Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19.10.2006; Aktenzeichen 81 D 2.05) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf den Revisionszulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 70 LDG BB gestützte Beschwerde des Beklagten kann keinen Erfolg haben.
In dem Berufungsurteil, durch das die erstinstanzlich ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bestätigt worden ist, hat das Oberverwaltungsgericht dem Beklagten zur Last gelegt, schwerwiegend gegen grundlegende Dienstpflichten eines Gerichtsvollziehers verstoßen zu haben. Insbesondere habe er im Jahr 1998 dreimal Gelder in Höhe von 1 650 DM und 4 700 DM sowie schließlich in Höhe von 15 000 DM unbefugt von seinem Dienstkonto abgehoben, um sie für private Zwecke zu verwenden. Bei Aufdeckung dieser Pflichtenverstöße bei einer Geschäftsprüfung seien die beiden kleineren Beträge vollständig, der Betrag von 15 000 DM ungefähr zur Hälfte ausgeglichen gewesen. Die gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG BB gebotene Gesamtwürdigung dieses schweren Dienstvergehens auf der Grundlage aller festgestellten be- und entlastenden Umstände ergebe, dass der Beklagte als Beamter nicht mehr tragbar sei. Ihm komme kein sog. anerkannter Milderungsgrund zugute. Es stehe fest, dass die Veruntreuungen nicht auf seine dienstliche Überbeanspruchung im Tatzeitraum zurückzuführen seien. Denn der Beklagte habe sowohl die Kostenrechnungen als auch die Abrechnungen für die Justizkasse stets zeitnah bearbeitet.
Mit seiner Beschwerde bezeichnet der Beklagte zwar den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung, macht aber in der Sache eine Divergenz geltend. Er trägt vor, das Oberverwaltungsgericht habe die Anforderungen nicht beachtet, die der Senat in dem Urteil vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – (BVerwGE 124, 252 ≪258 ff.≫) für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 und 2 BDG aufgestellt habe. Das Berufungsurteil beruhe auf einer Auslegung der landesgesetzlichen Bemessungsregelungen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 LDG BB, die von der Auslegung der wortgleichen bundesgesetzlichen Regelungen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 BDG durch den Senat in dem Urteil vom 20. Oktober 2005 (a.a.O.) abweiche. Das Oberverwaltungsgericht habe die erforderliche umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten nicht vorgenommen und verschiedenen bemessungsrelevanten Gesichtspunkten keine Bedeutung beigemessen. So sei es auf die Beweggründe des Beklagten für sein Fehlverhalten nicht eingegangen. Es habe weder dessen enorme berufliche Belastung im Tatzeitraum noch den Umstand mildernd berücksichtigt, dass Dritten kein Schaden entstanden sei.
Die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO sollen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung, nicht aber die materielle Richtigkeit verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen im Einzelfall gewährleisten. Daher setzt eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO voraus, dass die Vorinstanz in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Die Vorinstanz muss einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts ablehnen, weil sie ihn für unrichtig hält. Zwischen beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer Rechtsvorschrift bestehen. Demzufolge liegt eine Divergenz nicht vor, wenn die Vorinstanz einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
In dem Urteil vom 20. Oktober 2005 (a.a.O.) hat der Senat zu dem Bedeutungsgehalt von § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ausgeführt, diese Regelungen begründeten die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die Disziplinarmaßnahme auf Grund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Als maßgebendes Bemessungskriterium sei die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG Ausgangspunkt für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme. Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung könnten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere Maßnahme als diejenige geboten sei, die durch die Schwere des Dienstvergehens indiziert werde. Ein zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führender endgültiger Vertrauensverlust gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG sei anzunehmen, wenn auf Grund der Gesamtwürdigung der Schluss gezogen werden müsse, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei nicht wieder gutzumachen (vgl. nunmehr auch Urteil vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – zur Veröffentlichung bestimmt).
Ausweislich der Urteilsgründe hat das Oberverwaltungsgericht diesen Rechtssätzen des Senats zum Bedeutungsgehalt von § 13 Abs. 1 und 2 BDG nicht widersprochen, sondern sie auf die wortgleichen Regelungen gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG BB übertragen (Seite 13 des Urteilsabdrucks). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es einen vom Senat aufgestellten Rechtssatz als unrichtig angesehen hat. In Betracht kommt allenfalls eine fehlerhafte Anwendung in dem zu entscheidenden Fall.
Die in der Beschwerdebegründung angeführten Gesichtspunkte hat das Oberverwaltungsgericht in den Urteilsgründen abgehandelt. So hat es zu den Beweggründen des Beklagten festgestellt, dieser habe die Gelder veruntreut, um einen finanziellen Engpass wegen seines Hausbaus zu beheben. Ausschlaggebend sei jedoch, dass er nicht unverschuldet in diese Lage geraten sei (Seiten 16, 17). Der hohen Arbeitsbelastung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht wegen fehlender Ursächlichkeit für die Veruntreuungen keine maßgebende Bedeutung beigemessen (Seiten 19, 20). Hinsichtlich der psychischen Verfassung des Beklagten im Tatzeitraum hat es darauf abgestellt, es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten gemäß §§ 20, 21 StGB ergeben (Seiten 20, 21).
Auch der Beklagte zeigt einen prinzipiellen Auffassungsunterschied zwischen dem Oberverwaltungsgericht und dem Senat nicht auf. Vielmehr rügt er in der Art einer Revisionsbegründung, dass das Oberverwaltungsgericht bestimmte für ihn sprechende Gesichtspunkte nicht zum Anlass genommen hat, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Damit rügt er in der Sache nicht, dass das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung einen generell unzutreffenden rechtlichen Ansatz zugrunde gelegt, sondern dass es die be- und entlastenden Umstände im Einzelfall fehlerhaft gewichtet hat. Der Beklagte hält anstelle der prognostischen Gesamtwürdigung des Oberverwaltungsgerichts eine ihm günstigere Würdigung für sachgerecht. Damit verkennt er den Unterschied zwischen einer Nichtzulassungsbeschwerde und einer zugelassenen Revision.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts als Grundlage einer umfassenden prognostischen Gesamtwürdigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG BB in jeder Hinsicht ausreichen. Denn der Beklagte hat keine begründete Verfahrensrüge erhoben (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO, § 70 LDG BB). Ungeachtet der fehlenden Bezeichnung eines Verfahrensmangels reicht das Beschwerdevorbringen offensichtlich nicht aus, um hinsichtlich der beruflichen Arbeitsüberlastung des Beklagten und ihrer gesundheitlichen Folgen sowie hinsichtlich der Verwendung der veruntreuten Gelder einen Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung entsprechend den Anforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 70 LDG BB substantiiert darzulegen (vgl. hierzu Urteil vom 16. Dezember 1977 – BVerwG 7 C 59.74 – BVerwGE 55, 159 ≪169≫). Auch stellt die Aufklärungsrüge kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen zu kompensieren (stRspr; vgl. nur Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222 ≪223≫).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 78 Abs. 4 LDG BB. Gerichtsgebühren werden gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 LDG BB nicht erhoben.
Unterschriften
Albers, Dr. Müller, Dr. Heitz
Fundstellen