Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 1 C 11806/00) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
a) Ob das Normenkontrollgericht mit der Feststellung, dass die mit der Genehmigung u.a. eines Schuh- und Bekleidungsmarktes sowie eines Baumarktes ausschlaggebenden Gegebenheiten wesentlich andere sein „dürften” als die im Bereich des Grundstücks des Antragstellers, gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen und die Pflicht verletzt hat, die Entscheidung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO mit Gründen zu versehen, kann dahinstehen. Ferner kann offenbleiben, ob mit der Behauptung, die Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO sei verletzt, überhaupt ein Mangel im Verfahren und nicht nur in der Anwendung des materiellen Rechts dargetan ist. Der Antragsteller stellt nämlich nicht in Abrede, dass die angefochtene Entscheidung ausführlich begründet ist. Selbst wenn das Urteil der Vorinstanz in dem von ihm angesprochenen Begründungsteil Defizite aufweisen sollte, würde dies eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Denn die angefochtene Entscheidung kann auf dem von ihm bezeichneten Mangel schlechterdings nicht beruhen. Das Normenkontrollgericht stellt klar (UA S. 9), dass es aus seiner rechtlichen Sicht „letztendlich” nicht darauf ankommt, ob „die für die Genehmigung dieser Betriebe ausschlaggebenden Gegebenheiten” anders als im Bereich des Grundstücks des Antragstellers zu beurteilen sind.
b) Die Formulierung, „letztendlich würden aber auch einige wenige Ausnahmen von dem von der Antragsgegnerin sich selbst gegebenen Nutzungskonzept nicht dazu führen, dass eine auf diesem Konzept aufbauende Planausweisung an anderer Stelle schlechthin unvertretbar würde”, lässt sich weder als Indiz für eine mangelnde Überzeugungsbildung noch als Beleg für ein Begründungsdefizit werten. In dem Konjunktiv „würden” kommt nicht zum Ausdruck, dass die Vorinstanz „selbst nicht von den eigenen Erwägungen überzeugt” ist. Das Normenkontrollgericht bezieht zu dem vom Antragsteller angesprochenen Punkt an anderer Stelle (UA S. 11) in einer Weise Position, die geeignet ist, die Bedenken, die die in der Beschwerdebegründung zitierte Urteilspassage insoweit aufwerfen mag, zweifelsfrei auszuräumen. Dort heißt es nämlich: „Im Übrigen kann allein der Umstand, dass nicht in jedem Plangebiet der Stadt das beschlossene Konzept der Antragsgegnerin vollständig verwirklicht wird, sondern insoweit Abweichungen vorhanden sind, nicht dazu führen, dass die Einhaltung des Konzepts im vorliegenden Bereich willkürlich ist”.
c) Auch die Formulierung, dass „von daher … die Zulassung von Sonderflächen für den großflächigen Einzelhandel durchaus noch konzeptgerecht (erscheint)” (UA S. 11), lässt sich entgegen der Wertung des Antragstellers nicht als „bloßes Statement” ohne jede Begründungsfunktion abtun. Das Normenkontrollgericht lässt es nicht mit der in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Bemerkung bewenden. Es untermauert seine Feststellung vielmehr mit dem Hinweis auf ein Gutachten aus dem Jahre 1997, dem es entnimmt, dass durchaus noch ein „Bedarf an großflächigen Fachmarktsortimenten außerhalb der Innenstadt” besteht (UA S. 10). Damit bringt es hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Frage nach der Konzeptgerechtigkeit nach seiner Einschätzung nicht zuletzt von der Unterscheidung zwischen innenstadtrelevanten und innenstadtirrelevanten Warensortimenten abhängt.
d) Soweit das Normenkontrollgericht feststellt, dass „die Nichtberücksichtigung des vierstöckigen Gebäudes jenseits des Flugfeldes und zweier anderer Bauvorhaben auf der gegenüberliegenden Seite der Bosenheimer Straße nicht als willkürlich (erscheint), da insoweit keine vergleichbare Situation vorliegt” (UA S. 12), leidet das angefochtene Urteil nicht an einem Begründungsmangel. Der Antragsteller übersieht, dass die Vorinstanz die von ihm vermisste Erklärung, weshalb die Situation nicht vergleichbar ist, keineswegs schuldig bleibt. Das Normenkontrollgericht weist darauf hin, dass das Gewerbegebiet, in dem das Grundstück des Antragstellers liegt, durch Besonderheiten gekennzeichnet ist. Es nennt in diesem Zusammenhang ausdrücklich „die Lage im Ortseingangsbereich, die topografischen Verhältnisse sowie die bereits vorhandene Bebauung” (UA S. 12).
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimisst.
a) Der Antragsteller hält für klärungsbedürftig, ob „die ‚Erforderlichkeit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung’ im Sinne der § 1 Abs. 5 und § 8 BauNVO in Verbindung mit § 1 Abs. 3 BauGB eines außerhalb eines Kerngebiets Einzelhandel zum Schutz der Innenstadt partiell ausschließenden Bebauungsplans (vorliegt), wenn ein von der plangebenden Gemeinde in Auftrag gegebenes Gutachten zur Entwicklung des Einzelhandels in ihrem Stadtgebiet zu dem Ergebnis kommt, die für die Gemeinde festgestellte Kaufkraftbindung liege ohne den angegriffenen Plan am oberen Rand dessen, was Innenstädte von Mittelzentren im Marktgebiet als Marktausschöpfung realisieren können”. Der Senat hätte schon deshalb keine Veranlassung, hierauf einzugehen, weil der Frage ein Sachverhalt unterlegt ist, zu dem die Vorinstanz keine Feststellungen getroffen hat. Das Normenkontrollgericht setzt sich zwar mit dem Gutachten, auf das sich der Antragsteller bezieht, auseinander. Auf den in der Beschwerdebegründung angesprochenen Aspekt geht es dabei aber nicht ein. Ob hierzu Anlass bestanden hätte, kann dahinstehen. Denn der Antragsteller erhebt insoweit keine Verfahrensrüge.
b) Klärungsbedarf sieht der Antragsteller bei folgenden Fragestellungen:
„Gilt im Planungsrecht als Teilelement der ‚Erforderlichkeit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung’ oder als deren über- oder untergeordneter Begriff das Postulat der Systemkonformität/Systemgerechtigkeit im Rahmen der ‚Erforderlichkeit’ einer den Einzelhandel außerhalb von Kerngebieten zum Schutze der Innenstadt eines Mittelzentrums partiell ausschließenden Planung und ist es verletzt,
wenn in 100-200 m Entfernung vom Plangebiet Betriebe mit demselben Sortiment angesiedelt werden wie demjenigen, das mit dem streitbefangenen Plan verboten werden soll
und/oder
wenn im Gemeindegebiet die vorhandene Sonderfläche für großflächigen Einzelhandel an anderer Stelle in mindest solchem Umfang vergrößert werden soll, wie ein Plangebiet mit Ausschluss bestimmter Einzelhandelssortimente ausgewiesen werden soll,
und/oder
- die Gemeinde selbst Ansiedlung von Betrieben initiiert und fördert, die in 100-200 m Entfernung vom Plangebiet dasselbe Sortiment anbieten, wie es im Plangebiet verboten ist”.
Die Frage rechtfertigt in keiner der vom Antragsteller aufgezeigten Varianten eine Zulassung der Revision auf der Grundlage des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Senat hat mehrfach dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen in einem Bebauungsplan bestimmte Arten von Nutzungen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO ausgeschlossen werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 und – BVerwG 4 C 19.85 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 9; Beschluss vom 27. Juli 1998 – BVerwG 4 BN 31.98 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 25). Der Antragsteller zeigt nicht auf, inwiefern diese Rechtsprechung korrektur- oder fortentwicklungsbedürftig sein könnte. Er wirft der Sache nach die Frage auf, ob eine Ausschlussregelung, die nach der ihr zugrunde liegenden planerischen Konzeption dem Schutz des innerstädtischen Einzelhandels dient, sich deshalb als unzulässig erweisen kann, weil die Gemeinde an anderer Stelle konzeptwidrig Einzelhandelsnutzungen ohne entsprechende Einschränkungen zulässt. Er zieht nicht grundsätzlich in Zweifel, dass Festsetzungen auf der Grundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO ein geeignetes Mittel sein können, um auf die Struktur des Einzelhandels im Gemeindegebiet Einfluss zu nehmen. Ob ein Rückgriff auf das Instrumentarium des § 1 Abs. 5 bis 9 BauNVO zur Sicherung der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung im Sinne der Fragestellung des Antragstellers erforderlich ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten beurteilen. Auch wenn die Gemeinde von den Möglichkeiten, die ihr diese Regelungen eröffnen, nach Maßgabe eines auf das gesamte Gemeindegebiet bezogenen Konzepts Gebrauch macht, ist die Frage, ob und in welchem Umfang Abweichungen geeignet sind, ein solches Konzept zu beeinträchtigen, von den Umständen des Einzelfalls abhängig.
c) Die Frage, „welche Darlegungs- und Beweislastanforderungen … an das Vorliegen einer Verhinderungs- und Abwehrplanung zu stellen (sind)”, verleiht der Rechtssache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Sie würde sich in dem erstrebten Revisionsverfahren auf der Grundlage der vom Normenkontrollgericht getroffenen Feststellungen so nicht stellen. Der Antragsteller geht selbst davon aus, dass eine Beweislastumkehr nur im Nichtaufklärungsfalle in Betracht zu ziehen ist. Von einer solchen Konstellation kann im anhängigen Rechtsstreit indes keine Rede sein. Das Normenkontrollgericht sieht es nicht als offene Frage an, ob die mit dem Einzelhandelskonzept verfolgten Ziele vorgeschoben sind. Nach seiner Darstellung ergeben sich für eine solche Annahme aus den Planaufstellungsakten „keinerlei Anhaltspunkte” (UA S. 10). Diese Aussage greift der Antragsteller nicht mit Verfahrensrügen an. Dass die Behauptung, die Festsetzungen in einem Bebauungsplan wiesen die Merkmale einer Verhinderungsplanung auf, keinem Prima-Facie-Beweis zugänglich ist, liegt auf der Hand und bedarf nicht eigens der Klärung in einem Revisionsverfahren. Zwar kommt der Beweis des ersten Anscheins auch im Verwaltungsprozess in Betracht (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1962 – BVerwG 6 C 39.60 – BVerwGE 14, 181 und vom 22. Oktober 1981 – BVerwG 2 C 17.81 – NJW 1982, 1893). Voraussetzung aber ist ein Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. September 2000 – BVerwG 2 C 5.99 – NJW 2001, 1878 und vom 1. März 1995 – BVerwG 8 C 36.92 – Buchholz 303 § 287 ZPO Nr. 3; vgl. auch BGH, Urteile vom 18. März 1987 – IV a ZR 205/85 – BGHZ 100, 214 und vom 30. September 1993 – IX ZR 73/93 – BGHZ 123, 311). Davon kann in dem vom Antragsteller angesprochenen Zusammenhang keine Rede sein.
d) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Antragsteller schließlich folgende, um zwei Hilfsfragen ergänzte Frage:
„Vermag ein Bebauungsplan, der den Verkauf im Einzelnen bestimmter Einzelhandelssortimente ausschließt, zumal unter dem Gesichtspunkt der nach Art. 12 und 14 GG geschützten Rechtspositionen als ‚erforderlich’ angesehen werden, solange die konkrete branchenspezifische Verkaufsflächensituation in der Gemeinde durch Gutachten oder Erhebungen sonstiger Art nicht festgestellt und Kaufkraftumlenkungen nicht prognostiziert sind?
Reicht für den Ausschluss bestimmter Sortimente aus einem Plangebiet eine ausdrückliche oder unausgesprochene Übernahme von Sortimenten aus bestimmten Listen (‚Kölner Liste’, ‚Freiburger Liste’) oder eine solche Übernahme von Listen aus Einzelhandelserlassen der jeweiligen Landesregierungen aus?
Reicht für den Ausschluss bestimmter Sortimente aus einem Plangebiet eine ausdrückliche oder unausgesprochene Übernahme von Sortimenten aus bestimmten Listen (‚Kölner Liste’, ‚Freiburger Liste’) oder eine solche Übernahme von Listen aus Einzelhandelserlassen der jeweiligen Landesregierungen aus, wenn es sich um Einzelhandelsbetriebe mit einer Geschossfläche von unter 1200 qm handelt?”
Keine dieser Fragen rechtfertigt die Zulassung der Revision. Die Hauptfrage wäre schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil sie an einen Sachverhalt anknüpft, der in Widerspruch zu den im Normenkontrollurteil getroffenen Feststellungen steht. Danach kann keine Rede davon sein, dass die vom Antragsteller bekämpfte Ausschlussregelung jeglicher empirisch-gutachtlichen Grundlage entbehrt. Nach der Darstellung der Vorinstanz (UA S. 10) fußt die Planung der Antragsgegnerin im Bereich des Einzelhandels auf einem im Mai 1997 erstatteten Gutachten. Mit den beiden Hilfsfragen scheitert der Antragsteller nicht an der Voraussetzung der Entscheidungserheblichkeit. Er zeigt indes keinen Klärungsbedarf auf. Nach der Rechtsprechung des Senats (a.a.O.) müssen Festsetzungen auf der Grundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO dem Erfordernis genügen, bestimmte Anlagentypen zu umschreiben. In dieser Hinsicht kommen als ein zur Konkretisierung geeignetes Mittel auch Sortimentsbeschränkungen in Betracht, sofern die Differenzierung marktüblichen Gegebenheiten entspricht. Der Rückgriff auf Listen in Einzelhandelserlassen oder sonstigen Orientierungshilfen ist unbedenklich, soweit dadurch bestimmte Arten von Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO zutreffend gekennzeichnet werden. Ob dies jeweils der Fall ist, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und entzieht sich jeglicher Verallgemeinerung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Berkemann, Halama
Fundstellen
Haufe-Index 660172 |
ZfBR 2002, 597 |
BRS 2002, 156 |