Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 16.08.2012; Aktenzeichen 2 B 13.09) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. August 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 910 409 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Divergenz) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.
Rz. 3
Das Oberverwaltungsgericht hat die in der Gebührenbefreiungsvorschrift des § 40 Abs. 3 BbgWG a.F. enthaltene, in eine Parenthese gesetzte Wortfolge “– als Folge der Wettbewerbsbeeinträchtigung –” dahin ausgelegt, dass die Gewährung einer Befreiung tatbestandlich von einer bei ungekürzter Erhebung des Wassernutzungsentgelts zu erwartenden Wettbewerbsbeeinträchtigung abhänge (UA S. 9). Dafür sprächen sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck sowie der Regelungszusammenhang der Norm. Bedenken bezüglich der Bestimmtheit der Regelung ergäben sich weder aus der im Wortlaut angesprochenen Wettbewerbsbeeinträchtigung noch aus dem Tatbestandsmerkmal der “wasserintensiven Produktion” oder aus dem geforderten Nachweis einer drohenden Wettbewerbsbeeinträchtigung; insbesondere sei nicht ersichtlich, dass ein solcher Nachweis nicht mit legalen Mitteln, d.h. ohne Preisgabe etwaiger Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse geführt werden könne.
Rz. 4
a) Die Frage, ob
der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes bzw. der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Grundsatz der Bestimmtheit einer Abgabennorm die richterrechtliche Schaffung des in § 40 Abs. 3 BbgWG a.F. nicht ausdrücklich vorgesehenen Tatbestandsmerkmals einer an einen Wettbewerbsnachteil heranreichenden Wettbewerbsbeeinträchtigung im Wege der ergänzenden Gesetzesauslegung verbietet,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sollte die Beschwerde darauf abzielen, die Befreiungsvorschrift des § 40 Abs. 3 BbgWG a.F. sei wegen Unbestimmtheit und oder wegen Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt verfassungswidrig und damit nichtig, fehlte es bereits an der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Wäre die Norm nämlich nichtig, wäre die auf Befreiung gerichtete Klage mangels Vorliegens einer Befreiungsnorm abzuweisen (vgl. hierzu auch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2011 – 62/10 – juris Rn. 63).
Rz. 5
Aber auch soweit die Beschwerde darauf gerichtet ist, die Befreiungsnorm müsse anders als vom Oberverwaltungsgericht angenommen ausgelegt werden, nämlich im Sinne einer gesetzlichen Vermutung der Wettbewerbsbeeinträchtigung (vgl. hierzu Beschwerdebegründung S. 5), rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Denn die Beschwerde betrifft eine Vorschrift des Landesrechts, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (§ 137 Abs. 1 VwGO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von irrevisiblem Recht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem irrevisiblen Recht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Beschlüsse vom 20. September 1995 – BVerwG 6 B 11.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8, vom 7. Januar 2008 – BVerwG 9 B 81.07 – Buchholz 401.0 § 171 AO Nr. 1 S. 3 und vom 13. Juni 2009 – BVerwG 9 B 2.09 – Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 6 Rn. 4 m.w.N.). Aus diesem Grund hätte die Beschwerde im Einzelnen darlegen müssen, inwiefern durch das vorliegende Verfahren in Bezug auf die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze des Vorbehaltes des Gesetzes bzw. der Bestimmtheit einer Norm fallübergreifende Fragen aufgeworfen werden, die sich auf der Grundlage der bisher ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht oder nicht mit der erforderlichen Sicherheit beantworten lassen. Daran fehlt es.
Rz. 6
Die Beschwerde erkennt selbst, dass sowohl zum Vorbehalt des Gesetzes im Steuer- und Abgabenrecht als auch zur Frage der Bestimmtheit umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt. Insbesondere ist – wie die Beschwerde ebenfalls zutreffend erkennt – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot auch im Abgabenrecht der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht von vornherein entgegensteht; das Bestimmtheitsgebot ist vielmehr erst dann verletzt, wenn es wegen der Unbestimmtheit eines Rechtsbegriffs nicht mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden und die Gerichte ausschließen. Es ist dann Sache der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte, die bei der Gesetzesauslegung verbleibenden Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln zu beantworten (vgl. nur Beschlüsse vom 10. April 2000 – BVerwG 11 B 61.99 – juris Rn. 10 und vom 13. Juni 2009 a.a.O. Rn. 8, jeweils m.w.N.).
Rz. 7
Soweit die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe im vorliegenden Fall die durch Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen für eine Schaffung ungeschriebener Tatbestandsmerkmale durch “Zugrundelegung der den Grundrechtsträger stärker belastenden Auslegungsmöglichkeit überschritten”, auch seien die “Grenzen, denen das Ergebnis einer unter Anwendung anerkannter Grundsätze getroffenen Auslegung aus bundes(verfassungs)rechtlicher Sicht unterworfen” seien, nicht geklärt, zeigt sie weitergehenden Klärungsbedarf nicht auf, sondern wendet sich letztlich nur gegen die nach den dargelegten Grundsätzen dem Oberverwaltungsgericht obliegende Auslegung der landesrechtlichen Abgabennorm im Einzelfall. Damit lässt sich die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht begründen.
Rz. 8
b) Auch die weitere von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob
der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsgrundsatz die richterrechtliche Schaffung des in § 40 Abs. 3 BbgWG a.F. nicht ausdrücklich vorgesehenen Tatbestandsmerkmals einer an einen Wettbewerbsnachteil heranreichenden Wettbewerbsbeeinträchtigung im Wege der ergänzenden Gesetzesauslegung verbietet, wenn es dem Normadressaten aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, die für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals notwendigen Tatsachen vorzutragen und nachzuweisen,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Denn sie würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat bindend festgestellt, dass es für den geforderten Nachweis genüge, wenn das entgeltpflichtige Unternehmen belegen könne, dass ein über den Preis geführter Wettbewerb bestehe und dass im Hinblick auf den in der Vergangenheit am Markt gezahlten Preis seines Produkts bzw. seiner Leistung wahrscheinlich sei, das es bei Erhebung des Wassernutzungsentgelts und entsprechender Erhöhung des bisher von ihm verlangten Preises nicht mehr konkurrenzfähig anbieten könne, sondernd Aufträge verlieren würde. Dass der Nachweis generell nur über die Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Konkurrenzunternehmen, also nicht legal möglich sei, sei nicht ersichtlich (UA S. 13). Diese für ein Revisionsverfahren bindende Auslegung der landesrechtlichen Bestimmungen hätte die Beschwerde ihrer Fragestellung zugrunde legen müssen.
Rz. 9
c) Die Grundsätzlichkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Fragen wird entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch indiziert, dass derselbe Senat des Oberverwaltungsgerichts zunächst im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle vor dem Landesverfassungsgericht die Auffassung vertreten hat, die Befreiungsvorschrift des § 40 Abs. 3 BbgWG a.F. verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, den Vorbehalt des Gesetzes und den Gleichheitssatz, mit der Folge, dass die gesamte Vorschrift des § 40 BbgWG a.F. nichtig sei, und in der nun mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung die Norm doch für hinreichend bestimmt gehalten hat, und zwar ohne dass das Landesverfassungsgericht eine Sachentscheidung getroffen hat (Beschwerdebegründung S. 7; vgl. zum Normenkontrollverfahren Beschluss des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 17. Juni 2011 – 62/10 – juris). Ein Klärungsbedarf hinsichtlich der bundesverfassungsrechtlichen Maßstabsnorm ergibt sich daraus nicht.
Rz. 10
2. Auch die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht durch.
Rz. 11
Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht weiche mit seiner Auslegung der in § 40 Abs. 3 BbgWG a.F. enthaltenen Wortfolge “– als Folge der Wettbewerbsbeeinträchtigung –” von verschiedenen – in der Beschwerdebegründung näher bezeichneten – Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab. Damit erfüllt sie schon nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes stellt. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten, tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Hieran fehlt es. Es ist schon nicht erkennbar, von welchem Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts das Oberverwaltungsgericht abgewichen sein und welchen es aufgestellt haben soll. Der Sache nach rügt die Beschwerde mit ihrem Vorbringen, die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts gehe über die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts “noch zugelassene Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe in Abgabentatbeständen” nicht nur hinaus, sondern sei “ein aliud”, letztlich die fehlerhafte Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Einzelfall. Damit kann eine Divergenzrüge nicht begründet werden.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bier, Buchberger, Dr. Bick
Fundstellen