Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 05.05.2022; Aktenzeichen 1 C 11367/21.OVG) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
Rz. 2
1. Die Divergenzrüge führt nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 3
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem u. a. in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n. F.≫ VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Rz. 4
Die behauptete Abweichung von dem Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2011 - 4 B 32.11 - (ZfBR 2012, 378) ist nicht dargetan. Die Beschwerde benennt schon keinen abstrakten Rechtssatz, mit dem das Oberverwaltungsgericht von einem in dieser Entscheidung aufgestellten Rechtssatz abgewichen sein soll, sondern kritisiert in der Sache die Rechtsanwendung durch das Normenkontrollgericht in Bezug auf die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Das reicht zur Darlegung einer Divergenz nicht aus (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n. F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 16. Juni 2020 - 4 BN 53.19 - juris Rn. 3).
Rz. 5
2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
Rz. 6
a) Ein Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.
Rz. 7
Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht u. a., die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht dieser Pflicht genügt. Es ist namentlich nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Um dem Bezeichnungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu genügen, muss die Begründung darlegen, welches Vorbringen das Gericht (angeblich) nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt dieses Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42; Beschluss vom 28. Juli 2021 - 4 BN 26.21 - juris Rn. 2).
Rz. 8
Hieran gemessen verfehlt die Beschwerde die Anforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie übergeht, dass die Anmerkung des Oberverwaltungsgerichts, wonach das überplante Grundstück nicht mehr als dem faktischen reinen Wohngebiet "Im Schlag" zugehörig angesehen werden könnte, lediglich ergänzend erfolgte und ersichtlich nicht entscheidungstragend ist ("Davon abgesehen spricht viel dafür"; UA S. 8). Das angefochtene Urteil kann hierauf nicht beruhen. Das gilt in gleicher Weise, soweit die Beschwerde diesbezüglich einen Aufklärungsmangel geltend macht.
Rz. 9
b) Auch mit der Verfahrensrüge, das Oberverwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt, insofern seine Aufklärungspflicht verletzt und den Antrag deshalb zu Unrecht als unzulässig abgelehnt, dringt die Beschwerde nicht durch.
Rz. 10
aa) Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren nur eine Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Bebauungsplan Gegenstand der Normenkontrolle und der Betroffene nicht Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen (stRspr, BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 ≪220 ff.≫). Abwägungserheblich sind dabei aber nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An Letzterem fehlt es bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren. Darlegungspflichtig ist der Antragsteller. Er muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die nach diesen Maßstäben die Verletzung in eigenen Rechten als möglich erscheinen lassen (stRspr, zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 9.19 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 222 Rn. 18 m. w. N.).
Rz. 11
Nach dem Beschluss des Senats vom 28. September 2022 - 4 BN 6.22 - kann aus einem Gebietserhaltungsanspruch die Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan folgen, wenn dieser die Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung eines bereits vorhandenen Bebauungsplans ändert und hierdurch ein bis dahin bestehender Anspruch auf Gebietserhaltung beseitigt wird. Gleiches muss gelten, wenn im unbeplanten Innenbereich die faktische Gebietsart im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB durch einen Bebauungsplan geändert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 ≪155 ff.≫). Dabei ist jedoch zu beachten, dass der die Erhaltung der Gebietsart betreffende Nachbarschutz im unbeplanten Innenbereich auf die nähere Umgebung im Sinne der wechselseitigen Prägung der benachbarten Grundstücke begrenzt ist und folglich keineswegs alle Grundstücke in der Umgebung umfasst, die zu derselben Baugebietskategorie gehören (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 191 - juris Rn. 7; Urteil vom 28. April 2004 - 4 C 12.03 - juris Rn. 28). Bei einer - wie hier - Entfernung von ca. 130 m Luftlinie zwischen dem Grundstück des Antragstellers und dem überplanten Grundstück genügt daher die pauschale Berufung auf einen Gebietserhaltungsanspruch nicht. Vielmehr ist darzulegen, dass und inwiefern sich die Grundstücke trotz der Entfernung wechselseitig prägen. Das leistet die Beschwerde nicht.
Rz. 12
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Normenkontrollgericht bei der Entscheidung über die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht befugt, den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Damit scheidet eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO schon tatbestandlich aus (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2021 - 4 BN 3.21 - juris Rn. 7).
Rz. 13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen