Entscheidungsstichwort (Thema)
Entwicklungsmaßnahme. städtebaulicher Handlungsbedarf. Sanierung. Prognose. Rummelsburger Bucht (Berlin)
Leitsatz (amtlich)
Die Gemeinde ist befugt, ein baulich genutztes sanierungsbedürftiges Gebiet, das innerhalb eines größeren, grundlegend neuzustrukturierenden Bereichs liegt, in den Bereich einer Entwicklungsmaßnahme gemäß § 165 BauGB einzubeziehen. Ob die Gemeinde in einem solchen Gebiet Sanierungsmaßnahmen gemäß § 136 ff. BauGB aufgrund einer Sanierungssatzung durchführt oder das Gebiet in den größeren Zusammenhang einer Entwicklungsmaßnahme (hier: Entwicklungsmaßnahme Rummelsburger Bucht in Berlin) einbezieht und in diesem Rahmen die erforderlichen städtebaulichen Maßnahmen (der Anpassung, § 170 BauGB) in Angriff nimmt, obliegt – im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen – ihrer Entscheidung (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1998 – BVerwG 4 CN 5.97 – Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 4 = DVBl 1998, 1294 = NVwZ 1999, 407).
Normenkette
BauGB § 165
Verfahrensgang
OVG Berlin (Urteil vom 13.07.2000; Aktenzeichen 2 A 5.95) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 13. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragssteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Vorbringen der Beschwerde ergibt nicht, dass die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfüllt sind.
1. Als Entwicklungsbereich gemäß § 165 BauGB kann auch eine Fläche mit vorhandener Bebauung festgelegt werden, wenn diese beseitigt und der Bereich einer grundlegend neuen städtebaulichen Entwicklung zugeführt werden soll (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1998 – BVerwG 4 BN 22.98 – Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 5 = NVwZ 1998, 1298 = BRS 60 Nr. 226). Die Beschwerde meint, die vom Beschwerdegericht in der angeführten Entscheidung erörterte Abgrenzung zwischen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen bedürfe einer grundsätzlichen Überprüfung.
Mit diesem Vorbringen kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan werden. Es fehlt an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit. Das Beschwerdegericht hat in der angeführten Entscheidung aus den gesetzgeberischen Zielsetzungen der §§ 136 ff. BauGB einerseits und §§ 165 ff. BauGB andererseits typologische Unterschiede entnommen. Daran wird festgehalten. Das Vorbringen der Beschwerde enthält keine Gesichtspunkte, welche die Unterscheidung zwischen Maßnahmen zur Änderung und Verbesserung eines vorhandenen Gebietscharakters (Sanierung) und Maßnahmen zur Entwicklung eines grundlegend neuen Gebietscharakters (Entwicklungsmaßnahme) grundsätzlich in Frage stellen könnten. Der Beschwerde ist zwar einzuräumen, dass es im Einzelfall nicht leicht sein mag, Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen von einander abzugrenzen, da beide Maßnahmen auf Änderung eines bestehenden Zustandes gerichtet sind. Der Gesetzgeber zwingt die Gemeinde jedenfalls nicht dazu, ein sanierungsbedürftiges Gebiet, das innerhalb eines großen neuzustrukturierenden Bereichs liegt, von Entwicklungsmaßnahmen nach §§ 165 ff. BauGB auszunehmen (vgl. auch § 170 BauGB). Zu welcher Maßnahme die Gemeinde sich entscheidet, bleibt im Rahmen der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen ihr überlassen. Die vom Normenkontrollgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zeigen mit Deutlichkeit, dass im Streitfall nicht einmal Abgrenzungsschwierigkeiten inmitten stehen.
2. Das Normenkontrollgericht hat sich näher mit der Frage beschäftigt, ob der Entscheidung zugunsten einer Entwicklungsmaßnahme eine zutreffende Prognose zugrunde lag. Das Gericht hat es in diesem Zusammenhang für zulässig angesehen, dass sich die Gemeinde auf Erkenntnisse bezogen hat, die sie im Rahmen ihres Flächennutzungsplans gewonnen hatte. Die Beschwerde kritisiert dies und meint, die Rechtssache habe insoweit grundsätzliche Bedeutung. Zudem weiche die Entscheidung des Normenkontrollgerichts von Entscheidungen des Beschwerdegerichts ab.
Die erhobene Divergenzrüge ist unzulässig. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Eine Bezugnahme auf ein früheres Vorbringen ersetzt die gegenüber dem Beschwerdegericht erforderliche Darlegung nicht.
Der Rechtssache kommt insoweit auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Dass Methode und Intensität einer Prognose sich nach der jeweiligen Sachlage ausrichten, hat das Beschwerdegericht wiederholt ausgesprochen. Dies bedarf keiner erneuten Bestätigung in einem Revisionsverfahren. In welcher Weise die gebotene Prognosesicherheit erreicht werden kann, entzieht sich – auch in Fällen der Entwicklungsmaßnahme – einer allgemein gültigen Klärung.
3. Die Beschwerde problematisiert in ihrem Vorbringen den Zusammenhang zwischen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung der festgelegten Entwicklungsmaßnahme und den Interessen bauwilliger Eigentümer. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ergibt sich aus diesem Vorbringen indes nicht. Die Entscheidung der Gemeinde, städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach §§ 165 ff. BauGB durchzuführen, ist nicht davon abhängig, ob einzelne oder auch mehrere private Eigentümer bauwillig sind. Die Gemeinde ist nicht genötigt, sich auf eine entsprechende Prüfung und Erörterung einzulassen. § 165 BauGB ermächtigt die Gemeinde gerade, eine umfassende städtebauliche Strukturmaßnahme zu ergreifen. Eine Entwicklungsmaßnahme nach § 165 BauGB setzt daher einen qualifizierten städtebaulichen Handlungsbedarf voraus, der aus Gründen des öffentlichen Interesses ein planmäßiges und aufeinander abgestimmtes Vorgehen im Sinne einer Gesamtmaßnahme erfordert (BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1998 – BVerwG 4 CN 2.97 – BVerwGE 107, 123). Voraussetzung ist darüber hinaus – wie sich unmittelbar aus § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB ergibt –, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit die beabsichtigten Maßnahmen rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1998 – BVerwG 4 CN 5.97 – Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 4 = DVBl 1998, 1294). Das Normenkontrollgericht ist hiervon ausgegangen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Jannasch
Fundstellen
BauR 2001, 375 |
NVwZ 2001, 434 |
ZfIR 2001, 570 |
DÖV 2001, 261 |
LKV 2001, 126 |
NJ 2001, 159 |
ZfBR 2001, 137 |
BRS 2000, 983 |
DVBl. 2001, 405 |
UPR 2001, 118 |
GuG 2001, 62 |