Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessführungsbefugnis. Normenkontrollverfahren. Veräußerung
Leitsatz (amtlich)
Veräußert der Grundeigentümer, der sich antragsbefugt mit einem verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren gegen die Gültigkeit eines Bebauungsplans wendet, während des Normenkontrollverfahrens sein Grundstück und führt der Erwerber den Rechtsstreit nicht in eigenem Namen fort, bleibt es gemäß § 173 VwGO, § 265 Abs. 2 ZPO bei der Prozessführungsbefugnis des ursprünglichen Eigentümers.
Normenkette
VwGO § 47; ZPO § 265 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 05.04.2001; Aktenzeichen 1 K 1593/00) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. April 2001 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
Die Beschwerde macht geltend, das Normenkontrollgericht habe die Antragsbefugnis der Antragstellerin für den im Jahre 2000 gestellten Normenkontrollantrag an § 47 Abs. 2 VwGO in der bis Ende 1996 geltenden Fassung geprüft und sei damit von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in BVerwGE 107, 215 abgewichen. Die Rüge ist unzulässig, weil sie den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes nicht genügt. Sie arbeitet nämlich nicht – was Voraussetzung für die Annahme einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wäre – zwei sich widersprechende abstrakte Rechtssätze aus den beiden Entscheidungen heraus, sondern wirft dem Normenkontrollgericht lediglich vor, eine falsche Vorschrift angewendet zu haben. Die Rüge ist zudem auch in der Sache unberechtigt. Wie sich nämlich aus dem im letzten Absatz auf Seite 7 des Normenkontrollurteils zitierten Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz VwGO ergibt, hat das Gericht die Vorschrift in seiner aktuellen Fassung angewendet, also auf die „Möglichkeit einer Rechtsverletzung” abgestellt. Dem steht nicht entgegen, dass im späteren Text des Urteils auch vom „Nachteil” die Rede ist; hier ist dieser Begriff aus älteren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, mit denen sich das Normenkontrollgericht auseinander setzt, übernommen worden; gemeint ist aber auch hier nur die Antragsbefugnis als die „Möglichkeit einer Rechtsverletzung”.
Die streitgegenständliche Fassung des Bebauungsplans Nr. 35 ist während des Normenkontrollverfahrens außer Kraft getreten. Unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 1978 – BVerwG 7 N 1.78 – (BVerwGE 56, 172 ≪176≫) und vom 2. September 1983 – BVerwG 4 N 1.83 – (BVerwGE 68, 12) bejaht das Normenkontrollgericht gleichwohl die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags. Daran anknüpfend, hält die Beschwerde für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig, welche Anforderungen an die Antragsbefugnis und an das Rechtsschutzinteresse nach der Neufassung des § 47 Abs. 2 VwGO zu stellen sind. Der geltend gemachte Klärungsbedarf besteht nicht. Durch die Änderung des § 47 Abs. 2 VwGO sind die Voraussetzungen der Antragsbefugnis für ein Normenkontrollverfahren gegen eine noch (formell) geltende Norm – geringfügig – geändert worden. Die Konstellation, dass die Norm während des Normenkontrollverfahrens außer Kraft tritt, wird durch die Gesetzesänderung nicht berührt. Zu Recht hat die Vorinstanz deshalb die bisherige Rechtsprechung hierzu als weiterhin einschlägig angesehen.
Die Frage, „ob ein Antragsteller eine Verletzung in eigenen Rechten i.S.d. § 47 Abs. 2 VwGO geltend machen kann, wenn er sich gegenüber der Gemeinde zivilrechtlich zur Durchführung des Vorhabens verpflichtet hat, das er mit der Normenkontrolle gerade bekämpft”, ob er in einem solchen Fall „treuwidrig” handelt, lässt sich nicht rechtsgrundsätzlich beantworten, sondern hängt von den weiteren Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Hier hatte offenbar die Antragsgegnerin selbst dieses Argument nicht vorgetragen, und auch das Normenkontrollgericht hat keinen Anlass gesehen, auf diese Frage auch nur einzugehen. Eine Grundlage für weiterführende Erörterungen ist deshalb nicht vorhanden.
Zu der Frage, welche Bedeutung der Verlust des Eigentums an dem Grundstück, zu dessen Schutz das Normenkontrollverfahren durchgeführt wird, auf die Antragsbefugnis des Antragstellers hat, mag es bisher noch keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geben. Gleichwohl bedarf es zu ihrer Klärung keines Revisionsverfahrens. Die Frage beantwortet sich nämlich aus den §§ 265 ff. ZPO i.V.m. § 173 VwGO, die auch im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan anzuwenden sind (so auch ausdrücklich OVG Berlin, Urteil vom 26. Januar 1996 – 2 A 9/92 – NVwZ 1997, 506). Die Festsetzungen des Bebauungsplans über die Nutzung der Grundstücke bestimmen Inhalt und Schranken des Grundeigentums. Über die sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplans ergebenden öffentlich-rechtlichen Eigenschaften des Grundstücks wird im Normenkontrollverfahren gestritten. Für derartige Prozesse bestimmt § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO, dass die Veräußerung des Grundstücks auf den Prozess grundsätzlich keinen Einfluss hat. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, wenn nämlich der Rechtsnachfolger die Fortführung des Prozesses ablehnt, bleibt es bei der Prozessführungsbefugnis des früheren Eigentümers.
Soweit die Beschwerde eine Abweichung von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 1984 – BVerwG 4 B 191.83 – (BVerwGE 69, 30) rügt, genügt sie schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde entnimmt dieser Entscheidung den Rechtssatz, die planende Gemeinde könne die Möglichkeiten des Konflikttransfers nutzen und müsse nicht alle mit der Planung eines Vorhabens zusammenhängenden Probleme bereits auf der Stufe des Bebauungsplans lösen. Sie legt jedoch nicht dar, dass das Normenkontrollgericht einen widersprechenden Rechtssatz aufgestellt habe. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gegeben sein. In Wirklichkeit macht die Beschwerde auch hier nur geltend, dass die Normenkontrollentscheidung anders hätte ausfallen müssen, wenn das Gericht die Rechtsprechung des Senats beachtet hätte. Unabhängig von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der materiellen Rechtsauffassung der Beschwerde reicht dieser Vortrag im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht aus.
Schließlich rechtfertigt auch die Frage, „in welchem Umfang Eigentümerinteressen, einen mit der Gemeinde geschlossenen Vertrag nicht einzuhalten, in die Abwägung einzustellen sind”, die Revisionszulassung nicht. Denn diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Der vom Normenkontrollgericht angenommene Abwägungsmangel beruht darauf, dass die Planung den Konflikt zwischen Wohnbebauung und Gaststättennutzung nicht gelöst habe. Der Abwägungsausfall, den das Normenkontrollgericht im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin sieht, wird lediglich als ein zusätzliches, nicht entscheidungstragendes Argument eingeführt; dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass dieser Begründungsteil mit einem „zudem” (BU S. 13 ≪unten≫) an die vorhergehenden Ausführungen anschließt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den Streitwert setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
Unterschriften
Berkemann, Lemmel, Heeren
Fundstellen
Haufe-Index 640373 |
BauR 2002, 64 |
IBR 2002, 105 |
DÖV 2002, 128 |
ZfBR 2002, 279 |
BRS 2002, 292 |
DVBl. 2001, 1873 |
UPR 2002, 38 |
FSt 2002, 230 |