Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 11.10.2006; Aktenzeichen 1 LB 28/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen durch ein jährlich während eines Zeitraums von 17 Tagen veranstaltetes Volksfest (Jahrmarkt mit Karussellbetrieben und dergleichen). Sie möchten vom Volksfestplatz ausgehende Geräuschimmissionen untersagt wissen, deren Beurteilungspegel vor den Wohn- und Schlafräumen ihres Hauses werktags außerhalb der Ruhezeit 55 dB(A), innerhalb der Ruhezeit 50 dB(A) und nachts 40 dB(A) überschreiten. Das Verwaltungsgericht hat nach Einnahme eines Augenscheins der Unterlassungsklage stattgegeben. Es hat angenommen, das im Bebauungsplan als Mischgebiet ausgewiesene Grundstück der Kläger sei nach der tatsächlichen Bebauung in Anwendung der Freizeitlärmrichtlinie wie ein Grundstück in einem allgemeinen Wohngebiet einzustufen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der für das Grundstück maßgebliche Bereich im gültigen Bebauungsplan als Mischgebiet festgesetzt sei und auch nicht faktisch einem allgemeinen Wohngebiet entspreche. Überdies sei nach den Feststellungen des Lärmgutachtens, das die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt habe, davon auszugehen, dass die Richtwerte für Wohngebiete nur bei selten vorkommenden Windverhältnissen nicht eingehalten würden. Auch in zeitlicher Hinsicht seien die von dem Volksfest ausgehenden Lärmimmissionen angesichts dessen erheblicher örtlicher Bedeutung den Klägern zuzumuten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Oberverwaltungsgericht ohne eine nach ihrer Ansicht gebotene Wiederholung des Augenscheins die Schutzbedürftigkeit des Grundstücks der Kläger anders als das Verwaltungsgericht beurteilt habe. Der behauptete Verfahrensfehler liegt nicht vor. Soweit die Rüge auf die vom Verwaltungsgericht abweichende Beurteilung des Gebietstyps durch das Oberverwaltungsgericht zielt, musste sich dem Oberverwaltungsgericht die erneute Einholung eines Augenscheins schon deswegen nicht aufdrängen, weil es nicht die auf der Grundlage der Ortsbesichtigung vom Verwaltungsgericht festgestellte tatsächliche Bebauung des in Rede stehenden Gebiets in Zweifel gezogen hat, sondern aufgrund seines abweichenden materiellrechtlichen Ansatzes zu einem anderen Ergebnis gelangt ist. Während das Verwaltungsgericht davon ausgegangen war, dass bei einer erheblichen Abweichung der tatsächlichen baulichen Nutzung von der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung der Gebietstyp i.S.v. Nr. 2 Abs. 3 der Freizeitlärm-Richtlinie vom 22. Juni 1998 (ABl Schleswig-Holstein S. 572) nach der tatsächlichen Nutzung zu bestimmen sei, ist nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts bei Anwendung dieser Vorschrift von der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart nur dann abzuweichen, wenn das Planungsrecht seine ordnende und steuernde Wirkung eindeutig und endgültig verloren hat, der Bebauungsplan also funktionslos geworden ist. Die hiernach maßgebliche Beurteilung konnte das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts vornehmen, ohne dass es hierfür einer weiteren Sachaufklärung durch Einnahme eines Augenscheins bedurfte. Ob anderes gilt, wenn das Berufungsgericht eine durch Augenschein getroffene tatsächliche Feststellung abweichend von der Vorinstanz würdigt (BGH, VersR 1985, 839; zur abweichenden Würdigung einer Sachverständigenaussage Beschluss vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1 – 11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 86 ≪96≫), kann dahingestellt bleiben, da ein Fall dieser Art hier nicht gegeben ist.
Ebenso wenig verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass das in Rede stehende Gebiet unabhängig von seiner Ausweisung als Mischgebiet auch faktisch nicht einem allgemeinen Wohngebiet entspreche. Das Oberverwaltungsgericht stützt diese Auffassung auf eine dem Grundstück der Kläger benachbarte Tankstelle mit Waschanlage und Serviceshop, der es mit Blick auf “die vom Tankstellenbetrieb ausgehenden Emissionen, die großzügig gestaltete Einfahrt und ihre Sichtbarkeit” eine hinreichend prägende Wirkung beimisst, um die nähere Umgebung mit dem Grundstück der Kläger als einem Mischgebiet entsprechend einzuordnen. Hierin liegt zwar eine gegenüber derjenigen des Verwaltungsgerichts abweichende Tatsachenwürdigung. Das Oberverwaltungsgericht war aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) berechtigt, das Erscheinungsbild der Tankstelle, die von den Klägern selbst als “eine der schlimmsten Bausünden” bezeichnet und als für die Ausweisung als Mischgebiet ursächlich angesehen wurde, als für das Baugebiet prägend zu würdigen. Das Verwaltungsgericht hatte dem Vorhandensein der Tankstelle keine besondere Bedeutung für die Gebietseinstufung beigemessen. Angesichts dessen war das Oberverwaltungsgericht nicht gehindert, diesem aus dem Augenscheinsprotokoll und aus zu den Akten gereichten Fotos ersichtlichen tatsächlichen Umstand ohne erneute Einnahme eines Augenscheins eine gebietsprägende Bedeutung beizumessen. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn das Oberverwaltungsgericht bei seiner Würdigung einen zu den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Widerspruch stehenden Sachverhalt zugrunde gelegt hätte, kann dahingestellt bleiben, da ein Fall dieser Art hier nicht gegeben ist. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zutrifft. Das gebotene Maß der Sachaufklärung bestimmt sich allein nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts, auf der dessen Urteil beruht. Die Richtigkeit dieser Auffassung ist eine Frage des materiellen Rechts, die eine Zulassung der Verfahrensrevision nicht eröffnet.
Unbegründet ist die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die richterliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) verletzt, weil es die in erster Instanz erfolgreichen Kläger nicht darauf aufmerksam gemacht habe, dass es seiner Entscheidung zu deren Lasten das im erstinstanzlichen Verfahren von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Prof. Dr.-Ing. G… über Schallmessungen beim Volksfest 2002 zugrunde legen werde. Die Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (Urteil vom 11. November 1970 – BVerwG 6 C 49.68 – BVerwGE 36, 264 ≪266 f.≫). Das Berufungsgericht darf deshalb seine Entscheidung nicht auf Tatsachen oder Rechtsgründe stützen, die für einen erstinstanzlich erfolgreichen Beteiligten in Ansehung der Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils überraschend ist (Urteil vom 14. März 1991 – BVerwG 10 C 10.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 43, Urteil vom 25. März 1980 – BVerwG 4 C 87.77 – Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 13). Ein solches Überraschungsurteil liegt hier jedoch nicht vor. Abgesehen davon, dass schon das Verwaltungsgericht in seinem Urteil, wenn auch nicht entscheidungstragend, das Gutachten von Prof. Dr.-Ing. G… erörtert hatte, kann keine Rede davon sein, das Oberverwaltungsgericht habe mit der Übernahme von Feststellungen des Gutachters zur Immissionsbelastung der Kläger je nach Wetterlage einen bis dahin nicht erörterten Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben, mit der die Kläger nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hätten rechnen müssen. Die Beklagte hatte schon in der Begründung ihres Antrags auf Berufungszulassung auf die einschlägigen Feststellungen des Gutachters Bezug genommen, um die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen. In seiner Erwiderung auf diesen Schriftsatz hatte sich auch der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit dem Gutachten auseinandergesetzt. Das Gutachten und die daraus zu ziehenden rechtlichen Folgerungen waren auch Gegenstand der im Lauf des Berufungsverfahrens gewechselten Schriftsätze der Beteiligten. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in seiner Berufungserwiderung vom 8. November 2004 überdies ausdrücklich auf die Feststellungen des Sachverständigen Bezug genommen. Angesichts dessen bedurfte es keines Hinweises des Vorsitzenden auf die Möglichkeit, dass die Feststellungen des Gutachters für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bedeutung erlangen könnten; denn die anwaltlich vertretenen Kläger mussten nach dem Verlauf des Verfahrens damit rechnen, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auch auf das Gutachten gestützt werden könnte. Demgegenüber konnten die Kläger nicht erwarten, dass das Oberverwaltungsgericht über die Immissionsbelastung der Kläger Beweis erheben werde. Da die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt haben und sich dem Oberverwaltungsgericht aus seiner materiellrechtlichen Sicht eine Beweisaufnahme nicht aufdrängen musste, ist auch der von der Beschwerde sinngemäß gerügte Aufklärungsmangel nicht gegeben.
Aus entsprechenden Gründen bedurfte es eines richterlichen Hinweises auch nicht zu der Frage, ob der für das Grundstück der Kläger maßgebliche Bebauungsplan funktionslos und damit unwirksam geworden sein könnte. Auch diese – vom Verwaltungsgericht als nicht entscheidungserheblich offengelassene – Frage wurde im Lauf des Berufungsverfahrens von den Beteiligten namentlich unter dem Gesichtspunkt einer künftigen Realisierbarkeit der planerisch vorgesehenen Entwicklung eingehend erörtert. Die Kläger konnten deshalb nicht davon überrascht sein, dass das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung die Unwirksamkeit des Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit verneint hat. Weitergehende Hinweise beispielsweise zu den hierfür maßgeblichen rechtlichen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts waren nicht geboten. Inhalt der Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO ist es nicht, einen anwaltlich vertretenen Kläger in allen möglichen oder denkbaren materiellen Richtungen zu beraten (Beschluss vom 14. Februar 1984 – BVerwG 3 B 111.81 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 34). Ob die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung des für das Grundstück der Kläger maßgeblichen Bereichs als Mischgebiet bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung noch nicht einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, oder diese Tatsache nicht so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient (Urteil vom 29. April 1977 – BVerwG 4 C 39.75 – BVerwGE 54, 5), ist eine Frage des materiellen Rechts. Selbst wenn das Oberverwaltungsgericht diese Frage unzutreffend beantwortet haben sollte, läge darin kein Verfahrensfehler.
Zu Unrecht hält die Beschwerde die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, bei der in Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 der Freizeitlärm-Richtlinie vorgeschriebenen Berücksichtigung der “vorgesehenen Entwicklung” des Gebiets sei die festgesetzte Gebietsart von ausschlaggebendem Gewicht, für denkfehlerhaft. Abgesehen davon, dass ein Verstoß gegen die Denkgesetze einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss voraussetzt und diese Voraussetzung nicht schon bei unrichtigen oder fernliegenden Schlussfolgerungen erfüllt ist, beruht der Vorwurf der Beschwerde auf einem Sachverhalt, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Nach Ansicht der Beschwerde kann sich bei einer erheblichen Abweichung der im Bebauungsplan festgesetzten Nutzung von der tatsächlichen Nutzung die vorgesehene Entwicklung des Gebiets “nicht aus dem obsolet gewordenen Bebauungsplan ergeben”; denkfehlerhaft sei, dass das Oberverwaltungsgericht diesem “Zirkelschluss” erlegen sei. Die Beschwerde missversteht hierbei die Anforderungen an die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans, die nicht schon dann anzunehmen ist, wenn die tatsächliche Nutzung von der im Bebauungsplan festgesetzten Nutzung abweicht. Da unter solchen Umständen der Bebauungsplan keineswegs “obsolet” sein muss, könnte ein Zirkelschluss allenfalls dem Beschwerdevorbringen zugrunde liegen. Im Übrigen trifft zwar zu, dass sich im Fall einer erheblichen Abweichung die vorgesehene bauliche Entwicklung “vor allem” aus dem Flächennutzungsplan ergibt (Urteil vom 12. August 1999 – BVerwG 4 CN 4.98 – BVerwGE 109, 246 ≪254≫), aber auch aus dem Bebauungsplan ergeben kann, sofern dieser nicht jegliche Steuerungsfähigkeit verloren hat. Von einem Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen die Denkgesetze kann jedenfalls keine Rede sein.
2. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten Abweichung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei bei der “normgleiche(n)” Anwendung der Freizeitlärm-Richtlinie von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, ist bereits unzulässig, weil die Beschwerde weder die angeblichen Divergenzentscheidungen bezeichnet noch darlegt, dass das Oberverwaltungsgericht einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
3. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
Die von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, “ob eine Tankstellenanlage, die nach ihrer konkreten Ausführung in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNutzVO zulässig ist, ein Plangebiet, das im Übrigen allein der Wohnnutzung dient, so prägen kann, dass seine Einordnung als allgemeines Wohngebiet ausscheidet”, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Abgesehen davon, dass die Beschwerde bei ihrer Fragestellung tatsächliche Umstände voraussetzt, die das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat, ist die aufgeworfene Frage nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beantworten und darum einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
Auch die Frage, ob “der Tatrichter bei der Prüfung der Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen durch ein Volksfest nach §§ 3, 22 BImSchG unter Heranziehung der Freizeitlärm-Richtlinie für die Schutzbedürftigkeit des betroffenen Grundstücks auch dann allein auf die Festsetzung in einem einschlägigen Bebauungsplan (hier: Mischgebiet) abstellen darf, wenn zwischen der Emissionsquelle (hier: Volksfest) und dem betroffenen Grundstück Grundstücke liegen, die als allgemeine oder reine Wohngebiete ein höheres Schutzniveau beanspruchen können, und das betroffene Grundstück unmittelbar an diese Grundstücke mit einem höheren Schutzniveau angrenzt”, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass für das im Mischgebiet gelegene Grundstück der Kläger nicht die Lärmrichtwerte zugrunde gelegt werden könnten, die für die näher am Volksfestplatz gelegenen Wohngebiete maßgeblich seien. Der rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts entspricht dem grundsätzlichen Verhältnis, in dem Immissionsschutzrecht und Bauplanungsrecht zueinander stehen, wonach die normative Bestimmung der baulichen Nutzung im Regelfall Vorrang hat und die realen Nutzungsverhältnisse nur in außergewöhnlichen Situationen maßgebend sein können. Mit der Anerkennung des Bebauungsplans als normativer Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft im Einwirkungsbereich emittierender Anlagen gewährleistet das Immissionsschutzrecht, dass der Bebauungsplan seine Aufgabe erfüllen kann, eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu erreichen und dauerhaft zu sichern (Urteil vom 12. August 1999 – BVerwG 4 CN 4.98 – BVerwGE 109, 246 ≪254≫). Die baugebietsspezifische Definition der Zumutbarkeitsschwelle schließt es regelmäßig aus, dass sich der Grundstückseigentümer in einem weniger schutzbedürftigen Gebiet auf das Schutzniveau eines stärker schutzbedürftigen Gebiets in seiner Nachbarschaft berufen kann. Vielmehr ist gewissermaßen umgekehrt in den Bereichen, in denen Baugebiete von unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit zusammentreffen, die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, die unter anderem dazu führt, dass der Belästigte Nachteile hinnehmen muss, die er außerhalb dieses Grenzbereichs nicht hinzunehmen brauchte (vgl. Urteil vom 12. Dezember 1975 – BVerwG 4 C 71.73 – BVerwGE 50, 49 ≪54 f.≫). In derartigen Gemengelagen ist infolgedessen der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme dahin zu konkretisieren, dass ein – freilich nicht schematisch zu verstehender – Zwischenwert gebildet wird, dem die Aufgabe zukommt, die Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit und der Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (Beschluss vom 28. September 1993 – BVerwG 4 B 151.93 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 119). Im Einklang hiermit hat das Oberverwaltungsgericht, wiewohl in anderem Zusammenhang, angenommen, dass für das Grundstück der Kläger kein Schutz beansprucht werden könne, der allenfalls für ein in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenes Grundstück eingefordert werden könnte. Dem entspricht, dass das Oberverwaltungsgericht den Klägern die Einhaltung der für Wohngebiete maßgeblichen Nachtrichtwerte nicht zugebilligt hat. Zu weiterer rechtsgrundsätzlicher Klärung dieser Thematik gibt das Beschwerdevorbringen keinen Anlass.
Die Frage, “ob eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen Nutzung von der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung im Sinne der Ziffer 2 Abs. 3 Satz 3 Freizeitlärm-Richtlinie auch dann vorliegen kann, wenn der Bebauungsplan zwar noch nicht funktionslos geworden ist, aber die bauliche Nutzung sich so weit von der Festsetzung im Bebauungsplan entfernt hat, dass die Gemeinde spätestens im Falle einer Überplanung des Gebietes oder der Nachbarschaft aus Gründen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung (§ 1 Abs. 3 BauGB) oder einer gerechten Abwägung (§ 1 Abs. 5 und 6 BauGB) allen Anlass dazu hat, die Baugebietsfestsetzung im Sinne der tatsächlich ausgeübten Nutzung zu ändern”, würde in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden sein und rechtfertigt deswegen nicht die Zulassung der Revision. Die Beschwerde geht von einem Sachverhalt aus, den das Oberverwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Im Übrigen trifft die Behauptung der Beschwerde nicht zu, das Oberverwaltungsgericht habe die Freizeitlärm-Richtlinie “normersetzend” angewendet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seiner Erwägung, Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 der Freizeitlärm-Richtlinie sei “als Ausnahmebestimmung eng auszulegen”, der Sache nach nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck zu bringen versucht, dass diese Verwaltungsvorschrift ähnlich wie § 2 Abs. 6 Satz 3 der 18. BImSchV (Sportanlagenlärmschutzverordnung) in der Einordnung des Baugebiets nach der tatsächlichen baulichen Nutzung eine Ausnahme sieht, die die Regel der im Bebauungsplan festgesetzten Art der baulichen Nutzung nur unter besonderen Umständen gegenstandslos werden lässt. Die Beschwerde zielt mit ihrer als Grundsatzrüge eingekleideten Frage der Sache nach auf eine Korrektur der Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts. Eine solche Korrektur im Einzelfall zu eröffnen, ist nicht der Zweck der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Schließlich weist auch die höchst hilfsweise aufgeworfene Frage, “ob die auf einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch entsprechend §§ 1004, 906 BGB gestützte Klage von Geräuschimmissionen betroffener Grundstückseigentümer insgesamt abgewiesen werden darf, wenn das Verwaltungsgericht die mit der Klage begehrte Einhaltung von bestimmten Grenzwerten für nicht gerechtfertigt erachtet, gleichzeitig aber der – die Pflicht zur Einhaltung von Grenzwerten insgesamt in Abrede stellenden – Beklagten in den Entscheidungsgründen aufgibt, auf die Einhaltung des erreichten Schutzniveaus zu achten und weitere Anstrengungen zu unternehmen, die Geräuschbelastung weiter zu reduzieren”, nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung auf, die ihr die Beschwerde beimisst. Die hinter der Fragestellung stehende Behauptung der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht sei zugunsten der Kläger von einem höheren Schutzniveau ausgegangen, als dies aus der Abweisung der auf Einhaltung bestimmter Beurteilungspegel gerichteten Klage hervorgehe, findet in den Urteilsgründen keine Grundlage. Die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zu den Bemühungen und fortbestehenden Pflichten der Beklagten, zumutbare Lärmminderungsmaßnahmen durchzuführen, stehen erkennbar im Zusammenhang mit der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und mit den Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG). Dadurch wird das vom Oberverwaltungsgericht für maßgeblich gehaltene, die Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen für die Kläger voraussetzende und deswegen die Klagabweisung tragende niedrigere Schutzniveau nicht in Frage gestellt. Die appellativen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts sind deshalb ohne Bedeutung für die am Maßstab der Erheblichkeit der Geräuschimmissionen gemessene gebietsartbezogene Schutzbedürftigkeit des Grundstücks der Kläger. Infolgedessen sind sie von vornherein ungeeignet, eine Teilstattgabe der Klage zu rechtfertigen.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Guttenberger
Fundstellen