Entscheidungsstichwort (Thema)
Entbehrlichkeit der Beiladungsnachholung der obersten Aufsichtsbehörde
Normenkette
VwGO § 99 Abs. 1 S. 3 Alt. 3
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 04.07.2022; Aktenzeichen 12 F 10152/22) |
Tenor
Die Beschwerden der Beigeladenen zu 1 und zu 2 werden zurückgewiesen.
Die Beigeladenen zu 1 und zu 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Alle Beteiligten tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
I
Rz. 1
In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren verlangt die Klägerin nach dem Landestransparenzgesetz Einsicht in eine Vereinbarung zwischen dem Beklagten und den Beigeladenen sowie verschiedenen Gesellschaften, die die Beigeladenen als Sachwalter bzw. Sanierungsgeschäftsführer in einem Insolvenzverfahren abgeschlossen haben.
Rz. 2
Nachdem das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert hatte, die vollständigen einschlägigen Akten und Verwaltungsvorgänge vorzulegen, legte dieser die fragliche Vereinbarung sowie Korrespondenz zwischen den Beigeladenen und dem Finanzministerium des Landes Rheinland-Pfalz (im Folgenden: Finanzministerium) mit Teilschwärzungen vor. Im Übrigen übersandte er eine Sperrerklärung des Finanzministeriums vom 18. Dezember 2020. Dort heißt es, die geschwärzten Teile der Vereinbarung erlaubten Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Beigeladenen in insolvenzrechtlichen Fällen. Sie seien als Voraussetzung einer erfolgreichen Berufsausübung und des wirtschaftlichen Erfolges der Beigeladenen anzusehen und als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu schützen. Rückschlüsse auf diese Geheimnisse erlaubten auch die geschwärzten Stellen in den Schreiben des Ministeriums der Finanzen vom 9. März 2020 und vom 24. September 2020 sowie den Schreiben der Beigeladenen vom 17. März 2020, 31. März 2020, 1. Oktober 2020 und vom 20. Oktober 2020. Die Abwägung zwischen dem Untersuchungsgrundsatz des Gerichts und dem damit einhergehenden Interesse des Rechtsschutzsuchenden sowie der Berufs- und Eigentumsfreiheit der Beigeladenen falle zugunsten der Geheimhaltung aus. Der Rechtsschutz der Klägerin werde nicht verkürzt, da im In-camera-Verfahren faktisch durch das Oberverwaltungsgericht über die Hauptsache entschieden werde und sie daher nicht fürchten müsse, dass das Verwaltungsgericht auf unsicherer Tatsachengrundlage entscheiden werde.
Rz. 3
Unter dem 19. Januar 2021 beantragte die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung.
Rz. 4
Am 24. Januar 2022 beschloss das Verwaltungsgericht, dass die Vorlage der vollständigen und ungeschwärzten Verwaltungsakten bezüglich des Auskunftsverfahrens nach dem Landestransparenzgesetz betreffend eine Vereinbarung vom 23. Dezember 2015 zwischen dem Beklagten und den Beigeladenen sowie der N. GmbH, der M. GmbH und der C. GmbH im hiesigen Verfahren rechtserheblich sei und der Vorgang gemäß § 99 Abs. 2 VwGO dem Oberverwaltungsgericht vorgelegt werde. Ein Informationszugangsanspruch der Klägerin komme nach dem Landestransparenzgesetz grundsätzlich in Betracht und sei nicht durch § 2 Abs. 3 LTranspG und insolvenzrechtliche Auskunftsansprüche gesperrt. Da es sich um amtliche Informationen des Beklagten als zuständige Stelle nach § 3 Abs. 1, § 11 Abs. 2 LTranspG handele, sei für den Anspruch nach § 11 LTranspG ein Ausschlussgrund nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LTranspG zu prüfen. Das Klagebegehren richte sich allein auf die Einsichtnahme in die vom Beklagten nicht vorgelegten und von der Sperrerklärung erfassten Aktenbestandteile. Ohne deren vollständige Vorlage sei nicht zu klären, ob Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse die Verweigerung des Informationszugangs rechtfertigten.
Rz. 5
Eine Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24. Januar 2022 verwarf das Oberverwaltungsgericht am 10. Mai 2022. Die Beschwerde richte sich gegen eine unanfechtbare prozessleitende Verfügung und sei daher nicht statthaft.
Rz. 6
Mit Beschluss vom 4. Juli 2022 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 18. Dezember 2020 festgestellt. Das Verwaltungsgericht habe die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen mit Beschluss vom 24. Januar 2022 ordnungsgemäß bejaht. An dessen nachvollziehbare, nicht offensichtlich fehlerhafte Begründung sei der Fachsenat gebunden. Die Ausschöpfung anderer Aufklärungsmöglichkeiten sei nicht versäumt worden. Der allein angeführte Geheimhaltungsgrund des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beigeladenen und von Insolvenzgläubigern rechtfertige die Verweigerung bzw. die Schwärzungen nicht. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse lägen nicht vor.
Rz. 7
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Entscheidungserheblichkeit der gesperrten Aktenbestandteile ausgegangen. Der Anwendungsbereich des Landestransparenzgesetzes sei nicht erfüllt. Die streitgegenständliche Vereinbarung habe das Land als Gläubiger im Insolvenzverfahren geschlossen und damit nicht in Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Es sei damit nicht Behörde im Sinne von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 LTranspG. Der begehrte Informationszugang würde dem Insolvenzverfahren und dessen gesetzlichen Grundlagen widersprechen und zu Wertungswidersprüchen zu den Auskunftsansprüchen nach der Insolvenzordnung führen. Die Insolvenzordnung dürfe nicht durch landesrechtliche Bestimmungen leerlaufen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bindung des Fachsenats an die Einschätzung der Entscheidungserheblichkeit der verlangten Unterlagen durch das Gericht der Hauptsache bis zur Grenze der offensichtlichen Unrichtigkeit oder Verletzung der Amtsermittlungspflicht müsse geändert werden. Diese Rechtsprechung verkürze den Rechtsschutz der Beigeladenen, die gegen den Beweisbeschluss kein Rechtsmittel führen könnten und damit keine Möglichkeit hätten, in einem rechtsmittelfähigen Verfahren klären zu lassen, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach dem einschlägigen Fachrecht vorlägen. Dies widerspreche verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Sperrerklärung sei rechtmäßig. Die streitgegenständlichen Unterlagen enthielten ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die Offenlegung der geschwärzten Unterlagen beeinträchtige die ausschließliche Nutzung ihres Wissens für die eigene berufliche Tätigkeit. In das Vertragswerk seien ihre Erfahrungen und ihr besonderes Wissen insbesondere um die Bedeutung des EU-Beihilferechts für Insolvenzverfahren eingeflossen. Dieses Know-how dürfe anderen Teilnehmern am Markt der Insolvenzverwalter und -berater nicht zur Verfügung gestellt werden, weil diese sonst ihre Marktposition zum Nachteil der Beigeladenen stärken könnten. Presseartikel enthielten allenfalls einzelne Angaben aus den Verträgen, so dass diese auch nicht bereits in der Öffentlichkeit bekannt geworden seien.
Rz. 8
Die Klägerin tritt der Beschwerde entgegen.
II
Rz. 9
1. Im Beschwerdeverfahren war die von § 99 Abs. 2 Satz 6 VwGO vorgeschriebene Beiladung der obersten Aufsichtsbehörde ausnahmsweise nicht nachzuholen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. August 2002 - 2 AV 3.02 - BVerwGE 117, 42 f., vom 12. September 2022 - 20 F 7.22 - juris Rn. 6 und vom 28. November 2022 - 20 F 2.22 - juris Rn. 6), weil sie bereits als Vertretungsbehörde beteiligt ist (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 2. Januar 2009 - 13a F 31/07 - NVwZ 2009, 794, Jacob, in: Brandt/Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 5. Aufl. 2023, O.VI.1.c) Rn. 137).
Rz. 10
2. Die zulässigen Beschwerden der Beigeladenen zu 1 und 2 sind unbegründet, weil der Fachsenat zutreffend die Zulässigkeit des Antrages und die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung festgestellt hat.
Rz. 11
a) Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts geht mit Recht davon aus, dass die Entscheidungserheblichkeit der fraglichen Unterlagen durch das Gericht der Hauptsache ordnungsgemäß verlautbart wurde.
Rz. 12
aa) Aus der durch § 99 VwGO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen dem Fachsenat und dem Gericht der Hauptsache folgt, dass zunächst das zur Sachentscheidung berufene Hauptsachegericht zu prüfen und förmlich darüber zu befinden hat, ob und gegebenenfalls welche Informationen aus den Akten für eine Sachentscheidung erforderlich sind, bevor die oberste Aufsichtsbehörde über die Freigabe oder Verweigerung der in Rede stehenden Aktenteile befindet; hat das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden; eine andere Beurteilung durch ihn kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 2008 - 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 Rn. 13 m. w. N. und vom 3. Juni 2013 - 20 F 9.13 - juris Rn. 8). Eine Bindungswirkung entfällt auch dann, wenn das Gericht der Hauptsache seiner Verpflichtung nicht genügt, die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der ungeschwärzten Aktenvorlage zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 4 m. w. N.).
Rz. 13
Ist - wie hier - ein Anspruch auf Informationszugang Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Gericht der Hauptsache, folgt daraus nicht zwingend, dass es für seine Sachentscheidung der Einsicht in die zurückgehaltenen Aktenteile bedarf. Solche Streitigkeiten führen nicht gleichsam automatisch zu einem Verfahren vor dem Fachsenat. Es kann Fallgestaltungen geben, bei denen es für die Feststellung materieller Geheimhaltungsgründe auf die Kenntnis der konkreten Akteninhalte nicht ankommt. Ob es zur Beurteilung des Geheimhaltungsbedarfs als Erkenntnishilfe der streitigen Akten bedarf, kann neben dem Zuschnitt der Geheimhaltungsgründe davon abhängen, ob die betreffenden Akteninhalte ihrem Gegenstand nach unstreitig sind und auf dieser Grundlage über die fachgesetzlichen Geheimhaltungsgründe entschieden werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 5 m. w. N.).
Rz. 14
Selbst wenn das Gericht der Hauptsache zunächst in einem Beweisbeschluss in ausreichender Weise die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Akten verlautbart hat, kann es verpflichtet sein, die Entscheidungserheblichkeit nach der daraufhin erfolgten Abgabe der Sperrerklärung erneut zu überprüfen. Ist erst in der Sperrerklärung der Inhalt der angeforderten Unterlagen jedenfalls stichwortartig näher beschrieben worden, hat zunächst das zur Sachentscheidung berufene Gericht der Hauptsache förmlich darüber zu befinden, ob es die im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen ohne Einsicht in die angeforderten Unterlagen auf der Grundlage der abstrakten Umschreibung ihres Inhalts beantworten kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 - juris Rn. 5 m. w. N.).
Rz. 15
bb) Hiernach hat das Verwaltungsgericht mit dem Beschluss vom 24. Januar 2022 die Entscheidungserheblichkeit der geschwärzten Passagen, auf die sich die Sperrerklärung bezieht, ordnungsgemäß verlautbart. Es führt widerspruchsfrei und nachvollziehbar aus, dass der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht durch vorrangige und abschließende Bestimmungen des Insolvenzrechts verdrängt wird, und dass der Beklagte als zuständige Stelle Verpflichteter eines Anspruches ist, dem allerdings der Ausschlussgrund des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LTranspG entgegenstehen kann. Das Gericht der Hauptsache hat auch in Kenntnis der Erläuterungen der Sperrerklärung plausibel dargetan, dass es zur Prüfung des Vorliegens von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen den Inhalt der geschwärzten Passagen kennen muss. Auch unter Berücksichtigung der Einwände der Beigeladenen insbesondere im Schriftsatz vom 20. November 2022 sind die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 24. Januar 2022 jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft.
Rz. 16
Der Senat hält auch nach Prüfung der Einwände der Beigeladenen gegen seine Rechtsprechung zur Anforderung an die ordnungsgemäße Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit durch das Gericht der Hauptsache an dieser fest. Der im In-camera-Verfahren zuständige Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts als Beschwerdeinstanz ist nicht als Rechtsmittelgericht zur Überprüfung der Entscheidung des Hauptsachegerichts berufen. Er entscheidet grundsätzlich auch nicht über die einen Beweisbeschluss tragenden rechtlichen Erwägungen zu den fachgesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen, die allenfalls durch das zuständige Rechtsmittelgericht überprüft werden, wenn und soweit die Prozessordnung ein Rechtsmittel gegen End- oder Zwischenentscheidungen einräumt. Ist dies - wie hier hinsichtlich des Beweisbeschlusses - nicht der Fall, ersetzt das Beschwerdeverfahren im Zwischenverfahren nicht das Fehlen eines Rechtsmittels gegen Beweisbeschlüsse in der Hauptsache. Dies würde der in § 99 VwGO angelegten Systematik der Aufgabenverteilung zwischen Hauptsachegericht und Fachsenat widersprechen. Denn das Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO dient der Kontrolle der von der obersten Aufsichtsbehörde gegen eine Aktenvorlage geltend gemachten Geheimhaltungsgründe, nicht der Kontrolle der für das Hauptsacheverfahren zuständigen Verwaltungsgerichte. Damit wird den Beigeladenen auch nicht effektiver Rechtsschutz genommen. Dieser Grundsatz gibt keinen Anspruch auf ein Rechtsmittel, das die Prozessordnung nicht einräumt. Weder Art. 19 Abs. 4 GG noch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip gewährleisten einen Instanzenzug (BVerfG, Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - BVerfGE 92, 365 ≪410≫; BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2004 - 4 A 32.02 - BVerwGE 120, 87 ≪93≫ jeweils m. w. N.).
Rz. 17
b) Zutreffend hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts auch ausgeführt, dass der allein geltend gemachte Weigerungsgrund des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO die Sperrerklärung nicht rechtfertigt.
Rz. 18
aa) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und Auskünften verpflichtet. Die zuständige oberste Aufsichtsbehörde kann gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Vorlage nur verweigern, wenn das Bekanntwerden des Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.
Rz. 19
Zu den Vorgängen, die gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, gehören die nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 5. März 2020 - 20 F 3.19 - NVwZ 2020, 715 Rn. 11 m. w. N.). Diese umfassen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - BVerfGE 115, 205 ≪230≫ und Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 - BVerfGE 137, 185 Rn. 181; BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2019 - 20 F 11.17 - juris Rn. 13 und Urteil vom 17. Juni 2020 - 10 C 22.19 - NWVBl. 2020, 500 Rn. 13). Dabei betreffen Betriebsgeheimnisse im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne und Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - BVerfGE 115, 205 ≪230≫ und Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 - BVerfGE 137, 185 Rn. 181).
Rz. 20
Der von der Rechtsprechung entwickelte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist durch das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom 18. April 2019 (BGBl. I S. 466 - GeschGehG) vor allem mit Blick auf das private Wirtschaftsrecht näher ausgestaltet worden. Danach umfasst der Begriff des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG nunmehr gleichermaßen technische wie kaufmännische Informationen (BT-Drs. 19/4724 S. 24; BVerwG, Beschluss vom 5. März 2020 - 20 F 3.19 - NVwZ 2020, 715 Rn. 12). § 2 Nr. 1 Buchst. a GeschGehG, der ungeachtet des Vorranges spezieller öffentlich-rechtlicher Vorschriften gemäß § 1 Abs. 2 GeschGehG als Auslegungshilfe herangezogen werden kann (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 - 10 C 22.19 - NWVBl. 2020, 500 Rn. 15 f.), spricht von einer Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert ist. Das neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen nach § 2 Nr. 1 Buchst. c GeschGehG erforderliche berechtigte Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 2020 - 20 F 3.19 - NVwZ 2020, 715 Rn. 11). Schutzzweck des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist die Verteidigung der wirtschaftlichen Stellung des Betroffenen gegenüber den Marktkonkurrenten. Erforderlich ist demnach eine Wettbewerbsrelevanz der offenzulegenden Unterlagen, die darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG die Information Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 2020 - 20 F 3.19 - NVwZ 2020, 715 Rn. 11).
Rz. 21
Zu den Geschäftsgeheimnissen zählen unter anderem Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Informationen zur Kreditwürdigkeit und Kalkulationsunterlagen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - BVerfGE 115, 205 ≪230 f.≫ und Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 - BVerfGE 137, 185 Rn. 181; BVerwG, Beschluss vom 24. November 2015 - 20 F 4.14 - juris Rn. 20). Auch konkrete Vertragsgestaltungen, d. h. ein bestimmtes Vertragswerk, können danach geschützt sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 20 F 13.15 - juris Rn. 20 m. w. N.). Als Geschäftsgeheimnisse kommen insbesondere die Details vertraglicher Vereinbarungen wie Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile, Zahlungsbedingungen und Angaben zu beteiligten Unternehmen in Betracht (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 - BVerfGE 137, 185 Rn. 181).
Rz. 22
bb) Hiernach ist die Sperrerklärung vom 18. Dezember 2020 in materieller Hinsicht rechtswidrig. Zur Begründung verweist der Senat in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss. Hinsichtlich der geschwärzten Teile der von der Sperrerklärung erfassten Dokumente ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, dass es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1 und 2 handeln könnte. Soweit die Art der in Rede stehenden Vereinbarung nicht ohnehin bereits durch die von der Vorinstanz in Bezug genommenen Medienberichterstattung allgemein bekannt ist, enthalten die fraglichen Vertragsbestandteile keine Regelungen und die Schreiben der Beigeladenen zu 1 und 2 keine rechtlichen Hinweise, zu denen nicht jeder Volljurist jedenfalls nach Konsultation juristischer Fachliteratur und der lege artis gebotenen Erkundigung bei den Vertragsparteien zu deren wirtschaftlichen Interessen am Vertragsschluss in der Lage wäre. Hinsichtlich der Tabelle im Anhang der Vereinbarung vom 23. Dezember 2015 ist zudem weder dargetan noch ersichtlich, wieso die Beschwerdeführer Rechte der dort aufgeführten Personen oder Gesellschaften geltend machen könnten, so dass eine Verletzung eigener Rechte der Beschwerdeführer fernliegt.
Rz. 23
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Dokument-Index HI16241421 |