Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 8 S 3306/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks an der Zeppelinstraße. Mit ihrem Normenkontrollantrag wendet sie sich gegen den Bebauungsplan „Uferzone Fischbach-Ost” der Antragsgegnerin aus dem Jahre 1977, durch den der Bereich südlich ihres Grundstücks im Wesentlichen als Fläche für eine Badeanlage mit Stellplätzen, eine Eislaufhalle und eine Sonderschule festgesetzt worden ist. Das Normenkontrollgericht hat den Antrag durch Beschluss als unzulässig abgewiesen. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt, weil sie nicht geltend machen könne, durch den Bebauungsplan oder seine Anwendung in einem eigenen Recht verletzt zu sein. In Betracht komme hier nur eine Verletzung des drittschützenden Abwägungsgebots. Dieses könne jedoch nicht verletzt sein, weil ein möglicherweise auf der nicht ausreichenden Berücksichtigung der privaten Belange der Antragstellerin beruhender Abwägungsfehler unbeachtlich wäre, weil er nicht innerhalb der Sieben-Jahres-Frist des § 244 Abs. 2 BauGB 1987 gerügt worden sei.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Antragstellerin die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich kein Grund für die Zulassung der Revision.
1. Die Rüge, die Normenkontrollentscheidung weiche von dem Urteil des Senats vom 28. April 1999 – BVerwG 4 CN 5.99 – (BauR 1999, 1131) ab, ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt. Dieser Zulassungsgrund muss in der Beschwerdebegründung nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Normenkontrollgericht abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. An letzterem fehlt es hier.
Die Beschwerde arbeitet keinen Rechtssatz aus dem Berufungsurteil heraus, der von einem Rechtssatz aus der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. So trifft es zwar zu, dass in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 1999 ausgeführt wird, die Unbeachtlichkeitsregelung des § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1987 erfasse weder das Fehlen der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB noch einen Ausfertigungsmangel. Die Beschwerde trägt jedoch nicht vor, dass das Normenkontrollgericht einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt habe. Das wäre auch nicht möglich, weil sich das Normenkontrollgericht hierzu überhaupt nicht äußert. Von seinem rechtlichen Ansatz aus war dies auch nicht erforderlich, weil es bereits die Zulässigkeit des Normenkontrollantrages verneint hat. Zur Begründetheit des Antrags – nur für seine Begründetheit könnte es auf die Erforderlichkeit der Planung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB und auf die Ordnungsmäßigkeit der Ausfertigung ankommen – brauchte es folgerichtig keine Ausführungen zu machen.
2. Mit der Frage, „ob es sich bei der Unbeachtlichkeitsregel des § 244 Abs. 2 BauGB a.F. bzw. § 215 Abs. 1 BauGB n.F. um eine prozessuale Ausschlussfrist handelt”, wendet sich die Beschwerde gegen die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts, ein nach Ablauf von sieben Jahren nach dem 1. Juli 1987 oder – bei neuen Plänen – nach Ablauf von sieben Jahren nach der Bekanntmachung eines Bebauungsplans gestellter Normenkontrollantrag sei unzulässig, wenn als verletztes Recht nur der sich aus § 1 Abs. 6 BauGB (§ 1 Abs. 7 BBauG) ergebende Anspruch auf gerechte Berücksichtigung der privaten Belange des Antragstellers in Betracht komme und der Mangel der Abwägung nicht innerhalb der Sieben-Jahres-Frist ordnungsgemäß gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sei. Insoweit mag die Beschwerde den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügen und deshalb zulässig sein. Gegen die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts mögen auch Bedenken bestehen, weil sie dazu führen kann, dass Fragen der Begründetheit bereits im Rahmen der Zulässigkeit geprüft werden. So dürfte etwa die Frage, ob die Unbeachtlichkeitsregelung des § 244 Abs. 2 BauGB 1987 und des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB im Einzelfall deshalb nicht anzuwenden ist, weil angeblich ein Dritter den konkreten Abwägungsmangel fristgerecht geltend gemacht hat, regelmäßig nicht schon innerhalb der Zulässigkeitsprüfung zu klären sein (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. August 1982 – BVerwG 4 C 66.79 – BVerwGE 66, 99 ≪106≫, zum Streit über die Rechtmäßigkeit des Einwendungsausschlusses in der Fachplanung, und Urteil vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215 ≪219≫ zur Frage der Beachtlichkeit i.S. des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Gleichwohl kann die Revision auch wegen der genannten Rechtsfrage nicht zugelassen werden, weil sie jedenfalls keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung besitzt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫, stRspr). Dies setzt voraus, dass die erstrebte Entscheidung nicht nur für das vorliegende Verfahren, sondern auch für künftige weitere Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung sein kann. Daran fehlt es hier jedoch, nachdem die Befugnis, einen Normenkontrollantrag zu stellen, durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6.VwGOÄndG) vom 1.11.1996 (BGBl I, S. 1626) auf zwei Jahre begrenzt worden ist (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.d.F. des 6.VwGOÄndG und die Überleitungsvorschrift des Art. 10 Abs. 4 6.VwGOÄndG). Wegen dieser Gesetzesänderung sind Normenkontrollanträge gegen Bebauungspläne seit dem 1. Januar 1999 nur noch zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach der Bekanntmachung des Plans gestellt werden. Während dieser Zeit ist die Sieben-Jahres-Frist des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB aber typischerweise noch nicht abgelaufen, sodass sich die aufgeworfene Rechtsfrage künftig nicht mehr stellen wird. Anders könnte es allenfalls in einzelnen Fällen der Fehlerbehebung nach § 215 a BauGB sein, nämlich wenn die für § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO maßgebliche Bekanntmachung und die in § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB angesprochene Bekanntmachung ausnahmsweise nicht identisch sind und zusätzlich die Sieben-Jahres-Frist überschritten ist. Diese Möglichkeit hat aber keine praktische Bedeutung. Dass sich die Rechtsfrage unter ganz ungewöhnlichen Umständen theoretisch noch einmal stellen kann, gibt ihr keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
3. Schließlich kann die Beschwerde auch nicht mit ihren Verfahrensrügen durchdringen.
Das Normenkontrollgericht war nicht gehindert, im Beschlussverfahren nach § 47 Abs. 5 VwGO zu entscheiden, obwohl die Antragstellerin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verzichtet hatte. § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO macht die Entscheidung durch Beschluss nicht vom Einverständnis der Beteiligten abhängig, sondern lässt sie schon dann zu, wenn das Normenkontrollgericht eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Insoweit steht dem Normenkontrollgericht – vorbehaltlich des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK – im Grundsatz ein an keine gesetzlich normierten Voraussetzungen geknüpftes Ermessen zu (BVerwG, Beschluss vom 18. September 1985 – BVerwG 2 N 1.84 – BVerwGE 72, 122 ≪125≫). Die Beschwerde macht selbst nicht geltend, dass die Entscheidung des Normenkontrollgerichts, nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu verfahren, auf sachfremden Erwägungen beruhe; hierfür sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.
Unschädlich ist auch, dass das Normenkontrollgericht zunächst zu einer mündlichen Verhandlung geladen hatte. Eine verfahrensrechtliche Bindung ist dadurch nicht eingetreten (so auch BVerwG, vom 16. Juni 1999 – BVerwG 9 B 1084.98 – DVBl 1999, 1659 –, zur Entscheidung über die Berufung durch Beschluss gemäß § 130 a VwGO). Nur wenn eine mündliche Verhandlung bereits durchgeführt worden ist, darf das Normenkontrollgericht nicht mehr in das Beschlussverfahren übergehen (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1988 – BVerwG 7 NB 3.88 – BVerwGE 81, 139 ≪143≫). Hier hatte das Normenkontrollgericht den Verhandlungstermin wieder aufgehoben und mitgeteilt, dass nach Ablauf einer gesetzten Erklärungsfrist mit einer Entscheidung durch Beschluss zu rechnen sei. Das genügt.
In der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung liegt auch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs erfordert kein bestimmtes Verfahren; der Grundsatz gilt auch im schriftlichen Verfahren, kann dort aber auch ohne weiteres durch eine schriftliche Anhörung beachtet werden. Im vorliegenden Verfahren war der Antragstellerin bekannt, dass das Normenkontrollgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden wollte. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs reichte es aus, dass sie in der vom Gericht gesetzten Frist zur Sache abschließend schriftsätzlich Stellung nehmen konnte.
Ob im vorliegenden Fall Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eine öffentliche mündliche Verhandlung erfordert hätte, kann offen bleiben. Die Frage ist zweifelhaft, weil sich die Antragstellerin nicht gegen eine Festsetzung eines Bebauungsplans wendet, die unmittelbar ihr Grundstück betrifft (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203), sondern einen Plan bekämpft, der Festsetzungen für Nachbargrundstücke trifft und allenfalls mittelbare Auswirkungen auf ihr eigenes Grundstück haben kann. Die Frage braucht nicht entschieden zu werden, weil eine auf die Verletzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK abzielende Verfahrensrüge von der Antragstellerin nicht erhoben worden ist. Allein die Rüge, das Normenkontrollgericht hätte nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, genügt nicht zur Erfüllung des Gebots, den Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Erforderlich ist vielmehr, dass der gerügte Verfahrensmangel in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen dargelegt wird. Im Hinblick auf den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist dies hier nicht geschehen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Halama
Fundstellen