Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 15.03.2005; Aktenzeichen 24 BV 04.2755) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. März 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
I. Die auf Grundsatz- (1.), Divergenz- (2.) und Verfahrensrügen (3.) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger bringt sieben als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rügen gegen die Nichtzulassung der Revision vor a) bis g). Die Nichtzulassungsbeschwerde setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Die streitgegenständliche Verfügung und das dazu ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruhen auf Normen des nicht revisiblen bayerischen Polizei- und Ordnungsrechts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und/oder Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 7 B 177.89 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277; Beschluss vom 1. September 1992 – BVerwG 11 B 24.92 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. Beschluss vom 19. Juli 1995 – BVerwG 6 NB 1.95 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104). Wird eine Vorschrift des Landesrechts als bundesverfassungsrechtlich bedenklich angesehen, ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche verfassungsrechtliche Norm verstoßen wird und ob sich bei der Auslegung dieser Bestimmung Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich nicht aufgrund bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung – insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts – beantworten lassen (vgl. Beschluss vom 25. März 1999 – BVerwG 6 B 16.99 –). Daran fehlt es.
a) Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es “für die Annahme einer konkreten Gefahr, die zu Anordnungen im Einzelfall gemäß Art. 18 Abs. 2 BayLStVG vorausgesetzt wird, (genügt), wenn Hunde bestimmter Rassen ohne Maulkorb bzw. Leine geführt und nicht ausbruchsicher verwahrt werden, selbst dann, wenn die im Einzelfall gemaßregelten Individuen noch keinerlei Auffälligkeiten gezeigt und darüber hinaus einen Wesenstest bestanden haben”. Im selben Zusammenhang stellt er die Frage, ob es “für die Annahme einer konkreten Gefahr (genügt), wenn zu allgemein durch Hunde bestehenden Risiken … besondere Beißkraft, kräftiger Körperbau und andere rassespezifische Merkmale sowie ein denkbares Fehlverhalten potentieller Opfer hinzutreten”.
Diese Rüge bleibt ohne Erfolg. Zunächst ist der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil ausdrücklich davon ausgegangen, dass allein die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse keine Gefahr darstellt (Urteil S. 7); einem revisionsrechtlichen Angriff fehlt es insoweit am Ansatzpunkt in der Berufungsentscheidung. Die Rüge greift aber auch nicht durch, soweit die Frage des Vorliegens einer konkreten Gefahr – gemeint ist offensichtlich diejenige nach Art. 18 Abs. 2 BayLStVG – in den Zusammenhang mit der körperlichen Beschaffenheit eines Hundes gestellt wird. Die Beschwerde hätte dartun müssen, dass bei der Auslegung der landesrechtlichen Norm des Art. 18 Abs. 2 BayLStVG als korrigierender Maßstab bundesrechtliche Normen anzuwenden sind, die ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen. Dafür ist nichts vorgebracht worden und auch nichts ersichtlich.
b) Der Kläger hält außerdem für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es “mit der hergebrachten Eingrenzung des polizei- und ordnungsrechtlichen Gefahrenbegriffs, die Voraussetzung für eine bundesrechtlich gebotene hinreichende Bestimmtheit von Ermächtigungsgrundlagen für Eingriffe im Einzelfall ist (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG), vereinbar (ist), wenn eine konkrete Gefahr im Sinne des Art. 18 Abs. 2 BayLStVG bereits bei Hunden bestimmter Rassen (so genannten Kategorie-II-Rassen) nur wegen ihrer rassespezifischen Eigenschaften angenommen wird, ohne dass weitere individuelle Merkmale bzw. Umstände, die auf gesteigerte Aggressivität oder Gefährlichkeit schließen lassen, hinzutreten”.
Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Zum einen legt die Beschwerde nicht dar, inwieweit die Auslegung der von ihr angeführten bundesrechtlichen Norm – Art. 20 Abs. 1 und 3 GG – Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die in der bisherigen Rechtsprechung (s. insbesondere Urteil vom 3. Juli 2002 – BVerwG 6 CN 8.01 – BVerwGE 116, 347) noch nicht geklärt wurden. Zum anderen legt sie in die für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage etwas hinein, was dem Berufungsurteil gerade nicht entnommen werden und daher auch nicht zu seiner Aufhebung führen kann. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich ausgeführt: “Alleine die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse ist für sich gesehen noch nicht geeignet, eine Gefahr darzustellen.” (Urteil S. 7). Unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof vielmehr ausgeführt, der Umstand, dass ein Hund den Wesenstest nach § 1 Abs. 2 BayKampfhundeV bestanden habe, stehe einer Einzelfallanordnung nicht entgegen. Dies ergebe sich schon daraus, dass Art. 37 Abs. 1 und Abs. 2 BayLStVG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 BayKampfhundeV einerseits und Art. 18 Abs. 2 BayLStVG andererseits vollkommen unterschiedliche Regelungsbereiche beträfen. Art. 37 Abs. 1 BayLStVG schreibe vor, dass für das Halten eines Kampfhundes eine Erlaubnis erforderlich sei. Die Frage, ob im Einzelfall bei einem Hund nach § 1 BayKampfhundeVO eine konkrete Gefahr vorliegen könne oder nicht, sei allein mit der Listung nicht beantwortet. Sie sei vom Ansatz her nämlich schon gar nicht gestellt worden, da sie im vorgesehenen Prüfungsrahmen nicht zu entscheiden sei (Urteil S. 8). Die beiden Regelungsbereiche – einerseits Erlaubnispflicht nach Art. 37 BayLStVG, andererseits Einzelfallanordnung nach Art. 18 BayLStVG – hätten letztlich nichts miteinander zu tun (Urteil S. 9).
c) Für grundsätzlich klärungsbedürftig wird außerdem die Frage gehalten, ob es “mit dem bundesrechtlichen Gefahrenbegriff vereinbar (ist), anzunehmen, dass eine konkrete Gefahr von allen größeren Hunden im innerstädtischen/örtlichen Bereich ausgeht, wenn diese ohne Leine geführt werden, ohne dass besondere (ortsspezifische) Umstände hinzutreten”.
Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Mit ihr kann die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits nicht begründet werden. Es wird nämlich entgegen § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage zur Prüfung gestellt. Das Berufungsgericht hat den Anleinzwang für den klägerischen Rottweiler im innerörtlichen Bereich an Art. 18 Abs. 2 BayLStVG gemessen und dessen Voraussetzungen für erfüllt gehalten (Urteil S. 6 ff.). Dabei hat es – zusammenfassend – angenommen, dass bei einem frei herumlaufenden Rottweiler (oder anderen größeren Hund) der Eintritt eines Schadens für Leib und Leben möglich und nicht nur konstruiert oder entfernt denkbar sei. Ein solcher Schadenseintritt könne dadurch ausgeschlossen werden, dass der Hundehalter verpflichtet werde, den Hund in sachgerechter Weise an der Leine zu halten (Urteil S. 13). Die vom Verwaltungsgerichtshof unternommene Einschätzung der Gefährlichkeit eines innerörtlich frei herumlaufenden Rottweilers einerseits und des Leinenzwangs als Mittel zur Gefahrenverminderung andererseits betrifft die Tatsachen- und nicht die Rechtsebene.
d) Ferner wird für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten, ob “es mit dem bundesrechtlichen Gefahrenbegriff vereinbar (ist), anzunehmen, dass eine konkrete Gefahr von allen großen Hunden im Außenbereich ausgeht, wenn diese ohne Maulkorb geführt werden, ohne dass besondere (ortsspezifische) Umstände hinzutreten”.
Diese Rüge bleibt aus den vorgenannten Gründen ebenfalls ohne Erfolg. Ebenso wie beim innerörtlichen Leinenzwang kann die Behandlung des Maulkorbzwangs im Außenbereich nicht auf dem Wege der Grundsatzrüge zur Prüfung gestellt werden, weil sie im Berufungsurteil nicht als Rechts-, sondern als Tatsachenfrage behandelt worden ist.
e) Der Kläger hält außerdem für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob “eine konkrete Gefahr bei Verzicht auf Leine bzw. Maulkorb jedenfalls in den vorgenannten Bereichen dann anzunehmen (ist), wenn es sich nicht nur um große und beißkräftige Hunde handelt, sondern um solche der Rasse Rottweiler, weil Hunden der Rasse Rottweiler vom bayerischen Gesetzgeber angesichts der Aufnahme der Rasse in die Liste der so genannten Kategorie-II-Rassen ein besonderes Risikopotential beigemessen wird”.
Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Auch sie enthält keine in einem Revisionsverfahren zu beantwortende Rechtsfrage, weil sie einen rechtlichen Zusammenhang behauptet, der nach der verbindlichen Auslegung des bayerischen Landesrechts durch den Verwaltungsgerichtshof nicht besteht. Die Anordnung von Leinen- und Maulkorbzwang ist in Nr. 3 der streitgegenständlichen Verfügung vom 30. April 2003 enthalten. Nach der Begründung der Verfügung beruht sie insoweit auf Art. 18 Abs. 2 BayLStVG. In für das Revisionsgericht bindender Auslegung bayerischen Landesrechts hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die beiden Regelungsbereiche – einerseits die Erlaubnispflicht nach Art. 37 BayLStVG, andererseits die Einzelfallanordnung nach Art. 18 BayLStVG – letztlich nichts miteinander zu tun haben. Eindeutig belegt werde dies nicht zuletzt auch dadurch, dass Einzelfallanordnungen – nach Art. 18 Abs. 2 BayLStVG – selbst bei Hunden möglich seien, die weder in der Kategorie I, noch in der Kategorie II der BayKampfhundeV enthalten seien. Es spreche nichts dafür, dass der Verordnungsgeber mit der Aufnahme bestimmter Rassen in die BayKampfhundeV die Anforderungen an den Nachweis der konkreten Gefahr (bei Vorliegen eines positiven Wesenstests) im Einzelfall habe erhöhen wollen (Urteil S. 9). Demnach besteht keine Verbindung zwischen der das Erlaubnisverfahren auslösenden Listung von Hunden und der auf Gefahreneinschätzung beruhenden Anordnung im Einzelfall nach Art. 18 Abs. 2 BayLStVG, auf welcher die streitgegenständliche Anordnung beruht.
f) Der Kläger hält ferner für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es “mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (ist), wenn Halter bestimmter Hunderassen über die Verpflichtung hinaus, ihre Tiere aus Gründen der Gefahrenvorsorge einem Wesenstest zu unterziehen, grundsätzlich anlässlich der Beantragung des so genannten Negativtestats mit Anordnungen im Einzelfall auf Grundlage des Art. 18 Abs. 2 BayLStVG (Maulkorb- und Leinenzwang sowie ausbruchsichere Verwahrung) überzogen werden, während Halter anderer großer Hunderassen, die über ähnliche Beißkraft verfügen (z.B. Schäferhunde) ihre Tiere weder zum Wesenstest vorstellen müssen noch Anordnungen im Einzelfall ausgesetzt werden, solange keine besonderen individuellen Merkmale bzw. Auffälligkeiten ihrer Tiere hinzutreten, die auf eine konkrete Gefahr schließen lassen”.
Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Zwar wird mit Art. 3 Abs. 1 GG eine Norm des Bundesverfassungsrechts als rechtlicher Maßstab zur Klärung einer für grundsätzlich wichtig gehaltenen Frage angeführt. Die Rüge ist jedoch aus zwei Gründen abzuweisen. Zum einen wird keine Vorschrift des Landesrechts als bundesverfassungsrechtlich bedenklich angesehen, sondern eine behauptete gleichheitswidrige Verwaltungspraxis, deren tatsächliche Voraussetzungen vom Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt worden sind und daher auch nicht der revisionsgerichtlichen Prüfung zugrunde gelegt werden könnten. Zum anderen – und dies vor allem – wird nicht dargetan, ob und welche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sich bei der Auslegung der in Bezug genommenen bundesverfassungsrechtlichen Bestimmung ergeben könnten. Es genügt nämlich nicht, wie die Beschwerde dies tut, die maßgebliche Verwaltungspraxis als verfassungsrechtlich bedenklich anzusehen. Vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, ob sich bei Auslegung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Norm – hier Art. 3 Abs. 1 GG – Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich noch nicht auf Grund bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung – insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts – beantworten lassen. Dies hat der Kläger nicht getan.
g) Außerdem wird für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten, ob “die Anordnung gemäß Ziffer 3 des Bescheides vom 20. April 2003, wonach der Hund des Klägers ‘innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile an einer reißfesten Leine (zu führen) …’ und ‘freier Auslauf … nur außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile … mit angelegtem Maulkorb zulässig’ ist, mit den Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit der Anordnung im Hinblick auf das konkret gebotene Verhalten zu vereinbaren” sei.
Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Es handelt sich um eine Einzelfallfrage im Hinblick auf konkrete Örtlichkeiten ohne grundsätzlich zu klärende allgemeine Bedeutung.
2. Die vom Kläger erhobene Rüge der Abweichung des Berufungsurteils von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18); für die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes gilt Entsprechendes (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1994 – BVerwG 11 B 116.93 – Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 22). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 ≪S. 55≫; Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
Der Kläger bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe in seinen Entscheidungen BVerwG 6 CN 6.01 (Urteil vom 3. Juli 2002) und BVerwG 6 CN 8.01 (Urteil vom 3. Juli 2002 – Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 71 = BVerwGE 116, 347) den Rechtssatz aufgestellt, dass es den Anforderungen gemäß Art. 20 Abs. 1 und 3 GG bezüglich des Parlamentsvorbehalts und der hinreichenden Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungsnormen nicht genüge, wenn Maßnahmen der Gefahrenvorsorge zur Reduzierung von Risiken durch Hunde auf Gefahrenabwehrbestimmungen des Polizei- und Ordnungsrechts gestützt würden, denen ein herkömmlicher enger gefasster Gefahrenbegriff zu Grunde liege. Es habe darüber hinaus den Rechtssatz aufgestellt, dass in Ermangelung eines hinreichenden fachwissenschaftlichen und statistischen Kenntnisstandes in Bezug auf gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen (einschließlich des Rottweilers) Maßnahmen, die an der Rassezugehörigkeit dieser Tiere anknüpften, dem Bereich der Gefahrenvorsorge zuzuweisen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof weiche mit der Annahme konkreter Gefahren, die immer bereits dann bestehen sollten, wenn Hunde bestimmter Rassen ohne Maulkorb oder Leine geführt würden bzw. nicht ausbruchsicher untergebracht seien, von dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Er habe insofern den seine Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt, dass eine konkrete Gefahr bereits immer dann vorliege, wenn Hunde der in den Rassekatalog aufgenommenen Rassen ohne Maulkorb bzw. Leine umherliefen und nicht ausbruchsicher verwahrt würden, unabhängig davon, ob sie den vorgeschriebenen Wesenstest bestanden hätten oder nicht. Eine konkrete Gefahr dürfe immer bereits dann angenommen werden, wenn zur “allgemeinen Hundegefahr” Merkmale wie besondere Beißkraft, kräftiger Körperbau oder auch nur ein mögliches Fehlverhalten potentieller Opfer hinzukämen.
Es mag dahinstehen, ob es sich bei den vom Kläger in Beziehung zueinander gesetzten Zitatstellen überhaupt um untereinander vergleichbare entscheidungserhebliche abstrakte Rechtssätze handelt oder – im Falle der dem Verwaltungsgerichtshof zugeschriebenen Sätze – nicht um bloße Rechtsanwendung. Die Rüge bleibt jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil das Berufungsurteil nicht in zutreffender Weise wiedergegeben worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass allein die Zugehörigkeit einer Hündin zu einer bestimmten Hunderasse, und zwar auch zu derjenigen der Rottweiler, für sich gesehen noch nicht geeignet sei, eine Gefahr darzustellen (Urteil S. 7). Dabei hat er sich ausdrücklich auf diejenige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezogen, wonach sich allein aus der Zugehörigkeit zu einer Hunderasse nach dem Erkenntnisstand der Fachwissenschaft nicht ableiten lasse, dass von den Hundeindividuen Gefahren ausgingen (Urteil vom 18. Dezember 2002 – BVerwG 6 CN 1.02 –). Eine Divergenz abstrakter Rechtssätze liegt insoweit also nicht vor.
Das Berufungsurteil steht aber auch nicht im Widerspruch zum vorgenannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2002 (a.a.O.), soweit der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat, dass keine ernsthaften Bedenken daran bestehen könnten, dass Rottweiler über eine erhöhte Beißkraft verfügten und dies in der Vergangenheit auch mehrfach zu erheblichen Verletzungen und tödlichen Unfällen geführt habe; es bestehe daher kein Zweifel daran, dass bei einem frei herumlaufenden Rottweiler der Eintritt eines Schadens für Leib und Leben möglich und nicht nur konstruiert oder entfernt denkbar sei (Urteil S. 13). Auch insoweit werden nicht vergleichbare rechtliche Situationen einander gegenübergestellt, denn die Auslegung im Berufungsurteil betrifft die Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes in Art. 18 Abs. 2 BayLVStG, während das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung betrifft. Das Bundesverwaltungsgericht hat es in dem vorgenannten Urteil zudem nach der damals geltenden Gesetzeslage in Niedersachsen – mit einer Verordnungsermächtigung nach dem Vorbild der polizeilichen Generalklausel – ohne Weiteres für möglich gehalten, dass der Verordnungsgeber zur Abwehr der von Hunden unzweifelhaft ausgehenden Gefahren eine rechtsgültige Verordnung mit anderem Inhalt – als dem einer Rasseliste – hätte erlassen können (BVerwGE 116, 347 ≪355 f.≫).
3. Die Beschwerde ist aber auch nicht begründet, soweit ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Diesen sieht der Kläger darin, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausweislich des Sitzungsprotokolls eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Tierschutz, Verhaltenskunde und Tierhygiene der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Titel ”Überprüfung der gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit von Rottweilern und Rottweilermischlingen im Rahmen der Auswertung von Wesenstests in Bayern” übergeben habe, die wiederum dem Klägervertreter einen Tag vor der mündlichen Verhandlung zugegangen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe diese gewichtige wissenschaftliche Untersuchung schlechterdings ignoriert und sich stattdessen auf ältere Erkenntnisse des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs bezogen. Damit habe das Berufungsgericht entgegen § 108 Abs. 1 VwGO wesentliche Umstände übergangen, und es seien wesentliche Teile des Akteninhalts unberücksichtigt geblieben.
Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt “aktenwidrig” festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffs (vgl. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss also “zweifelsfrei” sein (vgl. Beschluss vom 19. November 1997 – BVerwG 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1; Urteil vom 2. Februar 1984 – BVerwG 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338). Die Verfahrensrüge der “Aktenwidrigkeit” verlangt eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (Beschluss vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226). Diesen Anforderungen genügt die Rüge nicht.
Es fehlt an der schlüssig vorgetragenen Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Das angegebene Gutachten der Ludwig-Maximilians-Universität München ist ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz ausführlich erörtert worden. Im Tatbestand des Berufungsurteils wird auf diese Niederschrift ausdrücklich Bezug genommen. Es trifft also nicht zu, dass der Verwaltungsgerichtshof “diese gewichtige wissenschaftliche Untersuchung schlechterdings ignoriert” habe. Das Gutachten setzt sich mit der Aufnahme von Rottweiler-Hunden in die so genannte Kategorie II durch die Bayerische Verordnung zur Änderung der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 4. September 2002 (Bay GVBl 2002 S. 513) auseinander. Eine vertiefte Befassung mit diesem Gutachten war aus zwei Gründen nicht geboten. Zum einen kam es nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung der auf Art. 18 BayLVStG beruhenden Verfügung nicht auf die Kategorisierung in der vorgenannten, auf Art. 37 BayLVStG beruhenden Verordnung an, weil die Regelungsbereiche beider Normen nichts miteinander zu tun haben (Urteil S. 9); dementsprechend beruht das Berufungsurteil auch nicht tragend auf der Kategorisierung von Hunden nach der vorgenannten Verordnung. Zum anderen vertritt das Berufungsgericht die Ansicht, dass allein die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse für sich gesehen noch nicht geeignet ist, eine Gefahr darzustellen (Urteil S. 7); insofern befindet es sich in der Konsequenz nicht in einem inhaltlichen Widerspruch zu dem vom Kläger vorgelegten Gutachten der Ludwig-Maximilians-Universität München.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, weil sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Streitwertentscheidung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Graulich, Bier
Fundstellen