden kann.
D.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪132≫; 104, 357 ≪358≫; 105, 135 ≪136≫).
E.
Die Entscheidung ist hinsichtlich des Tenors zu II.2. und IV. einstimmig, im Übrigen mit 7:1 Stimmen ergangen.
Unterschriften
Voßkuhle, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau, Huber, Hermanns
Fundstellen