Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Rückübertragung des Grundstücks R.…-Straße 50 – 52 in B.… nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes (VermG). Das Grundstück stand unter staatlicher Verwaltung; Verwalter war zuletzt das Dienstleistungsamt für Ausländische Vertretungen in der DDR (DAV). In den Jahren 1973/74 führte das DAV nach eigenen Angaben eine Generalrekonstruktion des Hauses mit einem Kostenaufwand von über 445 000 Mark durch. Im Dezember 1987 beschloss der Rat des Bezirks B.… “zur Sicherung der bereits durchgeführten Instandsetzung/Modernisierung gemäß § 22 des Baulandgesetzes” die Enteignung des Grundstücks; die Entschädigung wurde auf 37 930 Mark festgesetzt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Rückübertragung des Grundstücks abgewiesen, weil kein vermögensrechtlicher Schädigungstatbestand vorliege; die Revision hat es nicht zugelassen.
Die Klägerin hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt und beantragt, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Antrag war zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Es ist kein Grund für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO gegeben.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
a) Zur Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG auch erfüllt ist, wenn die Überschuldung auf der möglichen, aber unterbliebenen Vereinnahmung kostendeckender Mieten beruhte, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie lässt sich ohne weiteres anhand der Vorschrift des § 1 Abs. 2 VermG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 VermG muss die Überschuldung “aufgrund nicht kostendeckender Mieten” eingetreten sein oder unmittelbar bevorgestanden haben. Das Gesetz anerkennt als wiedergutmachungsbedürftige Schädigung nur den Eigentumsverlust, der auf die Niedrigmietenpolitik der DDR und die daraus folgende wirtschaftliche Bedrängnis der Eigentümer von Mietwohngrundstücken zurückzuführen war (Beschluss vom 7. Dezember 1998 – BVerwG 7 PKH 13.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 165 S. 513). Die Niedrigmietenpolitik der DDR war aber nicht Ursache für die Überschuldung des Grundstücks, wenn der Eigentümer oder Verwalter aus eigenem Antrieb oder aus Nachlässigkeit die – wie es in der Frage der Klägerin heißt: möglichen – kostendeckenden Mieten nicht erhoben hat.
Auch die weitere Frage, inwieweit eine Überschuldung eines Grundstücks als Grund für eine Enteignung zu berücksichtigen ist, wenn die Enteignung mit einer anders lautenden Begründung angeordnet worden war, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren; sie kann anhand der Rechtsprechung ohne weiteres bejaht werden. So hat der Senat für die Fälle des Eigentumsverzichts, der Schenkung und der Erbausschlagung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG entschieden, dass es nicht auf die abgegebene Erklärung des Betroffenen allein ankommt, sondern dass den wahren Gründen für die Aufgabe des Eigentums nachzugehen ist (Urteil vom 24. Juni 1993 – BVerwG 7 C 27.92 – BVerwGE 94, 16 ≪19≫). Für den Enteignungsgrund kann nichts anderes gelten. Dementsprechend hat der Senat die Auffassung vertreten, dass eine Enteignung nach dem Baulandgesetz, die auf die Inanspruchnahme des Grundstücks als Bauland oder z.B. für die Modernisierung des Gebäudes gestützt war, die Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG nicht von vornherein ausschließt (Beschluss vom 2. Juni 1995 – BVerwG 7 B 210.95 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 46). Die Erwägung, dass es nicht allein darauf ankommt, welcher Enteignungsgrund von den staatlichen Organen angegeben worden war, sondern der wahre Grund für die Inanspruchnahme des Vermögenswertes entscheidend ist, liegt auch der Rechtsprechung des Senats zu § 1 Abs. 3 VermG zugrunde. Der Senat hat es gerade als unlautere Machenschaft angesehen, wenn die staatlichen Organe ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben nur vorgeschoben haben, um in Wahrheit zu gänzlich anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113 S. 346). Aus dieser Rechtsprechung lässt sich der Schluss ziehen, dass der Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG erfüllt sein kann, auch wenn ein anderer Grund der Enteignung angegeben worden ist, die Enteignung aber tatsächlich auf Grund der Überschuldung erfolgte.
b) Die Klägerin möchte ferner geklärt wissen, ob die Sicherung eines Hauses als “Deviseneinnahmequelle” durch ein staatliches Organ der DDR eine unlautere Machenschaft darstellt. Diese Frage bedarf zur Klärung ebenfalls nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Mit “Deviseneinnahmequelle” meint die Klägerin, wie sich aus den weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung ergibt, die Einnahmen aus der Vermietung des Hauses, die sie deshalb als “Deviseneinnahmequelle” bezeichnet, weil das Gebäude an eine Botschaft aus einem nichtsozialistischen Staat vermietet war. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Verwaltungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Sicherung von “Deviseneinnahmen” Zweck der Inanspruchnahme des Grundstücks war. Es hat lediglich darauf verwiesen, dass das “von der Klägerin vermutete Motiv” nicht ausschlaggebend gewesen sein könnte. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war mit der Enteignung die nachträgliche Sicherung der Baukosten bezweckt.
c) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin ferner die Frage an, ob nach dem Baulandgesetz der DDR auch eine Enteignung wegen bereits durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen zulässig war. Diese Frage betrifft kein revisibles Recht und ist deshalb in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
Soweit die von der Klägerin aufgeworfene Frage darauf zielen sollte, ob eine Enteignung wegen bereits durchgeführter Baumaßnahmen als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen ist, würde sie ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die Enteignung eines Grundstücks erst nach der Durchführung der Baumaßnahmen allein noch keinen Machtmissbrauch darstellt, wenn eine Enteignung zur Durchführung der Baumaßnahmen zum damaligen Zeitpunkt nach DDR-Recht zulässig gewesen wäre; es handelt sich insoweit um eine nachträgliche Fehlerkorrektur, die eine entstandene “formelle” Gesetzeswidrigkeit nachträglich beseitigen soll (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113 S. 348 f.; Beschluss vom 28. März 2000 – BVerwG 7 B 19.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 12). Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass die Enteignung zum Zeitpunkt der Durchführung der Baumaßnahmen auf der Grundlage des damaligen DDR-Rechts nicht zu verwirklichen war. Unter dieser Voraussetzung beruht die nachträgliche Inanspruchnahme des Grundstücks zu dem Zweck, in der Vergangenheit aus staatlichen Mitteln getätigte Investitionen in das Grundstück zu sichern, auf unlauteren Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113 S. 348 f.; Beschluss vom 23. Juli 2002 – BVerwG 7 B 12.02 –).
d) Ebenso wenig kann die weitere Frage, inwieweit ein einfacher Verstoß gegen DDR-Vorschriften im Zusammenhang mit bereits vorangegangenen gegen DDR-Recht verstoßenden Einwirkungen auf ein Grundstück eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG begründet, zur Zulassung der Revision führen. Diese Frage lässt sich ohne weiteres anhand der Rechtsprechung beantworten. Die einfache Rechtswidrigkeit eines Enteignungsaktes unterhalb der Schwelle der Willkürlichkeit reicht für die Annahme der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG nicht aus. Denn diese Vorschrift will keinen Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten allein deshalb gewähren, weil bei einer vermögensentziehenden Maßnahme Regelungen des DDR-Rechts nicht beachtet worden sind (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113 S. 346). Nach § 1 Abs. 3 VermG setzt eine vermögensrechtliche Schädigung über den Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR hinaus vielmehr zusätzlich voraus, dass im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise auf den Vermögenswert zugegriffen wurde.
2. Die Klägerin rügt ferner, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts von den nachfolgend angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abweiche (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Diese Rügen haben keinen Erfolg.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Verwaltungsgericht nicht von dem in dem Urteil des Senats vom 28. April 1998 – BVerwG 7 C 28.97 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 152 S. 465) aufgestellten Rechtssatz abgewichen, die Anwendung des § 1 Abs. 3 VermG sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Überführung des Vermögenswertes in Volkseigentum auch auf rechtmäßige Weise hätte herbeigeführt werden können. Das Verwaltungsgericht hat keinen hiermit in Widerspruch stehenden Rechtssatz aufgestellt, sondern lediglich mit Blick auf die Entscheidung des Senats vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113) geprüft, ob für eine Enteignung zum Zeitpunkt der Durchführung der Baumaßnahmen eine Rechtsgrundlage bestanden habe. Es hat mithin nicht auf eine hypothetische Kausalität abgestellt, sondern vielmehr untersucht, ob eine der Voraussetzungen, die nach dem genannten Senatsurteil für die Annahme des § 1 Abs. 3 VermG vorliegen müssen, gegeben war.
b) Ebenso wenig liegt die geltend gemachte Abweichung von dem Urteil des Senats vom 26. Juni 1997 (a.a.O.) vor. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass aus der Vornahme von Aufwendungen für den Umbau eines Gebäudes zu repräsentativen Zwecken, die ein staatlicher Verwalter in Überschreitung seiner Befugnisse vorgenommen hat, eine faktische Überschuldung eines Grundstücks nicht resultieren könne, hat das Verwaltungsgericht nicht aufgestellt. Das Verwaltungsgericht hat es vielmehr als zweifelhaft bezeichnet, ob in tatsächlicher Hinsicht überhaupt eine Überschuldung des Grundstücks bestanden habe, und im Ergebnis die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG verneint, weil eine etwaige Überschuldung nicht ursächlich für die Enteignung des Grundstücks gewesen sei.
3. Auch die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat seine Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt.
a) Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage, ob und in welcher Währung sowie in welcher Höhe das DAV Mieteinnahmen für das Grundstück und die darauf befindliche Botschaftsresidenz eingenommen hat, den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht, insbesondere nicht die Akten des früheren DAV beigezogen habe. Hätten sich die von ihr vermuteten hohen Deviseneinnahmen des DAV bestätigt, wäre eine Enteignung zur Sicherung des Hauses als “Deviseneinnahmequelle” anzunehmen. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die anwaltlich vertretene Klägerin keinen Antrag auf Beiziehung der Akten des früheren DAV gestellt. Eine solche Beweiserhebung musste sich dem Verwaltungsgericht – auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag – nicht aufdrängen (vgl. Beschluss vom 22. Februar 1988 – BVerwG 7 B 28.88 – NVwZ 1988, 1019). Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass das DAV in der Vergangenheit Mieteinnahmen erzielt hat. Für die Frage, ob die Enteignung bezweckte, sich zukünftig die Einnahmen aus der Vermietung des Gebäudes zu sichern, kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe und in welcher Währung diese Einnahmen in der Vergangenheit erzielt worden waren. Davon abgesehen würde eine derartige Absicht in dem vorliegenden Fall allein noch nicht die Annahme einer unlauteren Machenschaft begründen. Wenn es sich – wie hier – um ein Gebäude handelt, das von vornherein zur Vermietung bestimmt war und bei dem die Investitionen gerade mit Blick auf den Vermietungszweck vorgenommen wurden, liegt es auf der Hand, dass der Zweck, die mehrere Jahre zuvor faktisch vorgenommene Inanspruchnahme nachträglich zu “legalisieren” und damit die vorgenommenen Investitionen zu sichern, auch die “Sicherung” der Erträge aus der Vermietung dieses Gebäudes umfasste; dies schließt eine gesonderte Beurteilung allein der Sicherung der Mieteinnahmen als Enteignungszweck aus.
b) Die Klägerin rügt ferner, dass es das Verwaltungsgericht unterlassen habe zu ermitteln, ob das Grundstück überhaupt als Aufbaugebiet ausgewiesen und ob die vom DAV aufgewendeten Mittel in den Volkswirtschaftsplan aufgenommen worden seien. Auch diese Rüge hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Auffassung vertreten, dass es für die Frage, ob eine nachträgliche Enteignung eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt, darauf ankommt, ob für eine Enteignung zum Zeitpunkt der Durchführung der Baumaßnahmen eine Rechtsgrundlage bestand. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung, die für die Beurteilung von Verfahrensmängeln zugrunde zu legen ist, konnte sich das Verwaltungsgericht darauf beschränken festzustellen, dass nach der Aufbauverordnung und der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz vom 29. September 1972 (GBl DDR S. 641) eine Inanspruchnahme des Grundstücks zum Zweck der Durchführung der Baumaßnahmen zulässig gewesen wäre. Von dem rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts kam es nicht darauf an, ob auch die weiteren Voraussetzungen wie die Ausweisung eines Aufbaugebietes und die Aufnahme der Maßnahmen in den Volkswirtschaftsplan erfüllt gewesen waren. Maßgebend war für das Verwaltungsgericht allein, ob es sich um einen zulässigen Aufbauzweck handelte.
Unterschriften
Gödel, Kley, Neumann
Fundstellen