Entscheidungsstichwort (Thema)
Überschuldung. unterbliebene Instandsetzungen. fiktive Rücklage. im Zeitpunkt der Eigentumsaufgabe tatsächlich vorhandene Rücklage
Leitsatz (amtlich)
Für die Frage, ob bei der Prüfung der Überschuldung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG eine fiktive Instandhaltungsrücklage anzusetzen ist, kommt es nicht darauf an, ob und ggf. in welcher Höhe eine (geringere) tatsächliche Rücklage im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts vorhanden war.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Magdeburg (Entscheidung vom 09.11.1999; Aktenzeichen 5 K 937/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 9. November 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Weder liegt die geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor, noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu. Auch ein Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), ist nicht dargetan.
1. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt voraus, daß das angefochtene Urteil auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem ebensolchen Rechtssatz abweicht, der in einer von der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt wurde. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO insoweit genügt, sie also sich widersprechende abstrakte Rechtssätze herausgearbeitet hat. Selbst wenn man nämlich mit der Beschwerde davon ausgeht, daß dem angefochtenen Urteil der abstrakte Rechtssatz zugrunde liegt, daß bei der Prüfung einer geltend gemachten Überschuldungslage im Rahmen des § 1 Abs. 2 VermG auch dann ein fiktiver Rücklagenbetrag anzusetzen ist, wenn tatsächlich eine Rücklage im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts vorhanden war, läßt sich jedenfalls der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. Mai 1996 – BVerwG 7 C 47.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 78) kein davon abweichender Rechtssatz entnehmen. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat sich zu der Frage, ob rechnerisch eine fiktive Rücklage auch dann anzusetzen ist, wenn tatsächlich eine (geringere) Rücklage vorhanden war, nicht geäußert. Entgegen der Ansicht der Beschwerde läßt sich der Entscheidung nicht entnehmen, daß Voraussetzung für das Ansetzen eines fiktiven Rücklagebetrages unter anderem sein sollte, daß tatsächlich keine Erträge zurückgelegt worden sind.
Hinsichtlich des weiter von der Beschwerde angeführten Urteils vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – (BVerwGE 98, 87 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39) kommt eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht in Betracht, weil diese Entscheidung keine näheren Ausführungen zur Frage einer fiktiven Rücklage (vgl. a.a.O. S. 97) enthält.
2. Der Rechtsstreit hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, daß eine von der Beschwerde herausgearbeitete bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Als klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde die Frage,
ob bei Eigentumsverzicht im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG trotz ausgewiesenen Rücklagenbetrages in Höhe des vierfachen durchschnittlichen Jahresüberschusses aus den Mieten ein fiktiver Rücklagenbetrag in zwanzigfacher Höhe anzusetzen ist, wenn ansonsten die Voraussetzungen für das Vorliegen einer drohenden Überschuldungslage gemäß § 1 Abs. 2 VermG gegeben sind.
Es bedarf keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, um festzustellen, daß es für die Frage, ob eine fiktive Instandhaltungsrücklage bei der Berechnung anzusetzen ist, nicht darauf ankommt, ob und ggf. in welcher Höhe eine (geringere) tatsächliche Rücklage im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts vorhanden war. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1996 – BVerwG 7 C 47.94 – (a.a.O.) beruht auf der Überlegung, daß ein ehemaliger Eigentümer eines Mietwohngrundstücks, der trotz laufender Erträge über Jahrzehnte keinerlei Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen hat, sich so behandeln lassen muß, als hätte er eine Rücklage in Höhe des zwanzigfachen Jahresreinertrags angespart, weil andernfalls nicht der verständige Hauseigentümer, sondern derjenige Eigentümer begünstigt würde, der seine Miteinnahmen nicht für Instandsetzungsmaßnahmen verwendet oder zurückgelegt hat und darum zu deren Finanzierung außerstande ist (a.a.O. S. 230). An dieser Überlegung ändert sich nichts, wenn der Hauseigentümer zwar nicht in voller Höhe, wohl aber in Höhe eines Teilbetrages (hier: vierfacher Jahresbetrag) tatsächlich eine Rücklage angesammelt hat. Sofern der Eigentümer nämlich nach der festgestellten Ertragslage des Grundstücks eine höhere Rücklage hätte ansparen können, kann er demgegenüber nicht einwenden, er habe dies wenigstens teilweise, aber eben auch nur teilweise getan. Vielmehr verbleibt es dabei, daß die gesamte von einem verständigen Eigentümer fiktiv angesammelte Rücklage in die konkrete Berechnung einfließt.
3. Die weiter geltend gemachte Verfahrensrüge kann keinen Erfolg haben, weil die anwaltlich vertretene Klägerin zu 2 im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz Erörterung der Fragen keine Anträge zur weiteren Sachaufklärung oder gar zur Einholung eines Obergutachtens gestellt hat. Ihre jetzigen Angriffe gegen das vom Verwaltungsgericht eingeholte Gutachten stellen daher letztlich nur Angriffe gegen die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht dar. Damit kann aber ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargetan werden. Im übrigen hat das Verwaltungsgericht mit überzeugenden Gründen ausgeführt, warum die Kosten für eine Wiederherstellung der Balkone nicht in die Berechnung einzubeziehen waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung gemäß §§ 13, 14 GKG ist der Senat aufgrund der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Aufstellung der Mitglieder der Erbengemeinschaft davon ausgegangen, daß die Klägerin zu 2 zu einem Viertel an dem Nachlaß beteiligt ist. Ausgehend von einem derzeitigen Verkehrswert des streitbefangenen Grundstücks in Höhe von 200 000 DM ist der Streitwert entsprechend auf 50 000 DM festzusetzen (vgl. Beschluß vom 2. August 1999 – BVerwG 8 KSt 12.99 – VIZ 1999, 733 = ZOV 2000, 46 ≪zur Veröffentlichung in Buchholz unter 360 § 13 GKG vorgesehen≫).
Unterschriften
Sailer, Golze, Postier
Fundstellen
Haufe-Index 566858 |
ZAP-Ost 2000, 400 |
OVS 2000, 240 |