Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 09.12.2021; Aktenzeichen 15 KF 3/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen seine Abfindung durch den Flurbereinigungsplan im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren Ankum vom 11. Juni 2014 sowie gegen den Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan vom 20. Mai 2016, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2018. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Sie sei unzulässig. Der Flurbereinigungsplan sei gegenüber dem Kläger bestandskräftig geworden, nachdem er seinen im Anhörungstermin erhobenen Widerspruch aufgrund einer in der Verhandlung am 29. April 2015 getroffenen, nicht fristgerecht widerrufenen Vereinbarung wirksam zurückgenommen habe. Gegen den Nachtrag I habe der Kläger im Anhörungstermin am 14. Juli 2016 trotz entsprechender vorheriger Belehrung nicht form- und fristgerecht Widerspruch erhoben. Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen.
Rz. 2
Die hiergegen gerichtete Beschwerde, die sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beruft und Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diese Voraussetzungen legt die Beschwerde nicht dar.
Rz. 4
Die sinngemäß aufgeworfene Frage,
ob eine Belehrung über den Rechtsbehelf des Widerspruchs gemäß § 59 Abs. 2 FlurbG darauf hinweisen muss, dass die Einlegung des Widerspruchs vor dem Anhörungstermin zu dessen Unzulässigkeit führt,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Dem Wortlaut des § 59 Abs. 2 FlurbG lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass die Beteiligten Widersprüche gegen den bekanntgegebenen Flurbereinigungsplan zur Vermeidung des Ausschlusses in einem Anhörungstermin vorbringen müssen, worauf in der Ladung und im Termin hinzuweisen ist. Darüber hinausgehende Anforderungen an die Belehrung stellt die gesetzliche Bestimmung nicht (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. Mai 1970 - 4 C 59.69 - RdL 1970, 214 ≪215 f.≫).
Rz. 7
2. Das angegriffene Urteil leidet nicht unter den geltend gemachten Verfahrensmängeln.
Rz. 8
a) Das Oberverwaltungsgericht hat die gerichtliche Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nicht verletzt.
Rz. 9
aa) Der Verzicht auf die Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage, ob der Kläger die Vereinbarung vom 29. April 2015 unterzeichnet hat, begründet keinen Verfahrensfehler. Es steht im Ermessen des Tatsachengerichts, darüber zu befinden, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe eines Sachverständigen benötigt. Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens kann nur dann als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden, wenn das Gericht für sich eine Sachkunde in Anspruch nimmt, die ihm unmöglich zur Verfügung stehen kann, oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten und für das zur Nachprüfung berufene Revisionsgericht überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2021 - 8 C 34.20 - Buchholz 451.45 § 18 HwO Nr. 3 Rn. 15). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen legt der Kläger nicht dar. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger die Verhandlungsniederschrift vom 29. April 2015 persönlich unterschrieben hat. Es hat die Behauptung des Klägers, seine Unterschrift fehle unter der Verhandlungsniederschrift, für nicht nachvollziehbar gehalten, weil die dortige Unterschrift derjenigen entspreche, mit der der Kläger seine an das Gericht gerichteten Schriftsätze unterzeichnet habe. Der Kläger legt nicht dar, weshalb dem Oberverwaltungsgericht die erforderliche Sachkunde für diese Beurteilung nicht zur Verfügung stehen konnte. Seine weitere Behauptung, die Verhandlungsniederschrift trage nicht vier, sondern nur zwei Unterschriften, steht zudem mit der Aktenlage in offenkundigem Widerspruch.
Rz. 10
bb) Das Oberverwaltungsgericht hat die gerichtliche Aufklärungspflicht auch nicht dadurch verletzt, dass es von einer Beweiserhebung zum Inhalt der Vereinbarung vom 29. April 2015 abgesehen hat. Dazu hätte es der Darlegung bedurft, aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die vom Kläger vermisste Zeugenvernehmung zum Inhalt der Vereinbarung hätte aufdrängen müssen. Daran fehlt es hier. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, mit der Vereinbarung seien zwischen den Beteiligten unter Widerrufsvorbehalt stehende, bindende Regelungen zur Erledigung des klägerischen Widerspruchs getroffen worden. Das Vorbringen des Klägers, es habe sich lediglich um einen unverbindlichen, seiner Zustimmung noch bedürftigen Einigungsvorschlag gehandelt, stellt eine bloße abweichende Interpretation der Vereinbarung, nicht aber eine den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechende Darlegung einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht dar. Mangels eines weiter aufklärungsbedürftigen Sachverhalts war das Oberverwaltungsgericht auch nicht gehalten, den anwaltlich nicht vertretenen Kläger auf die Möglichkeit eines entsprechenden Beweisantrages hinzuweisen. Darin liegt weder eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör oder der gerichtlichen Fürsorgepflicht noch des Gebots eines fairen Verfahrens.
Rz. 11
b) Sollte der Kläger mit der Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe der Vereinbarung vom 29. April 2015 einen unzutreffenden Inhalt beigemessen, einen Verstoß gegen die Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB geltend machen wollen, begründete dies keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Ein Verstoß gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB stellt regelmäßig keinen Verfahrensfehler, sondern eine Verletzung materiellen Rechts dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2008 - 7 B 6.08 - juris Rn. 7 m. w. N.). Soweit der Kläger die Vereinbarung in inhaltlicher Hinsicht beanstandet, wird damit ebenfalls kein Verfahrensfehler aufgezeigt.
Rz. 12
c) Schließlich legt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung der verwaltungsprozessualen Sachurteilsvoraussetzungen, die einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen könnte, ebenfalls nicht dar. Sein Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe seine gegen den Nachtrag I gerichtete Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen, weil er der Rechtsbehelfsbelehrung nicht habe entnehmen können, dass der Widerspruch nur im Anhörungstermin hätte erhoben werden können, geht an der Formulierung der Belehrung vorbei. Darin heißt es ausdrücklich, dass ein Widerspruch "zur Vermeidung des Ausschlusses im Anhörungstermin am 14. Juli 2016" vorgebracht werden muss. Der von dem Kläger erwähnte Hinweis in der Ladung auf die Folgen des Unterbleibens von Erklärungen bis zum Schluss des Termins ist kein Bestandteil dieser Belehrung, sondern gibt lediglich erläuternd die Regelung des § 134 Abs. 1 FlurbG wieder.
Rz. 13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15472886 |