Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 04.07.2012; Aktenzeichen 3 S 351/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 120 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die unter C.I.1 zum Thema “Zielabweichung Kongruenzgebot” aufgeworfenen Fragen haben nicht die grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihnen die Beigeladene beimisst.
Rz. 3
1.1 Mit den Grundsatzfragen 1 und 2, die – wie die Beigeladene zusammenfassend ausführt (Beschwerdebegründung S. 9) – im Ergebnis auf die Frage zielen, ob nicht spätestens im Verwaltungsverfahren über die Zulassung einer Zielabweichung … der vom Europäischen Gerichtshof geforderte konkrete Nachweis der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit erbracht werden muss, wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.
Rz. 4
Mit dem von der Beigeladenen angeführten Umstand, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 24. März 2011 (Rs. C-400/08, Kommission/Spanien) erst nach dem Urteil des Senats vom 16. Dezember 2010 – BVerwG 4 C 8.10 – (BVerwGE 138, 301) ergangen sei, lässt sich der behauptete Klärungsbedarf nicht begründen. Der Senat hat die Anforderungen, die an die Rechtmäßigkeit eines nach der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs “strikten” Kongruenzgebots im Lichte der Niederlassungsfreiheit zu stellen sind, in seinem Urteil vom 16. Dezember 2010 ausführlich erläutert und unter Bezugnahme auf die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 7. Oktober 2010 im Einzelnen dargelegt, dass gegen die Rechtmäßigkeit eines solchen Kongruenzgebots auch unionsrechtlich keine Bedenken bestehen. Diese Ausführungen stehen in Einklang mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (vgl. auch Uechtritz, ZfBR 2011, 648 ≪654≫). In seinen Grundaussagen deckt sich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 24. März 2011 mit der von der Generalanwältin vertretenen Auffassung.
Rz. 5
Soweit die Beigeladene vorträgt, der Europäische Gerichtshof fordere eine auf konkrete Tatsachen gestützte Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Maßnahmen, während sich der Verwaltungsgerichtshof auf allgemeine Erwägungen zum Zweck des Kongruenzgebots beschränkt habe, und meint, das angefochtene Urteil sei falsch, weil der Beklagte die Beweislast dafür trage, dass das Kongruenzgebot im konkreten Einzelfall zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich sei, setzt sie sich nicht mit dem Schutzzweck eines von der konkreten Beeinträchtigung der Versorgungssituation abgekoppelten Kongruenzgebots auseinander. Wie “konkret” die Rechtfertigung zu sein hat, bestimmt sich nach dem Regelungsgehalt der Zielfestlegung. Im Übrigen wird im Rahmen der Zielabweichung nicht die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Zielfestlegung erneut geprüft, sondern es wird vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gefragt, ob der Verstoß ausnahmsweise hingenommen werden kann. Die zuständige Behörde ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen im Zielabweichungsverfahren nicht “beweisbelastet”; sie hat lediglich zu prüfen, ob mit dem Antrag auf Zielabweichung Besonderheiten mit Blick auf das konkrete Vorhaben vorgetragen werden, die einen Härtefall begründen können. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf das mit der Zielfestlegung verfolgte raumordnerische Ziel einer flächensparenden Raumnutzung und Verkehrsvermeidung (Urteil vom 16. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 19) das konkrete (Gesamt-)Vorhaben unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsaufkommens betrachtet (UA S. 31 f.).
Rz. 6
1.2 Die Grundsatzfragen 3, 4 und 5 zum Thema “Grundzüge der Planung” stellen sich nicht; sie beruhen auf Annahmen, von denen der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgegangen ist.
Rz. 7
Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht von einer “ausnahmslose(n) Zielbindung” (Grundsatzfrage 3) bzw. einer “strikten Zielbindung” (Grundsatzfrage 4) ausgegangen. Ebenso wenig hat er ein “faktisch vollständiges Verbot von Einzelhandelsvorhaben” (Grundsatzfrage 5) festgestellt. Er ist vielmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass das Kongruenzgebot nur dann verhältnismäßig ist, wenn es nicht für alle Fallgestaltungen unterschiedslos strikte Beachtung beansprucht, und hat geprüft, ob das Ansiedlungsvorhaben der Beigeladenen in der konkreten Planungssituation einen Härtefall darstellt, der unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls aufgrund raumordnerischer Besonderheiten eine Zielabweichung trotz Verstoßes gegen das Kongruenzgebot als Ziel der Raumordnung rechtfertigen würde (UA S. 27 f.). Der Sache nach wendet sich die Beigeladene – ungeachtet der allgemein gehaltenen Formulierungen – lediglich gegen die Sachverhaltswürdigung im konkreten Einzelfall durch den Verwaltungsgerichtshof, weil sie meint, der Prüfung liege eine “restriktive” Auslegung der Zielabweichungsvoraussetzungen zugrunde. Die Behauptung, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 ROG seien europarechtskonform auszulegen, genügt nicht zur Darlegung, dass die Rechtsprechung des Senats zum Begriff “Grundzüge der Planung” einer Weiterentwicklung bedürfte.
Rz. 8
1.3 Die Grundsatzfragen 6 und 7 zum Begriff des Härtefalls sind so allgemein gehalten, dass sie der Senat nur in der Art eines Lehrbuchs beantworten könnte. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens. Im Übrigen ist es eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und entzieht sich damit revisionsgerichtlicher Klärung, ob Umstände vorliegen, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertigen.
Rz. 9
2. Die unter C.I.2 (“Zielabweichung Kongruenzgebot”) erhobenen Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 10
2.1 Mit der Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe sich lediglich formal auf die Rechtsprechung des Senats zum Begriff “Grundzüge der Planung” gestützt und zeige über die reine Rechtsanwendung hinaus ein abweichendes Verständnis, denn er gehe davon aus, das Kongruenzgebot selbst sei ein Grundzug der Planung, jedenfalls ein Teil der Grundzüge der Planung, wird eine Divergenz i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aufgezeigt.
Rz. 11
Wie der Senat im Urteil vom 16. Dezember 2010 ausgeführt hat, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass das Zentrale-Orte-Prinzip (Konzentrationsgrundsatz) und das Kongruenzgebot zu den Zielen gehören, die als “Grundzüge der Planung” die Planungskonzeption des LEP 2002 tragen und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmen, als Ergebnis der Auslegung des LEP, der dem irrevisiblen Landesrecht angehört, bindend (a.a.O. Rn. 27). Mit den von der Beigeladenen zitierten Ausführungen auf Seite 23 des angefochtenen Urteils bekräftigt der Verwaltungsgerichtshof lediglich seine bereits im Urteil vom 17. Dezember 2009 vertretene Auffassung.
Rz. 12
Die von der Beigeladenen wiedergegebene Formulierung auf Seite 32, “dass eine Abweichung vom Kongruenzgebot als verbindliches Ziel der Raumordnung nicht zulassungsfähig ist, weil es einen wesentlichen Teil der Grundzüge der Planung darstellt und diese durch eine Abweichungsentscheidung auch berührt würden”, mag zwar zunächst missverständlich erscheinen. Darin erschöpft sich der rechtliche Maßstab des Verwaltungsgerichtshofs aber nicht. Entscheidend ist vielmehr die auch von der Beigeladenen zitierte weitere Begründung, nämlich dass “keine einen Härtefall begründenden besonderen Umstände im Einzelfall vorliegen”. Wie die Ausführungen unter A. I. 4. b.) aa) bis dd) belegen, hat der Verwaltungsgerichtshof sodann eine Einzelfallprüfung vorgenommen und dabei u.a. festgestellt, dass sich das …-Einrichtungshaus wie auch das Gesamtvorhaben ohne bedeutsame Änderungen und den Neubau von Straßenverkehrsanlagen nicht verwirklichen lassen (UA S. 32). Es trifft deshalb nicht zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in Abweichung von den Vorgaben des Senats (erneut) angenommen hat, eine Zielabweichung, die zur – wenn auch einzelfallbezogenen – Abkehr von dem für Einzelhandelsgroßprojekte maßgeblichen Zentrale-Orte-Prinzip (Konzentrationsgrundsatz) und dem als Komplementärelement verstandenen Kongruenzgebot führe, berühre immer die Grundzüge der Planung.
Rz. 13
2.2 Soweit sich die Beigeladene mit der Divergenzrüge gegen die “Prüfung des Integrationsgebots im Rahmen der Zielabweichung vom Kongruenzgebot” wendet, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 33 – 43) sind ergänzende Erwägungen (“ungeachtet dessen”); für das Ergebnis des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Zielabweichung vom Kongruenzgebot unzulässig ist, kommt es hierauf nicht mehr an. Deshalb geht die Rüge der Beigeladenen ins Leere, der Verwaltungsgerichtshof habe “eine weitere, gesetzlich nicht vorgesehene Zielabweichungsvoraussetzung” aufgestellt (Beschwerdebegründung S. 14).
Rz. 14
2.3 Mit der Rüge, der Verwaltungsgerichtshof verwende den Rechtssatz, “die fehlende städtebauliche Umsetzbarkeit steht der Geeignetheit eines raumordnerischen Ziels grundsätzlich nicht entgegen” (UA S. 30), in Abweichung von der Rechtsprechung des Senats, wird eine Divergenz nicht aufgezeigt.
Rz. 15
Wie der Senat in seinem vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Urteil vom 16. Dezember 2010 (a.a.O. Rn. 18) ausgeführt hat, muss sich ein raumordnerisches Ziel mit dem verfügbaren städtebaulichen Planungsinstrumentarium umsetzen lassen, andernfalls erweist es sich als nicht geeignet (vgl. auch Urteil vom 10. November 2011 – BVerwG 4 CN 9.10 – BVerwGE 141, 144 Rn. 15 f.). Entgegen der Annahme der Beigeladenen hat der Verwaltungsgerichtshof trotz der missverständlichen Formulierung indes keinen hiervon abweichenden Rechtssatz zur Geeignetheit des Kongruenzgebots aufgestellt, sondern – wie bereits der Einleitungssatz unter A. I. 4. b.) cc) deutlich macht – geprüft, ob der Umstand, dass eine Ansiedlung des Vorhabens im Oberzentrum Karlsruhe nach dem Vortrag der Beigeladenen faktisch nicht möglich sei, weil trotz intensiver Suche kein geeigneter Standort gefunden worden sei, einen Härtefall begründet (UA S. 30 f.). Divergierende Rechtsprechung des Senats zu dieser Frage benennt die Beigeladene nicht.
Rz. 16
3. Die unter C.II. zum Thema “Integrationsgebot” aufgeworfenen Rügen führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 17
3.1 Die zum Thema “Integrationsgebot” aufgeworfenen Grundsatzfragen haben nicht die grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihnen die Beigeladene beimisst.
Rz. 18
3.1.1 Mit Grundsatzfrage 8 thematisiert die Beigeladene Integrationsgebote “unabhängig von drohenden Beeinträchtigungen”. Die Frage beruht damit auf Annahmen, auf die sich der Verwaltungsgerichtshof nicht allein tragend gestützt hat. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass das Ansiedlungsvorhaben der Beigeladenen auch dann dem Integrationsgebot widerspräche, wenn man dieses – wie die Klägerin und die Beigeladene meinten – nur unter Einschluss des in Satz 1 des Plansatzes 3.3.7.2 (Z) LEP 2002 festgelegten Beeinträchtigungsverbots als Ziel der Raumordnung begreife (UA S. 41). Dass der Verwaltungsgerichtshof bei dieser das Beeinträchtigungsverbot und das Integrationsgebot kombinierenden Betrachtungsweise nicht der Auffassung der Beigeladenen folgt, beruht auf der Auslegung von Landesrecht und ist revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht zugänglich.
Rz. 19
3.1.2 Gleiches gilt für Grundsatzfrage 9. Darüber hinaus entspricht der Beschwerdevortrag insoweit nicht den Darlegungsanforderungen. Es genügt nicht, darauf hinzuweisen, dass sich die Frage nicht nur im Einzelfall, sondern in einer Vielzahl von Fällen stellt. Vielmehr ist darzulegen, dass die Antwort, die die Vorinstanz gegeben hat, mindestens zu Bedenken Anlass gibt und es deshalb im Interesse der Rechtssicherheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer revisionsgerichtlichen Klärung der Frage bedarf. Das nötigt zu einer Auseinandersetzung mit der Lösung und der Argumentation im angefochtenen Urteil. Dazu gehört auch die Darlegung, dass die von der Vorinstanz in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats, aus der sich ergibt, dass ein Integrationsgebot als verbindliches Ziel normiert werden kann, aus Anlass dieses Falls einer Weiterentwicklung bedarf. Soweit die Beigeladene vorträgt, es genüge nicht, dass großflächige Einzelhandelsvorhaben generell überörtliche Auswirkungen haben könnten, vielmehr komme es auf die konkrete Regelung an, setzt sie sich weder mit den auf das konkrete Vorhaben bezogenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Größe der Verkaufsfläche und zum Umfang der zentrenrelevanten Sortimente auseinander (UA S. 35 f.) noch geht sie darauf ein, dass das Integrationsgebot nach der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweist (UA S. 40 ff.).
Rz. 20
3.1.3 Grundsatzfrage 10 genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Der vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen Rechtsprechung des Senats lässt sich entnehmen, dass die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe nicht auf die Instrumente der gemeindlichen Bauleitplanung beschränkt ist. Sie kann bereits auf der Ebene der Landesplanung einsetzen und – in unterschiedlicher Gestalt – mit der zentralörtlichen Gliederung verbunden werden (Urteil vom 17. September 2003 – BVerwG 4 C 14.01 – BVerwGE 119, 25 ≪41≫). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht, mit dem Hinweis, die Frage sei streitig, nach der “Landeskompetenz für Integrationsgebote”, mit der sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich befasst hat (UA S. 37 f.), zu fragen.
Rz. 21
3.1.4 Grundsatzfrage 11 stellt sich nicht, weil es sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bei den zentrenrelevanten Sortimenten des …-Einrichtungshauses nicht um sog. Randsortimente handelt (UA S. 36 f.); die zentrenrelevanten Sortimente, die eine Vielzahl unterschiedlichster Waren des zentrenrelevanten Sortimentsbereichs bis hin zu Nahrungsmitteln abdeckten, stellten vielmehr ein selbständiges Hauptsortiment (Kernsortiment) neben dem – weiteren – Kernsortiment “Möbel” dar (UA S. 41). Vor diesem Hintergrund zeigt die Beigeladene nicht auf, dass die Differenzierung im Ausnahmetatbestand des Plansatzes 3.3.7.2 (Z) Satz 3 LEP 2002 entscheidungserheblich wäre.
Rz. 22
3.2 Die unter C.II.2 erhobene Divergenzrüge scheitert daran, dass kein Rechtssatzwiderspruch aufgezeigt wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich nicht auf die Feststellung beschränkt, dass das Integrationsgebot – neben dem Zentrale-Orte-Prinzip und dem Kongruenzgebot – zu den Zielen gehört, die “als Grundzüge der Planung” die Planungskonzeption des LEP 2002 tragen und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmen, sondern hat auch geprüft, ob Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Härtefalls vorliegen (UA S. 43).
Rz. 23
4. Es besteht kein Anlass zur Vorlage des Verfahrens gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV. Wie unter 1.1 zu den Grundsatzfragen 1 und 2 ausgeführt, steht das Urteil des Senats vom 16. Dezember 2010, an dem sich der Verwaltungsgerichtshof orientiert hat, in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 24. März 2011. Danach ist das Kongruenzgebot nur dann verhältnismäßig, wenn es nicht für alle Fallgestaltungen unterschiedslos strikte Beachtung beansprucht. Ob ein Vorhaben aus atypischen Gründen im konkreten Einzelfall raumverträglich erscheint, mithin eine Abweichungsmöglichkeit eröffnet ist, oder ein Härtefall vorliegt, der eine Zielabweichung rechtfertigt, ist keine Frage, die unionsrechtlicher Klärung zugänglich ist. Dass im konkreten Fall das Vorliegen eines Härtefalls verneint wird, betrifft nicht die Vereinbarkeit des hier in Rede stehenden Kongruenzgebots mit Art. 49 AEUV, sondern beruht unter anderem auf dem Umstand, dass nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs das Verkehrsaufkommen, das durch das …-Einrichtungshaus und erst recht durch das Gesamtvorhaben ausgelöst werden wird, die bestehende Verkehrsinfrastruktur des Mittelzentrums deutlich überfordern werde. Das …-Einrichtungshaus wie auch das Gesamtvorhaben ließen sich ausweislich des Verkehrsgutachtens ohne bedeutsame Änderungen und Neubau von Straßenverkehrsanlagen nicht verwirklichen. Damit leistet der Verwaltungsgerichtshof die von der Beigeladenen vermisste Verhältnismäßigkeitsprüfung im konkreten Einzelfall.
Rz. 24
Entgegen den Darlegungen der Beigeladenen im ergänzenden Schriftsatz vom 1. März 2013 führt das Kongruenzgebot in der Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zu einem “faktisch” vollständigen Verbot eines Einzelhandelsbetriebs im Sinne der Umschreibung im 1. Spiegelstrich. Der Verwaltungsgerichtshof hat nur zutreffend darauf hingewiesen, dass die Raumplanung, wenn sie – wie der LEP 2002 – von gemeinwohlorientierten Zielen wie dem Umwelt- und Ressourcenschutz durch Verhinderung enormen Flächenverbrauchs sowie dem Landschaftsschutz durch Vermeidung großflächiger Zersiedelungen – gerade des städtischen Umlands – getragen ist, auch zur Folge haben könne, dass bestimmte Ansiedlungsvorhaben an bestimmten Standorten im Ergebnis ausgeschlossen sind (UA S. 30 f. – Unterstreichung nicht im Original).
Rz. 25
Die im 2. Spiegelstrich formulierte Frage geht ebenfalls von der unzutreffenden Annahme aus, es sei keine Möglichkeit eines Ausnahmeverfahrens vorgesehen. Zu der im 3. Spiegelstrich formulierten Frage kann auf die Ausführungen unter 3.1.4 verwiesen werden; bei den zentrenrelevanten Sortimenten des …-Einrichtungshauses handelt es sich nicht um sog. Randsortimente. Soweit die Beigeladene auf die europarechtlichen Fragen im Zusammenhang mit den Grundsatzfragen 3 bis 5 sowie 11 verweist, fehlt es – wie oben ausgeführt – an der Entscheidungserheblichkeit.
Rz. 26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Gatz, Dr. Bumke, Petz
Fundstellen