Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 17.03.2005; Aktenzeichen F 7 D 9/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Flurbereinigungsgerichts) vom 17. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 377,96 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Rechtssache kommt nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig:
Ist der Begriff “Vorteil” als Begründung für eine Vorschusszahlung in § 19 FlurbG so zu verstehen, dass nur ein objektiver Vorteil entstehen muss und der Vorteil “nicht in der Person” der Kläger subjektiv entstehen muss oder ist es erforderlich, dass sich die Maßnahmen der Flurbereinigung subjektiv auf die einzelnen Besitzstände der Teilnehmer nach der Neuverteilung auswirken?
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich bereits anhand der vorliegenden Rechtsprechung beantworten lässt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Beitragspflicht nach § 19 Abs. 1 FlurbG als Ausgleich dafür anzusehen, dass die Teilnehmer im Allgemeinen durch die Bodenordnung einen betriebswirtschaftlichen Vorteil erlangen, der zu einer Wertsteigerung ihres Grundstücks führt. Anders als im Fall des § 19 Abs. 3 FlurbG, der für die Beitragsbefreiung auf die Verhältnisse des einzelnen Teilnehmers abstellt und dessen Freistellung ermöglicht, wenn er nicht oder nur in unverhältnismäßig geringem Umfang an den allgemeinen Umlegungsvorteilen beteiligt ist, geht es im Rahmen von § 19 Abs. 1 FlurbG um die Vorteile, die der Gesamtheit der Teilnehmer aus der Flurbereinigung erwachsen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Januar 1969 – BVerwG IV C 244.65 – Buchholz 424.01 § 19 FlurbG Nr. 4 S. 1 ff. = RdL 1969, S. 299, vom 25. November 1970 – BVerwG IV C 80.66 – Buchholz 424.01 § 19 FlurbG Nr. 6 S. 6 f. = RdL 1971, S. 97 und vom 15. Mai 1986 – BVerwG 5 C 33.84 – BVerwGE 74, S. 196 ≪197 f.≫ m.w.N.). Hiervon ausgehend leidet die oben wieder- gegebene Fragestellung schon daran, dass sie nur pauschal auf einen Vorteil i.S.v. § 19 FlurbG (insgesamt) abhebt, nicht aber – wie nach dem Vorstehenden geboten – zwischen den beiden Absätzen (grundsätzliche Beitragspflicht nach Abs. 1 und Befreiungsmöglichkeit nach Abs. 3) differenziert. Aus der dargestellten Unterscheidung folgt für die Frage einer Beitragspflicht gemäß § 19 Abs. 1 FlurbG, dass im Rahmen einer einheitlichen, d.h. auf die Gesamtheit aller Teilnehmer, also nicht auf persönliche Umstände des einzelnen Grundstückseigentümers abstellenden, mithin objektiven Betrachtung zu prüfen ist, ob die geplanten Maßnahmen der Flurbereinigung “dem Interesse der Teilnehmer dienen” (so der Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FlurbG). Daraus folgt weiter, dass – vorbehaltlich der Ausnahmevorschrift des § 19 Abs. 2 FlurbG – die Erhebung von Beiträgen gemäß § 19 Abs. 1 FlurbG nach einem auf die Vorteile des Einzelnen abzielenden Prinzip schlechthin ausgeschlossen ist (so BVerwG, Beschluss vom 24. November 1972 – BVerwG V CB 16.72 – Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 19 S. 9.). Demgegenüber ist die Frage, ob und in welchem Umfang die Flurbereinigung dem einzelnen Teilnehmer einen Vorteil vermittelt, allein im Rahmen einer – ausnahmsweisen – Beitragsbefreiung gemäß § 19 Abs. 3 FlurbG zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. November 1974 – BVerwG V B 54.72 – Buchholz 424.01 § 19 FlurbG Nr. 11 S. 17 m.w.N.). Von diesem Verständnis des § 19 Abs. 1 und 3 FlurbG ist im vorliegenden Fall auch das Flurbereinigungsgericht ausgegangen, indem es im Zusammenhang mit der – von ihm bejahten – Frage, ob die Kläger als Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens durch die Gewässer- und Wegebaumaßnahmen einen Vorteil i.S.v. § 19 Abs. 1 FlurbG haben, hervorhebt, dass es “insoweit nicht auf ihre persönlichen Verhältnisse” ankomme, sondern eine “objektive Betrachtung veranlasst” sei (UA S. 12, 1. Absatz). Wenn das Flurbereinigungsgericht weiter anführt, dass “ein Flurstück der Kläger sogar unmittelbar durch einen neu erstellten Weg eine unmittelbare Verbesserung der Erschließung” erfahre und “somit der Vorteil auch in ihrer Person” eintrete, so ist dies ersichtlich als ein zusätzliches Argument (“zudem”) zur Bekräftigung des Vorliegens eines Vorteils gemeint, auch wenn diese Begründung dazu geeignet ist, den dargestellten Prüfungsmaßstab eher wieder etwas zu verwischen. Im Zusammenhang mit der hilfsweise geltend gemachten Beitragsbefreiung hat das Flurbereinigungsgericht dann wieder den vorstehenden Grundsätzen gemäß darauf abgestellt, dass es wegen des “in der Person der Kläger eintretenden Vorteils” an einer unbilligen Härte offenkundig fehle (UA S. 13, sub d). Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf, der die Zulassung der Revision rechtfertigte, ergibt sich aus all dem nicht.
2. Eine Zulassung der Revision wegen eines der von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht.
a) Das angefochtene Urteil leidet nicht daran, dass das Flurbereinigungsgericht in einer fehlerhaften Besetzung entschieden hat. In Abweichung von der Grundregel des § 9 Abs. 3 VwGO und den darin eröffneten landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Besetzung der Senate des Oberverwaltungsgerichts bestimmt die Sondervorschrift des § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, dass das Flurbereinigungsgericht in der Besetzung von zwei Berufsrichtern und drei ehrenamtlichen Richtern verhandelt und entscheidet. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17. März 2005 entsprach die Besetzung des Flurbereinigungsgerichts im vorliegenden Fall diesen Anforderungen. Die Beschwerde übersieht zum einen diese Sondervorschrift. Zum anderen missversteht sie die von ihr wiedergegebene “Tagesordnung” des Flurbereinigungsgerichts zu diesem Sitzungstag; dass darin an dritter Stelle die Richterin am OVG F… aufgeführt ist, besagt lediglich, wie sich aus dem Zusatz “zu Nr. 2” ergibt, dass deren Mitwirkung nur für die zweite Terminssache an diesem Sitzungstag vorgesehen war (im Wechsel mit dem nur für die erste Sache – “zu Nr. 1” – vorgesehenen Richter am OVG K…). Dass diese – offenbar aus der senatsinternen Geschäftsverteilung folgende – wechselnde Besetzung unter den Berufsrichtern des Flurbereinigungsgerichts fehlerhaft wäre, macht die Beschwerde nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
b) Soweit die Beschwerde aus der vorstehend behandelten vermeintlich gesetzeswidrigen Besetzung eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 1 VwGO) herleitet, ist diese Rüge, unabhängig davon, dass der zugrunde liegende Sachverhalt richtigerweise keine Frage des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), sondern allein eine solche des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist, schon aus den obigen Gründen unbegründet.
c) Die Rüge ungenügender Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) greift ebenfalls nicht durch. Insoweit fehlt es bereits an der hinreichenden Darlegung (§ 133 Abs. 3 VwGO) dieses Zulassungsgrundes. Dazu gehört, dass substantiiert dargelegt wird, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiter muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26, S. 14 = NJW 1997, S. 3328). Daran fehlt es hier. Die Ausführungen der Beschwerdebegründung zur Aufklärungsrüge erschöpfen sich vielmehr in einer Auflistung verschiedener Einwände gegen die materielle Rechtsauffassung des Flurbereinigungsgerichts.
d) Soweit die Beschwerde einen Verfahrensfehler in der unterlassenen Beiladung der Pächterin der Flurstücke der Kläger sieht, greift diese Rüge ebenfalls nicht durch. Die Beschwerde hält eine Beiladung der Pächterin offenbar für notwendig, weil allein diese beurteilen könne, ob die Flurbereinigung betriebswirtschaftliche Vorteile für die den Klägern gehörenden Grundstücke gebracht habe; die Beschwerde leitet daraus weiter die Rüge ab, das Flurbereinigungsgericht habe seine Überzeugung ohne ausreichende Erforschung des Sachverhalts gebildet. Beides überzeugt nicht.
Zum einen verkennt die Beschwerde die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung; eine solche liegt nur dann vor, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO). Die hier von den Klägern angefochtene Entscheidung über einen ersten Vorschuss zu einem Geldbeitrag gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 FlurbG ergeht gegenüber den Teilnehmern, also gegenüber den Eigentümern der zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücke und den ihnen gleichstehenden Erbbauberechtigten (vgl. § 10 Nr. 1 FlurbG). Sie berührt nicht einen lediglich schuldrechtlich an dem Grundstück berechtigten Pächter. Diese haben lediglich die Stellung eines Nebenbeteiligten (§ 10 Nr. 2 Buchst. d FlurbG). Sie sind in einem Rechtsstreit mit dem hier gegebenen Streitgegenstand nicht notwendig beizuladen. Im Übrigen verkennt die Beschwerde auch in diesem Zusammenhang, dass nach der materiellen – nach dem Vorstehenden nicht zu beanstandenden – Rechtsauffassung des Flurbereinigungsgerichts bei der Beurteilung des Vorteils i.S.v. § 19 Abs. 1 FlurbG ein (oben näher beschriebener) objektiver, auf die Gesamtheit der Teilnehmer abstellender Maßstab anzulegen ist. Subjektive Einschätzungen und Bewertungen Einzelner, wie etwa hier die der die Flurstücke bewirtschaftenden Pächterin, sind dabei unmaßgeblich; einem Pächter kommt im Rahmen dieser objektiven Bewertung auch keine größere Sachkenntnis zu.
Dass sich das dem Berufungsgericht bei der Entscheidung über eine sog. einfache Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) eröffnete Ermessen soweit reduziert hätte, dass allein eine Beiladung der Pächterin ermessensfehlerfrei gewesen wäre, macht die Beschwerde selbst nicht geltend; dafür ist nach dem Vorstehenden auch nichts ersichtlich.
e) Soweit die Beschwerde es als verfahrensfehlerhaft rügt, dass über die von den Klägern geltend gemachte Beitragsbefreiung gemäß § 19 Abs. 3 FlurbG nicht von der Teilnehmergemeinschaft, sondern von der Flurbereinigungsbehörde zu entscheiden sei, ist diese Rüge schon deshalb unbegründet, weil sie – selbst wenn sie zuträfe – das Verwaltungs-, nicht aber, wie § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO es in jedem Fall voraussetzt, das verwaltungsgerichtliche Verfahren beträfe. Im Übrigen trifft die Rüge auch in der Sache nicht zu. Der sächsische Landesgesetzgeber hat, gestützt auf § 18 Abs. 2 FlurbG, die Zuständigkeit für die erwähnte Entscheidung auf die Teilnehmergemeinschaft übertragen (vgl. § 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes vom 15. Juli 1994, SächsGVBl S. 1429, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Mai 2004, SächsGVBl S. 148).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Hien, Prof. Dr. Eichberger, Domgörgen
Fundstellen