Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 23.02.2011; Aktenzeichen 2 S 196/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 53 504 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
1. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Rz. 3
a) Die Klägerin macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe es unterlassen, ihre Steuererklärungen für das Jahr 2008 für den Betrieb in der S…. Straße … in L…, insbesondere hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, einschließlich der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen sowie die Bilanz für das Jahr 2008 und die Steuerbescheide des Finanzamts zur Umsatzsteuer und zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einerseits, andererseits die geführten täglichen Zimmerlisten über die tägliche Zimmerbelegung in ihrem Betrieb und die durch sie abgeführten Pauschalsteuersummen für den Zeitraum des Jahres 2008 beim Finanzamt Stuttgart beizuziehen und auszuwerten. Darüber hinaus hätte der Verwaltungsgerichtshof ein Sachverständigengutachten zum Beweis dafür einholen müssen, dass ihre Steuererklärungen für das Jahr 2008 sowie die Bilanz für das Jahr 2008 und die Steuerbescheide des Finanzamts zur Umsatzsteuer und zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einerseits, andererseits die geführten täglichen Zimmerlisten über die tägliche Zimmerbelegung im Betrieb und die durch die Klägerin abgeführten Pauschalsteuersummen für den Zeitraum des Jahres 2008 beim Finanzamt Stuttgart hinsichtlich der Zimmerbelegung übereinstimmten und nicht voneinander abwichen und die Festsetzung der Vergnügungssteuer anhand der geführten Zimmerbelegungslisten und Steuerunterlagen ohne unzumutbaren Kontrollaufwand durch die Beklagte erfolgen könne. Daraus hätte sich ergeben, dass die Vergnügungssteuer anhand der Zimmerbelegungslisten ohne unzumutbaren Aufwand hätte festgesetzt werden können. Dieses Vorgehen hätte sich auch aufgedrängt. Der Belegungsmaßstab, der dann ohne Weiteres anwendbar gewesen wäre, sei ein evident sachnäherer Wahrscheinlichkeitsmaßstab und damit sachlich eher gerechtfertigt als der Flächenmaßstab.
Rz. 4
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen entscheidungserheblichen Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht auf. Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur Erfolg haben, wenn die für aufklärungsbedürftig gehaltenen Tatsachen zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Dabei ist von der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts auszugehen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 – BVerwG 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 ≪119≫; Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1).
Rz. 5
Hiernach musste sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Sachaufklärung nicht aufdrängen. Denn er hat seine Annahme, ein an die tatsächliche Zimmerbelegung anknüpfender Besteuerungsmaßstab sei mit unzumutbarem Kontrollaufwand verbunden, Kontrollanforderungen zugrunde gelegt, zu denen sich mit den von der Beschwerde bezeichneten Erkenntnismitteln keine Feststellungen hätten treffen lassen. Er hat für die Frage, welchen Kontrollaufwand der Belegungsmaßstab erfordert, auf eine Kontrolle der tatsächlichen Zimmerbelegung wie auch des von den Prostituierten tatsächlich an die Klägerin gezahlten Entgelts abgestellt, nicht aber auf eine Kontrolle lediglich durch Überprüfung von der Klägerin erstellter Belegungslisten und der von den Prostituierten entrichteten Pauschalsteuer (UA S. 16). Für die vom Verwaltungsgerichtshof danach als maßgeblich erachtete Fragestellung hätte die von der Beschwerde vermisste Sachaufklärung nichts hergegeben.
Rz. 6
Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof den Belegungsmaßstab auch deshalb für ungeeignet gehalten, weil er der gleichmäßigen Besteuerung der Betriebe nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 der Vergnügungssteuersatzung (VgnStS) zuwiderliefe. Die Betriebe wiesen verschiedene Organisationsformen auf und ließen sich insbesondere die Teilnahme an den sexuellen Vergnügungen unterschiedlich entgelten. Teilweise hätten die Besucher das Entgelt gegenüber den Prostituierten zu entrichten, teilweise sei ein Eintrittsgeld bzw. seien erhöhte Getränke- und Verzehrpreise zu bezahlen. Deshalb werde ein Maßstab, der darauf abstelle, in welchem Umfang die Veranstaltungsfläche des jeweiligen Betriebes tatsächlich in Anspruch genommen werde, den Gegebenheiten der jeweiligen Betriebe von vorneherein nicht gerecht (UA S. 17). Für diese Rechtsauffassung, die den Grundsatz der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) zugrunde legt, kam es auf die begehrte Aufklärung ebenfalls nicht an.
Rz. 7
Letztlich greift die Beschwerde im Gewand einer Verfahrensrüge die rechtliche und tatsächliche Würdigung durch den Verwaltungsgerichtshof an, weil sie den Flächenmaßstab für weniger geeignet als den Belegungsmaßstab hält; sie meint darüber hinaus, die Beklagte könne anhand der Listen die für die Vergnügungssteuer erforderlichen Parameter in hinreichender Weise überprüfen, weil das Finanzamt die Listen ebenfalls ausreichen lasse. Die rechtliche und tatsächliche Würdigung ist jedoch dem materiellen Recht zuzuordnen. Mit einer solchen Kritik lässt sich eine Verfahrensrüge deshalb nicht begründen (stRspr, Beschluss vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18).
Rz. 8
b) Die Beschwerde rügt darüber hinaus als Aufklärungsmangel, dass der Verwaltungsgerichtshof weder den Vergnügungssteuerbescheid für 2008 betreffend den im Gebiet der Beklagten vorhandenen weiteren Betrieb “P…” noch die einschlägigen Bauakten beigezogen und ausgewertet habe. Wären diese Unterlagen beigezogen worden, hätte sich ergeben, dass die Beklagte im Vergnügungssteuerbescheid 2008 für den genannten Betrieb den Begriff der öffentlichen Zugänglichkeit und damit die der Besteuerung zugrunde liegende Fläche anders als bei der Klägerin einschränkend angewendet und daher bei einer Gesamtfläche von ca. 5 500 m2 nur 2 000 m2 der Besteuerung unterworfen habe. Deshalb könne sich die Klägerin auf eine Selbstbindung der Verwaltung berufen.
Rz. 9
Der gerügte Aufklärungsmangel liegt nicht vor. Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kam es auf die beantragte Beiziehung der Unterlagen nicht an. Er ist nämlich gerade nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Vergnügungssteuersatzung bei der Festsetzung der Vergnügungssteuer für den Betrieb “P…” im Hinblick auf die anzurechnenden Veranstaltungsflächen “einschränkend” ausgelegt habe. Vielmehr hat er – auf der Grundlage des auch der Klägerin gegenüber für zutreffend erachteten Satzungsverständnisses – die Angaben der Beklagten, nach denen die anrechenbaren Flächen auch für die Vergnügungssteuerberechnung für diesen Betrieb angenommen worden seien, als unstreitig angesehen, weil ihnen von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen worden ist.
Rz. 10
2. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.
Rz. 11
Die Klägerin hält für klärungsbedürftig,
“ob § 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten, mit welchem der Inhaber genutzter Räume, Grundstücke oder Einrichtungen bzw. der, der die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, zum Steuerschuldner bestimmt wird, gegen Art. 3 GG und das verfassungsrechtliche Willkürverbot verstößt”.
Rz. 12
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫, vom 23. April 1996 – BVerwG 11 B 96.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10 S. 15, vom 30. März 2005 – BVerwG 1 B 11.05 – NVwZ 2005, 709 und vom 2. August 2006 – BVerwG 9 B 9.06 – NVwZ 2006, 1290). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Rz. 13
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung irrevisiblen Landesrechts wie des hier in Rede stehenden § 3 Abs. 2 VgnStS eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Beschluss vom 20. September 1995 – BVerwG 6 B 11.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8 m.w.N.). Ein solcher Klärungsbedarf ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen.
Rz. 14
Soweit die Beschwerde auf die Frage abhebt, wann das Willkürverbot und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bei der Bestimmung des für die Steuer Haftenden eingreift (Beschwerdebegründung S. 20), verfehlt sie den rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichtshofs. Denn der Verwaltungsgerichtshof geht nicht davon aus, dass die Klägerin im Rahmen einer steuerlichen Haftung i.S.d. §§ 69 ff. AO in Anspruch genommen wird. Vielmehr nimmt er nach der den Senat bindenden Auslegung nichtrevisiblen Landesrechts an, dass § 3 Abs. 2 VgnStS die Bestimmung des Steuerschuldners nach § 3 Abs. 1 VgnStS ergänzt, nicht aber einen Haftungstatbestand beschreibt. Insoweit hat die Beschwerde keine konkrete, aber fallübergreifende Rechtsfrage aufgezeigt, bei deren Beantwortung die vom Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 1. April 1971 – 1 BvL 22/67 – BVerfGE 31, 8 ≪19 f.≫ und vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 – BVerfGE 123, 1 ≪22 f.≫ und Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 13. April 2005 – BVerwG 10 C 5.04 – BVerwGE 123, 218 ≪219 f.≫ und vom 10. Dezember 2009 – BVerwG 9 C 12.08 – BVerwGE 135, 367 Rn. 28) aufgestellten Grundsätze zur Person des Steuerschuldners weiter ausdifferenziert werden müssten. Die abstrakten Überlegungen der Beschwerde zu einer etwa gebotenen Weiterentwicklung bzw. Verfeinerung der Rechtsprechung ersetzen eine solche Fragestellung nicht.
Rz. 15
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bier, Dr. Nolte, Buchberger
Fundstellen