Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 10.12.2007; Aktenzeichen 22 A 56.06) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegt vor.
1. Von grundsätzlicher Bedeutung soll gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Rechtsfrage der verfassungskonformen Anwendung des Vermögensgesetzes in dem Falle eines von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen betroffenen Unternehmens sein, wenn die die Mitgliedschaftsrechte des Eigentümers an diesem Unternehmen verbriefenden Wertpapiere (Aktien) der Verfügungsbefugnis des Eigentümers entzogen, aber nicht endgültig verwertet wurden. Es stelle sich dabei die rechtsgrundsätzliche Frage – so die Kläger –, ob die nur zeitweise, aber nicht vorhersehbar zeitlich eingrenzbare Unmöglichkeit der Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten an einem Unternehmen eine nach dem Vermögensgesetz bzw. dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz auszugleichende Vermögensschädigung darstelle und dies insofern einen Vermögensverlust durch faktische Entziehung darstelle bzw. dem gleichstehe. Hilfsweise stelle sich die Frage einer im Wege der Analogie zu schließenden teilungsbedingten Wiedergutmachungslücke bei Wiedererhalt der verbrieften Mitgliedschaftsrechte in der damaligen Bundesrepublik Deutschland ohne die in der damaligen sowjetischen Besatzungszone/Deutschen Demokratischen Republik befindlichen Unternehmensteile.
Die von den Klägern erhobenen Rechtsfragen sind nach den im Parallelverfahren ergangenen Beschlüssen des Senats vom 4. Juli 2007 – BVerwG 8 B 8.07 – und vom 2. Oktober 2007 – BVerwG 8 B 78.07 – dahingehend geklärt, dass in der Beschlagnahme der Aktien und deren Verwahrung im Depot der Reichsbank nur eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Aktionärs ohne enteignende Wirkung gelegen hatte. Der Senat hat dabei darauf hingewiesen, dass aufgrund der Besonderheiten des Falles nicht allein auf die Beschlagnahme und die Pfändung der Aktien abgestellt werden könne, sondern diese vielmehr im Zusammenhang mit der auf frühzeitige Intervention der Anteilsinhaberin erfolgten Vereinbarung vom 6. Juli 1943 zu sehen sei. Eine den Fall übergreifende Bedeutung haben die Kläger mit ihrer vorliegenden Grundsatzrüge der Sache nicht beimessen können. Ihre Einwände beschränken sich im weiten Teil in einer Auseinandersetzung über die Eigenheit dieses Falles. Die dabei favorisierte verfassungskonforme Auslegung von § 1 Abs. 6 VermG dergestalt, auch vorliegend eine Schädigung im Sinne dieses Gesetzes anzusehen, kommt nicht in Betracht. Denn der klare Wortlaut von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG lässt es über den hiernach erforderlichen Vermögensverlust nicht zu, die Bestimmung so auszulegen, dass auch zeitweilige Beschränkungen der Verfügungsbefugnisse bereits eine Schädigung darstellen. Eine Regelungslücke besteht nicht. Wenn es mangels behaupteter Verfügungsmöglichkeit über die Aktien des Unternehmens bis zum 8. Mai 1945 zu konkreten Vermögensverlusten nachweisbar gekommen wäre – was aber mit der Beschwerde nicht dargelegt wird –, bräuchte es der verfassungskonformen Auslegung nicht. Vielmehr soll die Aktiengesellschaft, wie dem Schriftsatz der Kläger vom 5. Dezember 2007 im erstinstanzlichen Verfahren zu entnehmen ist, aufgrund der Vereinbarung vom 6. Juli 1943 vor der Deklarierung zum so genannten “nicht arischen Unternehmen” bewahrt und eine Weiterarbeit während des Krieges gesichert worden sein. Der weitere Verlauf der Firmengeschichte unterliegt nicht mehr dem Rechtsregime von § 1 Abs. 6 VermG. Die Wiedergutmachungslücke, die sich dadurch auftut, dass Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht vom Vermögensgesetz erfasst werden (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG) ist gesetzlich gewollt und verfassungsrechtlich geduldet. Stattdessen greift das Ausgleichsleistungsgesetz ein.
2. Die erhobenen Verfahrensrügen rechtfertigen keine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht deshalb gegeben, weil das Verwaltungsgericht die fraglichen Aktien nicht beigezogen hat. Mit einem entscheidungserheblichen Erkenntnisgewinn mittels Inaugenscheinnahme ist nicht zu rechnen gewesen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich aus den Papieren irgendein Vermögensverlust im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG hätte ergeben können. Die Unklarheit darüber, was mit den Aktien in der Zeit zwischen ihrem Auftauchen in einem Auktionshaus und deren Hinterlegung im Depot der Reichsbank geschehen war, hat auf den Ausgang des Klageverfahrens auch nach der Darlegung in der Beschwerdebegründung keinen erkennbaren Einfluss.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Gehörsrüge ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat das Ansinnen der Kläger, die Aktien beizuziehen, zur Kenntnis genommen, wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist; dem Ansinnen zu folgen, verpflichtet der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.
Es stellt schließlich keinen Verfahrensfehler dar, dass das Verwaltungsgericht die Eigentumsposition von Jakob M… an den Aktien nicht festgestellt hat. Das Ergebnis der Schlussfolgerungen aus dem dem Gericht unterbreiteten Sachverhalt gehört dem materiellen Recht an und kann daher keinen Verfahrensmangel ergeben. Dass Jakob M… selbst Aktieninhaber war, haben auch die Kläger nicht behauptet; dass dieser Anteile an der Emil K… AG über eine Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in New York hielt, hat das Verwaltungsgericht nicht als eigene Inhaberschaft angesehen. Diese Einschätzung der Rechtslage entzieht sich einer Überprüfung anlässlich einer Verfahrensrüge. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bleibt davon unberührt.
Zudem muss bei mehrfacher, die Entscheidung jeweils selbstständig tragender Urteilsbegründung für jede ein Zulassungsgrund geltend gemacht sein und vorliegen (stRspr; vgl. den vorgenannten Beschluss vom 4. Juli 2007). Die gegen das Verneinen einer Schädigung erhobene Grundsatzrüge ist jedoch erfolglos geblieben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. von Heimburg, Postier
Fundstellen