Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.08.2001; Aktenzeichen 9 C 10326/00)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland) vom 29. August 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 301,75 EUR (entspricht 2 546 DM) festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

1. Einen für das angefochtene Urteil erheblichen Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnte, hat die Klägerin nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise bezeichnet. Voraussetzung dafür wäre, dass ein solcher Mangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in deren rechtlicher Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

a) Für die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts substantiiert dargelegt werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Aufklärungsmaßnahmen, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht diese Maßnahmen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwGE 31, 212 ≪217 f.≫; 55, 159 ≪169 f.≫; Beschlüsse vom 19. August 1997, a.a.O., S. 14 f. und vom 18. Juni 1998 – BVerwG 8 B 56.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475).

Eine derartige substantiierte Darlegung enthält die Beschwerdebegründung nicht. Der Vortrag, das Oberverwaltungsgericht hätte nicht ohne Zeugenbefragung oder Einholung eines Sachverständigengutachtens den Schluss ziehen dürfen, alle bemängelten Buchungen seien ordnungsgemäß erfolgt, lässt nicht erkennen, welche konkreten tatsächlichen Feststellungen nach Auffassung der Klägerin von einer solchen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wären. Dasselbe gilt für den Vortrag, die Beurteilung des „unabweisbaren Bedürfnisses” von Dränagen im Sinne der Ziffer 4 der Plangenehmigung vom 2. Mai 1994 sei ohne ein Sachverständigengutachten nicht möglich.

b) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen das aus § 108 Abs. 1 VwGO herzuleitende Gebot der freien Beweiswürdigung darin sieht, dass das Oberverwaltungsgericht rechtsfehlerhaft von einer Schätzungsbefugnis der Beklagten ausgegangen sei, es rechtsfehlerhaft unterlassen habe, die Erforderlichkeit durchgeführter Dränagemaßnahmen nach den im Erschließungsbeitragsrecht entwickelten Grundsätzen zu prüfen, und es rechtsfehlerhaft übersehen habe, dass die Heranziehung der Klägerin zu einer Sachleistung ohne Anrechnung auf ihre Beitragsschuld den Gleichheitsgrundsatz verletze, stellt sie sich nicht auf die Grundlage der für das Verfahren maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts. Vielmehr macht sie geltend, dieses hätte bei einer anderen, nach Ansicht der Klägerin zutreffenden materiellrechtlichen Auffassung den Sachverhalt anders beurteilen müssen. Damit wird kein Verfahrensmangel bezeichnet.

c) Auch die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht in schlüssiger Weise erhoben. Dazu gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass wenigstens vorgetragen wird, welches Vorbringen der Partei durch die beanstandete Verfahrensweise des Gerichts verhindert worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. September 1976 – BVerwG VII CB 46.76 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 23 S. 2; Urteil vom 10. August 1978 – BVerwG 2 C 36.77 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 105 S. 28; Beschlüsse vom 31. Juli 1985 – BVerwG 9 B 71.85 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 S. 9, vom 19. März 1991 – BVerwG 9 B 56.91 – Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 12 und vom 19. August 1997, a.a.O., S. 15). Solche Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht.

2. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Klägerin ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet. Eine solche Abweichung liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der angezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerde muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr; vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1988 – BVerwG 1 B 44.88 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Auch daran fehlt es hier.

Soweit die Klägerin geltend macht, das Oberverwaltungsgericht sei von Rechtsgrundsätzen abgewichen, die das Bundesverwaltungsgericht zu den §§ 128 ff. BauGB aufgestellt habe und die auch im Flurbereinigungsverfahren bei Anwendung der §§ 19, 105 FlurbG gälten, fehlt es schon an der für die Annahme einer Divergenz erforderlichen Identität der angewandten Rechtsvorschriften.

Soweit die Klägerin den Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts beanstandet, dass im Flurbereinigungsverfahren dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügt sei, wenn der Anspruch auf wertgleiche Abfindung erfüllt ist, bezeichnet sie keinen in den von ihr herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1992 – BVerwG 11 C 3.92 – (Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 72) und vom 19. November 1998 – BVerwG 11 B 53.98 – (Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 79) aufgestellten Rechtssatz, der dazu in Widerspruch stände.

3. Schließlich rechtfertigt das Beschwerdevorbringen auch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Die von der Klägerin in der Beschwerdebegründung bezeichneten Fragen erfüllen diese Anforderungen nicht.

a) Die Frage,

ob der für das Erschließungsbeitragsrecht geltende Grundsatz der „pfennig-genauen” Kostenermittlung auch im Flurbereinigungsrecht in dem nach den §§ 19, 105 FlurbG durchzuführenden Beitragserhebungsverfahren gilt,

war für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht von Bedeutung. Abgesehen davon, dass dieser sich aus § 128 Abs. 1 und § 130 Abs. 1 BauGB ergebende Grundsatz im Erschließungsbeitragsrecht nur gilt, soweit nicht die Gemeinde von der Möglichkeit einer Kostenermittlung nach Einheitssätzen Gebrauch macht, lässt sich den vom Oberverwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nichts dafür entnehmen, dass der angefochtenen Beitragserhebung nicht nur solche Aufwendungen zugrunde gelegt wurden, die der Beklagten für die Ausführung der Flurbereinigung tatsächlich in dieser Höhe nachweisbar entstanden, d.h. eindeutig feststellbar angefallen sind (vgl. zu diesem Erfordernis im Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urteil vom 16. August 1985 – BVerwG 8 C 120-122.83 – Buchholz 406.11 § 125 BBauG Nr. 19 S. 20 f.). Die Frage, ob diese Aufwendungen jeweils erforderlich waren, hat mit der Frage, ob sie – „pfennig-genau” – tatsächlich entstanden sind, nichts zu tun.

b) Die von der Klägerin weiter aufgeworfene Frage,

ob für die Heranziehung zu Beiträgen im Flurbereinigungsverfahren nach §§ 19, 105 FlurbG die vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung zu § 129 BauGB entwickelten Grundsätze zur Auslegung des Begriffs der „Erforderlichkeit” anzuwenden sind,

war für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls nicht von Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtsgrundlage des angefochtenen Beitragsbescheides in § 19 Abs. 1 i.V.m. § 105 FlurbG gesehen, wonach die Teilnehmergemeinschaft die Teilnehmer zu Beiträgen in Geld heranziehen kann, soweit die Aufwendungen zur Ausführung der Flurbereinigung erforderlich sind und dem Interesse der Teilnehmer dienen. Den Vortrag der Klägerin, die berücksichtigten Kosten seien zu hoch und deshalb nicht erforderlich, hat es für unbegründet gehalten. Anlass dazu, in diesem Zusammenhang der Erforderlichkeit der Dränagemaßnahmen auf Grundstücken anderer Teilnehmer näher nachzugehen und dabei den Begriff der Erforderlichkeit in bestimmter Weise auszulegen, bot dieser Vortrag dem Oberverwaltungsgericht schon deshalb nicht, weil die Klägerin im Klageverfahren insoweit lediglich geltend gemacht hatte, Kosten für die Dränage seien in der Berechnung der Beklagten nirgendwo aufgeführt. Ihr jetziger Vortrag, sie werde zu Beiträgen für Dränagemaßnahmen herangezogen, die nicht den engen Vorgaben der am 2. Mai 1994 erteilten Genehmigung des Finanzierungsplans entsprächen und nach diesen engen Vorgaben nicht erforderlich seien, hat im Übrigen mit dem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 129 BauGB entwickelten Grundsatz, dass die Gemeinden bei der Prüfung der Erforderlichkeit von Erschließungsanlagen und der für sie angefallenen Kosten einen weiten Ermessensspielraum haben (vgl. BVerwGE 59, 249 ≪252 f.≫), nichts zu tun.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 2, §§ 14, 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Hien, Kipp, Prof. Dr. Rubel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI738184

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